systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

30. März 2008
von Tom Levold
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Ökonomie der Aufmerksamkeit

Georg Franck, Architektur-Professor in Wien, ist einem breiteren Publikum durch seine fulminanten Analysen zur Ökonomie der Aufmerksamkeit und zum„Mentalen Kapitalismus“ bekannt geworden, letzteres meiner Ansicht nach eines der besten Bücher der vergangenen Jahre. In Anlehnung an den Kapitalbegriff bei Marx und Bourdieu entwickelt Franck eine„Politische Ökonomie des Geistes, die darauf aufbaut, dass Beachtung wie Geld knappe Ressourcen darstellen, die nicht nur ausgegeben und eingenommen werden, sondern auch akkumuliert werden können. In einer Mediengesellschaft wie der unsrigen wird das Kapital an Aufmerksamkeit, das angesammelt wird, zur entscheidenden Produktivkraft in Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Medien-Öffentlichkeit. In einem ausführlichen Interview mit Herbert Hrachovec für die„Philosophische Audiothek“ erläutert Franck sein Konzept von Aufmerksamkeitsökonomie, für das man sich die Zeit zum Zuhören nehmen sollte.
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27. März 2008
von Tom Levold
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Einige Überlegungen zur randomisierten klinischen Studie („RCT“)

So übertitelt Wolfgang Mertens, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Abteilung Psychoanalyse und psychodynamische Forschung der Ludwig Maximilian-Universität München eine Studie, in der er die Argumente für und wieder den Einsatz randomisierter Studien (RCT – Randomized Controlled Studies) in der Psychotherapieforschung untersucht und die auf der website der DGPT veröffentlicht wurde. Lesenswert ist eine Tabelle, in der Mertens eine Gegenüberstellung die wichtigsten Charakteristika von randomisierten und kontrollierten Studien sowie die Argumente dafür und andererseits die Einwände gegen RCT als alleiniges oder höchstes Effizienzkriterium auflistet. Diese Tabelle spricht für sich selbst! (Abb.: University of Washington)
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26. März 2008
von Tom Levold
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Systemische Therapie

Unter diesem Sammeltitel vereint die aktuelle Ausgabe von systhema Beiträge über unterschiedliche Facetten systemtherapeutischer Praxis. Aus dem Editorial von Hans Schindler:„Das Konstrukt„Teile einer Person/Persönlichkeit“ ist eine hilfreiche Idee für systemische Therapieprozesse mit einzelnen Klientinnen. Dieser Gedanke von Virginia Satir wurde von verschiedenen Autoren unterschiedlich„konstruktivistisch“ aufgegriffen. Gerhard Waterholter stellt gut nachvollziehbar das Konzept und die Praxis von Richard Schwartz vor. Einerseits beeindruckt seine Weiterentwicklung und Differenzierung dieser Idee, andererseits kritisiere ich die ontologische Ausrichtung seines Konzepts: Die Teile sind für ihn nicht nur eine kreative Idee, sondern existieren für ihn wirklich. Helmut Leuders zeigt a. H. einer Falldarstellung, dass diese Teileidee auch in der Praxis mit psychiatrisch diagnostizierten Klientlnnen hilfreich eingesetzt werden kann. Friederike Gölz‘ ressourcenorientierte Kunsttherapie lässt sich im Sinne Steve de Shazers auch als system ische verstehen: Das System sind hier die Klientin / der Klient, der Therapieraum mit den Materialien und den Objekten anderer Klientinnen und der Kunsttherapeut / die Kunsttherapeutin. Jürgen und Hanneke Singer erläutern das Konstrukt Depression und wie in unterschiedlichen therapeutischen Konzepten/Verfahren damit umgegangen wird. Der Bericht von Katharina Walckhoff zeigt, was sich alles verändern kann, wenn wir die Konstrukte in unserem Kopf ändern: Jäger- und Sammler-Typus statt Störungs-Typus ADS. Wie Systemische Therapeutinnen und Beraterinnen Anregungen anderer therapeutischer Weiterbildungen (VT-Seminar) nutzen, zeigt eine Befragung von Hans Lieb. Diese Ergebnisse bestätigen Untersuchungen, dass die allermeisten Therapeutinnen Anregungen unterschiedlicher Schulen nutzen, und nur wenige – der eigenen Einschätzung nach – nach„reiner Lehre“ arbeiten. Dem Artikel von Renate Jegodtka und Peter Luitjens über„Systemtheorie und Praxis“ wünsche ich breite Rezeption. Möge er zu weiteren Diskussionsbeiträgen Anstoß geben“
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25. März 2008
von Tom Levold
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Heinz von Foerster über Gotthard Günther

Am 20.3. wurde an dieser Stelle auf einen recht komplizierten Aufsatz von Walter Ludwig Bühl hingewiesen, in dem dieser sich u.a. mit der Luhmannschen Rezeption von Gotthard Günther auseinandersetzt. Gotthard Günther, Jahrgang 1900, Philosoph und Logiker, emigrierte 1937 mit seiner jüdischen Frau nach Südafrika und 1940 in die USA, nachdem er in Leipzig von 1933 bis 1937 Assistent von Arnold Gehlen gewesen war. Heute ist er in der öffentlichen Wahrnehmung nur einem kleinen Publikum bekannt. In einem hinreißenden Interview, das Heinz von Foerster im Januar 1997 anlässlich eines Vortrages an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften mit Kai Lorenz und Gernot Grube über seine Begegnung und Zusammenarbeit mit Gotthard Günther führte, wird die Person von Günther auf sehr lesenswerte Weise nahegebracht.
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24. März 2008
von Tom Levold
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Von geheimen Schlachten, galoppierenden Gedanken, inneren Zerreißproben, kostbaren Schätzen und grenzenlosen Weiten

Annette Ziegler aus Wien hat im Jahre 2004 eine schöne Diplom-Arbeit über„Metaphern im Schizophrenie-Diskurs Betroffener und Angehöriger“ geschrieben, die nun auch online zu lesen ist. Es handelt sich dabei nicht nur um eine kundige Einführung in die Metapherntheorie der kognitiven Linguistik nach Lakoff und Johnson, sondern auch um eine beeindruckende empirische Studie über die Metaphern, mithilfe derer Bilder und Metaphern erschlossen werden, die den„Alltagsdiskurs schizophrenie-erfahrener Menschen implizit anleiten“. Die Arbeit ist umfangreich und ausgesprochen lesenswert:„Als Datenmaterial für die Metaphernanalyse dienten ‚natürliche Daten’ – in Büchern und Zeitschriften veröffentlichte Erfahrungsberichte von Schizophrenie-Beteiligten; analysiert wurden 37 Textdokumente Betroffener und 25 Erfahrungsberichte von Angehörigen.
Im Ergebnisteil wird zunächst das Metaphernspektrum Betroffener detailliert beschrieben. Es zeigt sich, dass die rekonstruierten Metaphern die zentralen inhaltlichen Dimensionen der Schizophrenie – das sind Beschreibungen der Schizophrenie selbst, Charakterisierungen der schizophrenen Person, Vorstellungen über hilfreiche Umgangsweisen, Sinnzuschreibungen und Ursachenvorstellungen – jeweils in einem Bild zu verbinden vermögen. Die dargestellten metaphorisch strukturierten Handlungs- und Lösungserwartungen werden insbesondere dann relevant, wenn es um die Implementierung passender Behandlungsangebote geht. Etwa erfordert ein Kriegszustand Kampfgeist, Mitstreiter, Verbündete, Durchhaltewillen – wer Schizophrenie als Irrweg bebildert, braucht Anhaltspunkte, Wegweiser, Begleiter etc.
In einem zweiten Analyseschritt wird auf der Grundlage einer Häufigkeitenanalyse der identifizierten Metaphernfelder die Metaphorisierungspraxis Betroffener und Angehöriger verglichen. Zentrale Be-deutung in den Texten beider Subgruppen kommt solchen metaphorischen Konzepten zu, die Betroffene und Angehörige als ausgelieferte Opfer unausweichlicher und beängstigender Vorgänge mit wenig Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten konstituieren.
Die beiden wichtigsten metaphorischen Modelle sind im Betroffenen- wie im Angehörigendiskurs die Weg- und die Behälter-Metapher. Beide lassen Schizophrenie als Zustand der Abweichung von wichtigen gesellschaftlich und kulturell geteilten Werten und Normen erscheinen: Im Lichte der Weg-Metapher sind schizophrene Symptome als Komplementärerscheinungen zum gesellschaftlichen Ideal des ‚immer weiter’ und ‚immer schneller’ zu verstehen – die Behälter-Metapher kennzeichnet Schizophrenie als einen Zustand, in dem sich die für unser westliches Subjekt-Verständnis fundamentalste Konstante, die Trennung zwischen Subjekt und Objekt, Innen und Außen, aufzulösen beginnt.
Unterschiede zwischen den Sprechergruppen zeigen sich v.a. in Bezug auf die Verortung der Schizophrenie. Angehörige tendieren dazu, die Schizophrenie in der als Behälter gedachten Person zu platzieren. Bei Betroffenen finden sich demgegenüber zahlreiche Metaphern, die die Schizophrenie externalisieren und sie als von der eigenen Person klar getrennten Gegenstand, als von außen kommende bzw. in Gang gesetzte Dynamik erscheinen lassen“
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23. März 2008
von Tom Levold
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edition ferkel im systemagazin: frohe ostern


Liebe Leserinnen und Leser,
ein Ostern ohne Vorhölle – kann das gut gehen? Auch die Einführung neuer Sünden durch den Papst macht mir Sorgen. Gelten die etwa auch rückwirkend? Das könnte ja komplett die biografische Sündenökonomie vieler Menschen durcheinanderbringen. Was ist mit Ablass und Beichte von Sünden, die man schon länger begangen hat, aber nie für eine Sünde gehalten hat? Und könnte man jetzt schon in Erfahrung bringen, mit welchen Sünden zukünftig zu rechnen sein wird? Ich bin gespannt und wünsche erst einmal frohe Ostern!
Zum Osterfest tischt systemagazin jedoch weder ein Osterlamm noch ein frisches Zicklein auf, sondern ein ausgewachsenes Ferkel.
Das gepfefferte Ferkel“ ist der Titel eines Buches, das der 2005 verstorbene Heinz Kersting, Mitbegründer und langjähriger wissenschaftlicher Leiter des instituts für systemische beratung ibs in Aachen, als„Lesebuch für Sozialarbeiter und andere Konstruktivisten“ herausgegeben und gemeinsam Theodor M. Bardmann und Hans-Christoph Vogel„zusammengewürfelt“ hat. Im September 2001 ging das das„Gepfefferte Ferkel“ als Online-Magazin ins Internet und hat seitdem über 200 wissenschaftliche, künsterische, poetische, theoretische und praktische Texte veröffentlicht. Nach dem Tode Heinz Kerstings ging die wissenschaftliche Verantwortung für die Gestaltung des gepfefferten Ferkels an Heiko Kleve, Professor für Theorie der Sozialen Arbeit an der Hochschule in Potsdam, über. systemagazin freut sich, in Kooperation mit Heiko Kleve und Georg Nebel, dem Gesellschafter des ibs in Aachen, zu Ehren von Heinz Kersting eine„edition ferkel im systemagazin“ aufzulegen. Im Laufe der Zeit werden die wichtigsten Texte zur Systemischen Theorie und Praxis im systemagazin veröffentlicht werden und die Systemische Bibliothek im systemagazin bereichern. Dafür schon jetzt an dieser Stelle einen herzlichen Dank an Heiko Kleve und Georg Nebel. Natürlich ist das„gepfefferte Ferkel“ auch weiterhin im Internet direkt zugänglich.
Die ferkel-edition wird mit einem Beitrag von Stephan Baerwolff aus Hamburg eingeleitet. Dabei geht es um einen Beitrag zur Psychotherapieforschung aus dem Jahre 2004, der trotz der leicht veränderten Ausgangslage, was die Therapieforschung über die systemische Therapie zu zu sagen hat, immer noch sehr interessant ist.
Zur edition ferkel…

22. März 2008
von Tom Levold
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Konstruktivistische Pädagogik und ihre ideengeschichtliche Fundierung im Deutschen Idealismus

Bereits vor einigen Wochen wurde an dieser Stelle auf eine Arbeit von Stefan Schweizer über die Wurzeln des Konstruktivismus im Deutschen Idealismus hingewiesen. Ebenfalls im Online-Journal„Electroneurobiología“ hat er 2007 eine Arbeit über die ideengeschichtliche Fundierung der konstruktivistischen Pädagogik veröffentlicht:„Der Aufsatz beginnt mit der These, dass einiges
an konstruktivistischem Theoriengut im pädagogisch-didaktischen Diskurs vertreten ist. Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Bildungsreform und Bildungsplanreform in Deutschland. Konstruktivistische Theorien sind aber nicht immer als solche kenntlich gemacht. Schreibt sich ein Autor den Konstruktivismus auf die Fahnen, dann trifft er nicht eben selten auf vornehme Distanz oder offene Ablehnung. Dies liegt u.a. daran, dass weder wissenschaftshistorische noch wissenschaftstheoretische Reflexionen hinsichtlich des Konstruktivismus vorkommen. Problematisch ist außerdem, dass die Radikalität konstruktivistischen Gedankenguts häufig Vorstellungen von Beliebigkeit und Willkür evozieren. Diesen Desideraten versucht vorliegender Aufsatz abzuhelfen. Durch
seine wissenschaftshistorischen Ausführungen leistet er einen Beitrag zur wissenschaftshistorischen Plausibilisierung und historischgenetischen Einordnung von Theorienfamilien. Der Deutsche Idealismus, insbesondere Fichte, bedingt aber auch Schelling, sind als Wegbereiter konstruktivistischen Gedankenguts identifiziert. Spezifizierungen nehmen konstruktivistische Erkenntnistheoretiker wie Schmidt und v. Glasersfeld vor. Mario Crocco und Colin Dougall weisen auf noch ältere, aristotelische Wurzeln der Theorie der Autopoiese gemäß der chilenischen Neurobiologen Maturana und Varela hin. Maturana und Varela wurden in einer Kultur sozialisiert, die über vier Jahrhunderte hinweg von der aristotelischen Philosophie und jesuitischem Gedankengut beeinflusst war. Diese Gesichtspunkte sind bisher in vorliegendem Forschungsprogramm des Autors noch nicht berücksichtigt. Nichtsdestoweniger, die mit dem konstruktivistischen Paradigma konvergierende systemtheoretisch-kybernetische Theorie der Autopoiese eignet sich hervorragend zur Verdeutlichung und kritischen Reflexion der wissenschaftstheoretischen Implikationen der (konstruktivistisch ausgerichteten) Selbstorganisationstheorie“
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21. März 2008
von Tom Levold
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Hartwig Hansen: Wie viel Weihnachten steckt mittlerweile in Ostern?

Sie haben recht. Ich finde auch: das ist eine bescheuerte Frage! Ich hörte sie gestern im Autoradio auf dem Weg zur Arbeit. Es folgte die Ankündigung des Moderators mit sonorer Stimme: „Das klären wir in ein paar Minuten.“ (Wie bescheuert ich auch diesen zweiten Satz finde, klären wir in ein paar Minuten.)
Nach der Werbepause mit „Alltours-Frühbucherrabatt“ und „Auf alles 20%! Außer Tiernahrung“ wurde dann referiert, dass nicht nur die Süßigkeitenindustrie bemüht sei, das Osterfest zu einem ähnlichen Umsatzkracher wie Weihnachten zu machen, mit speziellen Hasen- und Eierkreationen und der suggestiven Frage: Warum nicht auch mal das neueste Handy ins Moosnest legen?
Ein pfiffiger Versandhandel böte einen zusammensteckbaren, wieder verwendbaren „Osterbaum“ inklusive 20 formschönen Farbeiern an – für lächerliche 198,- Euro, und es läge voll im Trend, dass es jetzt neben dem angestaubten Adventskalender einen Osterhasenkalender mit 30 Türchen gäbe. Von Osterliedern für die Kleinen und glänzenden Osterkerzen ganz zu schweigen.
Das alles ist schon albern genug, aber ich will zurückkommen auf die Einstiegsfrage und damit zum eigentlichen Kern meiner Besorgnis. Sie lautete: Wie viel Weihnachten steckt mittlerweile in Ostern?

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20. März 2008
von Tom Levold
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Luhmanns Flucht in die Paradoxie

Walter Ludwig Bühl, geb. 1934, Philosoph und Soziologe, der von von 1974-1996 einen Lehrstuhl für Soziologie u.a. mit den Arbeitsschwerpunkten Soziologische Theorie, Wissens- und Wissenschaftssoziologie an der Universität München innehatte, geht in diesem Aufsatz mit Niklas Luhmann ins Gericht, der auf website vordenker.de zu lesen ist. Er kritisiert vor allem dessen„Versuch (…), eine Soziologie und Gesellschaftstheorie zu rechtfertigen (oder wenigstens zu ,plausibilisieren‘), die von der Entparadoxierung selbst erzeugter Paradoxien lebt“. Als Kenner der Philosophie Gotthard Günthers, der für seinen Entwurf einer polykontexturalen Logik bekannt geworden ist und von Luhmann ausgiebig zitiert wird, polemisiert Bühl gegen Luhmann:„Im übrigen aber mißdeutet er Günther in allen wesentlichen Konstruktionselementen so gründlich, daß die Berufung auf ihn nur als Ausdruck der Mißachtung verstanden werden kann“. Das ist harter Tobak, aber für alle lesenswert, die sich mit den philosophischen Grundlagen der Theoriekonstruktion Luhmanns auseinandersetzen wollen.

Zum vollständigen Text von Walter L. Bühl…

18. März 2008
von Tom Levold
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PID 1/08: Altern

Das erste Heft von„Psychotherapie im Dialog“ setzt sich mit dem Thema Alter auseinander.„1950 machte die Bevölkerungsgruppe 65+ ca. 10% an der Gesamtbevölkerung aus, heute sind es ca. knapp 15%, im Jahre 2050 werden nach Hochrechnungen mehr als 25% der Bevölkerung älter als 65 Jahre sein. Noch vor 100 Jahren betrug die durchschnittliche Lebenserwartung weniger als 50 Jahre, heute sind es 75 und mehr. Und wenn die Prognose des ÖAW−Instituts für Demografie zutrifft, werden die Menschen in Deutschland im Jahr 2040 im Mittel mehr als 90 Jahre alt“ (aus dem Editorial). Wenn man bedenkt, dass bereits ein großer Teil der sogenannten„Jungen Alten“ ab 60 – anders als in früheren Jahrzehnten – mit der Vorstellung vertraut ist, dass Psychotherapie eine Option zur Bewältigung eigener Schwierigkeiten und Krisen darstellt, dürfte klar werden, dass Psychotherapeuten sich viel stärker als bislang mit dem Thema Alter und Psychotherapie im Alter beschäftigen müssen. Nicht zuletzt ist das ein Thema, das sie auch selbst betrifft, liegt doch schon jetzt das Durchschnittsalter von PsychotherapeutInnen bei 51 Jahren. Das aktuelle Heft versammelt vielseitige Perspektiven auf die gesundheitliche, soziale und sexuelle Lebenssituation von und bietet Anregungen nicht nur für den therapeutischen Umgang mit älteren Menschen an. Sehr lesenswert.
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17. März 2008
von Tom Levold
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Konstruktivismus, Postmoderne und die Wissenschaft

2005 hat Heiko Kleve auf der website der Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie AGSP eine umfangreiche„Verteidigungs- und Aufklärungsschrift“ veröffentlicht, die sich gegen Angriffe auf eine konstruktivistische und postmoderne Fundierung der Sozialen Arbeit richtet. In der Zusammenfassung heißt es:„Konstruktivismus und Postmoderne sind zwei theoretische Perspektiven, die in den letzten Jahren auch Einzug in die Wissenschaft der Sozialen Arbeit gehalten haben. Beide Richtungen stellen jedoch gängige Verständnisse von Wissenschaft und sozialer Praxis radikal infrage, erlauben aber gerade deshalb eine theoretische Fundierung Sozialer Arbeit, die der Komplexität dieser Profession angemessen ist. Trotzdem sind diese Richtungen in der wissenschaftlichen Reflexion der Sozialen Arbeit sehr umstritten und werden nicht selten bekämpft. Ausgehend von dieser Kritik und Ablehnung hinsichtlich des konstruktivistischen und postmodernen Denkens werden im Folgenden – auf einer grundsätzlichen und wissenschaftstheoretischen Ebene – Entwicklungslinien der umstrittenen Paradigmen nachgezeichnet, um sie in ihrer Brauchbarkeit für die Wissenschaft der Sozialen Arbeit zu verteidigen. Quasi als Nebenprodukt wird damit eine knappe Einführung geboten in das postmoderne Differenzdenken“
Der vollständige Text kann hier gelesen werden…

16. März 2008
von Tom Levold
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Winter Soldiers: Irak und Afghanistan

Heute endet eine viertäge Veranstaltung in Washington, die von der Veteranen-Initiative„Winter Soldiers“ veranstaltet wurde, und in der Angehörige der Armee nicht nur mit dem Krieg im Irak und Afghanistan abrechnen, sondern auch auf erschütternde Weise ihre eigenen Taten bekennen. Die Veranstaltung wird im Internet mit Video-, Ton- und Bildmaterial dokumentiert, die Videodokumentation ist aber aufgrund des großen öffentlichen Interesses nicht immer gut zu erreichen. Aus diesem Grund werden die Aussagen der Beteiligten auch zusammengefasst, wie hier die von Jon Turner:
„Jon Turner, a former Marine, begins his testimony by ripping off his combat medals and proclaiming„I don’t work for you anymore!“ In the first video that Jon shows, his XO proclaims,„I think I just killed half the population of Ramadi; fuck the red tape!“ In the second, after the engagement was already over, the XO has called in a 500 pound bomb to destroy the area to send a message. Jon once fired into a car he believed to be a suicide bomber . . . it was a man and his seven daughters. Turner’s unit also carried„drop weapons“ in case they accidentally killed an innocent civilian. Pictures are being shown of these mistakes now. Turner’s first confirmed kill was an innocent man; he was congratulated by his company commander after that first kill. After his third kill, an apparently innocent man on a bicycle, Turner and his squad drug the man behind a rock wall and left him there. Raids were a consistent part of Turner’s war experience, mirroring what others have testified to about house raids. Two videos have been shown of Turner’s squad firing on Mosques unprovoked, an obvious violation of international law. Turner quivers as he ends his testimony by apologizing for the hate and aggression he inflicted on the innocent Iraqi people“
Der GRÖPRAZ (größte Präsident aller Zeiten, Foto: Huffington-Post) hat anlässlich dieser Tagung noch einmal den romantischen Aspekt des Überfalls auf den Irak hervorgehoben:„,I must say, I’m a little envious,‘ Bush said. ,If I were slightly younger and not employed here, I think it would be a fantastic experience to be on the front lines of helping this young democracy succeed.‘ ,It must be exciting for you … in some ways romantic, in some ways, you know, confronting danger. You’re really making history, and thanks,‘ Bush said“ Wirklich zu schade, dass er gerade nicht abkömmlich ist, weil er im weißen Haus„employed“ ist. Aber vielleicht deuten sich hier schon Perspektiven für seine postpräsidiale Phase an? Das wäre doch wirklich romantisch!