1. März 2018
von Tom Levold
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Andreas Peglau, Berlin: Hurra, die Überwachungspille ist da! Entmündigung kommt im Gewand des medizinischen Fortschritts daher
Am 13. November 2017 gab die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) eine Pressemitteilung über die Zulassung eines neuen Medikaments heraus. Es trägt den Namen „Abilify MyCite“ und soll bei der Behandlung schizophrener, manischer und manisch-depressiver Störungen sowie bei Depressionen im Erwachsenenalter helfen (1). Das dafür verwendete Neuroleptikum Aripiprazol ist bereits länger im Einsatz.
Was das wirklich Neue an diesem Mittel ist, berichtete tags darauf unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung: Die FDA, heißt es dort, erlaube somit „erstmals eine digitale Pille – ein mit einem Sensor ausgestattetes Präparat, das es Ärzten ermöglichen soll, festzustellen, ob und wann ihre Patienten die Medikamente nehmen.“
Dies sei – so der Tenor der von der FAZ kritiklos zitierten Quellen – zum Besten für Patienten und Volkswirtschaft. Denn nehmen „Patienten die ihnen verschriebenen Medikamente“ nicht „wie vom Arzt verlangt“, funktioniere „der Genesungsplan nicht wie gewünscht. Und es ist außerdem teurer, weil die Medizin und das Geld dafür dann verschwendet worden sind.“ „Fachleute“, so heißt es weiter, schätzen, „dass durch solches Verhalten Kosten in Höhe von 100 Milliarden Dollar entstehen – pro Jahr.“ Zudem: „Wenn Patienten nicht dem ihnen verschriebenen Lebensstil“ – Achtung: Ärzte können inzwischen auch Lebensstile verschreiben! – „oder der verordneten Medikation folgen, hat das substantielle Konsequenzen, die schlecht sind für sie und sehr teuer“, urteilt William Shrank, Universitätsmediziner in Pittsburgh. Daher habe die nun zugelassene Pille, sekundiert „Ameet Sarpatwari, ein Fachmann an der Harvard-Universität“, „das Potential, die Gesundheit allgemein zu verbessern“.
Wer das Medikament zu sich nehme, erfährt man weiter, könne „erlauben, dass der Arzt und vier weitere Personen, zum Beispiel Familienmitglieder, entsprechende Daten bekommen. Über eine Smartphone-App soll es außerdem möglich sein, die einmal gewährte Erlaubnis jederzeit wieder zu blockieren.“
Die FAZ zitiert dann auch Jeffrey Lieberman, ehemaliger Präsident der American Psychiatric Association (APA) und renommierter Psychiater an der Columbia Universität in New York. Er geriet in der Vergangenheit mehrfach in die Kritik. So wurde ihm die Abhängigkeit seiner Forschungsresultate von den Interessen seiner Geldgeber aus der Pharmaindustrie vorgeworfen sowie unethische Menschenversuche (2). Weiterlesen →