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Kontext 1/2021 – Neuere Aspekte systemischer Therapie und Praxis

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Bevor in den nächsten Wochen das Kontext-Themenheft zur Psychiatrie-Kritik erscheint, sei hier noch schnell ein Blick auf das aktuelle Heft 1 des Jahres 2021 geworfen, das neben vielen Rezensionen in seinen Hauptbeiträgen „neuere Aspekte systemischer Therapie und systemischer Methoden“ vorstellt. Im Editorial heißt es dazu:

„So nimmt Ingrid Egger die pferdegestützte Therapie mit Menschen in den Blick, die schwere und traumatisierende Erfahrungen im Kontext von Krieg, Flucht und Gewalt gemacht haben und gezielt traumatherapeutische Behandlungsansätze benötigen. Therapeutische Arbeit auf der Basis des Gesprächs ist hier oft nur schwer möglich, geht es doch darum, das häufig tief erschütterte Vertrauen in die Tragfähigkeit von sozialen Beziehungen erst wieder herzustellen. Für Egger stellt der Einbezug »eines Lebendigen«, wie sie es bezeichnet, eine ausgezeichnete Möglichkeit dar, von massiven Traumafolgen betroffenen Menschen einen anderen Zugang zu den schmerzhaften Erlebnissen und den damit verbundenen tiefen Erschütterungen ihrer »Selbst- und Welterfahrungen« zu ermöglichen. Auf der Grundlage von ihr geführten Interviews mit Patientinnen und Patienten illustriert sie, wie die betroffenen Menschen durch den ergänzenden Einsatz von Pferden in der Therapie neue Ausdrucksformen die leidvollen Erfahrungen aber auch der dahinterstehenden Bedürfnisse nach positiven, nicht grenzverletzenden Beziehungserfahrungen finden können. Allerdings, und das nimmt zurecht großen Raum in den Ausführungen ein, ist der Einsatz von Pferden keine beliebig nutzbare Methode, sondern erfordert neben therapiegeeigneten Pferden vor allem auch umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit ihnen. Insofern kann deren Einsatz für pferdeaffine Therapeuten durchaus zu einem ergänzenden therapeutischen Instrument werden, das allerdings angesichts des immer wieder aufflammenden Hypes um tiergestützte Therapie auch durchaus kritisch betrachtet werden kann. Einige Anregungen dazu bietet der ironisch distanzierte Comic von Darren Fisher.

Eia Asen ist im systemischen Feld dadurch sehr bekannt geworden, dass er das ursprünglich aus einer psychoanalytisch fundierten Entwicklungstheorie stammende Konzept des Mentalisierens auf die therapeutische Arbeit mit Familien übertragen hat. Mit Mentalisieren bezeichnet er die Fähigkeiten, innerpsychische Zustände bei Anderen wahrnehmen und auch versprachlichen zu können. Diese Fähigkeit zur Perspektivenübernahme stellt soziologisch gesehen im Sinne von George H. Mead die grundlegende Basis jeder Form von Sozialität dar. Sie ist jedoch nie, darauf verweist das Konzept des Mentalisierens, nur ein kognitiv geprägtes Sich-Hinein-Versetzen in den Anderen, sondern ein imaginatives und affektives Wahrnehmen und gleichzeitiges Reflektieren dieses Wahrnehmens, das gerade in zwischenmenschlichen Krisen besonders herausgefordert wird. Insofern wird die Fähigkeit zu mentalisieren für Eia Asen zu einer Schlüsselfertigkeit, die es ermöglicht, tiefergehende Differenzen zwischen den inneren Zuständen aller Beteiligten in therapeutischen und anderen systemischen Settings zu erkennen und der Reflexion zugänglich zu machen. Die Förderung des Mentalisierens in der Familientherapie ist so auch eine Arbeit an der Beziehungsfähigkeit aller Beteiligten.

Unter der Rubrik »Aus der Praxis« finden von Zeit zu Zeit interessante Praxisberichte und neuere Methodenüberlegungen ihren Platz. In diesem Rahmen beschäftigt sich Michael Jakob in einem Artikel mit dem schönen Titel »Momo auf dem Zauberberg« mit dem Zeiterleben von Menschen. Im Rekurs auf die Arbeiten von Hartmut Rosa wird auch für ihn Beschleunigung zu einem zentralen Aspekt modernen Zeiterlebens.“

Alle bibliografischen Angaben und abstracts gibt es hier…

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