systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

13. August 2016
von Tom Levold
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Systemische Sozialarbeit – Freiheit und Verantwortung im Individualismus?

Familiendynamik-2016-03

„Seit Ende der 1970er Jahre ist die Sozialarbeit Bestandteil der »systemischen Bewegung«. Durch die Offenheit der Ausbildungsgänge in Familientherapie bzw. später Systemischer Therapie und Beratung konnten viele SozialarbeiterInnen teilnehmen, auch wenn ihr Setting keine Therapie im engeren Sinne erlaubte. Dennoch ließen sich systemische Modelle und Methoden auf ihre Arbeitsfelder – die häufig viel mehr umfassten als Beratung – übertragen. Heute hat der systemische Ansatz innerhalb der Sozialen Arbeit einen großen Stellenwert und ist aus der Praxis nicht mehr wegzudenken. Zeit also, den Fokus auf dieses gesellschaftlich wichtige Praxisfeld zu richten.“ So beginnt Hans Rudi Fischer sein Editorial von Heft 3/2016 der Familiendynamik, die die Frage nach Freiheit und Verantwortung im Individualismus? ins Zentrum des Themenschwerpunktes rückt, eine Frage also, die automatisch Diskussionsstoff liefert. Hierzu tragen Artikel von Björn Kraus (Systemisch-konstruktivistische Lebensweltorientierung. Lebenswelt versus Lebenslage – vom Nutzen einer Unterscheidung für die Gestaltung professioneller Interaktion), Wolf Ritscher (Kinderschutz und Jugendhilfe heute – Was ist möglich, was ist nötig, was ist hilfreich?) und Heiko Kleve mit einer überraschenden und nicht unproblematischen Verteidigung des Neoliberalismus bei, dem er eine Nähe zur soziologischen Systemtheorie attestiert: „ Neoliberalismus und soziologische Systemtheorie verbindet sowohl das Konzept der Selbstorganisation als auch die Konsequenzen, die aus diesem Konzept gezogen werden“ (Systemische Sozialarbeit und Liberalismus. Plädoyer für soziale Selbstorganisation und individuelle Autonomie – eine Diskussionsanregung; 209). Außerdem rekapituliert Heiner Keupp in einem lesenswerten Aufsatz (Von der Re-Sozialisierung von Normalität und Abweichung) die Geschichte der „intensive fachlichen Kontroversen zu den Fragen von Normalität und Devianz“ und kritisiert die aktuelle Tendenz zur Medikalisierung der Psychotherapie und die damit verbundene „Sozialen Anamnese“ hinsichtlich einer »gesellschaftsdiagnostischen« Perspektive. Also Diskussionsstoff zur Genüge. Alle bibliografischen Angaben und abstracts gibt es hier…

12. August 2016
von Tom Levold
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Therapien müssen vertraulich bleiben – Geplante Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht ist unverhältnismäßig

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.) kritisiert in hohem Maße die Forderungen von Bundesinnenminister de Maizière, die ärztliche Schweigepflicht zu lockern. Am Donnerstag (11.08.2016) will de Maizière dies mit weiteren Punkten in einem Maßnahmenkatalog des Bundesinnenministeriums zur Erhöhung der Sicherheit in Deutschland vorstellen. Die BAfF lehnt eine Lockerung der Schweigepflicht für ÄrztInnen, PsychologInnen und PsychotherapeutInnen ab. Der psychologische Fachverband bewertet diesen Vorstoß nicht nur als unverhältnismäßig, sondern vor allem auch als nicht zielführend. Therapien müssen auch weiterhin vertraulich stattfinden können.

Die Schweigepflicht ist der Grundstein für ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen PsychotherapeutIn und KlientIn. „Viele meiner KlientInnen kommen aus Ländern, in denen es keine Patientenrechte gibt. Wenn sie  nun auch hier in Deutschland befürchten müssten, dass die Inhalte, die sie mit mir in der Therapie teilen, diesen Raum verlassen, dann würden sie mir Vieles gar nicht erst anvertrauen“, erklärt Elise Bittenbinder, Vorsitzende der BAfF.

Der Vorstoß des Innenministers wähnt sich im Sinne der Gewaltprävention, in seiner Konsequenz jedoch beschneidet er die psychosoziale Arbeit in genau dieser Intention: Eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung bietet die Chance, spannungsgeladene Gedanken zu bearbeiten, Hoffnungs- und Zukunftslosigkeit zu überwinden und damit auch nach innen und/oder nach außen gerichtete Wut zu kontrollieren. Eine Lockerung der Schweigepflicht hätte letztlich nur zur Folge, dass sich viele Menschen nicht mehr die Hilfe suchen werden, die sie dringend bräuchten. Weiterlesen →

8. August 2016
von Tom Levold
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Wo Coaching zu Hause ist

Martens-Schmidt_Coaching_zuhauseKann Coaching „zu Hause“ sein? Auf den ersten Blick irritiert der Titel dieses Buches, das Karin Martens-Schmid über „Beratungsräume und ihre Gestaltung im kulturell-gesellschaftlichen Kontext“ im Springer-Verlag veröffentlicht hat. Das „zu Hause-Sein” verbindet man ja zunächst einmal mit Vorstellungen von Wohnlichkeit und sich-heimisch-fühlen – und nicht mit Arbeit. Coaching als Format professioneller Beratung würde man daher schon eher dem Arbeitsraum einer Beratungspraxis zuordnen: „wo Coaching arbeitet“. In ihrer Einleitung macht die Autorin jedoch schon deutlich, dass Coaching aus gutem Grund nur in Ausnahmefällen in Besprechungsräumen von Unternehmen oder Hotels stattfindet, vorzugsweise aber in den – meist mit Liebe und Bedacht ausgestalteten – Räumlichkeiten der Coaches, die auf diese Weise gewissermaßen inszenieren, was Coaching sein soll, nämlich „eine zeitlich begrenzte professionelle Begegnung, die eine persönliche Beziehung zwischen Menschen auf Zeit ist. Damit sind sie – ähnlich der Therapie – auch intime, vertrauliche Orte” (S. 8). Weiterlesen →

7. August 2016
von Tom Levold
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Diagnose – ketzerisch, hinterfragend, hilfreich?

Jürgen Hargens, Meyn:

Beginne ich von Anfang an, wobei der Anfang letztlich auch nur eine, nämlich meine, Entscheidung darstellt. Welches Verständnis herrscht in unserer Kultur und Gesellschaft über Diagnose? Ich habe es mir einfach gemacht und einmal bei Wikepedia hereingeschaut und finde dort folgendes:

Die Diagnose (griechisch διάγνωσις, diágnosis ‚Unterscheidung, Entscheidung‘, aus διά-, diá-, „durch-“ und γνώσις, gnósis, ‚Erkenntnis, Urteil‘) ist in den Ärzte- und Psychotherapieberufen sowie in den Gesundheitsfachberufen oder der Psychologie die genaue Zuordnung von Befunden – diagnostischen Zeichen oder Symptomen – zu einem Krankheitsbegriff oder einer Symptomatik im Sinne eines Syndroms. Das festgestellte Syndrom ergibt zusammen mit der vermuteten Krankheitsursache und -entstehung (Ätiologie und Pathogenese) die Diagnose. Im weiteren Sinn handelt es sich bei der Diagnose um die Klassifizierung von Phänomenen zu einer Kategorie und deren Interpretation, etwa denen der „Gesundheit“ oder des „Krankseins“. (wikepedia, Zugriff 15.1.2013)
Was fange ich nun damit an?

Als erstes erinnere ich mich an die berühmte Batesonsche Idee der Information: „ein Unterschied, der einen Unterschied macht“ und damit zusammen an seine Feststellung, dass Erkennen eben nur mit, durch und über Unterscheidungen wie Unterschiede möglich sein soll. Das finde ich in der Definition wieder, sogar in der Doppelsinnigkeit von Unterscheidung und Entscheidung. Weiterlesen →

5. August 2016
von Tom Levold
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Egbert Steiner wird 70!

erwin rössler, egbert steiner, steve de shazer 1988Heute gratuliert systemagazin Egbert Steiner ganz herzlich zum 70. Geburtstag. Nach einem Studium der Psychologie in Wien arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ehe- und Familientherapie der Stadt Wien unter der Leitung von Ludwig Reiter, dabei waren seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte die Psychotherapieforschung mit besonderem Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung systemischer Therapieansätze. In seinen Arbeiten (meist in Ko-Autorenschaft mit Ludwig Reiter oder Joachim Hinsch) bezog er sich früh auf die Systemtheorie Niklas Luhmanns, die er mit vielen wichtigen Beiträgen für die Systemische Therapie nutzbar zu machen versuchte. systemagazin bringt heute aus der zweiten Ausgabe der Zeitschrift System Familie, die auch schon Geschichte ist, einen Text von Egbert Steiner aus dem 1988, den er gemeinsam mit Ludwig Reiter veröffentlicht hat, und in dem er für einen alternativen Forschungsansatz zum medizinisch-naturwissenschaftlichen Ansatz bei der Untersuchung psychotherapeutischer Prozesse plädiert: „Der Beitrag der Theorie selbstreferentieller Systeme zur Präzisierung von Forschungsfragen in der systemischen Therapie“. Das Foto zeigt ihn übrigens  (Mitte) gemeinsam mit Steve de Shazer und Erwin Rössler aus dem Jahr der Veröffentlichung dieses Textes.

Lieber Egbert, auch wenn Du dich schon länger aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, sei Dir an dieser Stelle ganz herzlich zum 70. Geburtstag gratuliert, verbunden mit allen guten Wünschen für Dein nächstes Lebensjahrzehnt!

Herzliche Grüße, Tom

3. August 2016
von Tom Levold
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Interview: „Wenn sich die geplante Psychotherapieweiterbildung nicht zu einem „closed shop“ entwickeln soll, benötigen wir kreative Lösungen“

In der aktuellen Ausgabe des Psychotherapeutenjournals ist ein ausführliches Gespräch mit Reinert Hanswille vom ifs Essen sowie Dorothee Wienand-­Kranz und Jochen Eckert vom IfP Hamburg über die Auswirkungen der Reform der Psychotherapieausbildung für die Gesprächstherapie und die Systemische Therapie abgedruckt. In der redaktionellen Vorbemerkung heißt es: „Das PTJ setzt in diesem Heft seine Reihe mit Interviews zur Reform der Ausbildung fort. Gesprächspsychotherapie (GPT) und Systemische Therapie (ST) sind die beiden Psychotherapieverfahren, denen nach Einführung des Psychotherapeutengesetzes die wissenschaftliche Anerkennung durch den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) erteilt wurde, sodass eine zur Approbation führende Ausbildung mit diesen Schwerpunkten möglich wurde. Beiden Verfahren fehlt jedoch die sozialrechtliche Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Im Unterschied zu den Ausbildungsinstituten der Richtlinienverfahren können hier also die in der Ausbildung zu erbringenden Psychotherapien nicht über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. Für 600 Stunden Psychotherapie müssen Selbstzahler gefunden werden und die Absolventinnen und Absolventen dieser Ausbildung bleiben auf Verdienstmöglichkeiten außerhalb der gesetzlichen Krankenkassen angewiesen. Weiterlesen →

2. August 2016
von Tom Levold
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Eve Lipchik (* 2.8.1931)

eve-lipchikheute gratulieren wir Eve Lipchik ganz herzlich zum ihrem 85. Geburtstag. Sie wurde am 2.8.1931 in Wien geboren und konnte in letzter Minute mit ihrer Mutter nach dem nationalsozialistischen Anschluss Österreichs in die USA entkommen, nachdem ihr Vater schon kurz zuvor nach England ausreisen konnte. Im Frühsommer 1940 erreichte sie mit ihrer Mutter New York. Nach Schulabschluss und einem Studium der Literaturwissenschaften arbeitete sie u.a. bei einer Werbeagentur und bei der Fernsehgesellschaft NBC. Mit ihrem Mann Elliot, einem Arzt und Biologen, ging sie 1953 nach Basel, wo sie als Übersetzerin tätig war. 1958 gingen sie zurück in die USA. Nach einer längeren Familienzeit, in der drei Kinder geboren wurden, entschloss sie sich in den 70er Jahren, noch einmal eine Ausbildung zu machen und kam so mit den Feldern der Psychotherapie und Sozialarbeit in Berührung. Um 1980 kam sie mit Steve de Shazer und Insoo Kim Berg in Kontakt und war Mitbegründerin des Brief Family Centers in Milwaukee und wirkte in dieser Zeit an der Entwicklung der lösungsfokussierten Therapie mit. 1988 kam es aber zu einer Trennung von der Gruppe, die auch inhaltliche Aspekte hatte. In der Folgezeit fokussierte sie stärker auf den Bereich der Affekte und Emotionen in der Arbeit mit Klienten, ein Fokus, der in der theoretischen Arbeit des BFTC kaum eine Rolle spielte. Ihre Überlegungen hierzu hat sie in verschiedenen Aufsätzen niedergelegt, vor allem aber in ihrem Buch Beyond Technique in Solution-focused Therapy: Working with Emotions and the Therapeutic Relationship, das 2002 bei Guilford erschien und 2011 unter dem Titel Von der Notwendigkeit, zwei Hüte zu tragen. Die Balance von Technik und Emotion in der lösungsfokussierten Therapie in einer von Astrid Hildebrandt besorgten deutschen Übersetzung im Carl-Auer-Verlag veröffentlicht wurde.

1988 gründete sie die Firma ICF Consultants. Neben ihrer eigenen therapeutischen Praxis ist sie auf nationaler und internationaler Ebene als Lehrerin, Beraterin und Dozentin tätig. Auf diese Weise habe ich Eve 2004 zum ersten Mal in Wien kennengelernt, eine wunderbare Begegnung vom ersten Moment an. Im Mail 2014 war sie wieder in ihrer Geburtsstadt, dieses Mal auf dem ÖAS-Kongress „fremdgehen“, auf dem sie den Eröffnungsvortrag hielt und die Geschichte des systemischen und lösungsorientierten Ansatz aus ihrer Perspektive reflektierte („Conversations I have had myself about Solution Focused Therapy over the years – 1978 to the present“).

Am Rande dieser Tagung habe ich gemeinsam mit Corina Ahlers aus Wien ein langes Gespräch mit Eve Lipchik über ihr Leben und ihre Arbeit geführt, das sehr bald auch im systemagazin zu lesen sein wird.

Liebe Eve, alles Gute, Gesundheit, Glück und gutes Gelingen bei allem, das Du Dir für die kommende Zeit noch vorgenommen hast!

Tom

2. August 2016
von Tom Levold
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Diagnose: Besonderheit

S. Klar & L. Trinkl (Hrsg.) (2015): Diagnose Besonderheit

S. Klar & L. Trinkl (Hrsg.) (2015):
Diagnose Besonderheit

Schon im vergangenen Jahr habe ich im systemagazin auf das von Sabine Klar & Lika Trinkl herausgebene Buch „Diagnose: Besonderheit. Systemische Psychotherapie an den Rändern der Norm“ hingewiesen, das 2015 bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen ist. Dort gibt es auch mein Vorwort zu diesem Band zu lesen. Wolfgang Loth hat nun eine Rezension verfasst, die mit einer Empfehlung schließt: „Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt zur Lektüre und zur weitergehenden Beschäftigung damit. Dies aus zwei Gründen: zum einen wegen der faszinierenden Fülle von hilfreichen Anregungen im Hinblick auf lebensvalide Problemsituationen, für die es – wenn man redlich damit umgehen will – keine vorgefertigten Antworten geben kann. Zum anderen, weil dieses Buch drei zentrale Qualitäten systemischen Denkens und daraus abgeleiteten Handelns verdeutlicht: unerschrockenes Respektieren (sensu Jürgen Hargens) sowie: jeden Ausgangspunkt als Grundlage für einen nächsten guten Schritt zu würdigen. Und schließlich: ein lebendiges Bündnis zwischen Forschergeist und Blick für Würde. Unbedingt Lesen!“ Aber lesen Sie selbst…

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1. August 2016
von Tom Levold
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Ehescheidungen nahmen 2015 um 1,7 % ab

WIESBADEN – Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 163 335 Ehen geschieden, das waren 1,7 % weniger als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, ging den Scheidungen in der Regel eine vorherige Trennungszeit der Ehepaare von einem Jahr (82,9 %) oder von drei Jahren (15,8 %) voraus. 51 % der Scheidungsanträge stellten die Ehefrauen, 41 % die Männer. Die übrigen Anträge wurden von beiden gemeinsam gestellt. Diese Anteile variieren mit dem Vorhandensein minderjähriger Kinder: Bei den gut 81 000 Trennungen von Paaren ohne minderjährige Kinder reichten die Frauen 50 % der Anträge ein, bei Scheidungen mit vier oder mehr betroffenen Kindern waren es dagegen 60 %. 2015 waren von der Scheidung ihrer Eltern insgesamt rund 132 000 minderjährige Kinder betroffen. Weiterlesen →

30. Juli 2016
von Tom Levold
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Konfliktdynamik: Emotionen

Im aktuellen Heft der Konfliktdynamik geht es um das Thema Emotionen. Im Editorial schreiben die Herausgeber Markus Troja, Alexander Redlich und Renate Dendorfer-Ditges: „Das rationale Paradigma vom menschlichen Verhalten wird in den letzten Jahrzehnten in Theorie und Praxis zahlreicher Wissenschaftsdisziplinen zunehmend erweitert, um Rationalität und Emotionalität zu integrieren. Unmittelbare Affekte, kurzzeitige Gefühlszustände und persönlichkeitsverankerte Emotionen werden vermehrt in den Blick genommen, um menschliche Beziehungen in ihren vielfältigen Aspekten umfassender als bisher abzubilden, ihre Dynamik genauer vorherzusagen, erfolgreicher zu kooperieren, Verhandlungen wirksam zu führen und im Alltag besser zu kommunizieren. Diesem Aspekt fühlen wir uns in der KonfliktDynamik verpflichtet. Daher geht es als Erweiterung der Beiträge zum Thema »kalte und heiße Konflikte« in KonfliktDynamik 2/2014 und 3/2014 IM FOKUS wieder um Emotionen. Vier Beiträge behandeln das Thema in unterschiedlicher Weise: Elke Endert nimmt in ihrem Beitrag »Junge Muslime im Spannungsfeld weltweiter Konflikte« die Emotionen in Zusammenhang mit religiösen Radikalisierungen in Deutschland in den Blick. Tom Levold befasst sich mit affektiver Kommunikation in Arbeitsteams und deren theoretischer Einordnung. Der Beitrag von Marja Hische und Peggy Keller thematisiert den Umgang mit Scham in der praktischen Arbeit der Konfliktklärung. Marcel Hülsbeck und Sebastian Benkhofer stellen dar, wie organisationale Angst durch Führung entstehen kann und wie Achtsamkeit diese Angst reduziert. Rudi Ballreich, der die Fokus-Beiträge betreut hat, führt ausführlicher in die Beiträge ein.“

Die vollständigen bibliografischen Angaben und alle abstracts der aktuellen Ausgabe finden Sie hier…

28. Juli 2016
von Tom Levold
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In 209 000 Haushalten leben drei oder mehr Generationen

WIESBADEN – Die Zahl der Haushalte mit drei oder mehr Generationen ist in Deutschland zwischen 1995 und 2015 von 351 000 auf 209 000 zurückgegangen. Das entspricht einem Rückgang von 40,5 %. „Mehrgenerationenhaushalte werden insgesamt immer seltener“, sagte Dieter Sarreither, Präsident des Statistischen Bundesamtes (Destatis), im Rahmen der heutigen Pressekonferenz in Berlin. Von 1995 bis 2015 sank die Zahl der Haushalte, in denen die mittlere Generation mit ledigen Kindern lebte, von 12,8 Millionen auf 11,0 Millionen (– 13,9 %). In 266 000 Haushalten lebte im Jahr 2015 die mittlere Generation mit den Eltern zusammen. Vor 20 Jahren waren es noch 324 000 gewesen (– 17,9 %).

Ausgangspunkt dieser Ergebnisse aus dem Mikrozensus 2015 ist das Zusammenleben einer mittleren Generation mit ledigen Kindern und/oder Eltern in einem Haushalt mit gemeinsamer Haushaltskasse. Fälle, in denen jede Generation in einem eigenen Haushalt wohnt – entweder im gleichen Haus oder in räumlicher Entfernung, können dagegen nicht abgebildet werden.

Anhand von Steckbriefen zu typischen generationenübergreifenden Haushaltskonstellationen präsentierte Dieter Sarreither ausgewählte Charakteristika wie die durchschnittliche Anzahl der Haushaltsmitglieder und deren Durchschnittsalter. Weitere Ergebnisse waren:

  • Generationenübergreifendes Zusammenleben und Wirtschaften in einem Haushalt findet hauptsächlich in Familien mit Kindern statt. 26,9 % aller Haushalte in Deutschland sind Zweigenerationenhaushalte, in denen Familien leben.
  • In Zweigenerationenhaushalten, in denen die mittlere Generation mit Kindern zusammenlebt, sind drei Viertel der Frauen nicht erwerbstätig (29,7 %) oder arbeiten in Teilzeit (45,9 %). Dies trifft zusammen genommen nur auf gut jeden fünften Mann (18,3 %) zu.
  • Mit der Betreuung von Kindern im Haushalt werden durchschnittlich 103 Minuten pro Tag verbracht.
  • In 0,5 % aller Haushalte in Deutschland leben und wirtschaften drei oder mehr Generationen. Die Erwerbssituation der mittleren Generation in diesen Haushalten ähnelt der Erwerbssituation in Zweigenerationenhaushalten mit Kindern. Es lässt sich nicht per se eine höhere Belastung der mittleren Generation durch die Eltern feststellen.Auffallend ist zwar der etwas höhere Anteil der nicht erwerbstätigen Frauen (37,2 %). Gleichzeitig geht aber ein etwas höherer Anteil der Frauen (28,4 %) einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach.
  • In Zweigenerationenhaushalten aus mittlerer und älterer Generation (0,7 % aller Haushalte) lebt zu 62,8 % nur ein Elternteil mit im Haushalt.

Quelle: Pressemitteilungen – In 209 000 Haushalten leben drei oder mehr Generationen – Statistisches Bundesamt (Destatis)

25. Juli 2016
von Tom Levold
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Paul Watzlawick (25.7.1921-31.3.2007)

Heute würde Paul Watzlawick 95 Jahre alt. Während viele Pioniere der Familientherapie und systemischen Therapie allmählich aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden, ist Name und Werk von Paul Watzlawick immer noch sehr präsent. Wie kaum ein anderer hat er es verstanden, die Grundlagen der Kommunikationstheorie und des Konstruktivismus einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen. Gemeinsam mit Janet Beavin und dem legendären (und sehr früh verstorbenen) Don D. Jackson veröffentlichte er 1967 „Pragmatics of Human Communication“, ein Buch, das immer noch verkauft wird und seit 1969 in der deutschen Übersetzung unter dem Titel „Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien“ zum Longseller geworden ist. In der Zeitschrift „american behavioral scientist“ ist im April 1967 ein Aufsatz von Watzlawick und Beavin erschienen, der einige Thesen ihres Buches vorwegnahmen: „Some formal Aspects of Communication“. Dieser Text ist im Original auch im Internet zu lesen, und zwar hier…