12. November 2009
von Tom Levold
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„Unterscheidungen verstehen sich nicht von selbst. Sie müssen gemacht werden. Das heißt auch: sie können gewählt werden. Man macht die eine oder die andere Unterscheidung, um etwas bezeichnen zu können. Jede Bezeichnung setzt eine Unterscheidung voraus auch dann, wenn das, wovon sie etwas unterscheidet, gänzlich unbestimmt bleibt. Sagt man Sokrates, so meint man Sokrates und niemanden sonst. In diesem Falle fällt das, wovon das Bezeichnete unterschieden wird, mit dem zusammen, wovon die Unterscheidung selbst unterschieden wird. In anderen Fällen kommt diese Unterscheidung der Unterscheidung hinzu. Zum Beispiel wird etwas als groß bezeichnet, um es von Kleinem zu unterscheiden, nicht dagegen von etwas Leisem (laut/leise) und oder etwas Langsamem (schnell/langsam). Ungeachtet dieses Unterschiedes von unterscheidenden Unterscheidungen und nichtunterscheidenden Unterscheidungen, den wir hier nicht weiter verfolgen wollen (Fußnote: Und zwar: um den Paradoxieverdacht zu vermeiden, der aufkommen könnte, wenn man fragt, ob dieser Unterschied selbst eine unterscheidende oder eine nichtunterscheidende Unterscheidung ist. »Unterschied« (in Unterscheidung von »Unterscheidung«) dient uns mithin als Paradoxieabwehrbegriff. Natürlich nur: im Moment), kommt eine Unterscheidung nur vor, wenn sie gemacht wird. Wenn sie nicht gemacht wird, wird sie nicht gemacht. Sie ist nur eine Operation, hat also einen über Zeit vermittelten Bezug zur Faktizität. Sie realisiert sich selber, allerdings nur für einen Moment, und sie muß sich dann am Bezeichneten ihrer Kontinuierbarkeit und ihrer Wiederholbarkeit versichern, um sich zu de-arbitrarisieren. Wir wollen eine Operation, die etwas unterscheidet, um es zu bezeichnen, Beobachtung nennen. Ohne Unterscheidungen sind Beobachtungen nicht möglich. Mit Unterscheidungen geraten sie unter die Bedingungen der Zeit, das heißt: in den Bann der Frage, ob eine De-arbitrarisierung gelingt oder nicht. Wenn sie gelingt, nimmt man an, daß die Operation der Beobachtung weltad-adäquat läuft. Wenn sie gelingt, nimmt man außerdem an, daß das Problem der Paradoxie geschickt vermieden ist. Sehr zu Unrecht, wie eine genauere Analyse immer wieder zeigen kann“ (In: Anfang und Ende: Probleme einer Unterscheidung. In: Luhmann, Niklas / Schorr, Karl Eberhard (Hrsg.): Zwischen Anfang und Ende. Fragen an die Pädagogik. Frankfurt a.M. 1990, Suhrkamp, S. 11f)