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Fritz B. Simon und Friedrich Glasl über den Ukrainekonflikt

| 18 Kommentare

Am 24. Juni 2022 sprachen Friedrich Glasl und Fritz B. Simon in einer Zoom-Sitzung moderiert von Andreas Winheller (Verhandlungsperformance Consulting) und Gesine Otto (Sozialagentur kommstruktiv.de) über ihre Perspektive auf den Konflikt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede und ihre Vorschläge für eine Konfliktlösung. Während Fritz Simon dafür plädiert, die Ukraine mit allen erforderlichen schweren Waffen zu beliefern, damit den Russen die Idee des Sieges auszutreiben, wendet sich Friedrich Glasl gegen die weitere Eskalation in der Affektlogik, die mit jeder Waffenlieferung verbunden ist und plädiert für deeskalierende Maßnahmen.

Eine spannende Diskussion, die über zwei Stunden dauert, aber – wie Fritz Simon in Abgrenzung zu den Drei-Satz-Statements in den üblichen Talkshows anmerkt – Zeit bietet, um Argumentationen zu entfalten. Das Ansehen lohnt sich also.

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18 Kommentare

  1. Christian Michelsen sagt:

    Einst ein Reporter: “What do you think of the civilization of the western world, Mr. Gandhi?”- Mahatma Gandhi: “I think it would be a very good idea.” Würde der Reporter heute fragen “What do you think of the civillzation of the world, Mr. Gandhi?” wäre Mahatma Gandhis Antwort die gleiche. Es gibt da keinen “Zivilisationsbruch”, nicht wahr Fritz. Nur Vorhandenes kann gebrochen werden. So verstehe ich Norbert Elias, den du zitierst: Zivilisation = Konflikte friedlich lösen können, richtig?

  2. Lothar Eder sagt:

    Mit einem Ihrer erneuten Ettiketierungsanfällen war, Herr Mall, zuverlässig zu rechnen. Haben Sie ihrerseits einmal in Erwägung gezogen, dass Ihre Informationen aus tagesschau, Brennpunkt, Lanz und Co. Bestandteil einer (vom Pentagon initiierten) Propaganda sein könnten, welche den angeblich demokratischen und freiheitsorientierten Westen im Lichte und die Russen als die Bösen erscheinen lassen.
    Offensichtlich spricht einiges dafür, dass die Scharfschützen des Maidan auf beide Lager geschossen haben , um die Lage zu eskalieren und dass sie Verbindungen zu westlichen Geheimdiensten hatten. Daniele Ganser spricht von den Fingerabdrücken der USA in der Ukraine. Und der Film “ukrainian agony” liefert Fakten, die ich Ihnen schon einmal empfohlen habe. Haben Sie sich jenseits von ARD und ZDF einmal damit beschäftigt? Ich fürchte nein.
    Vertrauen Sie tatsächlich einer westlichen Strategie, die vom Hegemon USA angeführt wird, der sich seit Jahrzehnten durch die Welt bombt, lügt und foltert? Was glauben Sie würden die USA machen, wenn Russland z.B. in Mexiko “Militärberater” installieren und das System russlandfreundlich beeinflussen würde?
    Sie und die meisten übersehen, wohl aus Unkenntnis zwei wesentliche Aspekte:
    1. ist die Ukraine kein homogener Staat, sondern besteht aus widerstreitenden kulturellen und ethnischen Gruppen und Gebieten. Ich habe Ihnen damals schon die Erläuterungen von P. Scholl-Latour empfohlen, die Sie sich wahrscheinlich nicht angeschaut haben.
    2. Hat die Ukraine eine zentrale geostrategische Lage und ist deshalb im Visier sowohl der USA als auch der Russen. Die USA und der sog. “Westen” haben in den vergangenen Jahren ihren Einfluss im Widerspruch zu den Sicherheitsinteressen der Russen deutlich vergrößert. Es war abzusehen, dass dadurch ein offener Konflikt entstehen würde. Oskar Lafontaine erläutert dies sehr logisch und einleuchtend. Auch dessen Rede habe ich Ihnen eingestellt aber auch die haben Sie sich nicht angeschaut. In der Ukraine läuft ein Stellvertreterkrieg auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung.
    Sie fallen auf die übliche Kasperltheater-Konstruktion herein. Sie bekommen von den Medien eine Großmutter, ein Krokodil, eine Gretel und einen Polizisten gezeigt. Das läßt sich medial sehr leicht inszenieren: Putin ist das Krokodil und die USA sind der Polizist. Auf die Idee, dass da möglicherweise zwei Krokodile und kein Polizist im Spiel sind, könnte man kommen, wenn man in die wirkliche Außenperspektive geht.
    Den Deutschen würde es nicht zuletzt aufgrund der Geschichte mit Russland sehr gut zu Gesicht stehen, nicht Partei zu sein, schon garnicht gegenüber Russland. Man muss verstehen, dass es Teil der Sicherheitsstrategie der USA ist, dass keine Verbindung D-RUS entstehen darf. Das gelingt sehr gut und es wird ja schon seit Jahren, auch unter Trump, gegen Nordstream 2 gehetzt. Wie Selbstmordattentäter wollen die Deutschen nun heroisch frieren und ihre Wirtschaft in die Sch…e reiten, weil sie denken, RUS damit zu schaden. Schön blöd. Die machen nämlich gute Geschäfte mit den Indern und wir werden von denen russisches Öl kaufen, nur halt 10mal so teuer. Ich kann da nur den Kopf schütteln.

    • Markus Mall sagt:

      Sehr geehrter Herr Eder,

      ich entgegnete nur Ihrer Deutung, was den Beginn des Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine betrifft – als den Beginn des militärischen Konfliktes. Noch sehe ich, dass Sie auf meine Argumente direkt eingegangen sind, noch ihre eigenen in irgendeiner Weise gestützt haben. 


      Ich habe nun den Austausch von Simon und Glasl vollständig gesehen. Ich bin überrascht, dass Sie ja nicht einmal ansatzweise die Argumentation von Simon aufgegriffen haben, die sich auf seine Analyse der Muster von “tödlichen Konflikten” und auf die reale Situation (insbesondere die Kriegsziele), wie sie zu jenem Zeitpunkt war, bezieht.
      Für das Muster eines Krieges spielt die Interpunktion für seine Entstehung ja gar keine Rolle.

      • Lothar Eder sagt:

        Herr Mall, wenn die Prämisse nicht stimmt, stimmen die Ableitungen nicht. Ich habe Fritz Simons Prämisse infrage gestellt und zwar mit Begründungen, die allen, also auch Ihnen zugänglich sind.
        Und natürlich spielt die Interpunktion eine gewaltige Rolle, wenn man bewaffnete Konflikte analysieren will. Darüber hinaus wäre in dem Zusammenhang von hoher Bedeutung, sich die sog. “Neocons” um Prof. Strauss der 70er Jahre anzuschauen. Der Ansatz verfolgt eine unipolare Welt unter Führung der USA. Die Ukraine spielt in diesen Überlegungen eine wichtige Rolle. Vertreter dieser RIchtung sind u.a. Wolfowitz und Victoria Nuland, die spätestens als US-Vertreterin seit 2014 eine wesentliche Rolle in der Ukraine spielt (u.a. auf dem Maidan).
        Nur mit diesem Hintergrund kann man die Geschehnisse wirklich verstehen. Strukturfunktionalistische Analysen, welche die systemische Schule klassischerweise vornimmt, sind prinzipiell erhellend, aber wenn sie ohne Fakten, Zusammenhänge und historische Entwicklungen daherkommen, sind sie letztlich unergiebig.

        • Lothar Eder sagt:

          Hier ein aktueller Artikel der BZ, von Jeffrey Sachs, zu den Zusammenhängen, die ich oben angedeutet habe: https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/die-ukraine-ist-die-neueste-katastrophe-amerikanischer-neocons-li.242093

        • Markus Mall sagt:

          Wenig wirklich verstanden, bzw. Sie wollen mit den Überlegungen nicht mitgehen. Für Muster sind, wenn sie da sind, ihre Entstehung nicht mehr von großer Bedeutung, um ihre innere Logik zu verstehen. Deshalb geht ihre Kritik an der Analyse vorbei. Sie sagen nur, so wollen so nicht denken.
          Was ihre grundsätzliche Deutung des Krieges betrifft, kann ich das gut nachvollziehen. Diese Deutung ist für mich aber spätestens nach dem Beginn des Angriffs von Russland auf die Ukraine und was dadurch in die öffentliche Wahrnehmung kam, überholt. Ich muss mir den Krieg nun eher als Resultat einer inneren russischen Dynamik erklären und als weitere Nationen-Bildung als Folge des Zerfalls der Sowjetunion. .

          • Claude Sten sagt:

            >> “Für Muster sind, wenn sie da sind, ihre Entstehung nicht mehr von großer Bedeutung, um ihre innere Logik zu verstehen.”

            Einverstanden. Was ist denn Ihrer Meinung nach das ‘Muster’? Nicht ein Ereignis oder eine Kette, sondern das sich über eine Zeit erstreckende Muster, wo (in der Regel mehrere) Beteiligte sich in Dynamiken verstricken. Die Metaperspektive.

          • Markus Mall sagt:

            Hier verstehe ich, ohne es theoretisch wirklich durchdrungen zu haben, das, was allen Kriegen. in ihrer Struktur gleicht. Simon hat wohl diese für Krieg, Krieg eben als tödliche Konflikte, herausgearbeitet. Das Buch habe ich (noch) nicht gelesen. Aber ich kann sofort nachvollziehen, was er in dem Vortrag beschreibt.

  3. Claude Sten sagt:

    Kriege führen für den Frieden. Was für eine Anmassung!

  4. Lothar Eder sagt:

    Wenn ich lese, dass jemand im Ernst für die Lieferung schwerer Waffen plädiert fallen mir spontan zwei Musiker ein: Wolferl Ambros und “Zwickt’s me” und John Lennon mit seinem, zugegebenermaßen groben, deshalb aber nicht weniger wahren Diktum “Fighting für peace is like fucking for virginity”.

    • Tom Levold sagt:

      Lieber Lothar, ich empfehle, nicht nur den Spoiler zu lesen, sondern auch die Argumentation anzuhören. Vielleicht ergibt das ja ein kompletteres Bild.

      • Lothar Eder sagt:

        Lieber Tom, das mache ich – sofern garantiert ist, dass Fritz am Ende “Give peace a chance” singt.

        • Ich weiß gar nicht, ob Fritz singen kann. Aber was ich sicher weiß, ist, dass er nicht zur NATO-Kriegsfraktion oder anderen Akteuren gehört, die ein Interesse am Krieg haben.

          • Lothar Eder sagt:

            Also habe ich es mir angeschaut. Um festzustellen, was ich vermutet habe: die Prämissen und Interpunktionen sind falsch gesetzt. Fritz geht ex- und implizit davon aus, dass Russland einen Krieg gegen dfie Ukraine begonnen habe. Das ist objektiv falsch, da die kriegerischen Auseinandersetzungen mindestens in das Jahr 2014 zurückreichen: militärisches Vorgehen des vom “Westen” unterstützten Regimes in Kiew gegen die russisch geprägte Ostukraine. Egal, ob man dies für eine gute Idee hält, die Absicht Russlands ist es offensichtlich, eben die Ostukraine gegenüber Kiew zu schützen. Putin hat ganz offenbar im Vorfeld versucht, zu einer Einigung zu kommen, Biden hat dies offen abgelehnt. Ich gehöre nicht zu denen, welche Kriegshandlungen unterstützen, egal von wem und gegen wen, aber dies scheint mir die Logik dieses Krieges zu sein.

          • Markus Mall sagt:

            Ich wünsche mir, Herr Eder, dass Ihnen aus berufener Munde als von mir widersprochen wird und sie aufgeklärt werden. Sie nutzen den Begriff „objektiv“ und beziehen dies auf ihre, nicht nur recht eigenwillige, sondern vor allem faktenfreie – Deutung. Die militärische „Auseinandersetzung“ beginnt mit der militärischen Besetzung der Krim. Und zwar als Reaktion auf den Maidan, als Putin klar wurde, dass ihm der unmittelbare Einfluss auf die Ukraine mit der Flucht des damaligen Präsidenten und der – allerdings nicht verfassungsgemäßen – Absetzung und Wahlen einer Übergangsregierung – verloren geht. Und so eine weitere und klare Hinbewegung der Ukraine auf die EU zum Ausdruck kommt. Eine Bewegung, die für die meisten postsowjetische Staaten gilt; grundsätzlich gilt: Weg von Russland.
            In der Ostukraine herrschten damals marodierende Banden, die dann gezielt von Russland im Kontext der Krimbesetzung genutzt wurde, um einen inner-ukrainischen Konflikt mit Waffengewalt zu beladen und anzuheizen. Strategisches Ziel: Die Destabilisierung des Landes. Das ukrainische Militär war zu schwach, um die staatliche Souveränität durchzusetzen. Ihre Argumentation wird völlig verquer, wenn man bedenkt, dass Russland – wie am Anfang bei der Krim – jegliche militärische Beteiligung abgestritten und geleugnet hat. Mit dem Abschuss des Passagierflugzeuges ist das offiziell mehr als entlarvt worden. Russland hat sich bis heute noch nicht dazu bekannt. Bei all diesen Lügen schreiben Sie, dass Putin ernsthaft zu einer Einigung kommen wollte? Und da ich russische Menschen kenne, die genau die Storys von den durch Ukrainer bedrohten, getöteten und gefolterten russischen Menschen kenne, weiß ich, dass das genau die Propaganda ist, die von Russland gestreut wurde und wird. Und sie nehmen dies als Grundlage einer Argumentation?

            Doch das alles tut doch überhaupt nicht zur Sache, wenn, wie Simon das macht, aus der Analyse der logischen Bedingungen der tödlichen Konflikte argumentiert. Ob da ein Herr Eder glaubt, sich herauszuhalten können, ist völlig obsolet. Mit ihrer Position sind sie genauso Teil des Konfliktes. Man kann nicht nicht Partei sein. (Außer man ist sehr, sehr weise; ich kenne im Moment nur eine noch lebende Person, die das für mich tatsächlich lebt)
            Sie können nämlich diesbezüglich die engagierten Beiträge der Politikerin Marina Weisbrand verfolgen, die beschreibt, was es für die Ukrainerinnen und Ukrainer bedeuten würde, würden jetzt die Waffen schweigen. Oder den militärisch gebildeten Politologen, was das für die zukünftige Sicherheitsarchitektur in Europa bedeuten würde.

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