
Klaus Antons & Monika Stützle-Hebel (2015): Feldkräfte im Hier und Jetzt
Heute vor 125 Jahren wurde Kurt Lewin geboren. Er war einer der wichtigsten und einflussreichsten deutschsprachigen Psychologen des 20. Jahrhunderts, der 1947 im Alter von nur 56 Jahren viel zu jung gestorben ist. In den zwanziger Jahren war er gemeinsam mit Max Wertheimer, Wolfgang Köhler und Kurt Koffka ein wichtiger Pionier der Gestaltpsychologie. Als jüdischer Hochschullehrer erfasste er früh die Gefahr durch den Nationalsozialismus und knüpfte rechtzeitig Kontakte in die USA. 1932 erhielt er eine halbjährige Gastprofessur an der Stanford University in Kalifornien und emigrierte dann 1933 endgültig in die Vereinigten Staaten. Dort knüpfte er schnell Kontakte und war unter anderem mit Margaret Mead und Gregory Bateson befreundet, mit denen er gemeinsam auch an der Auftaktveranstaltung der legendären Macy-Konferenzen in New York 1946 teilnahm, die eine wichtige Weichenstellungsfunktion für die sich entwickelnde kybernetische Bewegung innehatte. Heute ist er in erster Linie als ein Wegbereiter der der Gruppendynamik und Pionier der Human-Relations-Bewegung in Erinnerung, eine etwas einseitige Perspektive, die der Breite des vielfältigen Theorie- und Forschungsspektrums Lewins nicht gerecht wird.
Zum 125jährigen Geburtstag ist nun im Carl-Auer-Verlag ein von Klaus Antons und Monika Stützle-Hebel herausgegebener Sammelband zu Ehren Lewins erschienen. Beide arbeiten als Trainer und Dozenten für Gruppen- und Organisationsdynamik und haben eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen versammelt, die sich dem feldtheoretischen Ansatz von Kurt Lewin verpflichtet fühlen. In seinem Geleitwort zum Buch unterstreicht Heiner Keupp die Vielseitigkeit Lewins: „Wenn wir einen aktuellen Psychologieprofessor und sein Fachprofil mit dem von Kurt Lewin vergleichen, dann fällt zuerst auf, was für einen breiten Bildungshintergrund Kurt Lewin hatte: neben unterschiedlichsten Teilbereichen der Psychologie war er auch in der Philosophie, der Medizin, in der Physik oder der Biologie verankert und hat dieses Wissen auch in unterschiedlichsten Kontexten eingesetzt. Heute sind akademische Hochschullehrerkarrieren offensichtlich nur noch in einem engen Fachkorridor möglich, gefördert wird Expertenschaft in einem hochspezialisierten Teilbereich und nicht selten entsteht daraus auch ein fachlicher Tunnelblick. Es dürfte wenige Psychologen geben, die in so unterschiedlichen Bereichen wie der Wahrnehmungspsychologie, der Gestaltpsychologie, der Methodologie, der Jugendforschung, der Gruppendynamik, der Motivationspsychologie, der ökologischen Psychologie oder der Führungsforschung weltweit beachtete Impulse gegeben haben“ (S. 6). Dem kann man nur zustimmen. Insofern ist es sehr erfreulich, dass der dezidiert systemische Carl-Auer-Verlag das Jubiläum zum Anlass nimmt, an Kurt Lewin zu erinnern. Weiterlesen →




In der aktuellen Ausgabe von Family Process stehen Forschungsarbeiten im Mittelpunkt, vor allem Arbeiten aus einer Forschungsgruppe, die sich mit familiären Mustern (Gender, Elternschaft, Übertragung kultureller Wertvorstellungen etc.) von Familien in den USA beschäftigen, die einen mexikanischen Migrationshintergrund haben. Eine Arbeit von Conroy Reynolds und Carmen Knudson-Martin thematisiert „Gender and the Construction of Intimacy among Committed Couples with Children“, Luana Ferreira, Peter Fraenkel u.a. finden in einer Studie heraus, dass Autonomie und Veränderung das Begehren in Paarbeziehungen unterstützt, während Konflikte und Kinder beeinträchtigende Faktoren sind (sic!). Ein interessanter Artikel untersucht, inwieweit das Konzept der „Boundary Ambiguity“ Erklärungsmöglichkeiten dafür anbietet, warum misshandelte Frauen ihre Partner nicht verlassen. Christina Hunger, Jan Weinhold et al. präsentieren hier noch einmal die auf Deutsch schon präsentierten Ergebnisse ihrer Untersuchung der Effekte von Aufstellungsseminaren. Bemerkenswert ist vor allem ein sehr offen kritisches Editorial des Herausgebers Jay Lebow über Interessenkonflikte von Autoren bei Veröffentlichungen in Family Process, in dem er deutlich macht, dass viele Familienforschungsprojekte ebenso wie neue Therapiekonzepte in erster Linie den Zweck verfolgen, die Arbeit der AutorInnen bekannt zu machen und zu Erfolg zu verhelfen. Dies gilt natürlich in besonderer Weise für Arbeiten der Selbstbeforschung bzw. Selbstevaluation, die selten den Zweck verfolgen, die eigene Arbeit kritisch unter die Lupe zu nehmen. Gleichwohl dürften, da Lebow zufolge das allgemeine Interesse an diesen Arbeiten eher gering ausfällt, solche Arbeiten kaum das Licht der Welt erblicken, wenn man hier zu strenge Maßstäbe hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte anlegen würde. Deshalb plädiert er für eine abgewogene Publikationspolitik. Für die Family Process gelten aber ab 2015 neue Richtlinien für die Veröffentlichung von Interessenkonflikten, die über die Bekanntgabe finanzieller Zuwendungen (die ja eher bei medizinischen Veröffentlichungen seitens der Pharma-Konzerne ein Problem darstellen) auch andere Konflikte benennen müssen.