Iris Kuchta, Düsseldorf: Ähnlichkeit der Vielfalt
Im Rahmen meiner Arbeit als Lehrerin an einer Grundschule leiste ich einen Beitrag, dass die Seiteneinsteiger-Schüler (Flüchtlingskinder) bereit sind, sich mit einer fremden Sprache, einem fremden Inhalt und Kontext auseinanderzusetzen. Dazu gehe ich den ersten Schritt auf sie zu. Ich gehe freundlich mit Gesten, Mimik und Worten auf sie zu. Ich lade sie ein mit mir in Beziehung zu treten, ihr neues Klassenzimmer zu entdecken und sich mit dessen Gegenständen vertraut zu machen und biete Spielräume; neue Lerninhalte zu entdecken. Dabei geht es ganz häufig darum mit dem Fremden und teilweise Befremdlichen zu kooperieren. Dies gilt sowohl für die Schüler untereinander als auch mit mir.
Wir sind uns zunächst als Menschen fremd. In größeren Gruppen spricht oftmals jeder eine eigene, andere Sprache. Musik hilft zur Überbrückung der anfänglichen Sprachlosigkeit im Sinne von einer Art fehlendem Übersetzungsprogramm. Feste, verlässliche Rituale – wie unser internationales Begrüßungslied und unsere Vorstellungsrunden – stecken einen sicheren Rahmen ab. Mit Musik gelingt es leichter unsere Bewegungen miteinander zu koordinieren, Sprache dient dann eher als Hintergrundfolie z.B. wenn wir unser links-rechts Lied hören und uns dazu bewegen. Der Rhythmus ist universal erlebbar, gegenseitiges Beobachten, Vormachen, Nachahmen fällt mit Musik leicht.
Jedes Kind erhält einen Platz in unserer Runde sowie Mitspracherecht und Anteilnahme. Wertschätzung, aber auch Emotionen wie Anspannung, Angst, Unsicherheit, Unbehagen, welche durch Unvertrautes ausgelöst werden können, erhalten hier ihren Raum. Denn sich mit dem Fremden auseinanderzusetzen heißt, das Risiko eingehen, eigene Denk- und Verhaltensweisen, seine Interessen zu hinterfragen. Bezogen auf die neue Sprache bedeutet es, sich in eine unbekannte, anfangs unverständliche Sprachmelodie einzuhören. Unbefangen mit den fremden Lauten umzugehen, Wortgrenzen zu erkennen, Buchstaben kennenzulernen und einen Wortschatz aufzubauen. Eine neue Sprache wird leichter gelernt, wenn zuvor bereits eine Muttersprache gelernt und gefestigt ist. Was das Sprachlernen betrifft arbeiten wir integriert: Wir kombinieren Musik, motorische Übungen, trainieren die Sprachmelodie, führen Buchstaben und einen neuen Wortschatz ein und legen grammatische Strukturen an. Zunächst entsteht ein sich herantastender Suchprozess. Einzelne Worte oder Sätze werden als Erstes erlernt. (Chunks wie: „Darf ich auf die Toilette gehen?“ oder „das Heft, der Stift“ etc.) Rituale geben Halt und eröffnen zugleich Sprechanlässe. Voller Herzlichkeit präsent sein und Freiräume gönnen können, erscheint mir wichtig zu sein. Das erfordert eine gegenseitige Anstrengung im Bemühen aufeinander zuzugehen und Kommuni-kationskompetenz (in beide Richtungen) zu erlangen und Orientierungswissen zu erwerben. Allerdings gibt es keine Gelingensgarantie. Wir können aber Anerkennung vermitteln. Weiterlesen →