systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

21. Januar 2022
von Tom Levold
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Systemische Reflexionen

Das letzte Kontext-Heft des vergangenen Jahrgangs, das gleichzeitig auch das letzte Heft unter meiner Mitherausgeberschaft ist, ist theoretischen Reflexionen gewidmet. Im Editorial heißt es: „Im systemischen Diskurs spielen Theorien, die sich mit der Frage der Konstruktion von psychischen und sozialen Wirklichkeiten beschäftigen, seit jeher eine wichtige Rolle. Bevor sich das Feld der theoretischen Orientierungen in den 1980er und 1990er Jahren zunehmend ausdifferenzierte, galten vor allem in der Frühzeit der »Systemischen Wende« der englische Biologe und Anthropologe Gregory Bateson, die chilenischen Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela, der österreichische Physiker und Kybernetiker Heinz von Foerster sowie der deutsche Soziologe Niklas Luhmann als die Gewährsleute der neuen systemischen Denkweise, auch wenn ihre Schriften nicht unbedingt einfach zu lesen waren. Aber Sätze wie »Information ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht«, »Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt«, »Handle stets so, dass sich die Zahl der Wahlmöglichkeiten vergrößert« oder »Nicht der Mensch kann kommunizieren, nur die Kommunikation kann kommunizieren« wurden schnell zu Ausweisen einer systemischen Gesinnung (oder Haltung, wie gerne betont wird), die auch heute noch als shortcuts benutzt werden, ohne dass der damit verbundene theoretische Hintergrund gleich mit zur Hand wäre. Der beträchtliche (erkenntnis-)theoretische Aufwand, der hinter solchen Sätzen steht, traf bei der ersten Generation systemischer Praktiker noch auf eine große Bereitschaft, sich durch komplexe, komplizierte und langwierige Theoriewerke durchzuarbeiten, oft mit einem epistemologischen Enthusiasmus, der heute wohl in dieser Form kaum noch nachvollzogen werden kann. (…)

Kontext sieht seine Aufgabe schon immer darin, neben praxisbezogenen Artikeln das Gespür für die epistemologischen und theoretischen Grundlagen der systemischen Praxis wachzuhalten. Dieser Aufgabe ist auch die aktuelle Ausgabe des Kontext gewidmet, die sich schwerpunktmäßig mit der Bedeutung und der Tragfähigkeit der Werke der eingangs erwähnten Theoretiker für den aktuellen systemischen Diskurs auseinandersetzt.

In seinem einleitenden Text beschäftigt sich Wolfram Lutterer, hierzulande einer der besten Kenner des Werks von Gregory Bateson, zunächst mit dessen Beiträgen zu einem neuen Verständnis von Kontexten, Rahmen (Frames) und Kommunikation, die den Weg zur Entwicklung der frühen Familientherapie mit bereitet haben. Darauf aufbauend setzt er sich mit Batesons weit umfassenderem Anliegen auseinander, nämlich eine Ökologie des Geistes zu begrün- den, die in der Lage ist, die unterschiedlichen organismischen, geistigen und sozialen Phänomenen inklusive ihrer materiellen Eingewobenheiten in einen ökosystemischen Zusammenhang zu setzen. Mit diesem Konzept zählt Bateson zu den wichtigen Begründern und Stichwortgebern einer umspannenden ökologischen Perspektive, die heute dringlicher denn je erforderlich ist. Insofern bleibt die Frage aktuell, ob und in welcher Weise seine systemische Theorie unausgeschöpft geblieben ist und welche Anknüpfungspunkte für den systemischen Diskurs sich gerade heute daraus ergeben.

Tom Levold ruft noch einmal die kontroverse Debatte um das Konzept der Autopoiesis in Erinnerung, die in den 1980er und 1990er Jahren zwischen Niklas Luhmann einerseits, Humberto Maturana und Heinz von Foerster andererseits geführt wurde. Alle drei werden ja gern – wie schon erwähnt – im gleichen Zusammenhang zitiert, obwohl ihre Positionen z. B. zur Bedeutung des Menschen als Beobachter und zur Frage der Definition von Systemen und ihrer Elemente nicht miteinander vereinbar sind. In einer kritischen Auseinandersetzung mit der allgemeinen Systemtheorie Luhmanns wird dessen Behauptung, dass psychische und soziale Systeme autopoietische Systeme seien, in Frage gestellt und in Bezug auf kulturwissenschaftliche Praxistheorien für ein alternatives Verständnis von Kommunikationssystemen (als Systeme konstitutiv verbundener kommunikativer, materialer und affektiver Praktiken) plädiert, die analytisch untersucht werden können, ohne einer Logik der Trennung von Individuum und Gesellschaft bzw. Natur und Sozialität zu folgen.

Auch Wolfgang Loth wandelt in seinem Rezensionsaufsatz zu Lina Nagels Buch über Gregory Bateson und (s)eine kybernetische Konflikttheorie auf den Spuren des großen Spiritus Rector des Systemgedankens und hält fest, dass dessen Werk ein unverzichtbares Gegengewicht zu den erkennbaren (und vielleicht zunehmenden) Neigungen unserer Zeit darstellt, das Leben (sowohl seine Systeme als auch seine Umwelten) zu kommerzialisieren, auszubeuten und – wenn wir Pech haben – zu zerstören.

Neben den kybernetischen, epistemologischen und sozialtheoretischen Grundlagen haben natürlich auch familiendynamische Theorien im systemischen Diskurs immer eine Rolle gespielt. Ein wichtiges Feld, das im Unterschied zur Untersuchung von Paardynamik und Eltern-Kind-Beziehungen oft viel zu wenig ausgeleuchtet wurde und wird, ist die Dynamik von Geschwisterbeziehungen. Während Paarbeziehungen (in der Regel) auf freier (symmetrischer) Wahl beruhen und Eltern und Kinder über die (asymmetrische) Generationenfolge verbunden sind, ist das Band zwischen Geschwistern komplizierter. Sie sind als Generationsgenossen auf gleicher Ebene, ohne sich aber gewählt haben zu können – und die Frage, was Geschwister zusammenhält oder auseinander bringt, ist nicht einfach zu beantworten. Arist von Schlippe beschäftigt sich in seinem Beitrag mit Geschwisterbeziehungen zwischen Nähe und Distanz, Intimität und Feindseligkeit und bietet Ansatzpunkte für die systemische Beratung von Geschwistersystemen.

Darüber hinaus gibt es noch Nachrufe auf Helm Stierlin (Gunther Schmidt) und Hans Jellouschek (Rüdiger Retzlaff) sowie wie immer eine ganze Reihe von Rezensionen. Alle bibliografischen Angaben und abstracts gibt es hier…

10. Januar 2022
von Tom Levold
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Erben und Familie

Das alte und zweite Pandemie-Jahr liegt hinter uns, das dritte Pandemie-Jahr hat gerade begonnen und nachdem nun meine Winterferien zu Ende gegangen sind, möchte ich allen Leserinnen und Lesern des systemagazin ein gutes und erfolgreiches, aber vor allem gesundes Neues Jahr wünschen!

Das aktuelle Heft der Familiendynamik eröffnet den neuen Zeitschriftenjahrgang mit einem Themenheft zur Familiendynamik des Erbens, herausgegeben von Christina Hunger-Schoppe und als Gastherausgeber Arist von Schlippe. Im Editorial heißt es: „Das Thema »Erben« berührt in vielschichtiger Weise familiäre Verhältnisse. Oftmals geht es um die Auseinandersetzung mit dem Verlust eines geliebten Menschen, für dessen Verarbeitung die Seele Zeit braucht. Ist die Familie gut aufgestellt, erlebt sie sich auch an diesem Schwellenübergang in ein neues soziales System gut verbunden und passend flexibel, um mit den neuen Herausforderungen umzugehen. Nicht selten wirken Erbvorgänge jedoch auch wie ein »Brennglas«, das v. a. konflikthafte Beziehungen sichtbar macht. Erbvorgänge können daher als beziehungsorientierter Stresstest verstanden werden, der alle Ebenen soziopsychobiologischer Prozesse betrifft. An den Folgen unglücklich verlaufender Erbauseinandersetzungen haben Familien oft lange zu tragen. Umso erstaunlicher ist es, dass das Thema »Erben« in der therapeutischen Landschaft kaum vorkommt, auch von Seiten der systemischen Therapie lassen sich nur wenige Ansätze finden. Diesem »blinden Fleck« möchten wir mit unserem Schwerpunktheft zum Thema Erben begegnen.“

In gewisser Weise geht es in diesem Heft auch noch um andere Erbangelegenheiten, ohne dass sie explizit erwähnt werden: Ulrike Borst ist nach vielen Jahren von ihrer Aufgabe als Herausgeberin der Familiendynamik ausgeschieden, Jörn Borke aus Magdeburg-Stendal und Rieke Oelkers-Ax aus Neckargemünd beerben sie und fungieren zukünftig gemeinsam mit Christina Hunger-Schoppe als Herausgeber. Neben den interessanten Aufsätzen zum Thema des Heftes gibt es auch noch einen Beitrag über Genogramme in Beratung und Therapie, eine Evaluation eines Beratungsprogramms in der Schulsozialarbeit, ein Plädoyer für kybernetische Ironie und Buchbesprechungen. Ein ausführlicher Nachruf von Hans Rudi Fischer auf Helm Stierlin, dessen Erbe ja unter anderem auch die Familiendynamik ist, rundet das Heft ab.

Alle bibliografischen Angaben und abstracts gibt es hier…

24. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 24. Frohe Weihnachten

Liebe Leserinnen und Leser des systemagazin, liebe Bildlieferanten für den diesjährigen Adventskalender,

ich danke ganz herzlich für die Einsendungen zum Kalender, die zahlenmäßig genau aufgegangen sind, und freue mich, wenn das Betrachten Ihnen allen Spaß gemacht hat.

In schwierigen Zeiten wünsche ich Ihnen allen frohe, gesunde und friedliche Weihnachten

Tom Levold

Herausgeber systemagazin

23. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 23. Tom Levold

Jede Beobachtung ist abhängig von der Perspektive des Beobachters, die wiederum durch seine Position und seine Geschichte geprägt ist. Hier erzeugen drei Beobachter ein jeweils unterschiedliches Bild und werden ihrerseits durch einen Beobachter beobachtet, der ein Bild der drei Beobachter erzeugt, das von keinem anderen Beobachter in dieser Weise erzeugt werden könnte. Darin liegt für mich eine der wesentlichen Essenzen systemisch-konstruktivistischen Denkens.

22. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 22. Johannes Schneller

Mein 80jähriger Vater, der acht Klassen Volksschule als schulische Ausbildung durchlaufen hat, hat mir seine Begriffe „Hausmeister-Theologie“ und „Hausmeister-Psychologie“ beigebracht. Das war sein Bemühen, für ihn kaum bis wenig verständlich theologische, philosophische und psychologische Sachverhalte mit seiner Bauernschläue, in eine für Normalsterbliche verständliche Sprache zu formulieren. Letzte Woche ist mir selbst eine Art Beispiel für systemische „Hausmeister-Kybernetik“ am Fahrrad passiert:

Am Rad lässt sich der hintere Zahnkranz nicht mehr exakt schalten. Die Beobachter Johannes (Besitzer) und Ivan (Fahrradtechniker) betrachten, prüfen das System und diagnostizieren von außen, die Kette ist ausgeleiert. Eine Intervention, Kauf und Montage einer neuen Kette, wird geplant und durchgeführt. Das Antriebssystem des Fahrrads reagiert autopoietisch (DAS ist ein „Wort“ für meinen Vater) auf die Intervention von außen. Durch die neue und straffe Kette läßt sich der hintere Zahnkranz butterweich schalten. Leider rutschen nun die Ritzel des vorderen, mittleren, deutlich abgenutzte Zahnrades „durch“ die neue gespannte Kette, es ist kein Einrasten mehr möglich, die Ritzel greifen ins Leere. Das Antriebssystem hat sich wieder in „seinen“ Zustand eingependelt.

Systeme kommunizieren bekanntlich (fast global), das Beobachtersystem Ivan und Johannes will weiter intervenieren und versucht nun ein neues vorderes Zahnrad zu besorgen. Das scheint aufgrund der globalen Lieferschwierigkeiten in den vernetzten globalen System fast ein Ding der Unmöglichkeit. Diese Zahnrad ist momentan nicht verfügbar. Ich fahre nun, ohne auf den mittleren vorderen Zahnkranz zu schalten, durch das verschneite Wien.

Nachtrag eine Woche später:

Mittlerweile hat sich das System nochmals autopoietisch nachjustiert.Das Beobachtersystem (Ivan & Johannes) stellt die Hypothese auf, dass durch die straffe Kette und dem Schalten ohne vorderen Zahnkranz der Druck im System zu hoch wurde, daher hat es sich durch das Reißen einer Speiche Entlastung verschafft.

21. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 21. Lina Nagel

Der Wald erinnert mich an Batesons Beispiel vom Baumfäller und seine Erkenntnis: „Wenn man irgendetwas im menschlichen Verhalten erklären oder verstehen will, dann hat man es im Prinzip immer mit totalen Kreisläufen, vollständigen Kreisläufen zu tun.“ (1972, S. 589). Er zeigt mit dem Beispiel, dass wir kaum anders können als zu denken „Ich fälle einen Baum“ (1972, S. 549), anstatt den ganzen Kreislauf des Geschehens zu erfassen. Anscheinend legt das Beobachten an sich eher nahe, „Gucklochmensch“ anstatt Teil der Welt zu sein (von Foerster, 2002, S. 10). Doch – Hell und Dunkel, Licht und Schatten – selbst die Gegensätze, die sich ausschließen, bedingen sich gegenseitig, sind Teil der Welt und voneinander.

Dann Batesons ästhetische Erkenntnis: „Die „Schönheit“ der Wälder, durch die ich laufe, ist mein Erkennen der einzelnen Bäume wie auch der ganzen Ökologie der Wälder als Systeme“ (1972, S. 429) – die Frage nach Ästhetik (und damit wieder Ethik?), die mich derzeit beschäftigt. 

Kybernetik, Ethik und Ästhetik – primär das ist für mich derzeit systemisch.

Bateson, G. (1972). Die Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven (1. deutsche Auflage, 1985). Frankfurt am Main: Suhrkamp.

von Foerster, H., & Bröcker, M. (2002). Teil der Welt. Fraktale einer Ethik – oder: Heinz von Foersters Tanz mit der Welt (4. Auflage 2019). Heidelberg: Carl Auer.

20. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 20. Dörte Foertsch

Systemisches Arbeiten steckt voller Entdeckungen und Überraschungen, macht neugierig und sensibel dafür, dass wir häufig nur Ausschnitte eines Bildes oder Ereignisses sehen. Das verführt, erste Hypothesen zu bilden, ohne schon zu wissen in welchen Kontexten sich ein vollständigeres Bild auftut. Und auch das bildet keine „Wahrheit“ ab, sondern erzählt mir lediglich etwas über meine Beobachtungen. Systemische Arbeit wirkt auf mich 
als Suchende wie ein guter Krimi der meine Aufmerksamkeit herausfordert. Die Bilder sind in einem „kleinen Fischerdorf“ in unmittelbarer Nähe zur nordkoreanischen Grenze entstanden.

19. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 19. Lisa Reelsen

Am 2. Oktober bin ich mit einer Freundin früh morgens von Stuttgart mit dem TGV in weniger als 3,5 Stunden direkt nach Paris gefahren und am Abend mit dem ICE zurück. Der Triumphbogen war nach Christos und Jeanne-Claudes Plänen von 1960 nun endlich, wenn auch nach dem Tod von beiden, noch verpackt worden. Wir wollten das vollendete Werk am letzten Tag vor dem Abbau noch einmal live sehen. Viele Menschen verschiedener Nationen tummelten sich an dem Platz, der gut gesichert war.
 Voller Ehrfurcht standen wir beeindruckt vor dem Kunstwerk. Trotz der Menschenmenge war eine ausgesprochene Friedlichkeit wahrzunehmen, auch bei dem Aufsichtspersonal. Niemand drängelte beim Aufstieg, niemand zeigte Ungeduld, man kannte sich nicht und lächelte sich beseelt an. 
Was hat das Erleben mit dem Systemischen zu tun? Schwerer aus recyceltem Material hergestellter Stoff, der etwas Großes umhüllt…Trotz seiner Sperrigkeit flatterte er sanft im Wind. Und dann das rote Seil, das alles zusammenzurrt… wie ein roter Faden im Leben, der manchmal auch ein seidener sein kann, an dem es sich lohnt weiterzuspinnen… Dann das Staunen über die Gesetzlosigkeit der Kunst mit dennoch festen Strukturen, Wiederholungen, Mustern und ihren eigenen Widersprüchen…
Eine Collage entsteht vom Großen zum Kleinen, vom Komplexen zum Einfachen…. und immer wieder die Kunst, die Menschen verbindet….
Vielleicht alles in allem ein sehr bemühter und gewagter Vergleich?  Die Assoziationen drängten sich mir dennoch auf.
 
Lisa Reelsen

18. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 18. Renato Barachino

Im Jahr 2015 habe ich mich, ohne dass mir das damals so bewusst gewesen wäre, für das systemischste aller Hobbies entschieden. Die Bedeutung der Bienen für das Öko-SYSTEM war mir wohl bekannt. Aber was ich bei meinen Bienenvölkern im Laufe der Jahre erfahren durfte über die Komplexität von Organisationen, über Arbeitsteilung und das Prinzip der Wechselseitigkeit oder die Anpassungsfähigkeit in Krisenzeiten (die Folgen des Klimawandels sind in der Imkerei sehr deutlich zu spüren!) das hätte ich mir nicht träumen lassen….und das inspiriert mich in meiner täglichen Arbeit als systemischer Therapeut.

Renato Barachino

(Dipl.-Psychologe, Systemischer Familientherapeut (DGSF), Leiter der Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle des Bistums Trier in Saarbrücken und Imker)

16. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 16. Anna Danzer-Ernst

„Eine systemische Bildergeschichte: Filzen in der Mongolei“

Diese mongolische Nomadenfamilie stellt gerade einen neuen Filz für ihr „Ger“ her. Dies ist nur im gemeinsamen Tun möglich und im guten Kontakt mit der Umgebung, abgestimmt auf die Jahreszeit. Bei -40° im Winter kann kein Filz entstehen. Alles spielt mit. Von den eigenen Schafen kommt die Wolle. Das Pferd spendet seine Kraft. Die Steppe bietet die Arbeitsfläche. Auch mit den Göttern, den guten Geistern und mit dem „Blauen Himmel“ sind die Filzenden in Kontakt, indem sie Steppenweihrauch anzünden und ein Milchopfer bringen.

An dieser Bildergeschichte ist für mich fast alles „systemisch“, ganz besonders jedoch die Organisation des gemeinsamen Filzens. Ein weiterer „systemischer“ Aspekt ist die Jurte an und für sich, die in der Mongolei „Ger“ genannt wird. Das Wort „Ger bül“ bedeutet aber auch „Familie“, die zusammen in einem „Ger“ wohnt und es zusammen instand hält.