Für die letzte Ausgabe des Mitgliederjournals der ÖAS hat Johanna Schwetz-Würth ein Interview mit Martin Rufer über die Bedeutung des Settings in Therapieverläufen geführt, das sie dankenswerterweise dem systemagazin zur Veröffentlichung angeboten hat. Martin Rufer aus Bern in der Schweiz ist im systemagazin lange bekannt, als Fachpsychologe für Kinder- und Jugendpsychologie mit langer Erfahrung in der stationären Drogentherapie, Erziehungsberatung und Kinder- und Jugendpsychiatrie arbeitete er viele Jahre als Co-Leiter des Zentrums für Systemische Therapie und Beratung in Bern. Er arbeitet heute in freier Praxis in Bern und hat diverse Publikationen zur Theorie und Praxis von Psychotherapie/systemischer Therapie veröffentlicht.
JSW: Als wir im Redaktionsteam beschlossen, den Schwerpunkt diesmal dem Thema Setting zu widmen, sind mir gleich Sie eingefallen. Ihr Name ist ja in der deutschsprachigen systemischen Literatur mit dem Begriff „Setting als Intervention“ verbunden. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?
MR: Ja gut, als Systemiker*in sind sie ja mit der Settingfrage im Prinzip ohnehin konfrontiert. Für eine Psychoanalytiker*in ist das klassische Setting ja das Einzelsetting. Als Systemiker*in sind Sie ja herausgefordert, sich zu überlegen, mit wem macht es Sinn zu arbeiten? Und ich glaube, das ist eine ganz wichtige Frage, die Sinnfrage oder die Indikation eines Settings. Es gibt für mich keine Grundregel, die besagt, jede*r Systemiker*in muss im Mehrpersonensetting arbeiten. Der Umkehrschluss gilt allerdings genauso. Und da bin ich besorgt über die Entwicklung in den letzten Jahren. Immer weniger Systemiker*innen arbeiten im Mehrpersonensetting. Es wäre eine Diskussion für sich, warum das so ist. Die Settingfrage ist wichtig für Systemiker*innen, weil man sich überlegen muss, warum und wieso beziehe ich jemanden ein, der vielleicht gar nicht unbedingt der oder die Hilfesuchende ist? Die andere Frage, die durch das Setting virulent wird, ist: Sehr oft sind die Hilfesuchenden nicht die Klient*innen selber. Speziell bei Kindern und Jugendlichen ist das sehr signifikant. Also wenn Sie z.B. mit dissozialen Jugendlichen arbeiten, dann wollen die eigentlich nichts. Dagegen wollen die Eltern etwas, nämlich für Ruhe im privaten System sorgen. Und von daher sollte man sagen, dass sie damit auch Teil eines möglichen Entwicklungsprozesses sein müssen. In meinem Buch habe ich darauf hingewiesen, dass Kinder und Jugendliche ihre Eltern eigentlich sehr oft einbeziehen wollen – wenn sie nicht gerade auf Kollisionskurs sind – weil sie nämlich merken, dass die irgendwo wichtig sind. Aber die Frage, ob ihre Eltern einbezogen werden dürfen, wird zum Teil ambivalent beantwortet. Oft wird sie einem aber fast nahegelegt. So nach dem Motto: „Ich will nichts. Vielleicht wollen Mama oder Papa was.“ Und von daher macht die Settingfrage natürlich in hohem Maße Sinn.
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