systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

14. August 2011
von Tom Levold
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Schlüssel zum Glück

Tapp, tapp, tapp, hin und her und ohne Unterbruch: Fast jede Nacht hört sie die Schritte der Schwiegermutter im oberen Stockwerk, erzählt Luise, obwohl diese seit 21 Jahren tot ist, und dann sei es mit ihrem Schlaf vorbei. Ernst schnarcht friedlich neben ihr und nennt Luises Besessenheit von der Vergangenheit ein bisschen krank. Dabei wohnen sie in einem wunderschönen alten Haus über dem See. «Paradies» habe er das Haus genannt, damals, als er Luise bat, seine Frau zu werden, und auch sie fand das Haus und besonders den Garten wunderschön. Klar, dass er seine verwitwete Mutter nicht aus dem Haus jagte, als Luise mit ihm in die untere Wohnung zog. Platz war ja genug da, auch, als die Kinder kamen. Aber dass die Frauen es wieder einmal nicht schafften, friedlich zusammenzuleben, sei für ihn als Mann unverständlich. Typisch Schwierigtochter und Schwierigmutter!
Dann reicht Luise die Scheidung ein, weil sie völlig am Rand sei. Muttersohn nennt sie ihren Mann, und Feigling, der um finanzielle Unterstützung für sein Geschäft und ein schönes Haus Mutters braver Bub geblieben sei. Für Luise habe er sich nie stark gemacht bei seiner Familie, im Gegenteil. Ihr blieb Anpassung und stille Wut, die sie depressiv in sich hineinwürgte. Ernst ist, wie so viele andere «unabgelöste» Söhne, der Schlüssel zum Unglück seiner Frau. Nicht das Verhältnis Schwiegermutter-Schwiegertochter, sondern seine fehlende Autonomie wird Thema. Aber das alles ist jetzt vorbei. Luise verlässt das Paradies. Sie kann arbeiten, hat etwas Erspartes, und die Kinder sind selbständig. Nur Ernst versteht immer noch nichts.
Es geht aber auch anders! Felix und Daniela, beide Mitte 30, mit zwei kleinen Kindern, kommen in ähnlicher Lage zu mir. Seine verwitwete Mutter hat den Vorschlag gemacht, ihnen eine grosse Wohnung zu kaufen und darin eine abgegrenzte Ecke für sich zu gestalten, damit sie näher bei den geliebten Enkeln sei. Versteh ich doch, sagt Daniela, und schämt sich, dass sie bei der Idee der trauten Grossfamilie in Panik gerät. Eine Zeitlang hält Felix sich heraus und hofft, seine Mutter würde Danielas Zurückhaltung selber bemerken. Dann fasst er sich ein Herz und lädt seine Mutter zu einem Spaziergang ein. Erzählt ihr von seinem Dilemma zwischen ihr und seiner Frau und bittet sie, die Fäden der Liebe zu ihm zu lockern, damit seine Loyalität ihr erhalten bleibe. Und siehe da: Mutter erzählt ihm eine schmerzliche eigene Geschichte mit ihrer damaligen Schwiegerfamilie. Mutig entscheidet sie sich später, die Geschichte nicht zu wiederholen, und kauft eine Wohnung für sich allein.

Im Jahre 2002 hat die im vergangenen Jahr verstorbene systemische Paartherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin allwöchentlich Sonntags in der Neuen Zürcher Zeitung eine Kolummne mit dem schönen Titel„Paarlauf“ veröffentlicht, in der sie kleine Beobachtungen und Geschichten aus ihrer paartherapeutischen Praxis für ein größeres Publikum zugänglich machte. Rudolf Welter hat aus diesen Beiträgen eine kleine Broschüre zum Andenken an Rosmarie Welter-Enderlin gestaltet. Mit seiner freundlichen Erlaubnis können die LeserInnen des systemagazin an diesen Sonntagen die Texte auch online lesen.

12. August 2011
von Tom Levold
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DSM—a view from sociology

Nicholas Manning ist Soziologie-Professor an der Universität von Nottingham und auf Medizinsoziologie und die Soziologie der Gesundheitspolitik spezialisiert (Foto: Universität Nottingham). In einem aktuellen Artikel über die Konstruktion der„Borderline-Persönlichkeitsstörung“ unterzieht er diese einer interessanten historisch-soziologischen Analyse, die vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Arbeit an einer sehr erweiterten Neuausgabe der US-amerikanischen Psychiatrie-Bibel DSM von Interesse ist. Der Artikel ist im Mai 2011 in einem Sonderheft der Zeitschrift„Personality and Mental Health“ zum Thema„Revision of DSM – Intended and Unintended Consequences: Multidisciplinary Perspectives“ erschienen und steht seitens des Verlages Wiley & Sons für kurze Zeit zum kostenlosen Download zur Verfügung. Im abstract heißt es:„In this article, a sociological analysis of the DSM, particularly axis II, is presented. Every discipline poses its own questions and answers them with its own particular methods. In this case, the distinction is drawn between an analysis that examines the DSM from the outside as an object of study and an analysis that examines the DSM from the inside, which attempts to serve the interests of the professional work being studied. This article takes the former approach, and the DSM is analysed in relation to the general problems of classification systems, the diffusion of innovations and the effects of social context. The conclusion reached is that the DSM has been very substantially shaped by external influences. This is consistent with the general dissatisfaction felt in both the clinical and research fields with the performance of axis II definitions of personality disorder“
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11. August 2011
von Tom Levold
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Die Verwaltung der vagen Dinge – Essay zur Phantasmatik von Erkenntnispolitik und Wirklichkeitskonstruktion

Die„Verwalter der vagen Dinge“ hat Paul Valéry Priester, Magier, Dichter usw. genannt. Peter Fuchs hat diese Bezeichnung kürzlich im Titel seines Buches zur Systemtheorie der Psychotherapie verwandt. Im vorliegenden Manuskript eines Aufsatz über Erkenntnispolitik und Wirklichkeitskonstruktion, der 2010 im von Roland Reichenbach, Hans-Christoph Koller & Norbert Ricken herausgegebenen Band„Wirklichkeit und Erkenntnispolitik. Studien zur Konstruktion des Pädagogischen“ bei Beck erschienen ist, ist ebenfalls von der„Verwaltung der vagen Dinge die Rede, diesmal aber im Kontext von Pädagogik als Vermittlung von Erkenntnis:„Gebeten, etwas zum Zusammenhang von Erkenntnispolitik und (pädagogischer) Wirklichkeitskonstruktion zu sagen, verspürte ich zunächst einen heftigen Abwehrreflex, der sich immer einstellt, wenn ich auf Wörter stoße, die sich strategisch als Begriffe ausgeben, aber weit entfernt davon scheinen, die Grundvoraussetzung wissenschaftlich tauglicher Begriffe zu erfüllen, nämlich: clare et distincte zu funktionieren. Man kann mitunter den Eindruck gewinnen, sie stünden im Dienst eines dunklen Wissens, eines „Wissen zweiten Ranges“, das „Verwalter der vagen Dinge“ benötigt. Und das würde nicht einmal verwundern, wenn es um Erziehung geht, für die ‚cognitio diffusa’ geradezu als Bedingung der Möglichkeit gelten mag, unter alltäglich turbulenten Geschäftsvoraussetzungen noch so etwas wie eine ‚Eigen-Intelligenz’ entwickeln oder wenigstens proklamieren zu können. ‚Vagheit’ wäre unter diesen Voraussetzungen funktional, ein Gesichtspunkt, von dem aus sich mein Interesse am Thema dann doch einstellte“
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9. August 2011
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Andrew Pickering

„Bateson noted a formal similarity between the double bind and the contradictory instructions given to a disciple by a Zen master—Zen ko- ans. In the terms I laid out before, the koan is a technology of the nonmodern self that, when it works, produces the dissolution of the modern self which is the state of Buddhist enlightenment. And Bateson’s idea was that double binds work in much the same way, also corroding the modern, autonomous, dualist self. The difference between the two situations is, of course, that the Zen master and disciple both know what is going on and where it might be going, while no one in the schizophrenic family has the faintest idea. The symptoms of schizophrenia, on this account, are the upshot of the sufferer’s struggling to retain the modern form while losing it—schizophrenia as the dark side of modernity. This, then, is where Eastern spirituality entered Bateson’s approach to psy- chiatry, as a means of expanding the discursive field beyond the modern self“ (In: The Cybernetic Brain. Sketches of Another Future. The University of Chicago Press, Chicago & London 2010, S. 176)

7. August 2011
von Tom Levold
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Die Expo als Liebestank

Immer wieder kommen Paare zu mir, die im Abnützungskampf des Alltags erschlafft sind. Ihre Energie verwenden sie auf die Frage, wer schuld sei am Unglück, und damit füllen sie die Leere. Du bist nur noch mit dem Beruf verheiratet, klagt Doris mit belegter Stimme, und Georges giftet zurück: Und du mit den Kindern und deiner Familie. Meine Frage, wann sie es zum letzten Mal als Paar schön hatten miteinander, zärtlich und erotisch, erzeugt Verlegenheit. Oder ist es ärger?
Wenn ein Paar zu einem Vorschlag bereit ist – was ich stundenlangem Klagen vorziehe –, greife ich gern auf eigene Erfahrungen zurück. Wir selber haben uns damals alle paar Monate ein Paar-Wochenende genommen, unter Wehgeschrei unserer Kinder, die bei Freunden mit Jungmannschaft einquartiert wurden. Das schlechte Gewissen, mit dem wir jeweils wegschlichen, muss ihnen ungeheuer gut getan haben! Zehn Minuten nach der Abreise der Rabeneltern habe jedes Mal der gemeinsame Spass begonnen, und genau so war es im umgekehrten Fall, wenn die Kinder der Freunde schimpfend zu uns kamen. Ich erzähle Doris und Georges diese Geschichte. Sie gucken skeptisch. Ist das alles?, fragen sie, und soll das die Lösung sein? Ist doch nur ein Schrittchen auf dem Weg! Missmutig geben sie der Idee eine Chance und fahren mit der Bahn nach Yverdon ins Thermalbad und an die Expo. Kenne ich nicht. Als sie in bester Stimmung in die nächste Stunde kommen, von Swiss Love, dem Liebestempel, schwärmen, und wie sie am Sonntagmorgen in «Wer bin ich?» auf einem Paarsofa unter bewegtem Himmel lagen, kluge Fragen hörten und sich Antworten ausdachten, weiss ich: Da muss ich hin.
Yverdon bei strahlendem Wetter: zwei Tage driften, ohne Programm. Schönheit, Sinnlichkeit und Technik ergänzen sich wunderbar. In unseren blauen Plastic-Hüllen, drei Franken das Stück, sehen wir ein bisschen lächerlich aus. Tropfende Nasen und Haare rundum, im Sprühnebel der Wolke, vor dem allerschönsten Panorama der Schweiz. Gesprächsfetzen im Nebel: Regenwald! Kuaui, weisst du noch, flüstert einer. Aletschgletscher, Nebel und Schiss, eine junge Walliserin; aber wir haben überlebt. Appenzellerhund Bobi, erzähle ich, der klügste aller Hunde, liess sich jedes Mal auf dem geparkten Leiterwagen nieder, sobald in der Waschküche der Kupferkessel eingeheizt wurde. Von dort war er den ganzen Tag nicht wegzubewegen. Dampf muss eine archaisch sinnliche Erfahrung sein, auch für Hunde.
Swiss Love ist mir zu klischeehaft. Aber Doris und Georges liebten die Liebesgeschichten. L’amour est revenu, erzählen sie.

Im Jahre 2002 hat die im vergangenen Jahr verstorbene systemische Paartherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin allwöchentlich Sonntags in der Neuen Zürcher Zeitung eine Kolummne mit dem schönen Titel„Paarlauf“ veröffentlicht, in der sie kleine Beobachtungen und Geschichten aus ihrer paartherapeutischen Praxis für ein größeres Publikum zugänglich machte. Rudolf Welter hat aus diesen Beiträgen eine kleine Broschüre zum Andenken an Rosmarie Welter-Enderlin gestaltet. Mit seiner freundlichen Erlaubnis können die LeserInnen des systemagazin an diesen Sonntagen die Texte auch online lesen.

6. August 2011
von Tom Levold
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Jeffrey Zeig presents „Ericksonian Psychotherapy & Hypnotherapy“

systemagazin-Leser Ingo Ehret hat auf dieses Video bei youtube mit folgendem Begleittext aufmerksam gemacht:„In diesem Video präsentiert Jeffrey Zeig seine„Experiental Therapy“, die er mit vielen Verweisen auf Anekdoten über Milton Erickson, aber auch Freud, Perls bis hin zu Siegel etc. illustriert. Überschrieben ist der Vortrag mit„Ericksonian Psychotherapy & Hypnotherapy: The Fundamentals of the Ericksonian Approach“. Neben erstaunlichen Geschichten der Art, die man sich in der eigenen therapeutischen Praxis oft wünscht, fordert mancher Bericht auch zu Skepsis und eigener ethischer Prüfung heraus („Diry Gurdy“), was ich insofern begrüße, dass uns hier ein Mensch mit Talenten UND Fehlern vorgestellt wird, der seine Arbeit auch manchmal mit fraglichen Mitteln gestaltete, nicht eine grenzenlos überhöhte Figur unserer Professionsgeschichte. Ich persönlich habe den Eindruck, ein Schuss Skepsis könnte uns diesen Meistertherapeut näherbringen“

5. August 2011
von Tom Levold
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Egbert Steiner wird 65

Heute feiert Egbert Steiner aus Wien seinen 65. Geburtstag, zu dem systemagazin an dieser Stelle herzlich gratuliert. Auch wenn im systemischen Feld in den letzten Jahren von ihm nicht so viel zu hören war, dürften vielen noch seine wichtigen Beiträge zum systemischen Diskurs aus den 80er und 90er Jahren in Erinnerung sein, die in enger Zusammenarbeit mit Ludwig Reiter, Joachim Hinsch und anderen entstanden und schon relativ früh Konzepte der Luhmannschen Systemtheorie für therapeutisch-beraterische Kontexte erschlossen. Im systemagazin ist heute der Aufsatz„Familientherapie als Etikett. Eine therapeutische Strategie bei institutionell verflochtenen Fällen?“ aus dem Jahre 1988 (gem. mit Joachim Hinsch, Ludwig Reiter und Hedwig Wagner) zu lesen, der in der ersten Auflage des Klassikers„Von der Familientherapie zur systemischen Perspektive“ (Hrsg. von L. Reiter, Ewald Johannes Brunner und Stella Reiter-Theil; Springer Verlag, Heidelberg) erschienen ist.

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1. August 2011
von Tom Levold
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Kann Liebe Arbeit sein? Überlegungen zum Verhältnis von Staat und Familie

Bruno Hildenbrand, Professor für Soziologie an der Universität Jena (Arbeitsbereich Sozialisationstheorie und Mikrosoziologie) und Lehrtherapeut am Ausbildungsinstitut Meilen in Zürich, hat in der neuen Ausgabe des online-Magazins paraplui eine Polemik gegen die Enteignung der Familie durch die öffentliche Erziehung und die Idee der Familienarbeit als Erwerbsarbeit verfasst, die er selbst folgendermaßen zusammenfasst:„Ich habe diesen Beitrag begonnen mit einer kritischen Betrachtung der Idee, Familienarbeit zu bezahlen, dann meine Auffassung deutlich gemacht, dass Familienleben und Lohnarbeit durch unterschiedliche, nicht austauschbare Solidaritäten gekennzeichnet sind, und schließlich die Idee von der bezahlten Familienarbeit in einen umfassenderen Kontext gestellt. Sieht man diese Idee zusammen mit der Ausweitung öffentlicher Kindererziehung, dann zeigt sich folgendes Bild: Wir befinden uns in Deutschland derzeit in einer Phase der zunehmenden Enteignung von Familien. Diese Enteignung wird nicht als das bezeichnet, was sie ist, nämlich als ein Übergriff. Stattdessen wird sie als wohlfahrtstaatliches Handeln verkauft. Tatsächlich aber geht es darum, die Familie an die Kandare zu nehmen. Die Idee von der bezahlten Familienarbeit ist nur ein Bauer in diesem Spiel“
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31. Juli 2011
von Tom Levold
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Barblas Weisheit

Eine Antwort auf die Frage, wer meine weiblichen Vorbilder seien, fällt mir leicht. Es sind zwei: meine Mutter und Barbla. Barbla ist 82, gelernte Handarbeitslehrerin und Bäuerin, Mutter von fünf, Großmutter und Urgroßmutter von ungezählten Kindern. Ihr Haus liegt an der Straße, durch die sich bis vor zwei Jahrzehnten der ganze Nord-Süd-Verkehr zwängte. Jetzt ist es ruhig hier.
Unser Besuch beginnt wie immer mit dem Gang zum Friedhof, wo nebeneinander Barblas Mann und Bruder liegen, vor 20 Jahren im selben Jahr an Krebs gestorben. Seit kurzem ist auch ihr ältester Sohn Gian neben ihnen begraben. Damals, als sein Vater erkrankte, hat Gian das elterliche Höflein übernommen und mit Hilfe seiner Familie zu einem Hof ausgebaut, der heute der schönste ist im Dorf. Kurz vor seinem Krebstod mit 58 übergab Gian den Hof seinem ältesten Sohn. Barbla steht mit uns vor den drei Gräbern und wischt sich die Tränen weg. In unserer Familie gibt es seit Generationen Krebs, sagt sie, und es trifft fast immer die Männer, niemand weiss warum.
Der zweite Teil des Rituals ist das sonntägliche Mittagessen im «Crusch Alba», eingehüllt in herzliche Gemeinschaft. Die alten Geschichten bekommen ihren Platz, wie schon oft. Vor über 40 Jahren bin ich, direkt aus dem Palace-Hotel, wo ich meine erste Erfahrung mit der grossen Welt machte, in dieses kleine Dorf gekommen. Ich war jung und unsicher, was aus mir werden sollte, und wollte nicht planlos ins Unterland zurück. So kam ich über die Praktikantinnenhilfe ins Tal. Im Postauto saßen Frauen in schwarzen Kleidern, die einen fremden romanischen Dialekt redeten, die Passstrasse war staubig, das Tal arm und am Ende der Welt. In ihrer Küche kniete Barbla und fegte den rohen Holzboden. Kurz darauf musste sie einige Tage ins Spital, und ich war allein mit der grossen Familie, einem Holzherd und einem Spirituskocher für die Milchflasche des Säuglings; Tagwache um 5 Uhr. Seine Windeln wusch ich am kalten Dorfbrunnen.
Dann, als Barbla zurückkam, wurden wir Freundinnen. Sie, kaum je über das Tal hinausgekommen, hat mir bei der Haus- und Feldarbeit zugehört und mich ermutigt, meine halb ausgedrückten Ideen abzurunden. Sie erfand Visionen für mich wie noch niemand auf der Welt.
Der dritte Teil des Rituals ist, dass wir in Barblas Stube bei Iva-Schnaps sitzen. Die Sonntagsbesuche von Familienangehörigen, vor allem jungen, reissen nicht ab, bis wir die Heimfahrt antreten. Nichts von Vereinsamung im Alter. Barbla ist im Zentrum von Liebe und Respekt, eine weise alte Frau, die neugierig bleibt auf Leben und sich nur einmischt, wenn sie gefragt wird.

Im Jahre 2002 hat die im vergangenen Jahr verstorbene systemische Paartherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin allwöchentlich Sonntags in der Neuen Zürcher Zeitung eine Kolummne mit dem schönen Titel„Paarlauf“ veröffentlicht, in der sie kleine Beobachtungen und Geschichten aus ihrer paartherapeutischen Praxis für ein größeres Publikum zugänglich machte. Rudolf Welter hat aus diesen Beiträgen eine kleine Broschüre zum Andenken an Rosmarie Welter-Enderlin gestaltet. Mit seiner freundlichen Erlaubnis können die LeserInnen des systemagazin an diesen Sonntagen die Texte auch online lesen.

28. Juli 2011
von Tom Levold
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Achtsamkeit und Weisheit in der Suchttherapie — zur tiefensystemischen Bearbeitung von mental-somatischen Modellen

Vor einer Woche wurde an dieser Stelle die Rezension des Bandes„Tiefensystemik – Wege aus der Süchtigkeit finden“ von Rudolf Klein vorgestellt. Die Autoren des Buches, Leo Gürtler, Urban Studer und Gerhard Scholz haben einen Artikel über ihren Ansatz geschrieben, der auch im Internet zu lesen ist und der erstmals 2007 im von Ulrike Anderssen-Reuster herausgegebenen Band„Achtsamkeit in Psychotherapie und Psychosomatik. Haltung und Methode“ im Schattauer-Verlag erschienen. In der Zusammenfassung heißt es:„Dieser Artikel untersucht am Beispiel von Suchttherapie im schweizerischen Suchttherapiezentrum start again die tiefensystemische Bearbeitung von mental- somatischen Modellen. Mit der Tiefensystemik steht ein Instrument bereit, welches auf der Basis von Mitgefühl und Empathie anderen Menschen auf systematisch methodisch kontrollierte Weise hilft, die eigenen mentalen Modelle zu hinterfragen und schrittweise aufzulösen, um die persönliche Entwicklung zu unterstützen. Hierbei steht die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund. Die Tiefenauseinandersetzung mit den eigenen mentalen Modellen (z.B. mit der eigenen Süchtigkeit) wird durch die transformatorische Praxis von Anapana-sati und Vipassana-Meditation — Achtsamkeit und Weisheit — realisiert. Der Einsatzbereich der Tiefensystemik beschränkt sich jedoch nicht nur auf professionelle Suchttherapie. Vielmehr kann die Tiefensystemik bei angemessener Abstimmung in ganz unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden. Dazu gehören etwa das Gesundheitswesen, Case-Management, Coaching sowie ganz allgemein die Förderung von Potenzialen und Kompetenzen wie z.B. Personalführung oder Talentförderung im Sport“
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27. Juli 2011
von Tom Levold
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Top 10 Mistakes in Behavior Change

Top 10 Mistakes in Behavior Change