systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

1. Dezember 2010
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender: Eine Sprache jenseits von Sprache finden

Adventskalender zum fünften! Wie schon im vergangenen Jahr hat auch dieser Adventskalender einen ungewissem Ausgang…
Wie auch die letzten Male habe ich Kolleginnen und Kollegen, Leserinnen und Leser eingeladen, eine persönliche Geschichte zum Adventskalender beizusteuern. In diesem Jahr geht es um die Frage, was wir von Klienten lernen und lernen konnten. Trotz vieler spontaner e-Mails von vieler Leserinnen und Leser, die sich über dieses Thema gefreut haben, ist der Kalender – wie schon im vergangenen Jahr – erst zur Hälfte gefüllt. Aber auch im vergangenen Jahr hat es ja wunderbar funktioniert. Immerhin wird bei entsprechend vielen Einsendungen der Kalender auch über den 24.12. hinaus laufen, es wird also kein Beitrag unberücksichtigt bleiben. Ich freue mich, wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, die beiden letzten Wochen des Kalenders noch auffüllen:-)! Und wenn nicht, dann haben wir halt einen abgebrochenen Adventskalender 🙂
Heute starten wir mit Haja Molter und Karin Nöcker aus Köln mit einem Beitrag über die„Sprache jenseits von Sprache“.
Zu ihrem Beitrag…

30. November 2010
von Tom Levold
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FAMILY DECISION MAKING IN A CHANGING CONTEXT

Einen schönen Überblicksartikel über den Ansatz der Family Group Conference (FGC) haben Cathy Ashley und Paul Nixon verfasst, der auf der website des International Institute for Restorative Practices zu finden ist:„The paper considers the context in which FGCs are being introduced, summarises the key principles of FGCs and how they are currently being applied and considers the wider implications for future policy and practice. FGCs embody a strong set of values about people. At the heart of FGC philosophy are political and social principles of respect for citizens, self-determination, democracy, collective responsibility and the impor- tance of family relationships, culture and identity to children’s lives. The FGC model seeks to transform relationships between the State and families on matters concerning the care and well-being of children. FGCs originated in New Zealand with Maori groups inspiring and leading change as a response to oppressive practice and institutional racism from state agencies who sought to impose ‘solutions’ on families, and in doing so separated many children from their communities“
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28. November 2010
von Tom Levold
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Tat-Sachen

Schon vor einigen Monaten ist im systemagazin ein Vorabdruck aus der eindrucksvollen Forschungsarbeit von Michael B. Buchholz, Franziska Lamott und Kathrin Mörtl erschienen, in der die AutorInnen die Video-Aufnahmen einer umfangreichen Gruppentherapie mit forensisch untergebrachten Straftätern einer gründlichen qualitativen Untersuchung unterzogen haben. Markus Feil hat eine Rezension in der aktuellen Ausgabe von„Psychotherapie & Sozialwissenschaft“ verfasst, die mit freundlicher Genehmigung des Psychosozial-Verlages auch in systemagazin veröffentlicht wird. Feil zufolge haben die AutorInnen„mit ihrem Text neue Tatsachen in der Forensischen Psychotherapie geschaffen – nicht nur in deren Beforschung. Ihre in bewundernswertem, immensem und akribischem Aufwand gewonnenen, beeindruckenden Befunde und die daraus so plausibel abgeleiteten Schlussfolgerungen regen erfrischend zu weiterer Forschung und Auseinandersetzung an, die der Bereich der Forensischen Psychotherapie so dringend braucht. Sie haben dabei die Psychoanalyse und die anderen angewandten Methoden weiterentwickelt. Die untersuchten Sexualstraftäter haben die Autorinnen und der Autor mit großem Respekt behandelt. Wenn deren Darstellungen im Buch demaskiert werden, geschieht das im Bewusstsein der nicht nur psychischen Überlebensnotwendigkeit solcher Kompromissbildungen. Gleichzeitig werden aus den Tätern keine Opfer ihrer Abwehr, sondern ihre im weitesten Sinne dissozialen Absichten werden genauso demaskiert. Diese Spannungen zu halten, ist die Aufgabe guter Forensischer Psychotherapie“.
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27. November 2010
von Tom Levold
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Zufälle

Keine andere mir bekannte Zeitschrift im thematischen Kontext von Organisation, Entscheidung und Kommunikation verbindet theoretische Komplexität und ästhetische Performanz auf so gelungene Weise wie die vom Management Zentrum Witten herausgebenene„revue für postmodernes management“. Jedes Heft ist auf besondere Weise sowohl ein haptisches wie auch visuelles Erlebnis – beste Voraussetzung, die Leselust zu mobilisieren. Das kommende Heft wird im Dezember erscheinen, hier sei noch das bereits im Sommer erschienene Heft zum Thema Zufall nachgereicht, illustriert mit Arbeiten der Künstlerin Dorothea Goldschmidt. Im Editorial schreiben die Herausgeber Torsten Groth und Andreas Szankay: Je planmäßiger das Vorgehen, desto wirksamer trifft der Zufall, heißt es. Wenn wir diesem Spruch folgen, dann könnte eine Hinwendung zum Zufall unsere Aufmerksamkeit auf mögliche Ereignisse richten, deren Auftreten wir allenfalls ahnen können, ohne dass wir wissen, was konkret auf uns zukommen wird. Und wir hätten den Zufall sogleich mit Existenzfragen jeder Unternehmung verknüpft, denen sich Management und Beratung nicht verschließen sollten. In der mehr oder weniger wissenschaftlichen Management- und Beratungsliteratur kommt der Zufall jedoch kaum vor, was sicher kein Zufall ist, kratzt dieser doch allzu sehr an den ungeschriebenen Gesetzen der Ratgeberliteratur (und der Wissenschaft). Eine erwähnenswerte Stellung nimmt der Zufall allenfalls in unternehmerischen Erfolgsberichten und Erzählungen ein, kaum eine Erfindung kommt (ex post) ohne Zufälle zustande, kaum eine Unternehmenshistorie kommt (ex post) ohne Zufälle aus. Man schmückt sich mit dem Zufall, mehr aber auch nicht. Wer Komplexität ernst nimmt (und dazu können wir nur anraten!), wird Verhältnisse in den Blick bekommen, in denen nicht immerfort alles mit allem verknüpft werden kann. Wenn dem so ist, wird es notwendig zu Ereignisverkopplungen, Gelegenheiten und Begebenheit kommen, die bisher nicht beobachtet wurden, und die Marktchancen, Kooperationsmöglichkeiten oder auch Produktinnovationen versprechen. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen: Wann sind Ereignisse Zufälle, wie ist deren produktive oder unproduktive Wirkung, und vor allem, kann der Zufall besser genutzt werden? Zu diesen Fragen haben wir in dieser Ausgabe ganz unterschiedliche Beobachtungen vereint. Wir laden Sie ein, Spielarten des Zufalls zu erkunden, ökonomischen, soziologischen, künstlerischen-philosophischen Überlegungen zu folgen und sich an einer Vielzahl, teilweise absurder zufälliger Ereignisse in Management und Beratung zu erfreuen“
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26. November 2010
von Tom Levold
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Der Zettelkasten der Gesellschaft

Der Philosoph und Medientheoretiker Carsten Zorn (Foto: Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg) hat 2003 seine Dissertation zum Thema„Medientheorie als Gesellschaftstheorie: Eine Luhmann- Relektüre“ an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina eingereicht und sich darin mit der Bedeutung des Mediums„Zettelkasten“ für Luhmanns besondere Weise der Theorieproduktion auseinandergesetzt:„Die Ausgangsthese dieser Untersuchung ist (…), dass man in diesen ‚Zettelkasteniana‘ (wie sie ich sie hier im Weiteren – um die skizzierte Vielfalt kurz zusammenzufassen – einmal hilfsweise nennen werde) einen wichtigen Schlüssel zur Theorie Luhmanns vor sich hat, sie also, in einer bestimmten Weise verstanden und gelesen, einen ausgesprochen hilfreichen Leitfaden für deren Lektüre darstellen. Genauer allerdings müsste man sagen: Belegt werden soll hier die Vermutung, dass sich mit ihrer Hilfe eine neue und andere Lesart von Luhmanns Theorie entdecken und stark machen lässt – und d.h. vor allem: eine veränderte Anordnung und so zugleich auch eine neue Gewichtung ihrer Theorieteile. So wie die ‚Zettelkasteniana‘ gewissermaßen schon jetzt im Zentrum des weiteren öffentlichen Interesses an Luhmann stehen, und so wie in den ‚Zettelkasteniana‘ der Zettelkasten als das geheime Zentrum von Luhmanns Theorieproduktion erscheint – so wie hier überall also bereits ein Medium im Zentrum steht – so wäre nun gewissermaßen auch die Medientheorie noch als das geheime Zentrum von Luhmanns Theorie zu entdecken. Mit den ‚Zettelkasteniana‘ als allegorischer ‚Lesehilfe‘ soll hier, noch einmal anders und genauer gesagt, gezeigt werden, dass – zum Einen – Luhmanns Gesellschaftstheorie im Kern im Grunde bereits Medientheorie ist, und dass – zum Anderen – seine verschiedenen medientheoretischen Ansätze (nicht allein darum) das Entscheidende und Spezifische an Luhmanns Versuch zu einer grundlegenden Neukonzipierung von Gesellschaftstheorie darstellen“
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25. November 2010
von Tom Levold
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Keine Versorgungsverträge zwischen Pharmaindustrie und Krankenkassen

Folgende unterstützenswerte Resolution wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der DGSP-Jahrestagung vom 10.-13.11.2010 in Frankfurt/Main einstimmig angenommen:

Seit dem 1. Oktober 2010 überträgt die AOK Niedersachsen die Budgetverantwortung der Versorgung von bis zu 12.000 an Schizophrenie erkrankte Menschen an eine 100%ige Tochter der Pharmafirma Janssen-Cilag. In der aktuellen Novellierung des §140b SGB V, die direkte Verträge zwischen Pharmafirmen und Kranken-kassen ermöglicht, sehen wir einen gefährlichen Paradigmenwechsel in der medizinischen Versorgung.
Wir protestieren gegen diesen Ausverkauf der Psychiatrie. Wir wollen eine Versorgung, die sich an den Bedürfnissen von Patienten und Angehörigen sowie an modernen wissenschaftlichen Leitlinien ausrichtet und nicht an den Produkt- und Gewinninteressen von Pharmafirmen. Es geht uns um eine umfassende Therapie, die sich nicht auf Medikamente reduzieren lässt.
– Wir fordern die Politik auf, die Novellierung des §140b SGB 5 zurückzunehmen.
– Wir fordern die Krankenkassen auf, sich solchen Verträgen im Interesse ihrer Mitglieder zu
  verweigern.
– Wir fordern alle Leistungserbringer auf, die gute Idee der Integrierten Versorgung nicht durch die
  Beteiligung der Pharmaindustrie zu verraten.

Frankfurt, 13. November 2010

Friedrich Walburg
1. Vorsitzender der DGSP e.V.
und einstimmig mitgezeichnet von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der DGSP Jahrestagung vom 10.-13.11.2010 in Frankfurt/Main

Resolution als PDF-Datei für Sie zum Herunterladen

24. November 2010
von Tom Levold
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Bad or mad?

Das Thema Forensik ist im psychotherapeutischen Diskurs bedauerlicherweise reichlich unterrepräsentiert. Immerhin ist die Frage nach dem Umgang mit Gewalttätern in unserer Gesellschaft ein massenmedial aufbereitetes Dauerthema, das freilich in erster Linie unter sicherheitspolitischen Aspekten behandelt wird. Die Soziologin Franziska Lamott und der Psychiater Friedemann Pfäfflin von der Sektion für Forensische Psychotherapie an der Universitätsklinik Ulm haben für die Zeitschrift„Psychotherapie & Sozialwissenschaft“ ein spannendes Themenheft zu„Psychotherapie und Forensik“ gestaltet, das sich schwerpunktmäßig mit Forschungsfragen auseinandersetzt. Kathrin Mörtl und Franziska Lamott beschreiben nachvollziehbar die praktischen Schwierigkeiten beim Einsatz von Forschungsinstrumentarien in der Befragung forensischer Patienten, eine qualitative Arbeit von Thomas Ross et al. untersucht„kognitive Konzepte und Reflektionsebenen von Mitarbeitern des Maßregelvollzuges“ und Svenja Taubner legt mit Florian Juen eine Studie zum Thema„Gewalt in der Spätadoleszenz“ unter einer bindungstheoretischen Perspektive vor. Zum Thema Psychotherapieforschung passt auch ein wunderschöner und beispielhaft ausführlicher Tagungsbericht von Kathrin Mörtl vom 41. International Meeting of the Society for Psychotherapy Research in Nord-Kalifornien. Außerdem finden sich zwei Fallgeschichten im aktuellen Heft, darunter eine des Mitherausgebers Friedemann Pfäfflin, der einen bemerkenswerten Fall aus seiner eigenen zurückliegenden forensischen Begutachtungspraxis schildert, der hoffentlich zum Nachdenken anregt.
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23. November 2010
von Tom Levold
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Another Call!

Liebe Leserinnen und Leser,
der diesjährige Adventskalender unter dem Thema„Von Klienten lernen“ ist auf gutem Wege. Schöne Geschichten sind schon zusammen gekommen. Allerdings braucht es noch einige Beiträge, damit der Kalender auch bis zum 24.12. funktioniert. Daher möchte ich an dieser Stelle noch einmal an das Vorhaben erinnern. Worum es geht? Jeder von uns hat also Erfahrungen gemacht, was es heißt, von Klienten zu lernen. Zu lernen, was funktioniert, obwohl man es nicht erwartet hat – oder: was nicht funktioniert, obwohl man damit gerechnet hat. Klientensysteme vermittelt uns Professionellen ein Gefühl für die eigene Bedeutung oder auch: Bedeutungslosigkeit. Immer geht es in Therapie und Beratung um ein Geschehen, das Überraschungen und Lerneffekte für alle Beteiligten bereithält. Von diesen Überraschungen und Lerneffekten ist im persönlichen Kontakt viel, in Lehrbüchern eher weniger die Rede. Es geht hier nämlich mehr um Geschichten und Erlebnisse als um Konzepte und Programme. Um diese Geschichten geht es hier. Im Adventskalender 2010 möchte ich gerne Ihre Geschichten veröffentlichen, in denen Sie von Erlebnissen in Therapie- und Beratungsprozessen (in den unterschiedlichsten Kontexten) erzählen, die Sie in Ihrer eigenen Entwicklung geprägt, berührt oder vorangebracht haben, in denen Sie überrascht, belehrt oder in Ihren eigenen Annahmen korrigiert wurden. Was haben Sie von Ihren Klienten lernen können? Alle Geschichten, die etwas zu erzählen haben, werden auch veröffentlicht (auch wenn es mehr als 24 Beiträge sind). Ich freue mich auf Ihre Einsendungen unter tom.levold@systemagazin.de, auch noch in die ersten Dezembertage hinein.

23. November 2010
von Tom Levold
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Die Liebe wiederfinden

„In „Die Liebe wiederfinden“ versammelt Hartwig Hansen Sequenzen aus Paarberatungen. Therapeutisch und didaktisch redlich leitet er das Buch ein mit einigen Sätzen zu seinem methodischen Hintergrund, seiner Arbeitsweise und der hier getroffenen Auswahl. Die „Schlüsselszenen“ sind ausgewählt, „um nachvollziehbar zu machen, was Paarberatung will, macht und kann. Nicht mehr und nicht weniger.“ Diesem Anspruch, das darf vorweg genommen werden, wird das Buch in ganz hervorragender Weise gerecht. (…) Nicht die Demonstration spektakulärer Problemkonstellationen und sensationeller Spontanerfolge macht den Reiz des Büchleins aus. Es ist, auf der Seite der Paare, die Vielfalt wie auch die „Alltäglichkeit“ der Beziehungsprobleme, die Menschen in die paartherapeutische Praxis treibt. Und es ist die anschauliche Darstellung des Beratungshandelns, mit der Hansen eine erstklassige Visitenkarte für sich und seine Profession abgibt“ So urteil Rezensent Martin Osinski über das aktuelle Buch von Hartwig Hansen, das 2009 im Balance Buch Verlag in Bonn erschienen ist.
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21. November 2010
von Tom Levold
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Fremdheit als soziale Konstruktion. Eine Studie zur Systemtheorie des Fremden

Kai-Uwe Hellmann (Foto: K.-U. Hellmann), Privatdozent am Soziologischen Institut der TU Berlin mit dem Forschungsschwerpunkt Wirtschafts- und Konsumsoziologie hat 1997 in dem von Herfried Münkler herausgegebenen Band„Die Herausforderung durch das Fremde“ (Berlin: Akademie Verlag, S. 401-459) Ideen einer„Systemtheorie des Fremden“ entwickelt:„Dabei ist gerade die öffentliche Debatte über Fremdheit durch eine auffällige Ambivalenz gekennzeichnet. Einerseits wird Fremdheit als Chance, ja als Herausforderung begriffen, die vor neue Aufgaben stellt – Stichwort ‚Multikulturalismus‘ – und einen flüchtigen Vorgeschmack auf Kommendes vermittelt. Andererseits wird Fremdheit als Krise, ja als Bedrohung erfahren, die auf Grenzen der Verträglichkeit von Verschiedenheit verweist – Stichwort ‚Überfremdung‘ – und einen bitteren Nachgeschmack von längst Vergangen-Geglaubtem hinterläßt. In jedem Fall drängt sich der Eindruck auf, an einem Scheideweg zu stehen, was die Bewältigung zentraler Probleme der modernen Gesellschaft betrifft. Dabei dürfte es generell um die Frage gehen, wie eine Gesellschaft mit Neuerungen, Abweichungen, Forderungen nach Veränderung und Wandel umgeht, ob mit Neugier, vor allem aber Offenheit oder nicht. Das betrifft zwar nicht nur das politische System. Doch demonstriert gerade die ‚Politische Kybernetik‘ (Deutsch 1969), also die Art und Weise, wie ein politisches System sich selbst auf Verunsicherung, auf Veränderung, auf Lernen einstellt, inwiefern nicht nur die „Kalkulation von Strukturänderungen zum normalen Geschäft der Politik“ gehört, sondern auch „das lernfähige Denken in einem Horizont anderer Möglichkeiten“ (Luhmann) insgesamt ein Licht wirft auf die Lernfähigkeit einer gesellschaftlichen Ordnung (…). Dabei stellt gerade Fremdheit diese Fähigkeit auf die Probe: Denn je nachdem, ob man Fremdheit akzeptiert oder ablehnt, Fremde fördert oder verfolgt, sind unterschiedliche Optionen angesprochen, die eine Gesellschaft im Umgang mit Fremdheit bereithält.“
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20. November 2010
von Tom Levold
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Noam Omer: Eine Entdeckung

Haim Omer ist – nicht nur in Deutschland – mittlerweile ein über die systemische Szene hinaus bekannter Mann. Sein Sohn Noam, 28 Jahre alt, beginnt gerade, sich einen Namen als Künstler zu machen. Vater und Sohn sind dabei auf eine besondere Art und Weise miteinander verbunden, über die die Internet-Seite von Noam Omer eindrücklich und berührend Auskunft gibt. Dessen künstlerische Begabung erweist sich als eine unerwartete und faszinierende Rettung vor dem Hintergrund einer Lebensgeschichte, die – geprägt von einer massiven Lernbehinderung und Schwierigkeiten, sich in sozialen Kontexten gut zu orientieren – als Geschichte des Scheiterns gelesen werden könnte. Die Kraft seiner Bilder, die Eindringlichkeit und Präsenz seiner großformatigen Darstellungen, die sich im Internet nur erahnen lassen, sprechen eine andere Sprache. Das Reden„über“ die Bilder, die Kommunikation mit dem Kunstbetrieb freilich ist das, was Haim Omer für seinen Sohn übernommen hat und das er als seine„Sancho Pansa-Rolle“ bezeichnet, gleichwohl aber auch als seine„zweite Karriere“ als„storyteller of Noam’s art“, die mittlerweile einen großen und bedeutenden Teil in seinem Leben einnimmt. In seinen Texten auf der website von Noam berichtet Haim Omer von dieser besonderen Partnerschaft:„These developments took place in spite of Noam’s deep difficulties in forging personal or professional connections. In this respect, Noam’s difficulties create an almost unpassable barrier, for his cognitive disabilities are particularly marked in the social field. Whereas other young artists may organize themselves in groups (for instance, jointly running a gallery, or initiating a group event), know how to join communal projects, and are able to present themselves in a persuasive manner, for Noam these options are all but closed. This liability, and the understanding that Noam has no alternative to his career as an artist, led to the creation of our father-son partnership, where I am responsible for all contacts with the art world. Since Noam is the spiritual mover in our partnership, I see us as a Don Quixote-Sancho Panza duo. Like the original Sancho, my role gradually merged with that of Don Quixote’s. In addition to the correspondence with people in the art world, I started to write texts for Noam’s catalogues. The texts would originate in conversations with Noam, or with Noam and the curator of an exhibition (e.g., with Yaniv Shapira who was the curator of two of his exhibitions). Noam participates in all the meetings I arrange with art people and pretty quickly he starts speaking in his peculiar manner, which gives rise surprise and sometimes to some embarassment. The reason is that in the current art discourse, the verbal and conceptual aspects are part and parcel of the work’s presentation. Noam does not express himself in such ways: he talks about his works much more concretely, like a craftsman about his materials. He talks about brushes, ways of diluting the color, texture, stains, and dirt. He is a sort of dinosaur in the way he expresses himself: the concept, the “aboutness”, the hidden meanings are foreign to his mind. The titles of his exhibitions provide no explanatory, philosophical or psychological meanings, but are direct and unsophisticated: “Monkey n’ flower”, “Compassion”, “Sermon to the Fishes”. My partnership with Noam is one of my major life activities, I might even say, a second career, stocked with emotional highs and lows. The rejection of an article or book that I wrote never caused me such pain as a gallerist’s or curator’s refusal to meet with us. I am, of course, the recipient of the refusals, but Noam sometimes gets some of the fallout. Fortunately, he is slowly learning to react to these situations not only by becoming depressed, but also by adding some hours of work to his weekly schedule and by increasing his self-demands. Sometimes he feels strengthened by the confrontation“
Gegenwärtig arbeiten beide an einem Projekt in Deutschland (zu sehen ab dem 27.3.2011 in Kolvenburg, Billerbeck und im Stadtmuseum Coesfeld), das die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der Familien von Haim Omer und seines Freundes Arist von Schlippe in der Zeit des zweiten Weltkrieges zum Inhalt hat.
Zur website von Noam Omer…

19. November 2010
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Ingeborg Rücker-Embden-Jonasch

Heute vor 10 Jahren ist Ingeborg Rücker-Embden-Jonasch gestorben, eine Pionierin der Familientherapie und systemischen Therapie in Deutschland. Ihre Ausbildung machte sie in den USA und in Kanada in den frühen 70er Jahren und gehörte dann, nach einer kurzen Phase der Zusammenarbeit mit Horst Eberhard Richter in Gießen, zu den Gründungsmitgliedern der Heidelberger Gruppe um Helm Stierlin. Viel geschrieben hat sie nie. Ihre bescheidene, liebevolle und wertschätzende Art hat aber viele Weiterbildungsteilnehmer sowie Kolleginnen und Kollegen aus der systemischen Szene sehr nachhaltig beeindruckt. In einem Aufsatz über Paartherapie schrieb sie 1998 etwas, dass auch für ihre Art sehr charakteristisch war:„Dass dem Kunstbegriff ein hohes Maß an Können, an spezifischen Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten innewohnt, ist für alle Bereiche der darstellenden und bildenden Kunst unbestritten. Dies gilt auch für die Paartherapie. Hier sind in den je unterschiedlichen Konzeptionen (psychoanalytischen, verhaltenstherapeutischen, systemischen) in den letzten Jahren sehr spezifische Verhaltenskataloge entwickelt worden, so dass diese Verfahren lern- und lehrbar sind. Bestimmte Frage-, Aufgaben- und Interventionsformen, aber auch Hilfstechniken wie etwa Fragebögen, Rollenspiele, Skulpturarbeit, Familienbrett, Trauminterpretationen, Genogrammarbeit oder Familienaufstellungen sind bereits hinlänglich entwickelt und beschrieben worden (…). Aber gutes Können macht noch nicht Kunst aus. Es muss eingebettet und geprägt sein von einer wohlwollend-zugeneigten therapeutischen Haltung. Begriffe wie Allparteilichkeit (…), Neutralität (…), Neugier (…), Respekt (…) und interessiertes, selbstreferentielles Beobachten (…) sind zwar notwendige Zutaten, fassen aber meines Erachtens immer noch zu kurz. Dazu kommt eine persönliche Ausstrahlung, geprägt von eigener Lebenserfahrung und Reife, die ein intuitives Maß an Mitschwingen und„affektiver Bezogenheit“ …) ermöglichen. Dieses Schwingen wird gerne mit der Musik vergleichen, etwa mit„dem blinden Tanz zur lautlosen Musik“ (Guntern),„als gemeinsames Improvisieren von Solisten, die durch immer neue Variationen und Modulationen (schließlich) gemeinsam zu einer verbindlichen Melodie (finden)“ (Ludewig). Das intuitive, aber auch reflektierte Zusammenwirken der Geschichten des Paares mit der therapeutischen Wahrnehmung dieses„Paartanzes“ und der Verknüpfung mit dem eigenen Standpunkt kann dann zu einem ebenso wirkungsvollen wie kunst- und ästhetisch genussvollen Ganzen führen, so dass die Worte des alten Römers Falvius auch für die Paartherapie gelten mögen:„Die gemeinsamen Schritte durchs Leben sind nicht leicht, jeder hört die Musik anders. Aber der gemeinsame Tanz ist wunderbar“ (In: Am Anfang war das Paar – und dann? Zum Stand der Kunst in der Paartherapie. In: Kontext 29 (2): S. 129-136)