systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

4. Dezember 2016
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender: Wo sich Fremdes hereindrängt, bin ich noch niemals ins Nichts gefallen …

Sabine Klar, Wien: Wo sich Fremdes hereindrängt, bin ich noch niemals ins Nichts gefallen …

4adventEin Weg entsteht dadurch, dass ich ihn öfter beschreite. Wenn ich auf ihm unterwegs bin, brauche ich mich damit nicht mehr zu befassen und kann mich auf anderes konzentrieren. In einer bestimmten Gegend aufgewachsen zu sein, alle Wege dort zu kennen, mich mit Vertrautem zu umgeben vermittelt mir Sicherheit. Vor allem wenn ich gestresst oder ängstlich bin, suche ich nach dem Gewohnten und will mir eine Heimat erhalten, die mir gleichzeitig ständig entzogen wird. Die Lage, in der ich mich heutzutage befinde, verlangt mir nämlich ganz anderes ab. Die berufliche Umgebung fordert Flexibilität und Mobilität im Hinblick auf den Arbeits– bzw. Wohnort, alles verändert sich sehr schnell, ich muss mich ständig mit Neuem konfrontieren. Manchmal ärgere ich mich über das Befremdliche, darf es aber nicht zeigen, weil ich es nicht korrekt fände und den eigenen Auffassungen auch gar nicht entsprechend. Bestimmte politische Parteien schaffen mir mittels ihrer Parolen dann Erlaubnisräume für meinen Frust – in ihrem Schutz darf ich ungestört dagegen wüten und schäumen und mich an abgedroschenen Phrasen erfreuen.

Gewohnheiten zu durchbrechen, von ausgetretenen Wegen abzuweichen, um unbekannte Gegenden zu erkunden, ist aus meiner Sicht nur möglich, wenn ich mich nicht in gewohnheitsmäßiger Weise an einengenden und schädigenden Vorstellungen und Beschreibungsformen festhalte. Die geistige und sprachliche Blase erwartet eine Situation, die gewissen Ideen und Bildern entspricht, aber durch die Konfrontation mit anderen und mit der Wirksamkeit der konkreten Lebenslage fallweise auch enttäuscht wird. Metaphorisch ausgedrückt, bekommt meine Welt dann Risse, Beulen und Brüche – sie erscheint

Sabine Klar (Foto: oeas.at)

Sabine Klar
(Foto: oeas.at)

mir nicht mehr so sinnhaft oder verstehbar wie früher. Risse, Beulen, Brüche gibt es an Grenzen – in Böden, Wänden und Mauern etwa, in Tüchern, Haut, Kleidern, die etwas bedecken, in Gefäßen, die etwas halten, in Zäunen, die etwas abwehren. Gedanken, die an bestimmten Ideen und Vorstellungen bauen, setzen solche Grenzen, indem sie unterscheiden, bewerten, zu- und einordnen. Ich merke die Grenzen, die ich gesetzt habe, erst dort, wo sie löchrig werden und das, was ich draußen haben wollte, nicht mehr abhalten. Der Riss im Verstehen, die Enttäuschung der Erwartung, die Frustration beim Hoffen – sie alle sprechen von einer Verletzung und Verbiegung jener (über Wahrnehmung, Urteil und Sprache) selbst erschaffenen Welt, die mein Sein wie eine Hülle umgibt, es konstituiert und schützt, Befremdliches draußen und Vorhandenes erhält. Die Brüche, Risse und Beulen in den diversen Weltkonzepten können die Basis meiner Existenz erschüttern, als kränkender Angriff auf meine eigene Person wirken und zu diversen Verteidigungs- und Rückzugsbewegungen führen. Hier habe ich einerseits die Chance zu begreifen, was ich unbedingt erhalten will, was mir also besonders wichtig ist. Andererseits werde ich mit dem Anderen, dem Fremden konfrontiert, das Grenzen überschreitet und auflöst. Deshalb sind die Brüche, Risse und Beulen, die mir das Leben oder die anderen von Zeit zu Zeit zumuten, zwar erschreckend, bestürzend und zutiefst verunsichernd – gleichzeitig aber auch eine Chance, mich mit ihrer Hilfe in einer Weise verwandeln zu lassen, an die ich ohne solch aufgezwungene Störungen nie auch nur ansatzweise herangekommen wäre. Wenn es mir gelingt, der Verletzung meines geistigen Gefüges etwas abzugewinnen, kann ich daraus gestärkt hervorgehen und erlebe mich in der Folge freier und beweglicher. Zumindest bekomme ich so unmittelbar mit mir selbst und meinen Grenzen zu tun, dass ich mich nachher besser kenne – was auch dabei hilft, andere Menschen zu verstehen.

Das Problem ist aus meiner Sicht nicht grundsätzlich die Angst oder Wut, die solche Verletzungen und Verbiegungen der eigenen Welt mit sich bringen können, sondern nur jene Gefühlslagen und Zustände, die dabei helfen, bestimmte Gedanken aufrecht zu erhalten – nämlich solche, die sich auf illusionäre Erwartungen und Vorstellungen beziehen und ein der eigenen Eigenart und Lage nicht angemessenes Selbstbild wichtiger nehmen als den nüchternen Blick auf die Gegebenheiten und das, was sich daraus ergibt. Üblicherweise verändert sich nicht nur die Situation, sondern auch die damit im Zusammenhang stehenden Wahrnehmungen und Empfindungen – schon allein bedingt durch den jeweiligen Zustand des Körpers, aber auch durch die sich ständig wandelndem Eindrücke und Erlebnisse in einer sich wandelnden Welt. Empfindungen und Wahrnehmungen kann ich nicht festhalten – sehr wohl aber manche Gedanken, die ich mir dazu mache. Dadurch interpretiere ich die sich verändernden Situationen, Empfindungen und Wahrnehmungen immer nach demselben Schema und missverstehe sie so unter Umständen oder erhalte mittels meiner Gedanken etwas aufrecht, das nur in meinem Kopf existiert. Es ließen sich viele Beispiele dafür finden, wie solche Ideen und Vorstellungen Probleme und Leiden hervorrufen können. Sie vermitteln unter anderem die Botschaft, dass irgendetwas anders sein sollte, als es ist. Ich distanziere mich von dem, was meinen Vorstellungen nicht entspricht, was aber gegeben und vorhanden ist, und entwickle ängstliche, misstrauische, ärgerliche, empörte, ungeduldige Gefühle, begründe sie – und festige damit den gewonnenen Eindruck. Ich bemerke nicht mehr, wo ich bin, sondern nur, wo ich lieber wäre.

Solche Gedanken lösen sich manchmal ganz von alleine auf, wenn ihnen die emotionale und geistige Nahrung entzogen wird, wenn sie sozusagen nicht mehr durch Identifikation mit „Ich-Energie“ gefüttert werden. Dann kann ich mich dem, was gerade da ist – auch dem „Gesicht des Fremden“ – unmittelbarer und achtsamer zuwenden und mich darin vertiefen. Darum geht es, denn das erfordert – besonders in schwierigen Lebenslagen – meine ganze Kraft und Aufmerksamkeit.

3. Dezember 2016
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender: sich befremden lassen

Edelgard Struß, Köln: Sich befremden lassen

3adventIns Museum für Ostasiatische Kunst gehe ich gerne, um mich befremden zu lassen. Wie beim Reisen in unbekannte Gegenden kann ich hinterher nicht sagen, ob ich mehr über das Fremde erfahren habe oder mehr über mich selbst. Oder mehr über etwas ganz anderes.

 

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Einmal saß ich in der Cafeteria im schönen Foyer des Museums. Im verschneiten Innenhof waren zwei tibetanische Mönche zu sehen, die eine Zeremonie ausführten. Währenddessen kamen Handwerker mit einem Gabelstapler, Leitern und Werkzeug ins Foyer gefahren. Sie fingen an, ein heiliges Tor für die kommende Ausstellung aufzubauen. Eine Viertelstunde später kamen die Mönche herein, um mitzumachen. Sie trugen jetzt, im beheizten Foyer, Vliesjacken über ihren traditionellen Gewändern. Die Gäste der Cafeteria, bisher damit beschäftigt, aus dem Fenster auf den See zu schauen, zu lesen oder sich zu unterhalten, hatten nach und nach ihre Stühle so umgestellt, dass sie den Handwerkern und Mönchen bei der Arbeit zuschauen konnten. Wir waren zum Publikum einer Performance geworden – ähnlich vielleicht wie bei ‚Some Cleaning‘, als die „Wartungs-Künstlerin“ Mierle Laderman Ukele 1996 die Reinigung von Kunstgalerien performte und erstaunte PassantenInnen sie vom Bürgersteig aus beobachteten.

 

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Fröhlich befremdete Fragen in der Cafeteria. Hatte es sich bei der Zeremonie der Mönche um einen Auftritt gehandelt? Um ein Gebet? Um den Probedurchlauf eines Rituals für die Ausstellungseröffnung? Sind die öffentlichen Aufbauarbeiten als Werbung für die Ausstellung gedacht oder geht es Handwerkern und Mönchen um normale Arbeitszeiten und das Tageslicht? Ist das Ganze von der Museumsleitung vielleicht sogar als performative labor konzipiert? Bedeutet die Mithilfe der Mönche beim Aufbau des heiligen Tores für sie eine Fortsetzung ihrer religiösen Handlungen? Oder handelt es sich für sie genauso um Arbeit wie für die Museumshandwerker? Gibt es noch etwas Heiliges an der Situation? Werden die Mönche dafür bezahlt – Mindestlöhne? Flächentarife für Museumshilfskräfte? Künstlersozialkasse? Wie ist es für die Mönche und die Handwerker, von einem ad-hoc-Publikum beobachtet zu werden? Und wenn sich das Ganze jetzt in Tibet abspielen würde im Museum für Westeuropäische Kunst ….?

struss2Weil ich so begeistert bin, dass es Leute gibt, die nicht SupervisorInnen und Coaches sind und sich mit genau diesen Fragen beschäftigen, hier zum Schluss ein Zitat und eine ausführliche Literaturangabe.

Das Konzept der performative labor: „evoziert […] weniger den Topos der Bühne als jenen des von Performenden, Gastgebenden und Besuchenden geteilten (Ausstellungs-)Raums. Die soziohistorischen Implikationen des Ausstellens und Konsumierens einer zugleich als körperlich, konzeptuell und affektiv gefassten künstlerischen Arbeit werden Teil eines kollektiven Geschehens.“ S 195 aus: Im Körper von Kuratierten: „You should always have a product that’s not you” Szene 6 – Performer_innen werden gecastet und vertraglich zu Arbeit verpflichtet. Abramovic´ Casting für das Gala-Dinner im Museum of Contemporary Art Los Angeles 2011. Adam Linder, Some Cleaning. – von Sabeth Buchmann und Kai van Eikel in: Netztwerk Kunst + Arbeit.art works. Ästhetik des Postfordismus. B_books.Berlin 2015

 

2. Dezember 2016
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender: Vertrautes im Fremden. Fremdes im Vertrauten

2adventHier mein Beitrag zum systemagazin-Adventskalender. In der Einladung wurde um Texte gebeten. Mein Beitrag ist allerdings kein Text und somit vielleicht auch fremd zwischen den vertrauten Formen von Text. Vielleicht kommt jedoch (nichtöffentlicher) Text im Betrachter auf und dann könnte der Beitrag etwas ins Vertraute rücken. Ich bin keine (studierte) Künstlerin und damit ist vielleicht auch meine Art zu zeichnen befremdlich. Dennoch kann vielleicht Fremdes gefallen und Vertrautes missfallen? Oder andersrum…

Ein herzlicher Gruß

Hannah Eller

 

Hanna Eller 2016

Hanna Eller 2016

1. Dezember 2016
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender – Corina Ahlers: Die Sprache des Fremden: Über das emotionale Miss-, Neben- und Unverstehen

1adventLiebe Leserinnen und Leser,

es ist wieder so weit: auch dieses Mal gibt es einen Adventskalender im systemagazin – mit einem Thema, mit dem sich vielleicht nicht jeder leicht tut: „Fremd – Vertraut. Begegnungen mit der Fremdheit“ ist das Motto des diesjährigen Kalenders. Die Globalisierung und die damit verbundene Möglichkeit der Echtzeitkommunikation weltweit gibt uns die Chance, jederzeit mit dem fremden in Berührung zu kommen. Wir sehen aber auch gerade gegenwärtig, welche Ängste und Befürchtungen dadurch mobilisiert werden. Der Wunsch nach Abschottung, nach dem vermeintlich Identitären nimmt zu. Betrachten wir die Welt als eine Fülle möglicher Wirklichkeitskonstruktionen, sollte uns das erschrecken. Der zentrale Affekt für Veränderung ist ja Interesse, die Voraussetzung für Exploration und Begegnung mit dem Unbekannten.

Wie auch in den vergangenen Jahren ist der Kalender für mich ein Abenteuer, denn er entsteht gewissermaßen „on the fly“. Die ersten Beiträge sind eingetroffen, aber die Türchen sind noch längst nicht gefüllt. Deshalb möchte ich Sie gerne auch jetzt noch einladen, Ihre Gedanken zum Thema zum beizusteuern. Die damit verbundenen Fragen könnten lauten: Wie wird uns das Fremde vertrauter? Wie können wir das Fremde im Vertrauten erkennen? Welche Erfahrungen in und mit der Fremde haben wir in unterschiedlichen privaten und beruflichen Kontexten gemacht und welche Schlüsse daraus gezogen? Was hat uns geprägt, angezogen, abgestoßen? Welche Rolle spielen dabei unsere eigenen kulturellen und milieugebundenen Vorerfahrungen? Wie ergeht es uns in der Arbeit mit Klientensystemen, die uns nicht ohne weiteres verständlich sind, weil sie ihre Werte und ihre Praxis aus uns fremden Bezugssystemen der Religion, Kultur und Weltanschaung beziehen? Welche Erfahrungen haben uns dabei bereichert, welche auch vorsichtiger gemacht? Welche Haltungen und Vorgehensweisen haben uns in der Auseinandersetzung mit diesen Themen unterstützt und geholfen? Wie sind unsere Klienten mit uns als Fremden zurechtgekommen und umgegangen?

Corina Ahlers aus Wien macht dieses Jahr den Anfang mit einer Geschichte über die Sprachverwirrung(en) in der psychotherapeutischen Praxis. Viel Vergnügen in den nächsten Tagen wünscht Ihnen

Tom Levold
Herausgeber systemagazin

 

Corina Ahlers, Wien: Die Sprache des Fremden: Über das emotionale Miss-, Neben- und Unverstehen

Vor vielen Jahren sagte eine Chilenin während einer Paarsitzung über ihren Partner: „In Barcelona konnte er zu mir sagen ,te amo’, und hier, in Wien, kann er es in seiner Sprache nicht: ,Ich liebe Dich’. Warum ist das so?“ Ihr österreichischer Partner bestätigte das und kannte keine Antwort. Die Chilenin erinnerte sich an ihre vielen Verehrer in Chile und an deren unglaublich wortgewaltige Liebeserklärungen … Weiterlesen →

26. November 2016
von Tom Levold
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Systemische Therapie

sydow-systemische-therapieIm Reinhardt-Verlag ist 2015 das Buch „Systemische Therapie“ von Kirsten von Sydow erschienen. Lothar Eder hat es für systemagazin gelesen:

Lothar Eder, Mannheim:

Noch ein Lehrbuch über Systemische Therapie? Kirsten von Sydow klärt gleich in der Einführung auf, dass es sich bei ihrem Buch (nur?) um einen Überblick der ST handele, was ihre Grundlagen, ihre Praxis (Anwendungsformen) und diesbezügliche Forschungsergebnisse anbelangt. Allerdings wird der Begriff „Lehrbuch“ zwei Abschnitte später wieder eingeführt. Nun mag man einwenden, dass ein Lehrbuch die eine oder andere Ausführung, Vertiefung und exemplarische Darstellung mehr verdient hätte, als auf 181 Seiten inkl. Literatur und Register passen. Denn eines ist gewiß: die Autorin kann und weiß nicht nur viel, sie hat auch einiges mitzuteilen. Jedoch: auch in der Kürze liegt ja gelegentlich die Würze. Weiterlesen →

20. November 2016
von Tom Levold
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„Man muss so sein, wie man selber ist“. Ein Gespräch mit Eve Lipchik

Eve Lipchik

Eve Lipchik

Eve Lipchik wurde 1931 als Tochter einer jüdischen Familie in Wien geboren und konnte nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland in letzter Sekunde mit ihrer Mutter in die USA fliehen. Nach ersten Jahren in New York und Basel zog sie mit ihrem Mann Elliot nach Milwaukee, wo sie gemeinsam mit Steve de Shazer, Insoo Kim Berg und anderen das Brief Family Therapy Center BFTC gründete, das mit der Entwicklung des lösungsorientierten Ansatzes berühmt wurde. 1988 kam es zur Trennung: während Steve de Shazer und Insoo Kim Berg zunehmend mit der Vermittlung ihres Ansatzes in internationalen Weiterbildungsaktivitäten beschäftigt waren, konzentrierte sich Eve Lipchik verstärkt auf die therapeutische Praxis. In ihren Veröffentlichungen wurde sie vor allem durch ihre Arbeiten zur Bedeutung der Affekte und der Gestaltung der therapeutischen Beziehung bekannt, ein Aspekt, der für sie im lösungsorientierten Ansatz zu wenig Beachtung erfährt. Am 2. August feierte sie ihren 85. Geburtstag.

Ihr Geburtsland hat Eve Lipchik lange gemieden, der Kontakt mit Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für systemische Therapie und systemische Studien ÖAS führten dazu, dass Eve Lipchik ihre Geburtsstadt wieder besuchte und auch dort arbeitete. Ich lernte sie dort vor über 10 Jahren auf einer Tagung kennen und war sofort begeistert und hingerissen von ihrer Person. Schon damals entstand die Idee, ein längeres Interview mit ihr über ihr Leben zu führen. 2014 hielt sie auf der ÖAS-Tagung „fremd gehen“ einen Hauptvortrag, in dem sie ihre eigene professionelle Entwicklung rekapitulierte. Wir verabredeten uns am Rande dieser Tagung im Haus von Corina Ahlers, wo Corina und ich ein langes Gespräch mit Eve über ihre Kindheit in Wien, ihre Ausreise in die USA, ihre Familienzeit, die Ausbildung zur Sozialarbeiterin und die Zeit mit und nach dem BFTC. Ursprünglich sollte es ein Video-Interview werden, aber die Qualität der Aufnahmen und ein Fehler bei der Tonaufzeichnung machten Bild- und Tonsynchronisation unmöglich, was auch die Transkription und Überarbeitung in die Länge zog. Hier können Sie nun das gesamte Gespräch lesen. Unsere Fragen sind kursiv gesetzt.  Weiterlesen →

18. November 2016
von Tom Levold
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Frühe Kindheit

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Erneut stellt die Familiendynamik in ihrer aktuellen Ausgabe das Thema der frühen Kindheit in den Mittelpunkt. Die Herausgeber des Themenheftes Jörn Borke und Ulrike Borst schreiben in ihrem Editorial: „Mit dem vorliegenden Heft nehmen wir uns dieser so wichtigen Lebensphase erneut an. In den letzten Jahren hat sich die Welt, zumindest in unserer Wahrnehmung, stark verändert. Und wir fragen uns ganz allgemein, was Kinder brauchen, um in dieser Welt gut gedeihen zu können. Spezieller gefragt: Wie kann unsere wohlhabende, aufgeklärte Gesellschaft Herausforderungen begegnen, denen viele Kinder, die bei uns aufwachsen, gegenüberstehen – etwa durch Flucht und Vertreibung, kulturelle / sprachliche Barrieren oder dadurch, dass ihre Eltern unter prekären Bedingungen leben? Mehr noch als 2009 werden in diesem Heft also auch Ansätze, die in Krippen, KiTas, Beratungsstellen und Kleinkind- Ambulanzen umgesetzt werden, dargestellt. Außerdem geht es um die Hintergründe eines kultursensitiven Vorgehens sowie darum, wie dieses konkret aussehen könnte.“ Umgesetzt wird diesen Themenheft durch Beiträge von Bettina Lamm, Angelika Schöllhorn, Jörn Borke, Eva-Maria Schiller, Joscha Kärtner, Andrea Lanfranchi, Tina Eckstein-Madry, Lieselotte Ahnert, Christine Bark, Svenja Taubner und Anna Georg. Darüber hinaus gibt es noch einen Text zur „Systemische Fallkonzeption und State-Dynamik bei einer Patientin mit struktureller Dissoziation der Persönlichkeit“ sowie eine Studie zur „Manualtreue“ Systemischer Therapie: „Wie prüfe ich, ob es systemisch war?“. Garniert wird das Heft noch mit einem Beitrag von Sebastian Baumann über die bevorstehende Universitätsausbildung von Psychotherapeuten und von Hartmut Epple über die geplante Reform des SGB VIII – alle bibliografischen Angaben mit den Zusammenfassungen gibt es hier…

 

13. November 2016
von Tom Levold
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Heinz the Magician

Heute würde Heinz von Foerster (Foto: Wikipedia) seinen 105. Geburtstag feiern. 1979 ist ein Artikel von Humberto R. Maturana im Cybernetics Forum erschienen, in dem er unter dem Titel „The wholeness of the unity: Conversations with Heinz von Foerster“ beschreibt, wie ihn die Gespräche mit Heinz von Foerster während seines 10omonatigen Aufenthaltes am Biological Computer Laboratory an der University of Illinois während der Jahre 1968 und 1969 zu seinen Überlegungen hinsichtlich der Begriffe Funktion, Zwecke und Ziele von lebenden Systemen inspiriert haben. Diese Begriffe sind keine Aspekte lebender Systeme (etwa Zellen oder Organismen) selbst, sondern erhalten nur Sinn aus der Perspektive eines Beobachters. Diese Ideen werden anhand von einigen Anekdoten Heinz von Foersters, der u.a. tatsächlich auch als Zauberer aufgetreten ist, verdeutlicht. Der Artikel ist im Konstruktivismus-Archiv der Universität Wien gespeichert und kann hier gelesen werden…

10. November 2016
von Tom Levold
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The Client is the Expert

Heute vor 25 Jahren, am 10.11.1991, ist Harold Goolishian in Galveston gestorben. Der Psychologe, Pionier der Familientherapie und langjähriger Inhaber des Lehrstuhls für Klinische Psychologie an der Medizinischen Fakultät Galveston der University of Texas gehört gemeinsam mit Harlene Anderson zu den Begründern des narrativen Ansatzes in der systemischen Therapie und gründete 1977 mit ihr, Paul Dell und George Pulliam das Galveston Family Institute in Texas. Im Zentrum ihrer Überlegungen stand die Idee, dass nicht die Therapeuten die Experten für Lösungen seien, sondern die Klienten selbst, eine Perspektive, die eine (oft missverstandene) Haltung des Nicht-Wissens auf Seiten des Therapeuten nahelegt. In einem Aufsatz für das von Sheila McNamee und Ken Gergen 1992 b bei Sage herausgegebenen Bandes „Therapy as Social Construction“ präsentierten Anderson und Goolishian ihre diesbezüglichen Ideen. In diesem Aufsatz wird ein interpretativer und hermeneutischer Ansatz des Verstehens von Therapie beschrieben. Die Idee der therapeutischen Konversation als Dialog, in welchem der Therapeut die Position des Nichtwissens einnimmt, wird dargestellt und erweitert. Insbesondere wird die konversationale Art zu Fragen diskutiert, die den KlientInnen Spielraum läßt, ihre Geschichte zu erzählen – und zwar unabhängig von den zuvor entstandenen Ideen des Therapeuten. Der Therapeut schließt sich der sich natürlich entfaltenden Erzählung der Klienten durch aufrichtiges Bemühen an, um mit grenzenloser Neugier die Bedeutungen des Klienten zu verstehen und kennenzulernen. Das Ziel dieses therapeutischen Kontexts ist nicht das Entdecken von Wissen, sondern die Erzeugung eines dialogischen Konversationsprozesses. Im Verlauf dieses Prozesses entwickeln sich neue Bedeutung und Verstehen wechselseitig, und diese werden immer begrenzt durch die lokal verhandelten Regeln der Bedeutung. Der Text kann online hier gelesen werden…

7. November 2016
von Tom Levold
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Mony Elkaïm wird 75

Heute vor 75 Jahren wurde Mony Elkaïm in Marrakesch, Marokko geboren. systemagazin gratuliert ganz herzlich zum 75. Geburtstag. Da die Sprachbarriere zu den englischsprachigen Ländern hierzulande viel niedriger liegt, sind die Arbeiten und Verdienste von Mony Elkaïm im deutschsprachigen Bereich nicht so bekannt, nur wenige seiner Arbeiten ins Deutsche übersetzt worden. Nicht nur in Frankreich und Belgien hat er allerdings große Wirkung entfaltet, auch in Europa. So geht die Gründung der European Family Therapy Association EFTA ganz maßgeblich auf seine Initiative und seinen Einsatz zurück. Zu seinem 65. Geburtstag habe ich bereits einiges im systemagazin geschrieben, das man hier nachlesen kann. Auf der Seite systemique.levillage.org ist vor zwei Jahren dieses Video eines Gesprächs veröffentlicht worden, in dem Mony von sich selbst und seiner Entwicklung erzählt. Leider nur auf Französisch.

6. November 2016
von Tom Levold
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was keiner sieht

röcke wie röhren, aus denen andere röhren
ragen. kabelwürste die tanten. mit haar-
spray fixiert, klebt die hornbrille an ihrem
winzigen bienenkorb. der rasen wuchert

über lackschuhe, über den bildrand.
wein löscht jahrzehnte aus hohlräumen
über krawatten. ein bleischweres kind im traum
steht als einziger gast auf dem anderen fest

auf das niemand wollte. das so nie stattfand.
das keines war. verteile zucker an tote
lasse drachen steigen auf stoppelfeldern

will alles erleuchten: die zukunft, die es nicht gab.
den witzigen zwilling der zeit, seine halb
ausgeführten gesten. mickey mouse, rostiges fahrrad

was keiner sieht.

 

Birgit Kreipe
(aus: SOMA. kookbooks, Berlin 2016)