Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF)
Die DGSF ist ein Fachverband mit mehr als 6.000 systemischen Therapeutinnen und Therapeuten, Beraterinnen und Beratern und Familientherapeuten in Deutschland. Aufbauend auf der psychosozialen Expertise ihrer Mitglieder tritt sie in ihren Grundwerten* ein für ein hohes Maß an Gewaltfreiheit, persönlicher Freiheit, sozialer Gerechtigkeit, Solidarität, Teilhabe, ökosozialem Ausgleich und informationeller Selbstbestimmung in unserer Gesellschaft.
Viele DGSF-Mitglieder sind professionell oder ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit aktiv. Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen und Diskussionen zur Flüchtlingsarbeit erfolgt diese Stellungnahme.
Für eine großzügige Aufnahme und Integration von Einwanderern und Flüchtlingen in Deutschland sprechen aus Sicht der DGSF zahlreiche Gründe:
- Sie ist unvermeidlich. Mit der Globalisierung von Waren- und Touristenströmen wird die Einwanderung von Menschen auch aus wirtschaftlich armen Ländern sowie Krisen- und Kriegsgebieten in reiche Länder nicht aufzuhalten sein, unabhängig davon, welche Barrieren errichtet werden. Einwanderung aus Notlagen kann nicht dauerhaft verhindert, sondern nur human oder inhuman gestaltet werden.
- Sie ist humanitär. Deutschland kann einen seiner Wirtschaftsleistung entsprechenden Anteil von Flüchtlingen aufnehmen und integrieren. Deutschland hat seit dem 2. Weltkrieg in mehreren Wellen Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen (mehr als 12 Millionen 1945), Gastarbeitern (rund 3 Millionen bis zum Anwerbestopp 1973) und Aussiedlern (über 2 Millionen 1990 bis 1999) aufgenommen und langfristig integriert. Das ist auch jetzt wieder möglich. Vorstellbar scheint uns – verteilt über die nächsten Jahre – die Aufnahme von insgesamt mindestens fünf Prozent der jetzigen weltweiten Flüchtlingszahl von rund 60 Millionen, also von etwa 3 Millionen Flüchtlingen.
- Sie ist gerecht. Deutschland profitiert als exportstarkes Land wirtschaftlich stärker als die meisten anderen Länder dieser Welt von offenen Grenzen. Es fließt weit mehr Geld (Reichtum) aus der Welt nach Deutschland, als aus Deutschland in die Welt. Deshalb ist die Einwanderung aus ärmeren in reichere Länder Folge und zugleich Ausgleich dieser wirtschaftlichen Ungleichgewichte.
- Sie ist wirtschaftlich sinnvoll angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland. Ohne Zuwanderung wird die Bevölkerung Deutschlands bis 2050 voraussichtlich um rund 20 Prozent schrumpfen, mit mehr alten und weniger jungen Einwohnern als heute. Deshalb ist es sinnvoll, wenn vorwiegend jüngere Immigranten diese Lücke füllen und die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands auch zukünftig sicherstellen.
- Sie ist machbar. Deutschland hat die Produktions-, Verwaltungs-, Dienstleistungs- und Bildungspotentiale bzw. kann diese mit vertretbarem Aufwand mittelfristig aufbauen, um mehrere Millionen Neubürger erfolgreich aufzunehmen und zu integrieren. Dies zeigt auch das umfangreiche, kompetente, anfangs spontan improvisierte und dann professionalisierte Engagement vieler professioneller und ehrenamtlicher Flüchtlingshelferinnen und Flüchtlingshelfer.
In dieser Ressourcenlage ist die Integration vieler Einwanderer und Flüchtlinge wesentlich zunächst eine Willensfrage, dann eine Frage kluger Organisation. Über ihr Gelingen bestimmen die Köpfe, Herzen und Entscheidungen der Beteiligten. Das Boot ist nicht „voll“. Es bedarf aber einer entsprechenden Ressourcenausstattung (vor allem der Kommunen), um diese Möglichkeiten und Potenziale nutzbar zu machen.
Deshalb spricht sich die DGSF für eine offensiv propagierte, langfristig und vorausschauend geplante, umfangreich und engagiert durchgeführte Aufnahme- und Integrationspolitik für Kriegs-, Folter-, Klimawandel- und Armutsflüchtlinge aus. Sie kann und wird als psychosozialer Fachverband dazu beitragen
- Fachkräfte und Ehrenamtliche in der Flüchtlingsberatung zu qualifizieren und zu unterstützen durch Weiterbildung, Supervision und Fachberatung,
- Fachleute zu finden, die in lokalen und regionalen Konfliktfeldern der Flüchtlingsaufnahme und -integration vorbeugend und vermittelnd mitwirken.
Die DGSF empfiehlt ihren Mitgliedern eine Unterstützung dieser Position in den Diskussionen an ihren Wohn- und Arbeitsorten.
Wir sind nicht naiv. DGSF-Mitglieder wissen aus ihrer professionellen Arbeit um die Ängste vieler Menschen vor zu viel Fremdem und Unbekanntem, vor Besitzstandsverlusten, vor kulturellem Wandel. Sie wissen um die Konflikte und Umstellungsprobleme sowohl der Flüchtlinge wie der Einheimischen, und sie respektieren die damit verbundenen Sorgen vieler Menschen. Sie wissen auch um Beispiele misslungener Integration in den vergangenen Jahrzehnten. Aber sie wissen, dass in einer global vernetzten Welt in Krisenzeiten massenhafte Bevölkerungswanderungen nicht verhindert, sondern nur human oder inhuman gestaltet werden können. Die DGSF tritt dafür ein, dass sie human gestaltet werden.
Dr. Björn Enno Hermans, Vorsitzender
Prof. Dr. Jochen Schweitzer, Gesellschaftspolitischer Sprecher im Mai 2016
* Grundwertepapier der DGSF, verabschiedet von der Mitgliederversammlung 2015:
DGSF e. V.
Jakordenstraße 23 | 50668 Köln www.dgsf.org

Bevor das erste Heft der Zeitschrift „Systeme“ des Jahrgangs 2016 an den Start geht, möchte ich noch auf die ertragreichen beiden Hefte des vergangenen Jahrgangs hinweisen. In Heft 1 fragt Hans Lieb „Was muss eine Systemtherapie im Gesundheitswesen bewältigen, um eine Systemtherapie im Gesundheitswesen zu bleiben?“, eine Frage, die die Systemische Therapie in den kommenden Jahren noch verstärkt umtreiben wird. Ein weiterer Text von Sybille Vosberg befasst sich mit dem „weitgehend unbestellten Feld“ der systemisch-lösungsorientierten Begutachtung in familiengerichtlichen Verfahren. Ein ziemlich gewagter Artikel von Simon Springmann versucht, „mögliche Anknüpfungspunkte zwischen Nietzsches perspektivischem Denken und dem systemlschen Ansatz“ zu finden. In Heft 2 fordert Klaus Ottomeyer, angesichts der kapitalistischen Krise in Zeiten des Neoliberalismus Individuen als „Arbeitende, als Liebende und als Kämpfende eine je spezifische soziale Anerkennung“ zuteil werden zu lassen. Ulrike Borst macht einem sehr verbreitenswerten Text über „Ethik in der Psychotherapie aus systemischer Perspektive“ klar, das „Nicht alles geht“! Zwei weitere Texte beziehen sich auf die Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen aus entwicklungspsychologischer Sicht (Fabienne Becker-Stoll) und auf Kriegsenkel in Therapie und Beratung (Ingrid Meyer-Legrand). Schließlich ist noch ein Tagungsbericht zur SG-Jahrestagung 2015 in München zu erwähnen (Florian Wiedemann), die ganz dem Change-Management-Ansatz von Otto Scharmer („Theorie U“) gewidmet war. Als schöner Kontrast schließt das aktuelle Heft mit einer sehr lesenswerten Kritik der Theorie U ab, die Stefan Kühl auf der Tagung vortrug und die erfreulicherweise mit diesem Heft auch einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird. Darüber hinaus enthält der Jahrgang auch wieder zahlreiche gehaltvolle Rezensionen (die meisten vom Rezensionsaltmeister und systeme-Spiritus Rector Wolfgang Loth) und leistet damit auch wieder einen wunderbaren Beitrag gegen den Niedergang der Rezensionskultur in unseren Breitengraden.

Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) und die Systemische Gesellschaft (SG) vergeben erstmals gemeinsam einen systemischen Forschungspreis. Der mit 3000 Euro dotierte Preis wird auf einer internationalen systemischen Forschungstagung im März 2017 verliehen. Bewerbungen sind ab sofort möglich.


Erika Gollor, erfahrene Lehrerin an einer Montessori-Grundschule, und NLP-Practitioner mit einer Ausbildung in Systemischer Pädagogik, hat 2015 im Carl-Auer-Verlag ein Buch über Systemische Pädagogik in der Grundschule mit dem Titel „Hier fühle ich mich wohl“ veröffentlicht. Susanne Steinebrunner aus Köln hat es gelesen und empfiehlt es als „ein Buch aus der Praxis für die Praxis!“. Aber lesen Sie selbst…