systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

18. März 2014
von Tom Levold
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Jürg Willi zum 80.

Am vergangenen Sonntag ist Jürg Willi 80 Jahre alt geworden, systemagazin gratuliert nachträglich sehr herzlich (Foto: juerg-willi.ch)! Als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie war er bis 1999 Direktor der Psychiatrischen Poliklinik am Universitätsspital Zürich und ordentlicher Professor für poliklinische Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Krankheiten an der Universität Zürich. Er begründete das Weiterbildungsinstitut für ökologisch-systemische Therapie, ebenfalls in Zürich. Ausgehend von einem psychoanalytischen Verständnis begann Willi in den 60er Jahren paartherapeutisch zu arbeiten, sein Buch„Die Zweierbeziehung“ ist zu einem Klassiker der Psychotherapie geworden. In den Folgejahren hat sich Jürg Willi aber immer weiter von der Psychoanalyse entfernt und systemischen Konzepten zugewandt, wobei für ihn die Frage der Ko-Evolution in Paarbeziehungen in den Vordergrund rückte. In der Neuen Zürcher Zeitung vom 15. März 2014 ist ein ausführliches Interview aus Anlass seines 80. Geburtstages erschienen,
das hier zu lesen ist…

17. März 2014
von Tom Levold
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Systemische Therapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung?

Der GB-A prüft derzeit, ob die Systemische Therapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt werden soll. Dazu hat er einen Fragebogen erstellt, der sich an Landespsychotherapeutenkammern, Fachverbände und Einzelexperten richtete, und die jeweiligen Einschätzungen zur Effektivität der Systemischen Therapie erfragt. Nun hat auch die Bundespsychotherapeutenkammer diesen Fragebogen in einem 33seitigen Papier beantwortet, das heute auf ihrer website veröffentlicht worden ist. Nach dem Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie empfiehlt nun auch die Bundespsychotherapeutenkammer die Systemische Therapie als Verfahren für die vertiefte Ausbildung sowohl zum Psychologischen Psychotherapeuten als auch zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.
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15. März 2014
von Wolfgang Loth
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Bruce Wampold über Existenziell-Integrative Psychotherapie

Bruce Wampolds Buch „The Great Psychotherapy Debate“ ist seit seinem Erscheinen im Jahr 2001 eine feste Größe. Es gehört mittlerweile zu den meistzitierten und -diskutierten Beiträgen in der Debatte um Nutzen und Kosten von Psychotherapie. Möchte ich lieber sagen: Debatte um die Redlichkeit psychotherapeutischer Bemühungen, in dieser Welt Alternativen zum umgreifenden Wahnsinn zu liefern? Wenn das denn eine Debatte wäre. Anderes Thema, oder vielleicht auch nicht. Bruce Wampold jedenfalls, Professor für Counseling Psychology an der University of Wisconsin in Madison (Foto: counselingpsych.education.wisc.edu), hat ein Buch besprochen, in dem es um Existenziell-Integratve Therapie (EI) geht. Es handelt sich um: Kirk J. Schneider (Hg.) (2008): Existential-Integrative Psychotherapy: Guideposts to the Core of Practice. New York (Routledge). Allein schon der Umstand, dass ein so ausgewiesener wissenschaftlicher Fuchs wie Wampold sich eines Buches über ein therapeutisches Angebot annimmt, das wenig Chancen hat, im aktuellen Mainstream von Anerkennungs- und Goldstandards-Diskussionen Boden unter die Füße zu bekommen, scheint mir bemerkenswert. Wampold gehört zu denen, die mit einem Satz mehr inhaltliche Substanz verständlich machen können als andere mit langer Rede. Und so sind denn auch die in seiner Rezension nur flüchtig skizzierten Bemerkungen zum „doppelten Erbe“, auf das sich Psychotherapie stützt (nämlich humanistische und wissenschaftliche Traditionen) so gehaltvoll und verständlich, dass es anrührt, ebenso seine ebenfalls kurz skizzierte Historie der Versuche zur Integration in der Psychotherapie. Der (nach technischem und theoretischem) dritte Versuch der Integration, nämlich der „common factors“-Ansatz kommt in Schneiders Reader noch nicht einmal vor. Und hier zeigt sich Wampolds Klasse unmittelbar. Er schließt die Lücke selbst, wenn er schreibt, vielleicht seien es die KlientInnen, die Psychotherapie existenziell werden lassen. „That is, clients come to therapy for an explanation for their disorder, which in a manner of speaking is a desire to give meaning to their experience, to understand, and to move ahead with life“ (S.4). Nach einer Reihe von Hinweisen auf Querverbindungen zwischen existenzieller Psychotherapie und dem im “common factors”-Ansatz mittlerweile grundlegenden Fokus auf individuelle Passung des therapeutischen Angebots fürchtet sich Wampold nicht vor der Frage, ob existenziell-integrative Therapie denn überhaupt wissenschaftlich sei. Nach den mittlerweile das Feld beherrschenden Goldstandard-Kriterien wohl nicht. Dem hält Wampold entgegen, die Prinzipien des Wandels seien in diesem Ansatz so wissenschaftlich wie in allen anderen psychologischen Behandlungen auch. Und schließlich die Frage: Wer soll das bezahlen? Natürlich kein Fall für managed-care-Konstellationen, zu lang, zu persönlich, zu offen. Dazu Wampold am Schluss: „The issue is complex, but it is an unfortunate situation that immense sums are spent on end-of-life medical treatments and a fraction of that cannot be spent on quality-of-life therapy“. Wampolds Rezension ist
im Volltext zugänglich, und zwar hier …

14. März 2014
von Tom Levold
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„Linking systemic practice and research“. 1. European conference on research in therapy, education and organizational development

Die Heidelberger Forschungstagung ist kaum eine Woche vorüber, schon gibt es einen ausführlichen Tagungsbericht von Klaus Schenck (Foto: inteamwork.org) aus Hirschberg, der auch schon von den vergangenen Forschungstagungen in Heidelberg berichtet hat. Herausgekommen ist ein lebendiger Eindruck von allen drei Tagen des Geschehens in Heidelberg, garniert mit vielen Fotos des Autors. Seine Erfahrungen können Sie
hier nachlesen…

11. März 2014
von Wolfgang Loth
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Story-Telling und Wissensmanagement

Im Oktober 2000 hat eine Arbeitsgruppe des Lehrstuhls für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität im Rahmen einer Projektskizze kurz und bündig einen informativen Überblick über Konzept und Methodik des Story-Telling geliefert [G. Reinmann-Rothmeier, C. Erlach & A. Neubauer (2000): Erfahrungsgeschichten durch Story Telling – eine multifunktionale Wissensmanagement-Methode (= Forschungsbericht Nr. 127)].
Es scheine, so die AutorInnen,„als seien die meisten Organisationen blind für die„Lehren der Vergangenheit“ – vor allem für Fehler und Fehlentscheidungen. Insbesondere in wirtschaftlichen Organisationen wollen Führungskräfte wie Mitarbeiter oft nicht wissen, was passiert ist, sondern sie wollen wissen, was sie als Nächstes tun sollen; hier passt das Bild vom Manager als„Macher“. Die Forderung nach Reflexion oder gar der Hinweis auf eine historisch gefärbte Herangehensweise an zentrale Vorkommnisse gelten entsprechend als suspekt“ (S. 8 ). Im Rahmen einer interdisziplinären Hochschul-Industrie-Kooperation mit dem Studienabschluss„Knowledge Master“ ging es im vorliegenden Fall um Möglichkeiten und Formen des Story-Telling, zum einen im Hinblick auf nützliche Effekte für betroffene Unternehmen, zum anderen für eine Stärkung kontextsensitiven Wissensmanagements.
Als„Kernidee hinter dem Story Telling“ steht der Gedanke, dass„die gemeinsame Reflexion über gemachte Erfahrungen“ eine unbedingte Voraussetzung dafür sei, dass„eine Organisation Lehren aus der Vergangenheit ziehen und für erfolgreiches Handeln auch nutzen kann“ (S. 9). Die AutorInnen stellen eingangs fest, dass zwar nach wie vor„Technische Plattformen und Werkzeuge (….) eine tragende Rolle beim Wissensmanagement [spielen], insbesondere in größeren Organisationen; aber selbst dort ist der ungetrübte Optimismus im Rückzug, insbesondere was den erwarteten universellen Nutzen technologischer Wissensmanagement-Lösungen angeht. Motivations-, Akzeptanz- und Nutzungsprobleme sowie schleppende oder gar fehlende tatsächliche Veränderungen in Organisationen infolge des Technikeinsatzes erhöhen derzeit die Bereitschaft, sich auch nichttechnischen Wissensmanagement-Methoden zu öffnen. Das Story Telling ist eine solche nicht-technische Wissensmanagement-Methode – eine Methode, der es mehr um nachhaltige Veränderungsprozesse und weniger um prestigeträchtige ‚Schnellschüsse‘ geht, die nicht eine bestimmte Wirkung, sondern Effekte in mehrere Richtungen erzielt und von daher auch als ‚multifunktional‘ bezeichnet werden kann“ (S. 2).
In ihrem Beitrag skizzieren die AutorInnen sechs Stufen des Story Telling (Planen, Interviewen, Extrahieren, Schreiben, Validieren und Verbreiten). Das praktische Vorgehen wird im einzelnen geschildert. Das Ganze hat generativen Charakter:„Das Erfahrungsdokument selbst kann im Laufe der Zeit auch revidiert werden – es ist damit ein„lebendiges Dokument“ und weniger ein Ergebnis als vielmehr ein Prozess“ (S. 11). Als Kennzeichen dieses Prozesses erweist sich die konstruktive Dynamik zwischen„Sensibilität und offenem Zugang“,„Validität und schonungslose Analyse“, sowie„Gefühle und gemeinsam Erzähltes“ (S. 14). Im Hinblick auf Wissensmanagement wird Storytelling als geeignetes Mittel beschrieben, die Faktoren des„Wissens“ (-kommunikation, -generierung, -transparenz und Handlungsfähigkeit) zu stärken und in ihrer Wechselwirkung zu optimieren.
Den Beitrag gibt es im Volltext hier …  

10. März 2014
von Tom Levold
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Fallstricke der Kommunikation

6. März 2014
von Tom Levold
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A Summary Report of Cost-Effectiveness: Recognizing the Value of Family Therapy in Health Care

Heute beginnt in Heidelberg die 1. European Conference on Systemic Research in Therapy, Education and Organizational Development, veranstaltet vom Institut für Medizinische Psychologie im Zentrum für Psychosoziale Medizin der Universität Heidelberg, in Kooperation mit der European Family Therapy Association (EFTA, der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF), der Systemischen Gesellschaft (SG) und des Helm Stierlin Instituts Heidelberg. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Heidehofstiftung Stuttgart, die DGSF und die SG unterstützen die Tagung finanziell. Zu den Highlights gehört der Eröffnungsvortrag von Russell Crane (Utah/ USA) am heutigen Morgen über die Wirksamkeit und Kostengünstigkeit von Familientherapie, der u.a. vom Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer Rainer Richter, Declan Aherne vom Europäischen Netzwerk Psychotherapeutische Versorgung und Sibylle Malinke vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen diskutiert wird. Auf der website systemisch-forschen.de ist schon vorab ein Artikel von Russell Crane zu diesem Thema zu lesen, der 2014 in J. Hodgson, A. Lamson, T. Mendenhall, T., & D. R. Crane (Eds): Medical Family Therapy: Advanced Applications, im Springer-Verlag erscheint. Im abstract heißt es: „This purpose of this chapter is to provide a summary of the cost-effectiveness research for practice of profession and practice of marriage and family therapy. More than twenty studies based on four sources of data were considered: (1) a western United States Health Maintenance Organization covering 180,000 subscribers; (2) the Kansas State Medicaid system with over 300,000 beneficiaries; (3) Cigna, a large United States health insurance benefits management company which provided data of over 6 million claims for 500,000 unique persons, across six years; and (4) a family therapy training clinic in the western United States serving approximately 700 individuals and families a year. All DSM diagnostic groups are available for analysis. Studies regarding Schizophrenia, Depression, Sexual Disorders, Somatoform Disorder, Substance Abuse, and Relational Diagnosis have been published and others are underway. Results support the potential for a medical offset effect after family therapy, with the largest reduction occurring for high utilizers of health care. The studies also show that family therapy as a treatment modality is a cost effective form of treatment and trained family therapists are cost effective providers.“
Zum vollständigen Text geht es hier…

5. März 2014
von Tom Levold
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Verstehen nach Schemata und Vorgaben? Zu den ethischen Grenzen einer Industrialisierung der Psychotherapie

Giovanni Maio (Foto: Universität Freiburg) ist Professor für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg. Im Psychotherapeutenjournal 2/2011 hat er einen interessanten Aufsatz über die Folgen der Veränderung des Gesundheitssystems für die Psychotherapie verfasst. In seinem Abstract heißt es: “Das gesamte Gesundheitswesen folgt immer mehr den Kategorien des Marktes. Damit werden den Heilberufen Denksysteme übergestülpt, die ihrem Grundansatz, einen verstehenden Dienst am Menschen zu verrichten diametral entgegenstehen. Mit einer marktwirtschaftlichen Grundorientierung gehen Tendenzen zur Standardisierung und zur Modularisierung einher. Zugleich liegt ihr ein impliziter Glaube an die Machbarkeit, Objektivierbarkeit und Berechenbarkeit der Therapie zugrunde. Folge dieser Orientierung ist die systematische Ausblendung all dessen, was sich nicht in ein messbares und prozessuales System pressen lässt. In ethischer Hinsicht ist diese Entwicklung problematisch, weil mit der Übernahme dieser Denkkategorien der Kern dessen ausgehöhlt wird, worauf es in der Psychotherapie ankommt: nämlich die Kultur der authentischen und verstehenden Sorge um den anderen. In der Verbindung eines wirkmächtigen technisch-naturwissenschaftlichen Credos mit dem gegenwärtigen Trend zur Ökonomisierung aller Heilberufe wird das für überholt geglaubte mechanistische Menschenbild neu belebt. Daher wird dafür plädiert, eine entschiedene Distanz zum mechanistisch-prozessualen Denken der Ökonomie und Naturwissenschaft zu entwickeln. Psychotherapie bleibt darauf angewiesen, die Einzigartigkeit der Begegnung von Therapeut und Patient und den Kerngedanken einer Kraft des Verstehens neu ins Bewusstsein zu bringen“
Zum vollständigen Text geht es hier…

4. März 2014
von Wolfgang Loth
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„Ressourcenorientierte Aggressionsprävention“

Aggressives Verhalten von Kindern und Jugendlichen ist eines der häufigsten Themen, die in Erziehungs- und Familienberatung, wie auch in kinder- und jugendtherapeutischen Praxen zur Sprache kommen. Zwar hat Roland Schleiffer mit seinen Überlegungen zur funktionalen Analyse solchen Verhaltens eine gute Basis für ein konstruktives und interaktionelles Verständnis dieser Phänomene geliefert, doch ist für praktische Anregungen immer noch Bedarf. So wird „Ressourcenorientierte Aggressionsprävention“ aus systemischer Sicht zu einem Blickfang. Unter diesem Titel hat Eva Kneise im Juli 2008 ihre Dissertation an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln abgeliefert, mit dem Untertitel: „Zu den Chancen ressourcenorientierter Ansätze bei Aggression und Dissozialität von Jugendlichen aus pädagogischer Sicht“. Die Autorin (Foto: Universität Köln) geht von der Unterscheidung zwischen Ursachenanalyse und „Begründungen des eigenen Verhaltens und dessen Beurteilung im Nachhinein“ aus. Es gehe „also um die subjektiven Rekonstruktionen des eigenen Handelns und die Frage, wann Heranwachsende eine Konsistenz zwischen ihrem moralischen Denken, Fühlen und Handeln herausbilden“ (S.17). Im weitesten Sinne lässt sich hier eine Querverbindung zu der von Hans Lieb herausgearbeiteten Idee der Kontextsensibilität als genuin systemischer Wirkvariable herauslesen. Mit den Worten der Autorin: „Die Arbeit (…) stellt die Frage nach den Chancen einer pädagogisch-ressourcenorientierten Prävention von Aggression und Dissozialität bei Jugendlichen in den Mittelpunkt, die diese nicht primär als ‚Störer‘ oder ‚Gestörte‘ wahrnimmt, sondern vielmehr deren Stärken und kompetenten Anteile als Ausgangs- und Angelpunkt pädagogischer Förderprozesse in den Fokus rückt (S.17f.). In ihrem Fazit unterstreicht Eva Kneise ihre zentrale These, dass „(e)rst eine systemisch-ressourcenorientierte Blickwendung auf das Phänomen der Aggression ermöglicht, (…) pädagogisch angemessene und nachhaltige Zugangsweisen zur Bearbeitung und Präventionjugendlicher Dissozialität“ zu entwickeln. „Ein solcher Perspektivenwechsel, wie er sich im Zuge von Konzeptionen der Salutogenese und der entwicklungspsychologischen Resilienzforschung ergibt, macht darauf aufmerksam, Heranwachsende stärker auch in ihren positiven Möglichkeiten und individuellen Stärken wahrzunehmen und zu fördern. Ebenso werden durch eine Verbindung mit humanökologischen Konzeptionen soziale Unterstützungsmöglichkeiten in den bedeutsamen Umwelten sowie Optionen zur Erleichterung und Gestaltung ökologischer Übergänge systematisch gesucht und ausgebaut“ (S.259). Und weiter heißt es: „Diese Perspektive legt es dann nahe, Dissozialität auch als subjektiv sinnvolles Bewältigungsverhalten zu begreifen und in seinem Zusammenwirken mit verschiedenen, den Heranwachsenden umgebenden Einflüssen seiner Umwelten zu verstehen. Aggressiv-dissoziales Verhalten wird entsprechend als Bewältigungsversuch erkannt, um Orientierung und Kontrolle in subjektiv unübersichtlichen oder undurchschaubaren sozialen Konfliktsituationen zurück zu gewinnen. Das Ausblenden oder Neutralisieren moralischer Anforderungen in stressigen Sozialsituationen dient dabei dem Erhalt eines positiven Selbstbildes als ‚gute‘ bzw. ‚moralische‘ Person und somit zum Schutz und zur Stabilisierung des Selbstwertes“ (S.260). Am Ende resümiert Kneise, dass „(a)ufs Ganze betrachtet (…) die Stärke und Überzeugungskraft des systemisch-ressourcenorientierten Ansatzes vor allem in dem Perspektivenwechsel (liegt), der die Fixierung auf Lern- und Verhaltensprobleme aufgibt, dadurch dass Probleme grundsätzlich im Verhältnis zu den Stärken des Individuums und im Zusammenhang mit biographischen wie lebensweltlichen Bedingungen betrachtet werden. Diese Sichtweise rückt konsequent die Aktivierung und Erschließung individueller Vermögen und Fähigkeiten sowie potentiell verfügbarer Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten aus den zentralen Lebenswelten in den Vordergrund“ (S. 262). Die Dissertation von Eva Kneise ist (kapitelweise) im Volltext verfügbar,
und zwar hier …

1. März 2014
von Tom Levold
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Systemische Therapie und Diagnostik

Nur noch ein paar Wochen dauert es, bis das große Lehrbuch „Systemische Therapie“ und Beratung im Carl-Auer-Verlag erscheint (bis zum 30.6. kann das  Buch übrigens noch zum Subskriptionspreis bestellt werden, der 15,00 € unter dem Ladenverkaufspreis liegt). Um sich ein Bild vom Inhalt zu machen, gibt es jetzt als 20seitige Leseprobe das Kapitel über „Systemische Therapie und Diagnostik“ zu lesen, das ich verfasst habe. In der Einleitung heißt es: „Die Frage nach dem Wert von Diagnostik in der systemischen Therapie und Beratung ist von zentraler Bedeutung für die Identität des systemischen Ansatzes. Dennoch gehen mögliche Erwartungen, dieses Lehrbuch könnte die verbindliche Darstellung einer einheitlichen systemischen Diagnostik bieten, in die Irre. Zu verschieden, widersprüchlich und oft auch unklar sind die einzelnen Positionen zur Diagnostik im systemischen Feld, vieles ist eher implizit als manifest. Aus diesem Grund kann hier allenfalls der systemische Diskurs zur Diagnostik grob abgesteckt werden.“ Dazu gibt es allerdings doch eine Menge zu sagen.
Zum vollständigen Text gelangt man hier