
Kontext 45(4) – 2014
Kurz vor den Feiertagen ist die letzte Kontext-Ausgabe 2014 erschienen. Im Editorial heißt es:
„Das aktuelle Heft ist als »freies Heft« also keinem spezifischen Thema zuzuordnen, sondern enthält eine Reihe von sehr anregenden und lesenswerten Beiträgen, die unterschiedliche theoretische, konzeptuelle, praktische und forschungsbezogene Akzente setzen und die Lebendigkeit des systemischen Feldes einmal mehr unter Beweis stellen.
Den Anfang macht Christoph Schneider, der sich Gedanken macht über das Begriffspaar Sinn und Struktur. Akzeptiert man das Luhmannsche Theorem, dass Sinn das Medium ist, vermittels dessen sich soziale und psychische Systeme strukturell koppeln, und den grundsätzlichen Verweisungszusammenhang darstellt, in dem Kommunikation und Denken jeweils für sich Anschlussmöglichkeiten auswählen, gibt es so etwas wie Sinnlosigkeit nicht, es sei denn, damit ist das Ende des Systems gemeint. Um dennoch das therapeutisch bekannte Thema von Sinnlosigkeit oder -mangel aufgreifen zu können, sucht Schneider im Anschluss an die Vorstellung unterschiedlicher Sinnbegriffe einen anderen, dritten Weg, der zwischen den polarisierten Kategorien von Sinn und Nicht-Sinn Zwischenräume ausloten will. Eine ähnliche Operation nimmt er mit dem Begriffspaar Struktur und Strukturlosigkeit vor. »Jenseits des Bezugs auf verlässlichen Sinn droht nicht zwangsläufig der abrupte Absturz in die Sinnlosigkeit, und hinter der Struktur lauert nicht unvermittelt das Schreckgespenst des Chaos. Es existieren vielmehr Übergangsräume und ›Zwischenlagen‹ (Giesen, 2010), die, dank ihrer klassifikationsfreien Offenheit und Unbestimmtheit, weder Sinn noch Sinnlosigkeit, weder Struktur noch ungeordnetes Chaos sind. Diese Übergangszonen zwischen Sinn und Sinnlosigkeit, zwischen Struktur und Chaos repräsentieren ein in der Schwebe gehaltenes Drittes …«. Dabei nimmt sein Text durchaus die eine oder andere kühne theoretische Wendung, was aber sein Anregungspotenzial nicht mindert, sondern eher vergrößert. Wer aufmerksam liest, wird Bezüge zu einem Konzept der Präsenz »diesseits der Hermeneutik« (H.-U. Gumbrecht) herstellen können, auch ohne dass hierauf im Text Bezug genommen würde: Das in der Schwebe gehaltene Dritte kann nämlich jenseits von Sinngebung oder Sinnverlust auch als unmittelbare und unvermittelte Begegnung verstanden werden, das sich als pure Resonanz einer Sinndeutung entzieht. Weiterlesen →