Thomas Metzinger: Wenn man wissen will, was „Willensfreiheit“ bedeutet, muss man verstehen, was der „Wille“ eigentlich ist und was wir eigentlich mit „Freiheit“ meinen. Den Willen hat man noch nie gesehen, im Gehirn oder auch irgendwo sonst in der objektiven Welt findet man ihn nicht. Was es natürlich gibt ist, ist die Phänomenologie des bewussten Wollens, das subjektive Erleben der Kontrolle und des Initiierens einer willkürlichen Handlung. Diese Phänomenologie muss man ernst nehmen, sie besitzt zum Beispiel neuronale Korrelate, die man isolieren und wissenschaftlich erforschen kann und die man dann auch mathematisch und komputational modellieren kann.
Eine interessante Eigenschaft dieser Phänomenologie ist übrigens, dass sie „evasiv“ ist: Je genauer, sorgfältiger und intensiver Sie den Vorgang des Wollens in sich beobachten – zum Beispiel dann, wenn Sie absichtlich ihren Arm heben – desto subtiler und flüchtiger wird dabei das bewusste Erleben selbst. Wenn sie ehrlich sind und nicht einfach nur unkritisch kulturell überlieferte Sprachspiele nachplappern, dann wird bei der ernsthaften Erforschung ihres eigenen Geistes in der Introspektion nämlich immer unklarer was genau Sie da eigentlich erleben. Das Erleben ist eine Sache, die Art, wie wir es beschreiben, eine ganz andere. Weiterlesen →