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Klaus Mücke (20.4.1962-13.11.2014)

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Klaus Mücke

Klaus Mücke

Am 13.11. vergangenen Jahres ist Klaus Mücke – für alle unerwartet – aus dem Leben geschieden (Foto: www.klaus-muecke.de). In der systemischen Szene war er bekannt durch seine Bücher, die er im Selbstverlag vertrieb, sowie durch sein unermüdliches Engagement im Kampf gegen Unrecht, Gewalt und ökologische Zerstörung, das ihn offenbar selbst gelegentlich an seine Grenzen brachte. Auf seiner website schrieb er an den Anfang seiner Bemerkungen zum Thema Selbstverständnis: „Am Ende meines Lebens möchte ich darauf zurückblicken und sagen können: ,Ich habe dem Leben in seiner Vielfalt mehr genutzt als geschadet.’ (Mir ist bewusst, dass ich in dieser Hinsicht noch einiges schuldig bin.)“. Die Gründe seines Suizides sind unbekannt. Judith Fischer-Götze, Vorsitzendes des Systemischen Instituts Sachsen e.V. in Hohenstein-Ernstthal, hat für das systemagazin einen Nachruf verfasst.

Judith Fischer-Götze, Hohenstein-Ernstthal: Nachruf auf Klaus Mücke geb. 20.04.1962 gest.13.11.2014

Auf Klaus Mücke war ich zunächst durch seine Publikationen zur Systemischen Beratung und Psychotherapie aufmerksam geworden. Das erste Buch, welches ich von ihm las, war: „Probleme sind Lösungen“, herausgebracht und verlegt in seinem eigenen Ökosystem-Verlag. Als Autor verstand es Klaus Mücke in besonderer Weise, verschiedene theoretischer Konstrukte miteinander zu verbinden und scheinbar Gegensätzliches zusammenzuführen. Auf fundierter theoretischer Grundlage waren seine Bücher voller praktischen Beispiele, Modelle und Ideen.

Im Jahr 2004 lernte ich Klaus Mücke persönlich kennen. Damals war ich in meiner Ausbildung zur Systemischen Therapeutin/Familientherapeutin. Klaus Mücke begegnete mir als ein offener, ehrlicher, von Geschichten und Ideen strotzender Mensch, der für seine systemische Arbeit und Interventionen lichterloh brannte. Er erzählte von sich, von seinem Leben, seinen Vorhaben und von seinen Anschauungen der Welt. Ständig neue Ideen bestimmten seinen Lebenstakt und sein Arbeitsleben. Liebenswürdig, bodenständig, authentisch und sensibel nahm ich ihn in meiner damaligen Rolle wahr.

Als Co-Referentin durfte ich 2008 mit Klaus Mücke an unserem Institut zusammenarbeiten, inzwischen aus meiner Perspektive als Lehrtherapeutin. Wir stellten fest, dass er nur einen Tag nach mir geboren wurde und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dies Teil einer besonderen Verbindung ist, welche ich zu ihm empfand. In der Zusammenarbeit mit Klaus Mücke erlebte ich einen Menschen, der mir „Geschichten hinter den Geschichten“ offenbarte. Von seinen Träumen, seinen Zweifeln und dem ständigen Bemühen, die Welt anders, irgendwie wärmer, menschlicher und einander zugewandter zu gestalten. Sein Wunsch, Verbindendes und nicht Trennendes in der vielschichtigen systemischen Szene in den Vordergrund zu stellen, beeindruckte mich. Wenn Klaus Mücke von der Arbeit in seiner Praxis erzählte, nahm ich wahr, dass er großen Anteil an den verschiedenen Geschichten seiner Klienten nahm und in Teilen auch betroffen war.

Das letzte Mal hatten wir Klaus Mücke im Jahr 2013 an unserem Institut zu Gast. Spürbar war, dass er sich stark mit den Folgen sexueller Übergriffe und Gewalt beschäftigte, dieses schwierige Thema viel Raum einnahm und in gewisser Weise sein Tun sogar bestimmte. Er warb für einen stärkeren gesellschaftlichen Diskurs, engagierte sich persönlich, gründete verschiedene Initiativen und eine Stiftung. Mit großer Anteilnahme erzählte er den Kursteilnehmenden und mir von Klienten, die Erfahrungen sexueller Gewalt gemacht hatten und wie derartig schmerzhafte Erfahrungen ihr Leben bestimmte und nachhaltig prägte.

Ebenso zog sich dieses Thema durch unsere privaten Gespräche und neben der Achtung vor seinem Engagement wuchs in mir die Sorge vor einer Fokussierung, die ihn scheinbar veränderte.

Im November vorigen Jahres erfuhr ich, dass unser Kollege verstorben sei, sich selbst das Leben genommen habe. Das konnte ich kaum glauben, erst recht nicht fassen. Inzwischen hatte ich Kontakt mit seiner Frau. Sie beschrieb ihn mir wie ich ihn kannte, angefüllt mit Ideen, Träumen und Wünschen, sprudelnd bis zum letzten Tag und ungeduldig, was die Erfüllung anbetraf. Klare Gründe für seine Entscheidung, sein Leben selbst zu beenden, sind für uns alle nicht ersichtlich.

Mit Klaus Mücke habe ich persönlich und haben wir als Institut einen hochgeschätzten, achtsamen und vielfach begabten Kollegen verloren. Mit Anerkennung, Dankbarkeit und Respekt sehen wir auf Klaus Mücke zurück. So schwer uns der Verlust fällt, werden wir ebenso respektvoll mit seiner Entscheidung umgehen, sein Leben selbst zu beenden.

Seiner Familie, seinen Angehörigen, seinen Freunden und auch seinen Klienten wünschen wir viel Kraft und Zuversicht, diesen schmerzlichen Verlust einordnen und verarbeiten zu können.

14 Kommentare

  1. Sophia Lisa Rodriguez sagt:

    Ich möchte mich verabschieden von Klaus Mücke. meinem Therapeuten, welcher mich sehr viele Jahre begleitet hat.
    In vielen verzweifelten Stunden. Er sich immer wieder um neue Lösungswege bemüht hat.
    Ihm gilt meine ganze Dankbarkeit und meinen allerhöchsten Respekt.
    Ich bin sehr, sehr traurig ihn als Menschen verloren zu haben… hier in dieser Welt.
    Es ist ein großer Verlust. Ich werde ihn als einen guten Menschen in dieser Welt immer in guter
    Erinnerung behalten. Danke !!! … für alles…. lieber Klaus Mücke.

    Hochachtungsvoll
    Sophia Lisa Rodriguez

  2. Ich bin froh, hier gute Worte zu Klaus Mückes Tod gefunden zu haben. Dennoch musste ich meine Betroffenheit in einen eigenen Nachruftext fassen.

    ENTSCHEIDUNGSFREIHEIT BIS ZULETZT – ein Nachruf auf Klaus Mücke

    Überraschend erreicht mich die Nachricht, dass der Autor, Systemiker, Psychotherapeut und Verleger unseres Buches, Klaus Mücke, seit November vergangenen Jahres nicht mehr lebt. Erstaunlich wenig findet man über seinen Tod im Netz: einen einzigen Nachruf, eine Facebook-Mitteilung. Es verstört mich, einen Menschen, der zahlreiche großartige Bücher geschrieben und wunderbare Seminare gehalten hat, so wenig gewürdigt zu sehen.

    Ich habe Klaus Mücke nicht gut gekannt, wohl aber sehr geschätzt. Die erste Begegnung fand im Rahmen einer Coachingweiterbildung statt: Hypnosystemische Interventionen. Da saß ein auf den ersten Blick grummelig wirkender, stark verkühlter Berliner in dickem Wollpulli und Öko-Schlapfen, der so gar nicht den Eindruck jener Koryphäe vermittelte, als die ihn der Veranstalter des Seminars, Tom Hansmann, vorgestellt hatte. Ich gab mich zu Beginn des Seminars sehr kritisch, denn ich wollte verhindern, mit esoterischem Blabla abgespeist zu werden, sondern gierte nach handfesten Inhalten, klaren Werkzeugen und reichlich Futter für mein Gehirn.

    Der erste Tag verlief ziemlich chaotisch, ich hatte den Eindruck, Klaus würde einfach nur einmal von hier, ein andermal von dort eine Anekdote erzählen; auf Fragen und Einwände reagierte er jedoch stets mit einer so geballten Ladung an profundem Wissen, Einfühlsamkeit und Genauigkeit, wie ich dies nie zuvor und niemals wieder in einer Fortbildung erlebt habe. Am Abend war ich bereits fasziniert, konnte aber immer noch keinen roten Faden im Vortrag erkennen. Am nächsten Tag folgten nicht nur Anekdoten, Übungen und Denkmodelle, sondern auch so etwas wie ein – wie soll ich es sagen – Läuterungsprozess. Zu persönlichen Einsichten traten spannende Auseinandersetzungen über Themen wie die Entscheidungsfreiheit des Individuums und systemisches Denken in globalen Zusammenhängen, die mit einem Mal ein großes Ganzes ergaben. Darüber hinaus hatte ich noch nie zuvor einen Vortragenden so uneitel und ehrlich über die großen Fehler in seiner Arbeit reden hören und so viel daraus lernen und mitnehmen dürfen.
    Am Abend stellte ich außerdem anhand des Skripts fest, dass Klaus ganz offensichtlich einer inneren Logik gefolgt war, denn plötzlich fand ich das ganze Chaos geordnet und sinnergebend in seinem Skriptum wieder.

    Der Workshop wirkte nach. Ich las einige seiner Bücher, die nicht nur durch ihr profundes Wissen, vielfältige Denkansätze, Quellen und Methoden, sondern auch ihren launigen Stil bestechen.

    Als uns die Idee zu einem Buch über Harry Potter kam, das die magische Welt einerseits systemisch betrachtet, andererseits Parallelen zwischen Coachingmethoden und der Wirksamkeit des Zauberns ziehen sollte, war klar, dass auch Klaus Mückes Werke in unser Denken und Schreiben einflossen. Im Wissen, dass er seine Bücher selbst verlegt hatte, fragte ich kurzerhand an, ob er denn nicht auch Lust hätte, das mit unserem zu tun. Interessiert an neuen Ideen, offen und wertschätzend, bat er um das Manuskript. Er war fasziniert davon und begann, die Potter-Romane zu lesen. Eines Tages trafen wir uns dann in einem Berliner Café und er beschloss, unser Buch als erstes und einziges aus fremder Hand zu verlegen.

    Die Zusammenarbeit war in der Folge nicht immer einfach – Klaus war mehr genialer Kopf denn geschäftlich ausgerichteter Verleger. Das letzte Mal sollten wir uns auf der Leipziger Buchmesse 2013 begegnen, wo ich aus Ziele und Zaubersprüche las – Klaus war jedoch mit seinen Gedanken und Projekten bereits ganz woanders und schwer zugänglich. Im Nachhinein sehe ich das noch deutlicher. Er kündigte an, Ende 2014 seine Arbeit als Verleger aufgeben zu wollen. Dass er dann beschlossen hat, einen weiteren, allerletzten Schritt zu gehen, lässt mich sehr nachdenklich zurück.

    Große und weite Gedanken über Sinn, Erfolg, Glück, Verantwortung und Entscheidungsfreiheit ziehen durch mich durch – all diesen Themen hatte sich Klaus in teilweise brillanten Abhandlungen gewidmet. Damit ich nun auch seinen Tod in das große Ganze einordnen und eine innere Logik in diesem Chaos finden kann, wird noch einige Zeit vergehen müssen. Bis dahin bleibt die Trauer um einen großen Denker und zutiefst faszinierenden Menschen.

    © Elisabeth Gräf, Mai 2015

    http://www.zieleundzaubersprueche.com/aktuelles/

  3. Egon Degon sagt:

    Aus einer Mücke sollte man keinen Elefanten machen. Frei nach Klaus Mücke, der sein Theorie titelte: „Probleme sind Lösungen“, verabschiedete sich der Autor aus dem Leben. Es ist leicht solche Slogans unter leichtgläubige Menschen streuen zu wollen. Und selbst tatsächliche individuelle Probleme nicht lösen zu können. So bleibt sein Freitod dicht an der Systemischen Lehre: Glaubensbekenntnisse als Marktnische. Ich verwende das Wort Scharlatanerie bewusst nicht. Dies würde ein tatsächliches systemisches Handeln voraussetzen. Der Glaube an den Osterhasen kann Kinderherzen erfreuen – der Mensch sucht sich Idole, wenn er unterentwickelt bleibt.

    • Lothar Eder sagt:

      ???

    • Wolfgang Loth sagt:

      auch wenn Sie sich im Besitz der Wahrheit über „tatsächliches systemisches Handeln“ wähnen sollten, erscheint mir Ihr Umgang mit Klaus Mückes Freitod verunglimpfend. Man muss mit Mückes Ansatz nicht einverstanden sein, um ihm mit Respekt zu begegnen – wie im Leben so im Tod. Wo also fände sich Ihr Einwand gegen Mückes Arbeit, zu dessen Lebzeiten publiziert?

      • Lothar Eder sagt:

        Lieber Wolfgang, ich danke Dir für Deine klaren Worte. Mir hat im ersten Moment die Sprache dafür gefehlt. Das Internet bietet viele Möglichkeiten. Leider auch die, daß sich irgendwelche Trolls in dieser Weise in solch einem Kontext äußern dürfen. Jede „analoge“ Trauergemeinde hätte einen quasi vermummten (Egon Degon ist ja wohl kein Klarname?) Schmähredner in den A….. getreten. In Niederbayern würde man sagen „Egon, schleich Dich!“

    • Zitat: “ … Es ist leicht solche Slogans unter leichtgläubige Menschen streuen zu wollen. Und selbst tatsächliche individuelle Probleme nicht lösen zu können…“

      Ich denke, Ihre offensichtlich verunglimpfende Art und Weise, über Herrn Mücke zu „urteilen“, trifft hier nicht den Punkt. Es gibt viele Therapeuten, die sehr viel Gutes bewirken – so auch Herr Mücke – , die an eine/ ihre Idee glauben, es aber selbst nicht schaffen, sie für sich umzusetzen. Das heißt aber in keinem Fall, daß diese Ideen minderwertig sind. Scharlatanerie ist diesem Fall eine boshafte Unterstellung. Auch wenn Sie diese Bezeichnung bewußt weggelassen haben, so erscheint sie doch auch ganz bewußt in Ihrem posting.
      Im Gegenteil: vielleicht sollten sich diejenigen, die immer einen „perfekten Vorreiter“ brauchen, fragen, warum das so ist ?
      Ich kann Herrn Mückes Freitod nur allzu gut nachvollziehen: seine Sensibilität ist/ war gleichzeitig eine Grundvoraussetzung für seine Arbeit als Therapeut und Autor, auf der anderen Seite auch immer das Damokles-Schwert, das drohend über ihm schwebte, an dem er zu zerbrechen drohte.

    • Zitat: ” … Es ist leicht solche Slogans unter leichtgläubige Menschen streuen zu wollen. Und selbst tatsächliche individuelle Probleme nicht lösen zu können…”

      Ich denke, Ihre offensichtlich verunglimpfende Art und Weise, über Herrn Mücke zu “urteilen”, trifft hier nicht den Punkt. Es gibt viele Therapeuten, die sehr viel Gutes bewirken – so auch Herr Mücke – , die an eine/ ihre Idee glauben, es aber selbst nicht schaffen, sie für sich umzusetzen. Das heißt aber in keinem Fall, daß diese Ideen minderwertig sind. Scharlatanerie ist diesem Fall eine boshafte Unterstellung. Auch wenn Sie diese Bezeichnung bewußt weggelassen haben, so erscheint sie doch auch ganz bewußt in Ihrem posting.
      Im Gegenteil: vielleicht sollten sich diejenigen, die immer einen “perfekten Vorreiter” brauchen, fragen, warum das so ist ?
      Ich kann Herrn Mückes Freitod nur allzu gut nachvollziehen: seine Sensibilität ist/ war gleichzeitig eine Grundvoraussetzung für seine Arbeit als Therapeut und Autor, auf der anderen Seite auch immer das Damokles-Schwert, das drohend über ihm schwebte, an dem er zu zerbrechen drohte.

    • Max Liebscht sagt:

      „Der Mensch sucht sich Idole, wenn er unterentwickelt bleibt.“
      Ich maße mir an, zu verstehen, worum es hier geht. Ebenso, wie ich glaube, die Empörung über diese Art des Nachrufes zu verstehen.

      Fakt ist: Klaus hat mit seinen Büchern Erwartungen geweckt. Er hat neben anderen Rollen und Verantwortlichkeiten auch die Herausforderung und Rolle angenommen, öffentlich zu wirken, als in der Öffentlichkeit Agierender wahrgenommen und beurteilt zu werden.
      Ich will den Dissens für eine eigene Würdigung utilisieren.

      Idole zu suchen, halte ich für legitim. Die Hoffnung auf Idole aufzugeben, wäre womöglich noch fataler, als die Entdeckung, dass die Idole backstage selbst noch nicht vollendet sind und mit eigenen Herausforderungen im individuellen Reifeprozess der Persönlichkeit ringen.

      Man muss m.E. keine fragmentierte oder sonst besonders heilsbedürftig Persönlichkeit mitbringen, um es frustrierend zu finden, wenn in den Szenen der Therapeuten , der Consultants, der mehr oder weniger professionellen „Lebensbegleiter“ Menschen auftreten, die – kalkuliert oder unbewusst – Heilserwartungen wecken und den an sie herangetragenen Erwartungen hinsichtlich Kongruenz Integrität selbst nicht gerecht werden. Faszinierenderweise ist aber gerade das bei Klaus nicht der Fall gewesen. Er wäre der letzte gewesen, der sich nicht bereit gezeigt hätte, Fehleinschätzungen und blinde Flecken in der Selbstwahrnehmung zu thematisieren. Schon aus „fachlichem Egoismus“, d.h., um daraus für sich und andere lernen zu können.

      Natürlich, die Nachricht hat mich sehr betroffen gemacht. Und: was hat den Mann umgebracht? Hätte ich den so belebenden Kontakt besser pflegen sollen? Hätte ich! Er verblüffte mich mit dem Projekt, eine „Systemische Kosmologie“ zu schreiben. Von Haus aus sah er sich u.a. auch als Physiker. Pioniere systemischen Denkens wie Bateson waren auch nicht eben unbescheiden in ihren Ansätzen der theoretischen Grundlegung. Und ganz offensichtlich ist der Rahmen für die Integration systemischer Epistemologie und Methodologie ja alles andere als vollendet ausgearbeitet. So hatten wir bzgl. Handlungsbedarf schnell Einigkeit und auch ein Buchprojekt im Gespräch, das wegen Hang zum Perfektionismus meinerseits immer weiter aufgeschoben wurde oder vielleicht einfach noch der Reifung bedurfte. Inzwischen hat sich das Projekt „Logik der Psyche“ selbst zu einer Art Systemischer Kosmologie ausgewachsen…. die ihm, wie ich glaube, ziemlich viel Laune machen würde.

      Sein Tod hat speziell Therapeuten wohl nicht umsonst verstört. Monokausal könnte man jetzt orakeln, was ihn umgebracht hat. Ich halte das für ebenso verfehlt, wie sich das Nachdenken darüber zu verbieten. Meine Phantasie dazu möchte ich als Phantasie verstanden wissen und dabei ein Gran von dem nutzen, was ich mit Klaus gelernt habe.

      Was wahrscheinlich nicht nur ich an Klaus besonders geschätzt habe, ist, dass er sich nicht gefürchtet hat, unbequeme Themen mutig anzugehen.
      Ich sehe nicht ein, warum unbequeme Themen und Konfliktfelder dieser Gesellschaft ausgerechnet einen Bogen um die Behandlungszimmer der Therapeuten machen sollten.
      Natürlich gehört auch dazu, dass man sich entscheiden kann, sie hereinzulassen. Man kann sich auch abducken. So wie ich ihn kennengelernt hab, wäre er der letzte, der dies gemacht hätte. Irgendwo zwischen Mut und Übermut wird er als echter Avantgardist losgestiefelt sein und sich den Problemen gestellt haben. Was anderes kann ich mir bei ihm nicht vorstellen. Nun kann man natürlich versuchen schlauer zu sein als das Leben: Konnte der Typ sich denn nicht abgrenzen? Gehört das nicht zur Professionalität dazu, die er selbst gepredigt hat? Hat er da nicht versagt? War er womöglich anmaßend? Ist er in seinem Anspruch, die Welt retten zu wollen, nicht nur über seine Grenzen und die Grenzen anderer gegangen? Hat er sich aus eigener Unklarheit nicht hinreichend mitgeteilt?

      Systemisch betrachtet, gibt es Probleme und Lösungen, die weit über den Einzelnen hinausgehen, kollektiver Organisation bedürfen. Je krasser der Horror, das Elend und die psychologisch versierte geschürte Entsolidarisierung in dieser Gesellschaft sind, desto krasser sind die Energien, die sich in Praxen von Therapeuten wie Klaus abbilden, aufgefangen, transformiert werden wollen. Nach erstem Schock und Nachdenken über mutmaßliches Wie und Warum fielen mir Berliner Kollegen ein, die über ihre traumatisierten Klienten mit ritualisierter sexualisierter Gewalt an der Schnittstelle von Politik und organisierter Kriminalität in Berührung gekommen sind. Wie gesagt, das sind meine Phantasien. Wenn ich davon ausgehe, dass so etwas wie die Affaire Dutroux soziales Symptom, aber kein Einzelfall ist, dann muss ich nicht darüber nachdenken, ob traumatisierte Opfer in ihrer Not vielleicht in der Heinrich-von-Kleist-Straße 1a bevorzugt Hilfe gesucht haben. Ich kann mich fragen, wie ich selber damit umgehen würde, eingedenk dessen, was ich durch Klaus gelernt habe. Und ich muss sagen, ich könnte mich nicht ohne weiteres abgrenzen. Denn auch, wenn ich mich entscheide zu sagen, dass mich abgrenzen möchte, weil mich das Elend dieser schwerst traumatisierten Menschen überfordert und ich für die Linderung des Leids und die Verhinderung von Wiederholung (!) keine hinreichenden Ressourcen sehe in dieser selbstverzückten Gesellschaft, dann komme ich, ganz persönlich – in noch ganz andere Zwickmühlen.

      Mal ganz abgesehen davon, dass es schwierig ist, sich mitzuteilen. Da geht es nicht allein darum, das Schweigeversprechen einzuhalten. Es geht schlicht um den Schutz der durch ihr Hilfeersuchen erst recht gefährdeten Opfer, die einem Unsagbares anvertraut haben und mit Täterkreisen oft noch in Kontakt stehen. Diese Menschen sind mit krassesten Perversionen und Mächten in Verbindung gekommen sind, die sie wie Freiwild betrachten. Täter, welche das Ausmaß ihrer Macht, ja ihre existenzielle Selbstwahrnehmung daran fest machen, das sie straffrei Dinge tun können, die für alle anderen Mitglieder der Gesellschaft ethisch, ästhetisch und rechtlich normalerweise nicht einmal denkbar sind. Mächte, vor denen unsere Gesellschaft herzlich wenig Schutz bietet, die offenkundig keinerlei effektive Strafverfolgung fürchten müssen. In einer Gesellschaft, die – so wie gegenwärtig zu beobachten – mit enormem Erfolg regelrecht zersetzt wird, ist es sehr schwer, hinreichend starke Bündnispartner und geeignete Formen von Öffentlichkeit zu finden. Eine der wichtigsten Strategien bei der Vereitelung von Strafverfolgung ist bekanntlich, dass den Opfern vermittelt wird, dass sie allein sind und absolut nichts an Hilfe von der – ihrem Leid gegenüber offensichtlich ignoranten – Gesellschaft zu erwarten haben. Das sind – ich sag es sicherheitshalber ein drittes Mal – meine Phantasien. Das geschilderte Bemühen, für Probleme, die individuelles Leid bedeuten, aber Symptom gesellschaftlicher Problem sind, auch Lösungen von gesellschaftlichem Format anzustiften, passt vielleicht nicht nur zu meiner Phantasie, erscheint mir jedenfalls als konsequent und typisch für den Hypnosystemiker Klaus Mücke, den ich kennengelernt habe.

      Praktisch anzuwenden, was ich bei ihm gelernt hab, ist in einem, seinem Fall besonders leicht. Ich empfehle diese „Technik“ ganz ausdrücklich; Arbeit mit (Persönlichkeitsan-) Teilen – man kann bei ihm und auch im Netz nachlesen, wie es funktioniert. Und natürlich kann man auch den Klaus Mücke elizitieren. Echt! Das geht. Und wenn ich Klaus jetzt dahabe, anschaue und frage, ob ihm irgendwas besonders wichtig ist, dass er mir und vielleicht uns mitteilen möchte, dann krieg ich sogar eine Antwort. Ganz exklusiv! Es kommt so was wie „Paßt auf! Paßt auf Euch auf!“

  4. gianna sagt:

    Wieso bringt sich ein Mann, der so Lebendbejaend ist, um? Ich verstehe das wirklich nicht war er unheilbar krank?

  5. Borrmann sagt:

    Ich bin tief erschüttert vom Tod eines für mich sehr wichtigen Wegbegleiters. Klaus Mücke faszinierte mich mit seiner authentischen Haltung, seinem Querdenken und seiner Fachlichkeit. Viele persönliche Gespräche und gemeinsame Seminare blitzen wieder in mir auf. Ich verneige mich vor ihm als Mensch und Kollege und wünsche seiner Familie Kraft.
    Jens Borrmann

  6. Lothar Eder sagt:

    Zum Tod von Klaus Mücke
    Persönlich kannte ich Klaus Mücke, abgesehen von einer kurzen Begegnung bei einer Tagung vor vielen Jahren, nicht. Dennoch löst sein Tod, löst sein Suizid bei mir Betroffenheit aus. War er doch ein herausragender Vertreter des systemischen Ansatzes, v.a. der Lösungsorientierung in der systemischen Therapie. Seine Energie, sein Engagement, die in der Vielzahl seiner Publikationen und einem scheinbar nie enden wollenden Fundus an Lösungsvorschlägen für unterschiedliche Problemstellungen deutlich wurden, haben mich stets beeindruckt.
    Wenn solch ein Mensch sich das Leben nimmt, wirft dies Fragen auf. Wie kommt jemand, der so voller Energie und Tatkraft ist, an einen Punkt, an dem er offenbar keinen Halt und keinen Ausweg in seinem Leben mehr sieht? Ein kurzer Blick auf Klaus Mückes Veröffentlichungen zeigt mir, wie sehr er sich bemühte, auf alle Problemstellungen in Zusammenhang mit seelischem Leid eine Antwort und einen Rat zu formulieren. Hatte er am Ende für sich selbst keinen Rat? Hat das Leben ihn mit inneren Herausforderungen konfrontiert, auf die es keine Antwort, keinen Ausweg mehr gab?
    Für mich ergibt die Meldung von Klaus Mückes Selbstmord hier im „systemagazin“, in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Diskussion um eine Störungsorientierung in der systemischen Therapie, auch inhaltlich einen merkwürdigen Bezug. War doch Mücke selbst ein Protagonist der Ablehnung eines psychopathologischen Denkens und damit einer „traditionellen“ Diagnostik. Dies hat er in seinen Schriften stets betont. Ein Blick auf seine Webseite aber läßt mich staunen; selten habe ich eine profundere und sensiblere Darstellung zum Thema „Depression“ gelesen als dort (http://www.klaus-muecke.de/selbsthilfe/depression/).
    In meiner persönlichen Überzeugung kann eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Menschlichen, der menschlichen Seele und ihren (Ver-)Irrungen ohne einen systematisch-verstehenden Blick auf das Dunkle, das Leidvolle und das Schreckliche nicht auskommen. Diesen Aspekt, den etwa C.G. Jung den „Schatten“ genannt hat, kann man nicht wegreden, indem man ihn mit vordergründigen positiven Konnotierungen wegzuwischen oder schlichtweg zu ignorieren versucht. Es ist eine irrige Ansicht, daß nur das Sprechen über Lösungen zu Lösungen führen könne. Das Gegenteil ist der Fall: wenn ich es wage (z.B. durch therapeutische Begleitung), auch die dunklen Seite meiner Seele zu erkunden (und ein Symptom stellt gewissermaßen eine „Aufforderung“ für diese Auseinandersetzung mit mir selbst dar), dann können daraus eine nie gekannte Stärke und ein innerer Reichtum entstehen, welche in moderner Psychotherapiesprache zu einer „psychischen Immunisierung“ führen. Oder, wie Marc Aurel es ausdrückte: „diejenigen, welche die Regungen der eigenen Seele nicht aufmerksam verfolgen, werden zwangsläufig unglücklich“. Man möchte hinzufügen: auch dies jedoch bedeutet keine letztendliche Sicherheit.
    Ich kann nicht beurteilen, ob Klaus Mücke ein Mensch war, der sich selbst gut kannte und der gut auf sich geachtet hat. In jedem Fall scheint er in seinem Inneren eine depressive Dynamik gehabt zu haben, die ihn an einem Punkt seines Lebens keinen Ausweg, keinen Halt und keinen Trost mehr hat erkennen lassen. Wenn dies einem Mensch, der soviel Energie und Hilfe für Andere bereithielt, widerfährt, so scheint dies umso tragischer.
    Lothar Eder

  7. Einen ganz herzlichen Dank für diesen wunderbaren Nachruf.
    Endlich kann man Worte im Netz für diesen außergewöhnlichen Menschen finden, der sich im November 2014 das Leben nahm.
    Meinen Nachruf und meine Danksagung an ihn kann ich lediglich in Form von Musik, Text und Bildern geben. Ich war jahrelange Patientin von Herrn Mücke und bin Profimusikerin.
    Hier mein Geschenk an ihn und seine Hinterbliebenen, als Erinnerung an einen sehr besonderen Menschen.

    https://www.youtube.com/watch?v=-UEuT9lxsCA

    Mit freundlichen Grüßen und in Dankbarkeit, Klaus Mücke als meinen Therapeuten gehabt zu haben.

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