wie in den vergangenen Jahren gibt es auch in diesem Jahr wieder einen Adventskalender im systemagazin, der von Ihnen und uns gemeinsam gestaltet wird. Das übergreifende Thema lautet „systemische Zuversicht“ im Angesicht einer krisenhaften Zeit. In meiner Einladung vor wenigen Wochen fragte ich: Was gibt Ihnen ein Gefühl von Zuversicht in Hinblick auf zukünftige Entwicklungen? In welchen Systemen beobachten Sie die Kraft für positive Veränderungen? Welche privaten, gemeinschaftlichen, organisationalen oder gesellschaftlichen Erfahrungen und Ereignisse stimmen Sie zuversichtlich? Welche Visionen und Zukunftsbilder bestärken Sie in Ihrer systemischen Praxis?
Ebenfalls wie immer ist der Kalender noch längst nicht gefüllt, also eine Art work in progress – und wie immer bin ich gespannt, ob wir die 24 Tage voll kriegen. Fühlen Sie sich also eingeladen, einen Beitrag zu leisten. Dabei denke ich an Geschichten, Anekdoten, Reflexionen, theoretische Überlegungen, aber auch Fotos, Bilder, Collagen, Symbole oder andere Formate, die für Sie dieses Thema auf eine gute Weise zum Ausdruck bringen. Wie kurz oder lang, groß oder klein, spielt dabei keine Rolle. Es sollte nur deutlich werden, warum Ihr Text oder Bild Ihre Vorstellung von Zuversicht verdeutlicht und was Ihren systemischen Blick darauf ausmacht.
Den Anfang heute macht Susanne Quistorp aus Zürich mit einer schönen Referenz auf ein Zitat des Schweizer Bildhauers Jean Tinguely.
Susanne Quistorp, Zürich
In „le Définitif, c’est le Provisoire“ steckt für mich das Vertrauen, dass kein Zustand so bleibt, wie er ist – und jede Bewegung vielseitige Mit-Bewegungen und damit schöpferische Möglichkeiten generiert.
Unter dem Titel Evaluation 2.0 geht es in der letzten Ausgabe der Familiendynamik in diesem Jahr schwerpunktmäßig um ein Prozessfeedback „als ,Herzstück’ systemischer Praxis“, das von Günter Schiepek unter dem Stichwort Synergetisches Navigationssystem (SNS) entwickelt worden ist. Im Editorial heißt es: „Die Fokus-Beiträge stellen diese »Evaluation 2.0« mit dem Synergetischen Navigationssystem (SNS) von Praktiker:innen in verschiedenen Kontexten vor. Das SNS ist seit 15 Jahren im klinischen Routineeinsatz, womit wir mit diesem Themenheft auch ein kleines Jubiläum feiern. Tilo Mielenz und Markus Keller berichten anhand von Fallgeschichten über die Anwendung in der Jugendhilfe. Christoph Huy und Günter Schiepek zeigen mit einem Transfer des SNS in schulische Kontexte, wie Schüler:innen ihre Lernprozesse damit besser gestalten und Lehrkräfte dadurch gewissermaßen »Supervision« erhalten. In den Über-Sichten skizzieren Günter Schiepek und Rieke Oelkers-Ax, wie Evaluation und Wirksamkeit von Therapie und Beratung neu gedacht werden können (»2.0«) und veranschaulichen dies anhand einer Mutter-Kind-Therapie.“ Etwas merkwürdig mutet allerdings an, dass an keiner Stelle des Heftes, weder in den Texten noch in einem conflict of interest statement darauf hingewiesen wird, dass das SNS eine kommerzielle Anwendung ist, die von der Firma CCSYS GmbH vermarktet wird, bei der Günter Schiepek als Geschäftsführer fungiert. Ein solches Statement ist mittlerweile ganz unabhängig von der Güte der Artikel state of the art in den meisten wissenschaftlichen Zeitschriften und eine notwendige Orientierungshilfe für die Leserschaft.
Am Montag vergangener Woche ist Jochen Schweitzer nach langer Krankheit gestorben. Ein Tod, der abzusehen war, aber dennoch – wie immer – zur Unzeit eintrat. Noch im Sommer hatten wir uns in Heidelberg getroffen und ein weiteres Treffen im November avisiert. Dazu ist es nun nicht mehr gekommen. Nachdem ich ihn in den 1980er Jahren bereits durch seine Veröffentlichungen (u.a. in der Familiendynamik) und von Tagungen kannte, habe ich ihn persönlich wohl erst Anfang der 1990er Jahre näher kennengelernt. Durch unsere Zusammenarbeit in der SG und später der DGSF (in der er als Vorstandsmitglied und später 1. Vorsitzender fungierte und ich Mitglied des Kontext-Herausgebergremiums) hatten wir immer wieder miteinander zu tun. In vielen inhaltlichen und fachpolitischen Fragen standen wir auf eher kontroversen Positionen, allerdings machten uns die Auseinandersetzungen immer auch Spaß und waren von großer persönlicher Wertschätzung geprägt, zumal hinter diesen Kontroversen auch ein großes Maß an Übereinstimmung und parallelen persönlichen Entwicklungsprozessen stand. Die ungeheure Breite seiner Themen in Praxis und Forschung haben mich ebenso fasziniert wie seine unglaublich kreative Ader, mit der er Menschen beruflich und privat mitreißen und zur Kooperation bringen konnte und mit der er seine Ideen für alle möglichen Interventionen in unterschiedlichsten Kontexten entwickelte. Die Integrationskraft, mit der er die DSGF zusammenhielt und gleichzeitig nach vorne brachte, habe ich sehr bewundert.
Dass seine Aussichten nicht gut standen, war ihm schon im vergangenen Jahr klar. Er hat die Zeit nicht nur genutzt, um sich aus seinen Verpflichtungen zu lösen, von seinen wichtigen Wegbegleitern und Projekten zu verabschieden und sich auf das Bevorstehende vorzubereiten, sondern auch noch für Wanderungen, kleinere Reisen und andere Dinge, die für ihn zum guten Leben gehörten. Seine bewunderswerte Gelassenheit im Umgang mit seiner Erkrankung und seine Akzeptanz des Unvermeidlichen haben mich tief beeindruckt.
Farewell, Jochen! Dass du gegangen bist, ist ein großer Verlust für uns alle. In unserer Erinnerung wirst du einen festen Platz behalten.
Matthias Ochs, Doktorand, langjähriger Mitarbeiter und Freund von Jochen Schweitzer, hat einen Nachruf verfasst, der heute auch auf der DGSF-Webseite veröffentlicht wurde. Mit seiner freundlichen -Erlaubnis bringe ich seinen Text hier im systemagazin – begleitet mit Fotografien, die ich in den letzten 20 Jahren von Jochen machen konnte.
Matthias Ochs, Wiesbaden: Nachruf auf Jochen Schweitzer
Nach längerer Krankheit ist am 31.10.2022 unser ehemaliger DGSF-Vorsitzender Prof. Dr. Jochen Schweitzer im Alter von 68 Jahren viel zu früh verstorben. Das ist ein großer, großer Verlust für viele von uns, für die DGSF und für das gesamte systemische Feld – auch für mich persönlich, da ich meinen Doktorvater, Mentor sowie geschätzten und nahen Kollegen verloren habe. Unser besonderes Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Angehörigen.
Jochen Schweitzer hat die Entwicklung des systemischen Felds in Deutschland auf so vielfältige Weise mitgeprägt, dass es schwerfällt, einige wenige Bereiche in den Vordergrund zu stellen. Besonders dankbar bin ich deshalb dafür, dass es Jochen noch möglich war, sein vielfältiges berufliches Wirken über Jahrzehnte in dem gerade erschienenen Buch „Ich hätte da noch eine Idee … Persönliche Geschichten aus 45 Jahren Systemischer Therapie und Beratung“ selbst so wunderbar, informativ und beeindruckend darzustellen.
wie in den vergangenen Jahren möchte ich Sie auch dieses Jahr wieder einladen, den systemagazin-Adventskalender mitzugestalten. Dass wir in herausfordernden Zeiten leben, ist wohl eine ungeheure Untertreibung. Pandemie und Krieg erschüttern unser Gesellschaftssystem und lassen zunehmend an seiner politischen, sozialen und kulturellen Integrationskraft zweifeln. Spaltung und Polarisierung nehmen zu. Über allem steht die sich abzeichnende ökologische Katastrophe, der nicht nur aufgrund der militärischen und ökonomischen Auseinandersetzungen weltweit nicht mit den Anstrengungen begegnet wird, die notwendig sind. Keine erfreulichen Aussichten auf die Zukunft.
Dabei steht gerade die Adventszeit im Christentum für die hoffnungsvolle Erwartung der Zukunft in der Person Christi. Auch ohne Vertrauen in die Religion beruht in unserem säkularen Zeitalter die Stärke unserer Handlungsmöglichkeiten darauf, dass wir bei allen Zweifeln und pessimistischen Prognosen mit Zuversicht in die Zukunft schauen können. Dieser Zuversicht „trotz alledem“ soll der aktuelle Adventskalender gewidmet sein.
Ich freue mich also über einen kleinen Beitrag von Ihnen zum Thema „systemische Zuversicht“. Was gibt Ihnen ein Gefühl von Zuversicht in Hinblick auf zukünftige Entwicklungen? In welchen Systemen beobachten Sie die Kraft für positive Veränderungen? Welche privaten, gemeinschaftlichen, organisationalen oder gesellschaftlichen Erfahrungen und Ereignisse stimmen Sie zuversichtlich? Welche Visionen und Zukunftsbilder bestärken Sie in Ihrer systemischen Praxis?
Dabei denke ich an Geschichten, Anekdoten, Reflexionen, theoretische Überlegungen, aber auch Fotos, Bilder, Collagen, Symbole oder andere Formate, die für Sie dieses Thema auf eine gute Weise zum Ausdruck bringen. Wie kurz oder lang, groß oder klein, spielt dabei keine Rolle. Es sollte nur deutlich werden, warum Ihr Text oder Bild Ihre Vorstellung von Zuversicht verdeutlicht und was Ihren systemischen Blick darauf ausmacht.
In den vergangenen über 20 Jahren ist es immer gelungen, den Kalender zu bestücken und ich sehe dieser Möglichkeit auch dieses Mal mit Zuversicht entgegen 🙂
Für Ihre Einsendungen unter levold@systemagazin.com bedanke ich mich schon jetzt und freue mich auf Ihre Kreativität und Zuversicht.
Aus Wien erreichte mich folgender Brief systemischer Kolleginnen und Kollegen, den ich gerne weiterleite:
Liebe systemische Kolleg:innen,
in Österreich wird seit Jahresbeginn intensiv an der Akademisierung der Psychotherapieausbildung gearbeitet. Die grundsätzlich zu begrüßenden Bestrebungen für ein neues Psychotherapiegesetz laufen in der letzten Zeit in eine bedenkliche Richtung. Es droht nun auch bei uns das „deutsche Modell“. Dazu hat das Netzwerk Psychotherapie neuwesentliche Einwände, die wir in einer Petition formuliert haben:
Das in letzter Zeit politisch angedachte Modell sieht ein ordentliches Studium vor, das heißt, die Universitätslehrgänge in Kooperation mit diversen Fachspezifika gibt es dann nicht mehr. Das Studium soll an bereits bestehenden Instituten der öffentlichen Universitäten stattfinden (in der Regel Psychologie oder Medizin)
Ausbildungsinstitut ist demnach die Universität, sie kann Lehrpersonal der Fachspezifika anstellen, muss das aber nicht. Der dadurch entstehende Mangel an Verschränkung von Theorie, Persönlichkeitsentwicklung und Praxis führt zu einer erheblichen Qualitätsminderung.
Die Privatuniversitäten müssten ihr Studium anpassen und neu akkreditieren lassen. Da derzeit Struktur, Machbarkeit und Finanzierung der Ausbildung an den öffentlichen Universitäten nicht geklärt ist, besteht die Gefahr, einer großen Minderung von Ausbildungsplätzen, und damit in absehbarer Zeit einer qualitativ und quantitativ beeinträchtigten psychotherapeutischen Versorgung der österreichischen Bevölkerung.
Die anerkannten Psychotherapieausbildungen wird es als Alternative nicht mehr geben dürfen (bzw. nur in der Übergangsfrist). Die Existenz derAusbildungseinrichtungen ist damit in Frage gestellt.
Wir haben eine Petition gestartet und bitten Sie um Ihre Unterschrift!!!
Auf auf dem DGVT-Kongress 2021 gab es eine Lesung von Ken Gergen, der sein Buch „Relational Being“ (Auf deutsch: „Die Psychologie des Zusammenseins“, s. auch die Rezension von Wolfgang Loth hierzu) vorgestellt hat. In der Zeitschrift VPP (Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis) 3/22 wurde sein Beitrag gemeinsam mit einem Interview veröffentlicht, das Thorsten Padberg, Eugene Epstein, Manfred Wiesner und Lothar Duda mit Ken Gergen geführt haben. systemagazin veröffentlicht hier diese Texte mit freundlicher Genehmigung der VPP (Fotos: Tom Levold)
Ken Gergen, Swarthmore (PA): „Die Psychologie des Zusammenseins“ für Psychotherapeut*innen
Eine Lesung auf dem DGVT-Kongress 2021
Vorbemerkung: Kenneth Gergen zählt zu den 50 einflussreichsten Psychologen der Welt. Als Sozialpsychologe hat er sein Fach immer wieder vor Herausforderungen gestellt. Schon in der 70er Jahren stellte er in Frage, ob es zeitlich überdauernde Gesetze der Psyche gebe – eine Idee, die sich aus seiner Sicht nur deshalb so weit verbreiten konnte, weil die Psychologie über ihren empiristischen Fokus vergessen hatte, die Entstehung ihrer Konzepte zu untersuchen. Seine Antwort: „Sozialpsychologie ist Geschichtswissenschaft“. In seinem populärwissenschaftlichen Bestseller „Das übersättigte Selbst“ von 1991 erklärte er der erstaunten Öffentlichkeit, dass das Selbst keinen festen Kern habe, sich der Mensch vielmehr in Abhängigkeit von seinem Umfeld in theoretisch unbegrenzte „Personenpersonen“ auffächerte. In seinem zuletzt erschienenen Buch „Relational Being“, das jetzt unter dem Titel „Die Psychologe des Zusammen-Seins“ im dgvt-Verlag erschienen ist, schrieb er die gesamte Psychologie neu: Statt der Erforschung der Psyche müsse sie sich der Erforschung von Beziehungen widmen, um als Wissenschaft eine feste Grundlage zu haben.
Auf dem DGVT-Kongress im März 2021 war Kenneth Gergen Gast des Symposiums „Sprachbasierte Ansätze in der Psychotherapie“, um die Implikationen seines Ansatzes für die Psychotherapie herauszuarbeiten. Er trug dabei theoretische Passagen und illustrierende Geschichten aus der „Psychologie des Zusammenseins“ vor und erläuterte diese Absätze für die Teilnehmer*innen. Im Folgenden finden sich die vorgetragenen Passagen. In kursiv sind zudem Gergens Erläuterungen wiedergegeben. Diese Erläuterungen wurden hier ergänzt durch Ausschnitte aus einem Gespräch, das die Veranstalter des Symposiums vorab mit Ken Gergen geführt haben.
Mit überwältigender Mehrheit von über 95 % aller Stimmen wurde das Positionspapier „Hingeschaut“ der DGSF-Expertinnengruppe „Ambulante Erziehungshilfen“ bei der Mitgliederversammlung in Dresden beschlossen. Ziel ambulanter Hilfen zur Erziehung ist, Familien dabei zu unterstützen, ihr Leben gelingend zu gestalten und Kindeswohlgefährdungen möglichst zu verhindern. Ziel des Positionspapiers ist es, eine Sensibilisierung der Fachöffentlichkeit für den Zusammenhang von Qualität und Wirksamkeit von ambulanten Erziehungshilfen zu erreichen und Fachgesellschaften und Politik einzuladen, sich intensiver und umfassender mit dem Thema zu befassen. In dem Positionspapier werden die Reaktionen der Jugendhilfe auf gesellschaftliche Entwicklungen aufgegriffen, die Wechselwirkungen von kommunalen Ressourcen auf die (Nicht-)Beteiligung von Eltern beschrieben, auf die sich wandelnden Rollen von Eltern und Fachkräften im Hilfe- und Kooperationskontext eingegangen, die Anforderungen an die ambulanten Hilfen zur Erziehung beschrieben und an die politischen Verantwortungen zum Handeln appelliert. Das Positionspapier gibt die Sichtweise des Verbandes wieder und ist folgendermaßen gegliedert:
Erfordernisse für die Zukunft
Kontext „Gesellschaftliche Entwicklungen“: Kinder- und Jugendstärkungsgesetz zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Auswirkungen gesellschaftlicher Entwicklungen auf die ambulanten Hilfen zur Erziehung
Menschenbild
Politisches Handeln und politische Verantwortung
Systemische Grundlagen in den ambulanten Hilfen zur Erziehung
Anforderungen an die ambulanten Hilfen zur Erziehung
Ausblick auf erlebbare Qualität
Das Positionspapier stellt nicht nur Forderungen nach einer verbesserten Fachlichkeit von Hilfsangeboten auf, sondern bietet auch eine Analyse des politischen Kontextes, der für die zunehmende Verschlechterung des Hilfesystems bei gleichzeitig zunehmendem Handlungsdruck verantwortlich ist: Die „Fortschritte in den Hilfen zur Erziehung [aus den 1990er Jahren] wurden jedoch nach wenigen Jahren bereits „ausgebremst“, indem mittels neoliberaler Steuerungsinstrumente nicht nur Hilfen als „Produkte“ beschrieben, Pauschalfinanzierungen abgeschafft, Fachleistungsstunden geschaffen, Personalbegrenzungen vorgenommen wurden u.a.m. Das führte nicht nur zu einer immer höheren Fallzahlbelastung unter anderem in den Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD) der Jugendämter, sondern auch zu Stundenreduzierungen und Fallzahlerhöhung bei den ambulanten Hilfen zur Erziehung. Damit begann eine langsame, aber bis heute andauernde kontinuierliche Aushöhlung von Fachlichkeit und eine Ökonomisierung in den ambulanten Hilfen zur Erziehung. Gemeint ist hier ein betriebswirtschaftlich ausgerichteter Prozess in der Sozialen Arbeit, bei dem eine „(…) zunehmende Durchdringung von Strukturen, Organisationsmodellen, Konzepten und Handlungsmustern sozialer Dienstleistungstätigkeiten durch wettbewerbliche, marktorientierte Elemente der Konkurrenz und Effizienz“3 stattfindet. Der zentrale Modus, nach dem die vorhandenen Ressourcen, Akteur*innen, Bedarfe und Leistungen koordiniert, optimal verteilt und bestmöglich genutzt werden sollen und der zudem noch systemische Flexibilität und Innovationsoffenheit gewährleisten soll, wird in Markt und Wettbewerb gesucht.“
Heute vor 20 Jahren starb Heinz von Foerster, der Begründer der Kybernetik 2. Ordnung, an seinem Wohnort in Pescadero, Kalifornien, im Alter von 90 Jahren. Im von Klaus Krippendorff herausgegebenen Band „Communication and Control in Society“ (New York; Gordon and Breach) wurde ein kurzer Vortrag von ihm veröffentlicht, den er 1979 auf der Konferenz der American Society for Cybernetics (ASC) hielt. Darin fasste er noch einmal seine Grundgedanken zur „Kybernetik der Kybernetik“ zusammen: »Earlier I proposed that a therapy of the second order has to be invented in order to deal with dysfunctions of the second order. I submit that the cybernetics of observed systems we may consider to be first-order cybernetics; while second-order cybernetics is the cybernetics of observing systems. This is in agreement with another formulation that has been given by Gordon Pask. He, too, distinguishes two orders of analysis. The one in which the observer enters the system by stipulating the system’s purpose. We may call this a “first-order stipulation”. In a “second-order stipulation” the observer enters the system by stipulating his own purpose. From this it appears to be clear that social cybernetics must be a second order cybernetics—a cybernetics of cybernetics—in order that the observer who enters the system shall be allowed to stipulate his own purpose: he is autonomous. If we fail to do so somebody else will determine a purpose for us. Moreover, if we fail to do so, we shall provide the excuses for those who want to transfer the responsibility for their own actions to somebody else: “I am not responsible for my actions; I just obey orders.” Finally, if we fail to recognize autonomy of each, we may turn into a society that attempts to honor commitments and forgets about its responsibilities.«
In einem aktuellen Text aus der Zeitschrift Forum der Psychoanalyse, der online first erschienen und zu lesen ist, setzt sich Michael B. Buchholz unter dem Titel „Kann die Psychoanalyse noch aus ihren Krisen lernen?“ mit Fragen auseinander, die nicht nur die Psychoanalyse, sondern die Perspektive der Psychotherapie im Allgemeinen betreffen. Im Abstract heißt es: »Mit dem neuen Psychotherapeutengesetz ist eine ernste Lage für die Psychoanalyse entstanden. Auf die eine Gefahr, die technologische Medizinalisierung (…), wurde häufig verwiesen. Eine wachsende Abhängigkeit von der klinischen Psychologie (…) ist noch wenig gesehen. Wie kann sich die Psychoanalyse behaupten? Vorgeschlagen wird, sich verstärkt Fragen nach a) Ausbildung therapeutischer Persönlichkeiten, b) stärkerer lebensweltlicher Kontextualisierung und c) weit größerer Aufmerksamkeit der originalen Stimme der Patienten in Theorie und Kasuistik zu widmen. Loyalität gegenüber Theorie-Traditionen löst keine Probleme. Sie blockiert Umweltsensitivität und erzeugt Rückzug in Selbstbeschäftigung und beunruhigenden Mangel an Irritierbarkeit. Die viel zu loyale Bindung an Theorietraditionen, an lehranalytische Aus- und Vorbilder, supervisorische Praktiken und an fragliche Behandlungsregeln wehrt die Irritation ab, deren Bewältigung zentrale Aufgabe wäre, und entmutigt die nächste Generation. Dazu am Schluss Vorschläge.« Die Akademisierung der Psychotherapie sieht Buchholz kritisch, da sie der Ausbildung klinischer Performanz und der Entwicklung therapeutischer Persönlichkeiten eher keinen Vorschub leistet: »Performanz kann nicht final bestimmt oder eingegrenzt werden. Therapeutische Schulung ist offen, für originelle Persönlichkeiten, die einen neuen Stil, eine andere Antwort, einen besonderen, hilfreichen Humor entwickeln und im Umgang mit Patienten bezeugbar Erleichterung schaffen, die klinische Theorie nicht erwartete und nur profitieren kann. Klinisches Können sollte eine gewichtigere Stimme im kulturell-politischen Feld bekommen.«
Am Schluss schreibt Buchholz: »Medikalisierung schadet in der Psychotherapie; das ist empirisch bestens ermittelt. Indem man ein viel zu traditionelles klinisch-psychologisches und zu machtvoll implementiertes technisch-szientifisches Wissenschaftsverständnis erweitert, sehe ich Chancen, die sich aus der gegenwärtigen Situation ergeben können. Dazu habe ich Komponenten im FLIP-Modell skizziert [Forschung – Lehre – Integration – Praxis]. Bemerken psychoanalytische Kolleginnen und Kollegen den Zustand ihrer Profession? Werden sie sich getrauen, Traditionen – etwa der Theorie, Formen der Supervision, der Lehre und kasuistischen Seminare – über Bord zu werfen, um sich Spiel-Räume zu schaffen und Alternativen zu erproben? Und diese evaluieren, um sich in der Versorgungsrealität wieder Relevanz zu verschaffen? Ob sie wagen, antiquierte Bestände den Historikern zu überlassen? Können Sie die Selbsterfahrung erweitern: von der Reflexion biografischer Zusammenhänge zur Beobachtung kommunikativer Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen, von der Wahrnehmung affektiver Resonanzen zur Reflexion von deren Nutzung, von der nuancierten Gewahrwerdung eigener kommunikativer Manierismen über Wirkung stiller Momente, aber auch die reichen Varianten des Opportunismus. Wenn diese Wagnisse, von ein- beziehungsweise ausgetrampelten Traditionspfaden abzuweichen, gelingen, könnte das „Abatmen des Meinungssmogs“, von dem Slunecko so eindrücklich spricht, für die Profession heilsam werden.«
Ein Text, den sich alle Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu Herzen nehmen sollten. Hier können Sie ihn lesen…
Heute vor einem Jahr ist Helm Stierlin im Alter von 95 Jahren gestorben. In der „Autobahn-Universität“ des Carl-Auer-Verlages ist ein Vortrag von ihm “über harte und weiche Wirklichkeiten in systemisch-therapeutischer Sicht“ zu hören, eine Aufnahme, die noch einmal seine Stimme und Vortragsweise in die Gegenwart holt. Auf der Website des Verlages heißt es: «Dieser von der Autobahnuniversität dokumentierte Vortrag, den Helm Stierlin auf dem großen Heidelberger Konstruktivismus-Kongress 1991 gehalten hat, steht geradezu paradigmatisch für das hohe Reflexionsniveau systemischer Perspektiven. Dies gilt bezogen auf konzeptionelle und praktische Aspekte therapeutischen und beraterischen Tuns genauso wie für das Verstehen politischer Entwicklungen bis hin zu solchen, die die Zuverlässigkeit demokratischer Prozesse erodieren lassen können. Noch einmal wird erlebbar, welch großen Verlust Helm Stierlins Tod bedeutet, für die gesamte Welt therapeutischer und beraterischer Professionen sowie für eine aufgeklärte politische Debatte, die diesen Namen wirklich verdiente. Die langjährigen Wegbegleiter Fritz B. Simon und Gunthard Weber haben Helm Stierlin in ihren berührenden Nachrufen auf besondere Weise gewürdigt. Gerade in dem zweiten, dem politischen Aspekt sind Stierlins scharfe begriffliche Analysen in diesem Vortrag brandaktuell, denkt man an die Verhärtung der Diskutanten in den Auseinandersetzungen um die Pandemie und die Reaktionen darauf. Im Zentrum steht das dialektische Geschehen um die Frage, wie „weiche“ und/oder „harte“ Beziehungswirklichkeiten und Weltverständnisse in Familien und Gesellschaften entstehen bzw. zu beobachten sind, und welche Interventionsmöglichkeiten angemessen erscheinen, wenn extrem unterschiedliche Bewertungen zu scheinbar unlösbaren Konflikten führen. In Bezug auf Ludwig Wittgenstein, Jay Haley, Margaret Singer, Lyman Wynne, Gregory Bateson u. a. entfaltet Helm Stierlin das gesamte Spektrum der Fragen nach Gewissheit, bezogener Individuation und symmetrisch konfligierender bzw. versöhnender Wirklichkeitskonstruktionen und der Möglichkeiten, sie begrifflich zu fassen und möglichst lösend zu behandeln. Das filigrane Spiel mal eher erhärtender, mal eher erweichender Beiträge zu einer gedeihlichen Entwicklung menschlicher Verhältnisse wird inspirierend und treffend analysiert. Einmal mehr erweist sich hier das große Potenzial systemischen Denkens und an neuerer Systemtheorie orientierter Diskurse und Praxis.«
Der Vortrag ist hier zu hören (Sie können aber auch auf die Abbildung klicken)
Psychiatrische Sachverständige werden von Gerichten zur Feststellung von Schuldfähigkeit, Selbst- oder Fremdgefährdung oder Rentenansprüchen beauftragt. Im „Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ ist festgelegt, dass vor einer Unterbringungsmaßnahme das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen hat, der die Betroffenen persönlich zu untersuchen oder zu befragen hat. In Selbstdarstellungen von Gutachtern findet sich nicht selten der Hinweis, dass es sich dabei um eine „objektive“ Beurteilung handele. Die Psychiatriekritik spätestens seit den Arbeiten von Michel Foucault hat andererseits zeigen können, dass Gutachten spezifische Narrationen sind, mit denen Lebensgeschichten und Ereignisse in eine Form gebracht werden, mit deren Hilfe der staatliche Eingriff (etwa in die Freiheit der Begutachteten) legitimiert werden soll. Aus dieser Perspektive sind Gutachten, die explizit oder implizit immer auch auf moralische Bewertungen ihrer Zeit Bezug nehmen, zwangsläufig Bestandteil einer gesellschaftlichen Herrschaftspraxis.
Da die Anordnung einer Begutachtung unabhängig von der Zustimmung der betroffenen Person ist, findet sie immer in einem strukturellen Zwangskontext statt. Die – oft negative – Reaktion auf die Begutachtung wird aber oft selbst zum Diagnostikum, mit dem dann eine freiheitsbegrenzende Maßnahme begründet wird, wie z.B. der Fall Mollath zeigte, der 2014 weithin Aufsehen erregte.
Gutachten müssen zwangsläufig in einer Sprache abgefasst sein, die die Fiktion einer objektiven, neutralen und wissenschaftlich-distanzierten Feststellung von Sachverhalten ermöglicht. Anders wäre eine Gerichtsentscheidung etwa über eine Unterbringung wohl kaum zu rechtfertigen. Das bedeutet aber, dass alle Aspekte, die die subjektive Erfahrung einer Begegnung zwischen Gutachter und Begutachtetem und die eigenen emotionalen Resonanzen im Kontakt betreffen, ausgeblendet bzw. objektiviert und in „Gutachtensprache“ transformiert werden müssen.
Diese abgedunkelte Seite der Begegnungserfahrung ist Gegenstand eines schönen Büchleins mit dem passenden Titel „Die Angst des Psychiaters vor der Nähe“, das 2022 bei Books on Demand erschienen ist. Hans Welsch, der ein Pseudonym verwendet, um die Anonymität der beschriebenen Personen zu schützen, ist Psychiater und Gutachter. In seinem Buch erzählen 13 Kurzgeschichten von seinen Begegnungen mit Menschen, die ihren Halt in der sozialen Welt verloren oder sich in eine eigene unzugängliche Welt zurückgezogen haben. In einem Nachwort schreibt der Autor: „Außerhalb seiner Praxis begegnet der Autor als Psychiater in seiner Funktion als Gerichtsgutachter den von ihm untersuchten Menschen unmittelbarer und taucht tiefer in ihre Welt ein. Er kann daher nicht anders, als sich auch berühren zu lassen. So entsteht neben der distanzierten Betrachtung, die in sachliche Feststellungen in Form eines Gutachtens einmündet, auch eine Sphäre, in der sich die Erlebniswelten von Untersucher und Untersuchtem überschneiden. Hier sind die Erzählungen von der Angst des Psychiaters vor der Nähe entstanden. Die wahren Schöpfer der hier vorgestellten Erzählungen sind die Kranken. Ohne deren Schaffenskraft, die der Psychoseforscher und -therapeut Thomas Bock wohl hochachtungsvoll Eigensinn nennen würde, wären sie nicht entstanden.“
Herausgekommen sind empathische Annäherungen an ver-rückte Lebensentwürfe und fremde Gedankenwelten, deren leidvolle, oft absurde, aber manchmal auch komischen Seiten pointiert und in einer literarisch einnehmenden Sprache zum Ausdruck kommen. Freundlicherweise hat der Autor mir erlaubt, die Erzählung „Familie macht frei“ zu veröffentlichen, die ganz gut zum Ausdruck bringt, was die Leserschaft erwarten kann. Ich kann die Lektüre nur empfehlen!
Heute würde Gianfranco Cecchin (22.8.1932 – 2.2.2004) seinen 90. Geburtstag feiern. Ursprünglich gemeinsam mit Mara Selvini Palazzoli, Luigi Boscolo und Giuliana Prata im„Gründungsteam” des„Mailänder Ansatzes”, löste er sich dann in den 80er Jahren von Selvini und arbeitete eng mit Luigi Boscolo therapeutisch und als international gefragte Lehrtherapeuten zusammen. Er ist mit vielen interessanten Konzepten in der internationalen systemischen Szene bekannt geworden, unter anderem auch für die Einführung des Begriffs der Respektlosigkeit in Bezug auf die therapeutische Haltung. Während heute allzu oft Wertschätzung für alle möglichen Ideen gefordert wird, plädierte Cecchin dafür, Respekt gegenüber Personen aufzubringen, aber nicht für Ideen und Erklärungsmodelle. Dies galt für ihn auch in Bezug auf die konzeptuellen Auseinandersetzungen im systemischen Feld, etwa zwischen strategischen und konstruktivistischen bzw. narrativen Konzepten. In seinem gemeinsam mit Gerry Lane und Wendel A. Ray verfassten Aufsatz „Vom strategischen Vorgehen zur Nicht-Intervention. Für mehr Eigenständigkeit in der Systemischen Praxis“ (Familiendynamik 17[01], 1992, S. 3-18) schreibt er über dieses Thema:
„Es erscheint uns (…) angeraten, daß der Therapeut gegenüber jeder Idee, die die therapeutische Manövrierfähigkeit und Kreativität einschränkt, eine gesunde Respektlosigkeit bewahrt. (…) Ist man zu sehr von der Nicht-Instrumentalisierung überzeugt, ist man gefangen, eingeschränkt. Ein überzeugter Anhänger des Narrativen zu werden heißt, daran zu glauben, daß eine Veränderung der Erzählung Menschen verändert. Wenn man nicht in der Lage ist, anders zu handeln, kann die Angst, zu aktiv zu sein, lähmend wirken. Der »respektlose« Therapeut bekämpft die Versuchung, jemals ein überzeugter Anhänger einer wie auch immer gearteten Idee zu werden. Auch die Überzeugung, daß man durch die Aufgabe der Idee strategischen Vorgehens eine Wirkung erzielen kann, wird dann zu einer Gefahr. Man glaubt dann zu sehr an das Instrument der Nicht-Instrumentalisierung. Die Versuchung, Kontrolle ausüben zu wollen, kehrt oft zu denen von uns zurück, die schon durch diesen Prozeß hin durchgegangen sind. (…) Eine Lösung besteht darin, sich niemals völlig von einem Modell oder einer Intervention verführen zu lassen. (…) Eine Position der hier beschriebenen Respektlosigkeit einzunehmen heißt, sich gegenüber jeder verdinglichten »Wahrheit« leicht subversiv zu verhalten. Fühlt man sich einem Wertesystem zu sehr verpflichtet, setzt man sich der Gefahr aus, instrumentalisiert zu werden. Wir persönlich sind jetzt bereit, zu spielen. Wir können spielen, indem wir respektlos sind. Dies kann nur geschehen, indem wir die Verantwortung für unsere eigenen Handlun gen und Überzeugungen übernehmen, ohne uns instrumentalisieren zu lassen oder eine strategische Position einzunehmen. Wir können es wagen, unsere eigenen Ressourcen zu nutzen, um zu intervenieren, Rituale zu konstruieren, umzudeuten. Allerdings müssen wir für unser Handeln die Ver antwortung tragen und dürfen niemals vergessen, daß wir der Versuchung ausgesetzt sind, zu glauben, daß unsere Interventionen vorhersagbare Ergebnisse verursachen oder schaffen können. (…) Auf dem Weg zu einer Position der Respektlosigkeit muß man versuchen, sich von der kooptierenden Natur der Werte, über die ein Konsens besteht, zu befreien, und willens sein, nicht bedingungslos das zu tun, was der Staat oder die Institution, oder selbst die Klinik, in der man arbeitet, von einem verlangen. Das gibt dem Therapeuten die Freiheit, spielerisch zu sein, ohne dem eingeschränkten Bedeutungssystem der Familie bzw. der Institution zu verfallen. Er ist frei, um nach absurden wie auch tragischen Aspekten der Familiengeschichte zu suchen. (…) Es ist die Aufgabe des Therapeuten, die Gewißheit des Klienten zu unter graben. Es geht darum, jene Aspekte der Realität der Klienten, die sie daran hindern, die von ihnen gewünschten Veränderungen zu machen, zu unterminieren. Nimmt der Therapeut eine respektlose Position ein, ist er skeptisch gegenüber Polaritäten. Er ist frei von nicht-instrumentellen Positionen des »Ich sollte nicht hineingehen und eine Idee präsentieren, wie sich Menschen verändern können«, und von strategischen Positionen des »Ich muß eine Taktik entwickeln«. Mit Respektlosigkeit führt der Therapeut eine Idee ein, ist aber nicht unbedingt der Meinung, daß Menschen ihr folgen sollten. Er macht nur Vorschläge, die vielleicht hilfreich sind.“
Heft 1 des systeme-Jahrgangs kreist um das Thema Sucht. Im Editorial heißt es: „„Wie lässt sich Systemisches aushalten?“ Diese Frage stellt Wolfgang Loth zu Beginn seines Beitrags, mit dem wir dieses Heft eröffnen. Inspiriert von vier Büchern des Philosophen Michael Hampe setzt er sich darin auseinander mit dem, was Systemisches ausmacht, wie es die Fragen des Lebens und den Zusammenhang aller Dinge durchdringen könnte. Er schenkt uns bedeutsame Gedanken in besonderen Zeiten. Im Folgenden finden sich in dieser Ausgabe – ursprünglich angeregt durch eine Anfrage der Fachgruppe Sucht der SG – unterschiedliche Beiträge und Perspektiven rund um das Thema Sucht: Jane Busch, Frank M. Fischer, Holger Meyer, Daniela Saric und Ronny Siegert stellen das klinische Behandlungsangebot von Teen Spirit Island, einer auf Sucht- und Traumatherapie spezialisierten kinder- und jugendpsychiatrischen Station vor. Diesem liegt ein mehrphasiges, integratives und auf Bindungsarbeit basierendes Konzept zugrunde. Frank M. Fischer schildert die einzeltherapeutische Arbeit mit einer Jugendlichen, bei der insbesondere durch die Betrachtung von Ego-States ein Zugang zu inneren Prozessen und zu Veränderung gefunden wird. Eingebettet war diese Therapie in das stationäre Angebot von Teen Spirit Island. Um paartherapeutische Arbeit und die Bedeutung der Emotionsregulation im Kontext Sucht geht es im Beitrag von Mieke Hoste. Sie beschreibt, wie der Einbezug eines emotionsfokussierten Ansatzes den Paaren neue Kommunikationswege eröffnen und diese im therapeutischen Raum erproben lassen kann. Mit Medienabhängigkeit befasst sich Andreas Gohlke. Anhand der Beschreibung des als Open-Source-Projekt entwickelten Manuals Quest2B bietet er methodische Anregungen für die Beratung und Begleitung von Personen mit sogenannten „Internetbezogenen Störungen“. Katharina Prünte lässt Elsa N., die Angehörige eines Alkoholikers, sprechen und diskutiert kritisch die Verwendung des Begriffs „Co-Abhängigkeit“. Ein Beitrag, der zur Diskussion einlädt. Prof. Dr. Jochen Schweitzer hat im Herbst 2021 seine wissenschaftliche und lehrende Tätigkeit beendet. Anlässlich dessen fand ein virtuelles Abschiedssymposium statt. Tanja Kuhnert berichtet in ihrem Beitrag darüber. Sie macht deutlich, welche Relevanz Jochen Schweitzers bisheriges Wirken für die Fundierung und (Weiter-) Entwicklung des systemischen Ansatzes hatte und hat.“