systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

3. Januar 2015
von Tom Levold
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OSC 2014

OSC 2014: 21(4)

OSC 2014: 21(4)

Liebe Leserinnen und Leser,

zum Neuen Jahr wünsche ich Ihnen alles Gute – möge das ein gutes, friedliches und gesundes Jahr für uns alle sein!

Das vergangene Jahr war ein interessantes Jahr für das systemagazin, mit einem Re-Launch im Sommer und einem spannenden und diskussionsreichen Adventskalender im Dezember. Ich hoffe, dass die besseren Möglichkeiten zur Kommentierung auch in diesem Jahr dazu einladen, Stellungnahmen und Kommentare zu den einzelnen Beiträgen beizusteuern – das Systemische Feld braucht Debatten. Wenn Sie Lust haben, selbst einen Beitrag für das systemagazin zu verfassen, wäre das natürlich noch schöner: Ihre Texte sind mir jederzeit herzlich willkommen.

Ins neue Jahr startet systemagazin mit einer kleinen Zeitschriftenlese. Nach und nach wird das Archiv mit den bibliografischen Angaben der gelisteten Zeitschriften ins neue Layout überführt. Aktuell ist der 21. Jahrgang von OSC (Organisationsberatung Supervision Coaching) abgeschlossen, ein interessanter Jahrgang, der sich in seinen Themenheften unter anderem mit Reflexionen zum Charakter von Organisationsberatung, Coaching und Supervision als professionellen Beratungsformaten beschäftigte, oder mit der Frage, ob Supervision und Coaching in unendlichen vielen Feldern nutzbar gemacht werden könne. Das aktuelle Heft hat den Themenschwerpunkt „Kompetenzen von Führungskräften und Coaches“.

Wie immer finden Sie alle bibliografischen Angaben und abstracts, allerdings seit dem vergangenen Jahrgang übersichtlich jahrgangsweise, und zwar hier…

24. Dezember 2014
von Tom Levold
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Frohe Weihnachten!

merry christmasLiebe Leserinnen und Leser des systemagazin,

ich wünsche Ihnen allen frohe Weihnachten und ruhige Festtage, wo immer Sie sie auch verbringen werden. In den letzten 24 Tagen ist ein Adventskalender zum Thema „systemisch – was fehlt?“ entstanden, der so lebendig war wie nie. Dafür möchte ich an dieser Stelle allen Autorinnen und Autoren danken, aber vor allem auch allen Leserinnen und Lesern, die die Kommentarfunktion genutzt haben und sich an der Diskussion der vielen wirklich diskussionswürdigen Beiträge beteiligt haben. Mit diesem Diskurs haben Sie auch mir ein großes Geschenk gemacht, denn das war eigentlich die Idee, die mich zum systemagazin angestiftet hat, das übrigens am 26.1.2015 seinen 10. Geburtstag feiert. Aber vielleicht liegt die Lust am Diskurs, an den Theorien (und ihren Schwachstellen) heute wieder mehr in der Luft als in den vergangenen Jahren, als alle Energie eher in die Bemühungen um die Anerkennung der Systemischen Therapie als „wissenschaftlich fundiertes“ Verfahren hineingeflossen ist.

Wie auch immer, wenn Sie Lust haben, systemagazin zum 10. Geburtstag zu gratulieren (in welcher Form auch immer), können Sie das gerne auch jetzt schon tun, indem Sie mir einfach eine email senden.

Aber nun heißt es Baum schmücken, kochen und gut essen, die Familienmitglieder beschenken und innehalten im Alltagsstress – und für manche auch der spirituellen Dimension des Weihnachtsfestes nachspüren. Dabei wünsche ich Ihnen alles Gute, Genuss, Vergnügen und Besinnlichkeit.

Herzliche Grüße

Tom Levold, Herausgeber systemagazin 

24. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Danke, mir fehlt nichts

Andreas Manteufel, Bonn: Danke, mir fehlt nichts!

24adventDas Adventskalenderthema von Tom Levold erinnert an die Eingangsfrage beim Hausarztbesuch: „Was fehlt Ihnen denn?“. Beantwortet wird diese Frage dann mit einer Auflistung dessen, was man hat, nämlich Beschwerden, Schmerzen, Fieber, ein Drücken hier, ein Ziehen da, bis der Arzt eine Vermutung äußert, was uns gesundheitlich fehlt oder, anders gewendet, was wir haben. Vielleicht schreibt er uns krank und wir nutzen die Zeit, um darüber nach zu denken, ob es sich besser mit einen Zuviel oder einem Zuwenig lebt.

Ich kann aber, bezogen auf die diesjährige Adventskalenderfrage, beruhigt abwinken: Mir fehlt nichts, jedenfalls nichts Ernsthaftes.

Ob sich Systemiker kritischer über gesellschaftliche Entwicklungen äußern sollten? Das muss jeder selbst entscheiden. Der systemische Ansatz liefert genug Stoff dafür, versteht er sich doch als ein Arbeiten „mittendrin“ im Geschehen von Familien, Gruppen, sozialen Netzen. Systemtheorien bieten ausreichend Material für entlarvende politische Analysen. Aber auch jeder Analytiker, Verhaltenstherapeut oder sonstige Vertreter irgendeiner Richtung kann sein soziales Engagement, wenn es ihm denn danach ist, mit seiner Theorie unterfüttern – und viele tun es ja. Aber das ist vielmehr eine persönliche als eine fachliche Entscheidung. Weiterlesen →

23. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Auseinandersetzung

Sabine Klar, Wien:

23adventWas ich trotz aller Sympathie noch einmal sagen wollte …

… du weißt eh, dass es nerven wird, wenn du wieder die kritische Stimme erhebst, so als ob nicht auch du Teil des ganzen „Systems“ wärst.

Ich bin schon lange nicht mehr so widerständig wie früher, bin so wie alle anderen reifer und etablierter geworden und will in Ruhe „mein Ding“ machen.

Widerstand ist halt einfach auf Dauer für alle Beteiligten sehr anstrengend. Auch du willst, dass dein Leben und das deiner KlientInnen  funktioniert, dass es läuft, das kleine Rädchen in der großen Maschinerie seines sozialen Kontextes. Auch du begeisterst dich schnell für Geschichten, die das ermöglichen. Mit den schwer veränderbaren Lebenslagen, von denen dir manche KlientInnen erzählen – als „Unglück“ oder „Elend“ eher negativ konnotiert – tust auch du dir schwer. Dauernd schaust du aus nach realisierbaren Aufträgen, Zielen Lösungsbewegungen, Möglichkeiten der Veränderung, Handlungs- und Gestaltungsoptionen im Unglück.

Leidende Menschen wird es angesichts der Auflösung des Individuums in relationale Identitäten vielleicht sowieso bald nicht mehr geben. Und Probleme auch nicht, da es sich ja auch dabei bloß um Geschichten handelt. Weiterlesen →

22. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Ein Blick zurück in die Zukunft

Martin Rufer, Bern:

22adventBin ich da nicht geneigt zu sagen „nichts“, denn nicht für nichts habe ich das „Systemische“ gewählt, schon früh als viele meiner jüngeren systemischen Kolleginnen und Kollegen noch gar nicht erst mal auf der Welt waren. Und doch wie war das damals genau vor 40 Jahren als ich an der Universität in meinem Psychologiestudium mit Lern- und Entwicklungstheorien, vor allen Dingen aber mit viel Empirie und Statistik konfrontiert und geimpft wurde, da war für viele von uns doch die Psychoanalyse ein interessantes, v.a. auch gesellschafts- und wissenschaftskritisches Gegenmodell, das unsere Lust am Denken und Debattieren anregte. Etwas später dann ging es zur Sache. Es war die Zeit der Encountergruppen mit viel Selbsterfahrung, bei mir im Rahmen einer Gestalttherapie. Bei Rogers fanden wir dann ein Modell für die Gestaltung der Beziehung mit künftigen Klienten. Auch wenn ich dabei immer kritisch blieb, hat dies bei mir bis auf den heutigen Tag Spuren hinterlassen, weil es eben einen selbst berührte und darum auch gut verstehen kann, warum heute einige Kolleginnen und Kollegen, darunter nicht wenige Systemiker, auf der Achtsamkeitswelle surfen und ins EFT abtauchen, mit Schematherapeutischem Fehlendes ergänzen oder in einer persönlichen Krise auch ganz gerne mal einen Psychoanalytiker aufsuchen.

Ja, und doch half mir all das, damals Ende der 70er Jahre, als ich auf der Erziehungsberatung erstmal besorgten Eltern und entnervten Lehrern begegnete und reihenweise Schulreife- und Legasthenieabklärungen machen musste, dann eben doch recht wenig. Genauso wie kurz darauf, als ich in der therapeutischen Gemeinschaft als frischgebackener Psychologe und viel 68er Idealismus mit jungen Drogenabhängigen konfrontiert wurde. Da erschien mir dann das „Systemische“, dieses ganzheitlichen Denken, das ich zwar von der Uni her kannte, praxisrelevanter und pragmatischer. Erst da konnte ich aber verstehen, was es heisst den Menschen eingebettet in seinem familiären und sozialen Kontext zu sehen. Und so begannen wir dann ja auch Anfang der 80 er Jahre die Eltern aktiv in unsere alternative Milieutherapie einzubeziehen, mit mehr oder weniger Erfolg natürlich, aber doch mit grosser Zufriedenheit, weil sich hier Perspektiven auftaten und ich das Gefühl hatte mit Minuchin, Haley, Ericson, später dann De Shazer, den Brigern, Mailändern und den Heidelbergern nun endlich eine therapeutische Heimat gefunden zu haben. Weiterlesen →

21. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Die Muskeln des Beobachters

Franz Friczewski, Hannover:

21advent„Die Muskeln des Beobachters“ – so überschreibt Arno Widmann einen Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 6.12.2014.  Eingefleischte Systemtheoretiker mag diese Wortwahl irritieren – ich lese sie als Hinweis auf das, was mir im systemtheoretischen Diskurs fehlt: das Muster, das die Perspektive Maturanas und die Luhmanns verbindet.

Beide Autoren gelten als die Väter der Systemtheorie, beobachten Systeme aber von unterschiedlichen, sich gegenseitig scheinbar ausschließenden Positionen aus: der eine (als Biologe) vom Individuum, der andere (als Soziologe) von der Gesellschaft her. Sie stehen spiegelbildlich zueinander; jeder verortet sich im blinden Fleck des jeweils Anderen. Die Kontroverse wurde bis heute nie wirklich ausgetragen; vielleicht ist jetzt aber die Zeit dafür gekommen. Aus meiner Sicht ist sie keineswegs „nur theoretisch“, sie könnte den Systemtheorie-Diskurs in vieler Hinsicht voranbringen. Am Ende könnte sich  eine systemische Begrifflichkeit herausschälen, die dem gewöhnlichen Denken weniger sperrig gegenübersteht als noch im Moment, obwohl sie ihm (wie in dem berühmten Bild von Magritte) weiterhin einen ungewöhnlichen Spiegel vorhält.

Ich arbeite seit längerem an den Grundlagen einer solchen Begrifflichkeit (siehe hier). Im Folgenden möchte ich ein paar Gedanken dazu vorstellen. Über Feedback würde ich mich natürlich freuen.

Um eines vorwegzunehmen: das verbindende Muster lässt sich nicht fest-stellend beobachten. Wir müssen es uns eher wie einen Tanz ineinandergreifender Teile vorstellen, wie G. Bateson sagte; entscheidend sind dabei nicht die Teile, sondern ihr „Tanz“, das Wie ihres Sich-Verbindens.

Als Schlüssel dafür sehe ich die Frage, wie wir uns das Prozess-Muster vorstellen können, mit dem sich biologische, psychische und soziale Systeme gegenseitig hervorbringen; d. h. wie ihre Ko-Produktion denkbar und möglich ist. Meine These: wir müssen das Muster im Sprach-Handeln suchen. Weiterlesen →

20. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Schattenseiten!

Noah Artner, Wien: Systemisch kann alles! … oder?

20adventEin kecker Kollege sprach mich letztens an und meinte: „Ihr Systemiker, ihr glaubt doch wirklich, ihr könnt alles gleich gut.“ Abgesehen von den Untertönen, die ich hier beiseite lassen möchte, habe ich mir doch darüber Gedanken gemacht. Umso mehr trifft es sich gut, dass Tom Levold heuer danach fragt, was dem systemischen Ansatz fehle.

Passend dazu schrieb Kollegin Iris Seidler in der Mitgliederzeitschrift der Lehranstalt für systemische Therpie über die Schönheit und Gefahr der systemisch-therapeutischen Beziehung. Was mich zu dem ersten Punkt meiner Überlegungen führt. Oft werden systemische Interventionen und Angebote als elegant und schön beschrieben. An unseren Fahnen prangt die Lösungsorientierung und Resourcenfokussierung, die ich, nebenbei bemerkt, nach wie vor sehr schätze. Wir befassen uns größtenteils mit Ausnahmen, guten Aspekten und Lösungen. Aber was ist mit unseren Schattenseiten, Dämonen und nicht so schönen Seiten? In unserer alltäglichen Arbeit werden wir immer wieder damit konfrontiert und manchmal merke ich, dass es ohne das genauere Hinsehen, das Aushalten und das Annehmen nicht geht. Vielleicht sind wir auch manchmal eher der Schöngeistigkeit zugewandt, wem wäre es zu verdenken.

Ich habe den Eindruck, dass SystemikerInnen oft sehr kritisch und auch mutig an neue Inhalte, Theorien und Strömungen herangehen und doch kenne ich diesbezüglich wenig Literatur, wo sich KollegInnen eben mit diesen Aspekten vertieft auseinandersetzen. Auch hinsichtlich  der Anforderung, dass Psychotherapie  nicht nur heilend wirken soll, sondern auch  Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung ermöglichen soll würde dann auch bedeuten, dass wir manchmal eben genauer hinsehen und nicht nur schnell reparieren sollen. Als besonders schmerzhaft erlebe ich es, wenn besonders im Wirtschaftsbereich Systemikerinnen auf die Methoden und Tools reduziert werden oder sich selbst darauf reduzieren. Ich weiß nicht, ob dies mit fehlendem Wissen oder zu wenig Auseinandersetzung mit der systemischen Haltung zu tun hat. Gerade letztere halte ich so besonders wertvoll und unersetzlich an unserer Richtung. Weiterlesen →

19. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Das Alter!

Thomas Friedrich-Hett, Essen:

19adventKann systemisch Alter? Oder vielleicht etwas klarer formuliert, widmen sich systemische Beraterinnen/Berater und Therapeutinnen/Therapeuten älteren Menschen und den damit zusammenhängenden Fragen und Ängsten?

Beim Aufruf zum Adventskalender 2014 zu überlegen, was im systemischen Feld vielleicht fehlt, wo blinde Flecken sind oder was zu kurz kommen könnte, war meine spontane innere Antwort sofort formuliert: das Alter.

„Dem Leben das Alter geben“, hat es Klaus Zitt einmal in einem Interview formuliert (Friedrich-Hett, 2005, a). In systemischer Fachliteratur wird das Thema kaum fokussiert, auf Tagungen und Kongressen fristet es auch eher noch (zumindest hoffe ich dies!) ein Schattendasein, das kaum Interessenten anzieht. Wer nach systemischen Kolleginnen und Kollegen sucht, die mit älteren Menschen arbeiten, mag sich an die Suche nach der Nadel im Heuhaufen erinnert fühlen.

Woran könnte dies liegen? In Zeiten des demografischen Wandels müsste doch hinreichendes Interesse bestehen, oder?

Wagen wir ein kleines, selbstreflexives Experiment, um die „Woran-Frage“ auszuloten (vgl. Friedrich-Hett, 2010):

Teil 1: Bitte stellen Sie sich vor, sie wären 75 Jahre alt. Wie werden Sie sich fühlen? Mit welchen körperlichen Einschränkungen und Schmerzen werden Sie leben müssen? Werden Sie Pflege benötigen? Was oder wen werden Sie alles verloren haben? Werden sie einsam oder arm sein? – Und was denken Sie nach diesen Fragen über das Älterwerden?

Teil 2: Bitten stellen Sie sich erneut vor, 75 Jahre alt zu sein. Aber konzentrieren Sie sich nun auf den Reichtum an Freiheiten und Möglichkeiten, der noch vor Ihnen liegen wird. Was werden Sie tun, wofür Sie früher nie Zeit hatten? Von welchen Lasten und ungeliebten Pflichten werden Sie befreit sein? Welchen Dingen werden Sie sich gerne zuwenden? Wohin werden Sie gerne reisen? Mit wem werden Sie gerne zusammen sein? – Und was denken und fühlen Sie nach diesen Fragen über das Älterwerden? Weiterlesen →

18. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? „homonymes“ Bewusstsein!

Rolf Todesco, Aeugstertal:

18adventDie Frage „was fehlt?“ ist in vielen Hinsichten ambivalent. Ich frage mich beispielsweise, ob klare Begriffe wirklich fehlen, wenn diese bestimmte Problemlösungen oder Therapieerfolge nur stören würden. Ich will nicht von notwendig falschem Bewusstsein sprechen, sondern nur fragen, inwiefern ein je bestimmtes kontingentes Bewusstsein fehlt oder einfach nur – fast zum Glück für die Sache – nicht vorhanden ist. Ich habe also keine Ahnung, ob ein allenfalls fehlender Systembegriff einer systemischen Therapie fehlen würde. Ich bin kein Therapeut und schon gar kein systemischer und kann die Frage, was der systemischen Therapie fehle, deshalb nur in einer – systemtheoretischen – Aussensicht angehen.

Was im systemischen Diskurs sehr oft nicht vorhanden scheint, ist das Bewusstsein, dass Wörter unter dem Gesichtspunkt eines Homonyms beobachtet werden können. Das gewöhnlichste Beispiel eines Homonyms ist wohl der Ausdruck „Bank“, der für ein Sitzmöbel und für eine Finanzinstitution steht. Ein oft verdrängtes Beispiel ist System, weil System für unglaublich vieles verwendet wird. Wenn ich den Ausdruck System nicht als Homonym erkenne, weiss ich nie, wovon die Rede ist, noch nicht einmal wovon ich selbst spreche, wenn ich System oder „systemisch“ sage. Oft fehlt mir dann nichts, vielmehr scheint mir der Ausdruck dann überflüssig oder als zu viel. Weiterlesen →

17. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Wärme!

Lothar Eder, Mannheim:

Es gibt Reiche unterhalb
von Vernunft und Sprache.

Daniel Kehlmann: Berholms Vorstellung

17adventDie Frage ist verführerisch, gewiß. Zumindest für mich, der sich im systemischen Mainstream nicht mehr so ganz beheimatet fühlt. Ich könnte sie also als willkommene Einladung nützen, vieles zu kritisieren, zu bemängeln. Doch das wäre nicht fair. Verdanke ich doch der systemischen Therapie so vieles in meiner persönlichen und professionellen Entwicklung.

Denke ich aber ernsthaft über die Frage nach, was denn fehle, so kommt mir ein Begriff: Wärme. Es fehlt an Wärme. Nicht so sehr in der systemischen Praxis, soweit sie mir geläufig ist. Sie fehlt meiner Meinung nach jedoch im Überbau, in der (Meta-)Theorie. Systemische Praxis und (Meta-)Theorie aber fallen, wie zuletzt Alain Schmitt (Fam.Dyn. 2/2014) eindrücklich zeigen konnte, deutlich auseinander, ja, sie stehen oft sogar in Widerspruch zueinander (bezogen etwa auf die behauptete Nichtinstruierbarkeit von Individuen). Vielmehr unterscheidet sich ein nicht unerheblicher Teil systemischen Handelns nicht wesentlich von therapeutischen Methoden und Haltungen, die aus dem Kontext der humanistischen Therapie stammen (hierzu zählt auch die „Ressourcenorientierung“, also das Ermutigen von Patienten, ihre inhärenten Potentiale zu erkennen und auszuschöpfen).

Man findet in der systemischen Community, wie es neudeutsch so schön heißt, gewiß spontan einigen Zuspruch für die Aussage, daß die Zeiten Sigmund Freuds längst hinter uns liegen. Freuds Projekt aber hatte – unter vielen anderen – einen wesentlichen roten Faden: er forderte die Einheit von Forschen und Heilen. Damit war und ist bis heute im psychoanalytischen Projekt gewährleistet, daß in der (Meta-)Theorie mit den gleichen Annahmen und Kategorien operiert wird wie in der Praxis. Für die systemische Therapie in ihrem praktischen Vollzug gilt dies jedoch nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt. Schmitt (s.o.) liefert hierfür zahlreiche Beispiele und Belege, sie brauchen an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden.

Wärme scheint mir ein wesentliches Merkmal, wenn es um die Frage geht, was Menschen brauchen; was somit auch diejenigen Künste benötigen, die sich mit der Begleitung, Unterstützung und Heilung von Menschen beschäftigen. Eben diese Wärme aus der Systemtheorie zu beziehen, scheint so gut wie ausgeschlossen. Warum, möchte ich nachfolgend erläutern. Weiterlesen →

16. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Eine systemische Prüfungstheorie

Silvia Puhani, Braunschweig:

16adventAls Vertreterin eines aus meiner Sicht vom Systemischen Ansatz noch vernachlässigten Anwendungsgebiets, spüre ich die Unzulänglichkeiten der dort noch vorherrschenden linear-kausalen Denkansätze in meiner täglichen Arbeit.

Mein Beruf lässt sich ziemlich treffend mit der Aufgabe eines Hofnarren in einem Herrscherhaus vergleichen, der das Herrschaftsgebiet inkl. der Untertanen zu beobachten und dem Herrscher über dessen Einflussbereich Bericht zu erstatten hat. Dies stellt jeden Hofnarren vor verschiedenste Herausforderungen: Im Wesentlichen hat er

  • Informationen zu sammeln, und zwar auf eine Weise, durch die diese möglichst wenig verzerrt werden. Auch soll dies zukünftig möglich bleiben, ohne Qualität und Vollständigkeit zu beeinträchtigen.
  • Informationen zu bewerten, und zwar möglichst objektiv und richtig.
  • eventuell vorhandene Unzulänglichkeiten oder Mängel nachzuweisen, deren Ursachen zu erklären und jeweils Maßnahmen vorzuschlagen bzw. zu vereinbaren, um den Mangel zu beheben.
  • Bericht zu erstatten, wobei die meist unliebsamen Nachrichten dem Herrscher so zu übermitteln sind, dass der eigene Kopf möglichst dran bleibt.

Der Beruf nennt sich übrigens „Interner Revisor“ bzw. die Berufsgruppe ganz allgemein „Prüfer“. Weiterlesen →

15. Dezember 2014
von Tom Levold
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systemisch – was fehlt? Ein schnelles Pferd

Dörte Foertsch, Berlin:

15adventIn der Mongolei gibt es ein Sprichwort dass heißt: Ein ehrlicher Mensch braucht ein schnelles Pferd.

Die Haltung von Neutralität und Allparteilichkeit trägt in der systemischen Szene nicht unerheblich dazu bei, dass es kaum noch ernsthafte Diskussionen oder gar Streit um Positionen gibt. Neutralität und Allparteilichkeit, alle sind gemeinsame Beteiligte an einem System. Dabei wird immer mal wieder vergessen, dass diese beiden Prämissen sich auf Menschen auch unabhängig von ihrem Tun und Denken anwenden lassen. Neutralität oder auch Wertschätzung eines Menschen muss sich ja nicht auf sein Handeln beziehen. Ist das im Miteinander von Systemikern in Vergessenheit geraten?

Manchmal fallen die eigenen Prämissen einem selber auf die Füße oder wer anderen eine Grube gräbt fällt selbst hinein.

Systemiker schwimmen manchmal in einer gemeinsamen Suppe in der die einzelnen Bestandteile verrührt und verkocht sind, nichts dass ich etwas gegen gute Suppe hätte, aber der Mensch braucht auch etwas zum Beißen.
Dem Systemischen fehlt eine bissige Streitkultur. Es fehlt der Mut sich zu positionieren ohne die Konsequenz, als nicht systemisch plötzlich angezählt zu werden. Weiterlesen →