systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

18. Januar 2007
von Tom Levold
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Experten für Stoiber

Nun hat Herr Stoiber doch noch gemerkt, dass für ihn in der CSU nichts mehr zu bestellen ist. Immerhin hat er es geschafft, noch vor dem Orkan in die Schlagzeilen zu kommen, völlig unerwartet für die Medienvertreter. Nun besteht plötzlich ein riesiger Bedarf an Experten, um dem Top-Ereignis mit Kommentaren und sachdienlichen Hinweisen beizukommen. Was tun? Journalisten aus Presse, Funk und Fernsehen strömen aus, um Rat zu suchen. Doch keine Sorge, Hilfe ist nicht fern und kommt – woher wohl: aus der Wissenschaft! Die Freie Universität Berlin macht deutlich, was ein Leuchtturm der Wissenschaft im Rahmen der Exzellenzinitiative wirklich zu leisten vermag, und hat flugs einen„Expertendienst der Freien Universität Berlin zum Thema ,CSU/Edmund Stoiber‘“ gegründet. Das war auch nötig. Es hätte ja sein können, dass in den Medien die völlig falschen Experten zu Wort kommen. Womöglich von anderen Universitäten. Nur weil keiner weiß, dass die FU einen Expertendienst hat, der – sogar kostenfrei – den Expertenkontakt herstellt. Wie übrigens zu vielen anderen Themen, die wissenschaftlicher Expertise bedürfen. Aber jetzt kann keiner mehr sagen, er habe nichts gewusst. So ist die CSU auf der Expertendienstseite der FU gut eingebettet zwischen China-Japan-Konflikt und D-Day und Edmund Stoiber zwischen Sternschnuppen und Stürme, Regen, Hochwasser (wenn das nicht passt). Für Systemtheorie gibt es übrigens noch keinen Expertendienst. Aber da ist weder einer zurückgetreten noch hat es über die Maßen gestürmt.

18. Januar 2007
von Tom Levold
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Schwangerschaftskonfliktberatung aus systemischer Perspektive

Die Systemische Bibliothek wartet heute mit einem Beitrag von Tom Levold aus dem Jahre 1998 über Schwangerschaftskonfliktberatung auf. Der Artikel erschien erstmals in System Familie:„Ausgehend von einer systemisch-konstruktivistischen Perspektive werden gesellschaftliche, intersubjektive und individuelle Konstruktionen von Schwangerschaft und Abtreibung dargestellt, die im Schwangerschaftskonflikt aufeinander treffen können. Besonderer Stellenwert kommt der Tatsache der Zwangsberatung zu, die für Beraterinnen wie Klientinnen nur geringen Handlungsspielraum zu eröffnen scheint. Neben Überlegungen zum Problem der Entscheidung in Konfliktsituationen werden abschließend Möglichkeiten eines autonomie- und ressourcenfördernden Vorgehens in der Beratungssituation umrissen“
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17. Januar 2007
von Tom Levold
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Neuromythologien


Thomas Fuchs, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter der Sektion »Phänomenologische Psychopathologie und Psychotherapie« an der psychiatrischen Universitäts-Klinik in Universität Heidelberg schreibt in der neuen Ausgabe von„Gehirn und Geist“ unter dem Titel„Neuromythologien“ über„einige teils deutlich zutage liegende, teils eher verborgene Motive …, die in der Avantgarde gegenwärtiger Hirnforschung wirksam sind (Abb.: Wikipedia):
– die von anti-idealistischen Affekten getragene Entthronung des sich souverän dünkenden Subjekts, verbunden mit der Reduzierung von Seele und Geist auf materielle Prozesse („Was die Seele wirklich ist“, „Geist im Netz“);
– der Anspruch auf die Deutungsmacht im Bereich der Humanwissenschaften („Neuro-Philosophie“, „Neuro-Ethik“, „Neuro-Pädagogik“ etc.);
– die Hoffnung auf medizinisch-technische Eingriffsmöglichkeiten („Die Technik auf dem Weg zur Seele“, „Das Gehirn – eine Gebrauchsanleitung“);
– die Ausleuchtung des Dunkels der Subjektivität und der Intersubjektivität, bis hin zur Utopie des Gedankenlesens („Wie das Gehirn die Seele macht“);
– die Selbstverdinglichung des Menschen als Flucht vor der Freiheit („Verschaltungen legen uns fest“);
– schließlich, im Gegenzug, die Erhebung des Gehirns zum neuen Meta-Subjekt, zum transzendenten Schöpferorgan, das die Welt und uns selbst in einer creatio continua hervorbringt („Aus Sicht des Gehirns“, „Kosmos im Kopf“, „Das Gehirn und sein Geist“)“
Der komplette Text dieses lesenswerten Artikels ist bei wissenschaft-online.de unter diesem Link zu finden…

17. Januar 2007
von Tom Levold
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Konstruierte Wirklichkeiten

Nachdem gestern an dieser Stelle auf einen Beitrag von Sheila McNamee verwiesen wurde, präsentiert Peter Steinkellner aus Wien heute in seiner Rezension ein Buch von Kenneth Gergen, des wohl bekanntesten Vertreters des sozialen Konstruktionismus,„Konstruierte Wirklichkeiten. Eine Hinführung zum sozialen Konstruktionismus“, und er ist begeistert:„Dieses Buch ist ein Highlight für jeden, der sich mit konstruktivistischen Ideen beschäftigt. Gergen liefert nicht nur eine gelungene Darstellung des Sozialen Konstruktionismus als die Erkenntnistheorie der Postmoderne, sondern auch einen neuen Blick auf die Dinge des Alltags. Die Ideen dieses Buches sind eine enorme Bereicherung, das Buch ist wissenschaftlich auf hohem Niveau und kann dennoch mitreißen. Fazit: eine Pflichtlektüre nicht nur für alle, die an Konstruktivismus und Konstruktionismus interessiert sein, sondern auch wichtig für Wissenschaftler, um ihr Wissenschaftsverständnis zu reflektieren. Meine Empfehlung: kaufen, öfters lesen und vor allem: erfüllen Sie die Worte Gergens mit Leben!“
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16. Januar 2007
von Tom Levold
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Eheliche Kommunikation

Auf der Videoplattform youtube ist viel Schrott zu finden, aber auch manche Perle. Immer wieder schön sind die kommunikationstheoretisch gesättigten Beobachtungen von Loriot u.a. über das Leben zu zweit: schönen Feierabend!

16. Januar 2007
von Tom Levold
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Therapie als Soziale Konstruktion

Sheila McNamee vom Department of Communication an der University of Hampshire ist eine führende Vertreterin des Sozialen Konstruktionismus und in Deutschland vor allem durch ihre Kooperation mit Klaus G. Deissler bekannt. Zum Buch„Furthering Talk. Advances in the discursive therapies“ (New York 2004), das von Thomas Strong und David Pare herausgegeben wurde, steuerte sie einen Beitrag„THERAPY AS SOCIAL CONSTRUCTION. Back to Basics and Forward toward Challenging Issues“ bei, der auch auf ihrer Website heruntergeladen werden kann. In der Einleitung des 28seitigen Papers schreibt sie:„Perhaps the most useful way to enter into the conversation about discursive therapies is to address what I see as a central issue that we must confront as spokespersons of therapy as social construction: What does it mean to approach therapeutic practice from a constructionist stance? What do we do, as therapists, once we propose that meaning emerges in the on-going flow of persons in situated activity? This concern gives rise to a related issue which I will touch upon as an exciting and vitally important direction in which we must now move: how do we assess or evaluate our therapeutic practice if meaning is understood as a local achievement? This question emerges as we confront both the continuing conversation around therapeutic practice and its relation to a constructionist orientation1 (e.g., this volume stands as one illustration). Our discussions might be well focused on appreciating conversations that challenge us to articulate what we mean when we talk of therapeutic practice as social construction“
Zum vollständigen Beitrag (PDF)…

15. Januar 2007
von Tom Levold
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Bayerische Schlachtplatte

Wenn der bayerische Ministerpräsident sich seinen Weg nach oben nicht selbst mit zahllosen Intrigen gebahnt hätte: der Mann könnte einem Leid tun. Wie weiland Herr Honecker und anderes Politpersonal wird er nun nach allen Regeln der Kunst abserviert und merkt es selbst nicht richtig – so schnell geht das alles. So geht es halt in der Politik zu. Und was fällt einem dazu ein? Ein Zitat von Karl Kraus aus dem ersten Heft des ersten Jahrgangs der„Fackel“ im Jahre 1899:
„Die Verworrenheit unserer politischen Zustände hat einen großen Vortheil; sie erleichtert die Beurtheilung der führenden Männer. Unter minder schwierigen Umständen konnte sich ein Minister jahrelang der Feststellung seines Wertes entziehen. Selbst der Geschichte fehlen die Anhaltspunkte zur Beurtheilung einzelner Staatsmänner. Aber dieses historische Dämmerlicht ist vorüber. Heute ist die Beleuchtung so grell, dass man die Umrisse politischer Unfähigkeit weithin erkennt. Unsere Zeit richtet jeden Minister binnen ein paar Tagen — standrechtlich. Auch auf die Abstufungen der Mittelmäßigkeit lässt sie sich nicht mehr ein.
Schwierigkeiten gibt es nur für den, der sie nicht überblickt. Der Mann, an dessen Intelligenz gemessen, die Conflicte unserer Politik klein erscheinen würden, ist aber noch nicht gefunden. Hat die individualistische Auffassung in der Geschichte Unrecht, die den historischen Verwicklungen nur die Aufgabe zuerkennt, die Persönlichkeit zu zeitigen, die ihrer Herr wird?“
Für alle, die Karl Kraus lieben, gibt es jetzt eine wunderbare Nachricht. Mit Ablauf der Urheberrechtsfrist ist sein Werk für die Allgemeinheit freigegeben und die Österreichische Akademie der Wissenschaften bietet ab sofort den freien und kostenlosen Online-Zugang zu allen 37 Jahrgängen der Fackel von 1899 to 1936 an: 415 Ausgaben und mehr als 22.500 Seiten. Die Datenbank ist im Volltext (und sehr schnell) durchsuchbar und bietet sowohl eine Darstellung im Faksimile an als auch einen (seiten- und zeilengenauen) digitalen Text. Einen Dank für diese editorische Leistung.
Und ein Trost: An Edmund Stoiber wird in hundert Jahren nichts mehr erinnern, Karl Kraus wird bleiben.
Zur Online-Präsentation der Fackel…

15. Januar 2007
von Tom Levold
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Systemisches coaching im management

Barbara Hüppauf aus Berlin bespricht für systemagazin die Neuauflage des Buches„Systemisches Coaching im Management. Ein Praxisbuch für Neueinsteiger und Profis“ von Gabriele Müller, das 2006 im Beltz-Verlag erschienen ist, wohlwollend-kritisch:„Es spricht für dieses Buch, welches als Leserschaft sowohl Coachs in Ausbildung als auch erfahrene Coachs ansprechen möchte, dass nunmehr die zweite Auflage vorliegt. Mir selber scheinen bei Fachbüchern immer klar begrenzte Zielgruppen für eine fundierte Arbeit zu sprechen. Offensichtlich fühlen sich die Erfahrenen nicht abgeschreckt und die Neuanfänger ermutigt. … Sehr leserfreundlich ist die optische Gestaltung des Buches: Die breiten Seitenränder lassen Platz für Kommentare des Benutzers, der sich vielleicht von den kurzen Hinweisen und Überschriften und den Zitaten kluger Geister, die gelegentlich auf den Rändern stehen, zum Schreiben ermuntert fühlt. An den Klappentexten auf ihren Büchern sind Autoren vermutlich unschuldig. Wenn ein interessantes Praxisbuch gleich mit „in Deutschland bislang einzigartiges integratives Methodenkonzept“ angepriesen werden muss, bekommt es so ein unseriöses ,Geschmäckle‘. Überflüssigerweise“
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14. Januar 2007
von Tom Levold
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Unvorhergesehene Komplikationen

Die Geschichte der Psychotherapie erschließt sich zu einem nicht unbeträchtlichem Teil auch über die Biografien ihrer Protagonisten. Eine der jüngeren Biografien von Sigmund Freud wurde 1989 vom bekannten österreichischen Schriftsteller und Journalisten Georg Markus verfasst und ist 2006 im Verlag Langen/Müller in einer vollständig überarbeiteten Neuauflage erschienen. Auf der Website des Verlages findet sich eine Leseprobe aus dem Kapitel über die Krebsdiagnose und Behandlung Freuds, die folgendermaßen beginnt:„Professor Dr. Markus Hajek, Vorstand des Universitätsinstituts für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, empfing den prominenten Kollegen persönlich in den Ambulanzräumen seiner Klinik. Zu Hause hatte Freud, um die Familie nicht zu beunruhigen, in den frühen Morgenstunden angekündigt, er wollte einen Spaziergang unternehmen. Gegen Mittag erhielten Martha und Anna Freud einen Anruf, sie mögen sofort ins Allgemeine Krankenhaus kommen, es wären unvorhergesehene Komplikationen eingetreten. Als die beiden Frauen, von der Nachricht überrascht, im Spital eintrafen, glaubten sie ihren Augen nicht trauen zu können. Sie fanden den geliebten Mann und Vater blutüberströmt und mutterseelenallein auf einem Küchenstuhl der Klinik vor, weder ein Arzt noch eine Krankenschwester kümmerten sich um ihn, nachdem als Folge des Eingriffs von Professor Hajek Blutungen eingetreten waren. Auf dringendes Ersuchen Anna Freuds wurde der so lieblos behandelte Patient notdürftig versorgt und in einen kleinen Raum gebracht, wo er sich auf einer primitiven Holzpritsche erholen sollte“
Wer weiterlesen möchte, findet hier den Zugang…

14. Januar 2007
von Tom Levold
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Mystifikation, Konfusion und Konflikt

Einer der wichtigsten Bücher für die beginnende Familientherapiebewegung hierzulande war zweifellos der 1969 in der von Jürgen Habermas, Dieter Henrich und Niklas Luhmann besorgten Reihe„Theorie“ bei Suhrkamp erschienene Reader „Schizophrenie und Familie“, der auch heute noch in der stw-Reihe erhältlich ist. Hier waren bahnbrechende Arbeiten von Bateson, Haley, Weakland, Wynne u.a. zum ersten Mal in deutscher Übersetzung zu lesen. Einer meiner Lieblingstexte war während meines Studiums der Aufsatz „Mystifikation, Konfusion und Konflikt“ des schottischen Psychiaters Ronald D. Laing (Foto: Wikipedia) über die Verwirrung erzeugenden Kommunikationsmuster, die er (u.a.) in Familien mit psychotischen Angehörigen aufgefunden hat. Er ist erstmals in dem Band„Intensive Family Therapy“ erschienen, der von Ivan Boszormenyi-Nagy und James Framo 1965 bei Harper & Row in New York herausgegeben wurde und erst später (1975) bei Rowohlt in einer deutschen Fassung erschien.
Dieser Aufsatz ist auch heute noch, wie ich finde, lesenswert. Im Kontext der kritischen Diskussion der vergangenen Jahrzehnte könnte man die Arbeit von Laing im Zusammenhang mit einer Kritik des„Mother-Blaming“ lesen – sie bedient sich natürlich nicht einer konstruktivistischen Terminologie oder Denkweise. Andererseits macht er aber auch deutlich, dass Familienmitglieder nicht nur unterschiedliche Realitäten erzeugen, sondern auch entsprechend unterschiedliche Interessen verfolgen:„Jede Familie hat ihre Differenzen (die von leichten Meinungsverschiedenheiten bis zu gänzlich unvereinbaren und widersprüchlichen Interessen und Standpunkten reichen), und jede Familie verfügt über bestimmte Mittel zu ihrer Handhabung. Eine Art, solche Widersprüche zu behandeln, soll hier unter dem Stichwort Mystifizierung dargestellt werden“
Gleichzeitig wendet er sich dagegen, das Konzept der Mystifizierung als Pathologie-Konzept zu verstehen:„Leider neigen wir dazu, diese besondere Mystifikation zu zementieren, wenn wir den Begriff der »Pathologie« der Familie oder Gruppe benutzen. Der Begriff der individuellen Psychopathologie ist schon problematisch genug, da man ohne Spaltung und Verdinglichung von Erleben und Verhalten, um zur Vorstellung von einer »Psyche« zu kommen, dieser Fiktion keine Pathologie oder Physiologie zuschreiben kann. Von der »Pathologie« der Familie zu sprechen, ist aber noch problematischer. Die Prozesse, die sich in einer Gruppe abspielen, werden durch die Praxis ihrer einzelnen Mitglieder erzeugt. Mystifizierung ist eine Form der Praxis; sie ist kein pathologischer Prozess“
Der Text ist im Internet nachzulesen, wenn Sie diesem Link folgen…

13. Januar 2007
von Tom Levold
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deutsche opferkultur

In der Neuen Zürcher Zeitung von heute konstatiert Joachim Güntner angesichts der gegenwärtigen Mutation des Opferbegriffs zum Schmähwort einerseits und der zunehmenden Kritik an einer Stilisierung des Opfers einen Wandel in der„Opferkultur“:„Sollten etwa die vielen abwertenden Stimmen, bei allem Niveauunterschied, letztlich Kinder eines Zeitgeistes sein? Das wäre eine hässliche Vorstellung. Wir müssten dann glauben, dass die Opferverhöhnung, wie sie Gangsta-Rapper und Unterschicht-Jugendliche mit Wonne betreiben, untergründig Verbindung hält mit der intellektuellen Kritik an den Auswüchsen der Opferkultur. Es muss keine nachweisbare Allianz sein. Denkbar wäre ein Mitschwingen in sozialen «vibrations», ein rückgekoppelter Regelkreis sich langsam verstärkender Aversionen. Vielleicht haben wir es mit einem Stimmungswandel zu tun, der durchaus allgemein ist, sich nur eben je nach gesellschaftlichem Standort bald klug und abgewogen, bald brutal artikuliert. Eine fundamentale Differenz der Positionen liesse sich gleichwohl noch markieren. Entscheidend für die Frage, wes Geistes Kind ein Verächter der Opferkultur ist, ist seine Haltung zur «Täterkultur». Höhnt, spottet und kritisiert er nur? Oder geht seine Verachtung einher mit der Billigung von Schikanen und Gewalt? Die Beschimpfung «Du Opfer», diese Reduktion des Beschimpften auf ein soziales Nichts, strotzt vor solcher Billigung“
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13. Januar 2007
von Tom Levold
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„Personsein, sterblichkeit und heilendes vertrauen“

Unter diesem etwas sperrigen Titel werden im kürzlich erschienenen Heft 2/2006 von„Psychotherapie und Sozialwissenschaft“ ein wenig mutwillig recht unterschiedliche Beiträge von der Herausgeberin Brigitte Boothe zusammengespannt. Ein ausgezeichneter Aufsatz des Göttinger Philosophen Wolfgang Carl („Personen und ihr Gehirn“) nimmt sich kritisch die Art und Weise vor, in dem Neurowissenschaftler, hier Antonio Damasio und Wolfgang Singer, Wörter wie Selbst, Meta-Repräsentation usw. benutzen, nämlich„unklar und unangemessen“:„Wenn der Begriff des Selbst mit Hilfe der Verwendung von indexikalischen Ausdrücken wie ,ich‘ und ,du‘ eingeführt wird, dann muss der Begriff sich auf die Personen beziehen, die solche Ausdrücke verwenden“ (56). Drei Beiträge von Rüdiger Bittner, Günther Bittner und Jürgen Straub diskutieren das Problem der Handlung und ihrer Motivation bzw. Erklärung, also die Frage nach der Bedeutung bewusster oder unbewusster Gründe für Handeln (eingedenk aller Unschärfe, die diesem Begriff selbst anhaftet). Schließlich findet sich noch eine etwas schwer zugänglichen qualitativen Inhalts-Analyse einer Diskussion von fünf Hausärzten, die der Bedeutung der Balint’schen Formel von der„apostolischen Funktion“ des Placebos als hausärztlichem Instrument nachspüren, sowie die Ergebnisse einer narrativen Untersuchung an 25-35-jährigen Erwachsenen zum Thema„eigene Sterblichkeit“. Das Inhaltsverzeichnis mit dem Vorwort kann hier eingesehen werden.
Zu den vollständigen abstracts