Im Kohlhammer-Verlag ist 2018 das Buch Beziehungspsychologie. Grundlagen, Forschung, Therapie erschienen, das einen „umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der internationalen beziehungspsychologischen Theoriebildung, Forschung und Intervention“ bieten soll. Wolfgang Loth hat es gelesen und empfiehlt die Lektüre.
Wolfgang Loth, Niederzissen:
Wenn Bodo Klemenz ein Thema anpackt, kann man davon ausgehen, dass er dessen Breite und Tiefe in vollem Umfang erfasst, gliedert und geradezu lexikalisch aufbereitet. Sein bisheriges Werkverzeichnis, das dies dokumentiert, ist beeindruckend. Im Zentrum stand zunächst das konsequente Übertragen ressourcenorientierter Ansätze in die Praxis. Insbesondere seine Arbeiten zur ressourcenorientierten Diagnostik in der Kinder- und Jugendlichentherapie waren seinerzeit eine starke Alternative zu störungsfokussierten Perspektiven (2003). In späteren Arbeiten richtete er diesen Blick auf Erziehung allgemein (2007) und dann umfassend, zweibändig, auf Psychologie als eine „menschenfreundliche Wissenschaft“ (2009, 2011). In einem nächsten Schritt wurde das Ganze noch einmal kondensiert zu einer Beratungspsychologie (2014). Mit dem vorliegenden Werk bildet nun Beziehungspsychologie das Leitmotiv.
Im Unterschied zu den vielen marketing-affinen Handreichungen, die leicht bekömmliche Ware anbieten, setzt Klemenz auf differenzierte Ausarbeitungen, die den aktuellen Wissensstand aufgreifen und diskutieren, auch in seinen teils irritierenden Facetten. Er scheint in Kauf zu nehmen, dass das für die schnelle Orientierung im zunehmend unhandlicher erscheinenden Arbeitsalltag vielleicht ein Manko darstellt. Umso imponierender erscheint mir daher seine unerschütterliche Bereitschaft, dem das beharrliche Durchdringen des weiten Feldes entgegenzusetzen, mit dem es unsere Arbeit nun einmal zu tun hat. Das gilt für mich auch, wenn ich davon ausgehen muss, dass Klemenz in diesem Werk systemische Positionen kaum explizit benennt, und wenn, dann eher kursorisch. Das Unterkapitel über die therapeutische Beziehung in der systemischen Therapie steht dafür (S.316ff.). Aber darauf kommt es mir in dieser Besprechung nicht an. Wer spezifische Kenntnisse aus systemischen Perspektiven sucht, wird woanders eher fündig. Und dennoch denke ich, dass ein Buch wie dieses über Beziehungspsychologie wichtige Anregungen auch für das Nachdenken über systemische Praxis bietet. Und dies nicht als unmittelbare und eindeutige Anweisung. Ein Buch wie dieses liefert trotz seines lexikalischen Gehalts paradoxerweise nicht die Antworten für die Praxis, sondern verschafft eine festere und tiefere Fundierung für den Umgang mit den Fragen, die sich im beruflichen Beziehungs-Alltag stellen. „Drinnen“, im Alltag immer wieder neu, spezifisch und mit unmittelbarem Resonanzbedürfnis ausgestaltet. „Draußen“, im beziehungspsychologischen Kontext sensu Klemenz umgreifend, auf längerfristige Reflexion ausgerichtet als allgemeine Orientierung und Proviant.
Weiterlesen →