Heft 1
Möller, Heidi & Thomas Giernalczyk (2024): Editorial: Die Rolle der Beratung in der gesellschaftlichen Transformation zu mehr Nachhaltigkeit. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 1-6.
Abstract: Die Welt befindet sich im Umbruch, die Transformationsforschung (Umweltbundesamt 2017) nimmt dies auf und denkt soziale und ökologische Faktoren zusammen, um die Dichotomie zwischen Profit und Gemeinwohl zu hinterfragen. Die tiefgrei- fenden Veränderungen führen zu einer überarbeiteten Strategieberatung. Sie wird iterativer und stellt sich stärker auf disruptive Entwicklungen ein. Kunden und externe Partner werden früher und intensiver eingebunden (vgl. Matzler et al. 2023; in diesem Heft). Obwohl es einen Zweig sich entwickelnder Beratung von Nachhaltigkeit gibt, öffnet sich das klassische Business-Coaching zögerlich den Themenkreisen Nachhaltigkeit und Transformation. Die Sorge, Neutralität als Beratende zu verlieren, steht dabei im Vordergrund.
Braun, Andreas Ch. (2023): Suffizienz – Psychische Ressourcen – Transformation. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 7-28.
Abstract: In diesem Beitrag wird ein Spannungsbogen aufgebaut, der von der aktuellen sozio-ökologischen Krise bis hin zur Coachingpraxis leiten soll. Nach einer Erörterung der Grundproblematik der derzeitigen Krise werden zentrale Konzepte der Nachhaltigkeitsforschung vorgestellt, die wichtig sind, um im Kontext Nachhaltigkeit sprechfähig zu sein. Sodann wird die spezifische Rolle von Unternehmen in der Agenda 2030 zu klären versucht. Darauf folgt eine Erörterung, wie Konzepte aus der Psychologie der nachhaltigen Entwicklung in der Organisationsentwicklung bzw. im Coaching eingesetzt werden könnten. Im Mittelpunkt stehen behavioristische Ansätze und das Konzept der psychischen Ressourcen zur nachhaltigen Entwicklung. Abschließend werden Spannungsfelder, Grenzen und Entwicklungsbedarfe aufgezeigt.
Neckel, Sighard (2023): Schuldig im Anthropozän. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 29-40.
Abstract: Der Beitrag setzt sich mit den vorherrschenden individualistischen Sichtweisen über die Ursachen der Klimakrise auseinander, nach der das Konsumverhalten Einzelner verantwortlich für die ökologische Krise und ebenso maßgeblich für deren Bewältigung sei. Anhand der Fehlschlüsse des „ökologischen Fußabdrucks“ wird gezeigt, dass die unterschiedslose Zurechnung von Umweltschäden auf Einzelne die Ursachen ökologischer Schäden individualistisch verzerrt, die sozialstrukturellen Einflussfaktoren ausblendet und die Notwendigkeit eines schnellen strukturellen Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft von der politischen Agenda verdrängt. Wirksamer Klimaschutz erfordert, Nachhaltigkeit als ein kollektives Gut zu organisieren, für das ökologisch verträgliche und sozial inklusive Infrastrukturen eine entscheidende Rolle spielen. Statt allgemeine Verzichtsforderungen, wechselseitige Schuldzuweisungen und Beschämungen von umweltschädlichem Verhalten braucht es eine neue ökologische Politik, die möglichst allen Bevölkerungsgruppen eine Teilhabe am dringenden ökologischen Wandel gewährt, ohne sich dafür in Identitätskämpfe verstricken zu müssen.
Ernst, Andreas (2023): Umweltverhalten mit Hand und Fuss(-abdruck). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 41-50.
Abstract: Die Klimaerwärmung stellt Gesellschaften ebenso wie Individuen vor bislang völlig unzureichend gelöste Probleme. Nullemissionen von Treibhausgasen sind zwar notwendig und werden politisch auch angestrebt, dennoch steigen sie immer schneller an. Um eine Transformation zur Nachhaltigkeit zu erreichen, ist ein sozialer Kipppunkt nötig. Bereits bekannte soziale Kipppunkte aus der jüngeren Vergangenheit sowie Hindernisse auf dem Weg zur Nachhaltigkeit werden vorgestellt. Der Fußabdruck bezeichnet den individuellen Umweltverbrauch. Er wird ergänzt um den Handabdruck, der bürgerschaftliches Engagement und politischen Aktivismus zur Veränderung der systemischen, nicht-nachhaltigen Zwänge meint. Ethisches Coaching wird als eine Form des Handabdrucks vorgeschlagen.
Möller, Heidi & Thomas Giernalczyk (2023): Nicht sehen – nicht hören – nicht denken. Über die Schwierigkeit, die Klimakrise zu realisieren. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 51-62.
Abstract: Der Beitrag setzt sich mit der Diskrepanz zwischen öffentlichem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit auf der einen Seite und heftiger Abwehr gegen nachhaltiges Handeln auf der anderen Seite auseinander. Die Autor:innen beziehen sich auf die psychoanalytische Kulturtheorie und untersuchen ineinandergreifende Abwehrmechanismen die der kollektiven Ausblendung der Klimakrise dienen. Im zweiten Teil wird der Einfluss von Coaching mit Führungskräften und Entscheider:innen hinsichtlich Nachhaltigkeit reflektiert. Es wird dafür plädiert, Nachhaltigkeit als Bezugskonzept ins Coaching zu integrieren. Abschließend werden hoffnungsvolle Entwicklungen in Bezug auf die Bewältigung der Klimakrise diskutiert.
Heyny, Simon, Mardeni Simoni, Katarina Busch, Vera King & Volker Lindenstruth (2024): „Wo die Cloud die Erde berührt“. Rechenzentren zwischen Nachhaltigkeitsanforderungen und Innovationsblockaden. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 63-78.
Abstract: Im Beitrag werden Befunde einer interdisziplinären Pilotstudie zu organisationalen Blockaden der Nachhaltigkeitstransformation im Bereich Rechenzentren vorgestellt. Rechenzentren gelten als Basisinfrastruktur der Digitalisierung, und obwohl klimafreundliche Alternativen für deren Betrieb vorhanden sind, werden sie kaum umgesetzt. Daher wurde exemplarisch untersucht, wie organisationale Dynamiken notwendige Transformationen erschweren können, welche abwehrenden Narrative und Mechanismen – Delegation, Aufspaltung oder Isolierung von Verantwortung – wirksam sind. Ökologische Nachhaltigkeit wird so aus dem Innovationsauftrag der Unternehmen ausgeklammert, implizit auch ihre Zukunftsfähigkeit riskiert.
Matzler, Kurt, Stephan Friedrich von den Eichen, Kristina Stoiber, Julia Hautz & Christian Stadler (2023): Open Strategy: Durch offene Strategieprozesse Geschäftsmodelle innovieren. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 79-95.
Abstract: Dieser Artikel untersucht, wie Unternehmen Open Strategy als transparenten und inklusiven Ansatz der Strategiearbeit nutzen können, um disruptiven Gefahren erfolgreich zu begegnen. Es werden verschiedene offene Strategieformate vorgestellt, die es Unternehmen ermöglichen, neue disruptive Geschäftslogiken zu entwickeln und zu implementieren. Anhand von Praxisbeispielen werden die Chancen und Herausforderungen für Unternehmen bei der Öffnung ihrer Strategieprozesse diskutiert und fünf Erfolgsfaktoren einer offenen Strategie identifiziert. Der Artikel schließt mit der Erkenntnis, dass Open Strategy ein effektives Instrument sein kann, um potenziell disruptive Geschäftslogiken zu realisieren.
Stenzel, Stefan (2023): ChatGPT kann auch „coachen“!? – Rechenpower und Algorithmen statt Sinn oder Bedeutung. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 97-112.
Abstract: Der Autor beschreibt nach der Darstellung der Hintergründe des überraschenden Hypes von ChatGPT-3 im November 2022 dessen basale technische Funktionsweise. Daraus leitet er die allgemeinen Merkmale, Potenziale und Limitationen des Dialogsystems ab und analysiert die prominentesten Chancen und Risiken für Gesellschaft und Wirtschaft. Diesen grundlegenden Betrachtungen folgt die Darstellung der potenziellen Auswirkungen und Handlungsfelder von derartigen Systemen für das Coaching.
Hennemann, Loreen (2023): Diskriminierungssensibles Coaching. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 113-126.
Abstract: Diskriminierungen wirken sich als Teil der Arbeitswelt auf das gesamte Arbeitsleben aus. Dies hat negative Effekte für Organisationen und Individuen zur Folge. Coaching als Beratungsformat setzt an vielen arbeitsweltlichen Problem- und Fragestellungen an, daher stellt sich die Frage, inwiefern Coaching und Diskriminierungen in Verbindung stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Dieser Beitrag arbeitet konzeptionell heraus, wie Coaching und Diskriminierungen zusammenhängen, warum die Reflexion und Berücksichtigung von Diskriminierungen sowie dessen Einfluss für den Coachingerfolg essenziell ist und wie dies im Rahmen von einem diskriminierungssensiblen Coaching gelingen kann.
Symanski, Ute (2024): Transformatives Coaching von Leitungspersönlichkeiten in Wissenschaft, Politik und Verwaltung. In: Organisationsberatung Supervision Coaching(1), S. 127-135.
Abstract: Dieser Beitrag untersucht die Positionierung des Coachings im Kontext gesellschaftlicher und politischer Herausforderungen, insbesondere vor dem Hintergrund globaler Krisen. Er betont die Notwendigkeit einer kritischen Reflexion und aktiven Auseinandersetzung von Coaches mit den zeitgenössischen gesellschaftspolitischen Entwicklungen. Dabei wird diskutiert, inwiefern Coaching über die Stärkung der Autonomie der Klient:innen hinaus eine Verantwortung für gesellschaftliche Belange trägt. Konkrete Impulse für ein transformatives Coaching werden ansatzweise vorgestellt. Anhand von Beispielen wird illustriert, wie Coaches ihre Haltung entwickeln, als Vorbilder fungieren, den Diskurs aktiv mitgestalten und ihr Fachwissen für sozialen Zusammenhalt einbringen können.
Burkhardt, Christoph (2024): Konflikt aus systemtheoretischer Perspektive: ein Handbuch in besonders stürmischen Zeiten. Rezension von Klaus Eidenschink: Die Kunst des Konflikts: Konflikte schüren und beruhigen lernen. Heidelberg: Carl-Auer, 2. Aufl. 2023. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 137-139.
Webers, Thomas (2024): Scham-Wut-Spiralen: Wie affektlogisches Denken gegen den allgegenwärtigen Hass helfen kann. Rezension von Luc Ciompi & Elke Endert (2011): Gefühle machen Geschichte. Die Wirkung kollektiver Emotionen – von Hitler bis Obama. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (1), S. 141-142.
Webers, Thomas (2024): Positive Psychologie im Management. Rezension von Nico Rose (2021): Management Coaching und Positive Psychologie. Stärken stärken, sinnvoll wachsen. Freiburg (Haufe). In: Organisationsberatung Supervision Coaching(1), S. 143-144.
Zimmermann, Jannik (2024): „Social Dreaming“ als Zugang zum Unbewussten, zu verborgenem Wissen und zur Unendlichkeit. Rezension – Moritz Senarclens de Grancy & Ullrich Beumer (2023). Social Dreaming. Eine Einführung in die Arbeit mit der Sozialen Traummatrix für Organisationsentwicklung, Supervision und Gruppentherapie. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Organisationsberatung Supervision Coaching(1), S. 145-147.
Heft 2
Busse, Stefan & Heidi Möller (2024): Supervision und die Verschiebung des Sagbaren – das Sagbare ermöglichen, das Unsagbare hüten und begrenzen. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 151-157.
Abstract: Aktuell scheinen wir vor allem unter Bedingungen der Aushandlung von Faktizität- und Sagbarkeitsbedingungen in Alltag und Gesellschaft zu leben. Es gibt eine Erschütterung und zugleich eine vehemente Verteidigung des Normalen. Der empfundene Normalitätsverlust zieht sich, wie es Stephan Lessenich (2022) unlängst in seinem Buch „Das ist doch nicht normal“ beschreibt, durch unterschiedliche politische Diskursarenen, die sich schneiden, überlappen und gegenseitig befeuern. In den politischen Krisen- und Konfliktdiskursen und den hochdifferenzierten identitätspolitischen und Antidiskriminierungsdiskursen macht sich eine „Verschiebung des Sagbaren“ bemerkbar. Die Beantwortung der metakommunikativen Fragen: „Was liegt vor (was ist wahr)?“, „Was kann ich authentisch noch sagen?“ und „Wie wollen wir miteinander reden?“ verletzt dabei zunehmend die Normen (Normalität) kommunikativer Vernunft.
Tißberger, Martina (2024): Critical Whiteness – eine Perspektive hegemonialer Selbstreflexion in der Supervision. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 159-174.
Abstract: Critical Whiteness ist eine Analyseperspektive in der Auseinandersetzung mit Rassismus und Intersektionalität, die seit den 1990er-Jahren Anwendung findet. Sie betrachtet Rassismus als konstitutives Element westlicher Demokratien und das Weißsein* bzw. Whiteness als de-thematisierten Signifikanten dieser rassistischen Gesellschaftsmatrix. Im vorliegenden Beitrag geht es um die Bedeutung dieser Machtstruktur für die Supervision auf der strukturellen, institutionellen und personalen Ebene. Abschließend folgen einige Überlegungen dazu, wie die autoritären Formationen zu erklären sind, die in jüngerer Zeit unter der Überschrift „Critical Whiteness“ Schlagzeilen machen.
Busse, Stefan (2024): Die Verschiebung des Sagbaren als trianguläre Herausforderung in der Supervision. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 175-191.
Abstract: Es wird der Frage nachgegangen, wie die Verschiebung des Sagbaren in den diversen gesellschaftlichen und politischen Krisen- und Konfliktdiskursen und in den hochdifferenzierten Identitäts- und Antidiskriminierungsdiskursen den supervisorischen Binnenraum erreichen. Es wird gezeigt, wie die triadische Struktur dieser Diskurse mit ihren Positionen von Verursacher:innen, Betroffenen und Beobachter:innen die Positionierung der Supervisor:innen als dritte Position tangieren und eine trianguläre Herausforderung in der Supervision darstellen.
Möller, Heidi (2024): Klarifizieren und Konfrontieren – oder besser doch nicht? In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 193-207.
Abstract: Wenn wir über das Verschieben des Sagbaren sprechen, dann geht es auch um Selbstreflexion: Wo zensieren wir uns selbst und haben unseren Anteil daran, dass zentrale Inhalte aus dem Beratungskontext exkommuniziert werden? In arbeitsweltlichen Kontexten stellt sich immer wieder die Frage, wie ich meine Gegenübertragungs-Phänomene nutze, wenn ich ihrer überhaupt gewahr werde. Der Beitrag stellt an vier Beispielen gelungene und weniger geglückte Konfrontationen dar und stellt Überlegungen an, wie konstruktive Klarifikation und Konfrontation in Beratungsprozessen gelingen können. Die psychischen Voraussetzungen der Spannungstoleranz, der Ambiguitätstoleranz und des professionellen Selbstwerts werden in Hinblick auf ihre Bedeutung für den beraterischen Diskurs besprochen.
Gruber, Doris (2024): Die Arbeit in und mit Sprache: Diskursive und narrative Bewegungen in Beratung und Supervision. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 209-223.
Abstract: Im Artikel wird gesprochene Sprache in Beratung und Supervision thematisiert und anhand von zwei Fallbeispielen mit Bezug auf den jeweiligen Gruppenprozess diskutiert. Als theoretischer Rahmen dienen Ansätze, die Sprechen als Handeln formulieren (Sprechakttheorie), Modelle dialogischen Verstehens und narrativer Kompetenz sowie Narrativbildung als kollektive Dynamik. Mit Anschluss an psychoanalytisches Sprachverstehen wird die These formuliert, dass sprachlicher Ausdruck und narrative Bewegungen eine eigene Ebene in Beratungs- und Supervisionsprozessen bilden, deren Form und Gestalt bedeutungstragende Aussagekraft hat.
Knoll, Michael (2024): Wo kämen wir hin, wenn bei der Arbeit jeder alles sagt? Das Schweigen von Mitarbeitenden als schlechtere Alternative. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 225-237.
Abstract: In diesem Beitrag geht es um konstruktiven und destruktiven Umgang mit kritischen Themen in der Arbeitswelt. Der Autor beschreibt zunächst Wege, auf denen sich Mitarbeitende im Arbeitskontext ausdrücken können. Danach diskutiert er anhand von 6 Take-Away Messages den aktuellen Forschungsstand zum Phänomen des Schweigens in Organisationen, d. h., dass Mitarbeitende zuweilen ihre Meinung, Ideen, Fragen und Bedenken zurückhalten. Besprochen werden die hinter dem Schweigen stehenden Motive, die das Schweigen fördernden Rahmenbedingungen und dessen Konsequenzen. Das Schweigen wird zudem als sozialer Prozess dargestellt, der nicht immer bewusst herbeigeführt wird und der durch die „Taubheit“ von Entscheidungsträger:innen begünstigt wird.
Lorenz-Sinai, Friederike (2024): Die Verschiebung des Sagbaren in organisationalen Schweigepraktiken. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 239-253.
Abstract: Im Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie sich das Sagbare in organisationalen Schweigepraktiken im Kontext von Machtmissbrauch und Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch Mitarbeiter:innen verschiebt. Anhand einer Fallstudie im Bereich der stationären Eingliederungshilfe wird diskutiert, wie Übergriffe im professionellen Sprechen und Schreiben umgedeutet und ausgelassen werden können. Deutlich wird, wie in solchen Praktiken ein Schweigen über Gewalt in organisationalen Routinen und Praktiken über Jahre unaufwändig vollzogen werden kann. Der Artikel endet mit einem Resümee der Befunde und Überlegungen zu den Herausforderungen von Supervision in Bezug auf verschwiegene Gewaltkonstellationen in Organisationen.
Boback, Peter (2024): Coaching von Führungskräften in Business Schools und deren Leadership Development-Programme. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 255-270.
Abstract: Coaching erfreut sich wachsender Bedeutung in den Leadership Programmen an Business Schools. Mit individuellem und Gruppen-Coaching werden zwei Standardformate dargestellt und als sicherer und vertraulicher Übergangsraum definiert. Die Teilnehmer an den Programmen werden aus zwei Perspektiven betrachtet: von der offensichtlichen ihrer Karriere- und Lebensziele und von der verborgenen persönlicher Antriebe und Motivationen. In einem dritten Schritt beschäftigt sich der Artikel mit der Konzeptionalisierung von Programmen als „Identitäts-Werkstätten“. Die Arbeit an Persönlichkeit und Biografie wird verknüpft mit einem Versprechen von Transformation und Portabilität. Business Schools leiten daraus ein neues Mandat für sich ab. Die Schlussbemerkungen thematisieren die Implikationen dieser neuen Agenda für Coaches und Teilnehmer.
Hammer, Franz (2024): Diskursverschiebung nach rechts – ein Thema für die Supervision? In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 271-282.
Abstract: Ausgehend von einem Workshop im Rahmen der Tagung „Verschiebung des Sagbaren“ des BASTA Fortbildungsinstituts für Supervision und Coaching Leipzig diskutiert der Beitrag die Folgen einer in den letzten Jahren zu beobachtenden Diskursverschiebung „nach rechts“ für die Soziale Arbeit und für die supervisorische Praxis in diesem Feld. Nach einem kurzen Überblick über die Strategien rechtsextremer Akteur:innen, gesellschaftliche Diskurse in ihrem Sinne zu beeinflussen, und über mögliche Implikationen für die Soziale Arbeit werden anhand von Fallbeispielen mögliche Problemfelder auf Ebene der Klient:innen, der Supervisand:innen und der Organisationen beschreiben und Reflexions- und Handlungsmöglichkeiten vorgeschlagen.
Gayed, Alice (2024): Sich (ver)halten im diskursiven Strudel. Machtsensible Beratung trainieren mit der Methode des Forumtheaters. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 293-301.
Abstract: Dies ist ein Praxisbericht über den Workshop „sich (ver)halten im diskursiven Strudel“ im Rahmen der Fachtagung „Supervision und die Verschiebung des Sagbaren“. Im Workshop wurden mit der Methode des Forumtheaters nach Augusto Boal verschiedene Handlungsmöglichkeiten erprobt, wie man der Verschiebung des Sagbaren und der damit verbundenen Machtverschiebungen in Supervision und Coaching machtsensibel begegnen könnte. Im Praxisbericht werden die Methode und ihre Herkunft erläutert, der Ablauf des Workshops beschrieben und die Szenen mit den unterschiedlichen Lösungsideen ausgewertet.
Niehr, Thomas (2024): Die Grenzen des Sagbaren. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 303-308.
Abstract: Der Beitrag beschäftigt sich mit den im öffentlichen Diskurs oftmals kritisierten Grenzen des Sagbaren, die als Einschränkung der grundgesetzlich garantieren Meinungsfreiheit gesehen werden. Es wird die Auffassung vertreten, dass Meinungsfreiheit nicht mit dem Recht auf Äußerung jeglicher Meinungen verwechselt werden darf. Abgesehen von rechtlichen Bestimmungen wird auf gesellschaftliche Konventionen verwiesen, die ebenfalls eine wichtige Rolle dabei spielen, was als sagbar bzw. unsagbar in einer Gesellschaft gilt. Die Klage über Einschränkungen der Meinungsfreiheit geht häufig mit dem politisch motivierten Bestreben einher, sprachliche Konventionen in Bezug auf Minderheiten und die brisanten Themen Migration sowie Vergangenheitsbewältigung zu unterlaufen.
Buer, Ferdinand (2024): Regeln und Ausnahmen im professionellen Handeln. Rezension von Lorraine Dalton (2023): Regeln. Eine kurze Geschichte. Berlin (Suhrkamp). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 31 (2), S. 309-313.
Heft 3
Silja Kotte & Thomas Webers (2024): Editorial: Digitale Transformation in Organisationen. In: Organisationsberatung Supervision Coaching 31(3), S. 317-322
abstract: Digitalisierung hat sich in Organisationen zum Dauerthema entwickelt. Schon mehrfach hat diese Zeitschrift sich mit den Auswirkungen beschäftigt. Das OSC-Heft 4/2022 hat die Auswirkungen der Digitalisierung auf virtuelles Arbeiten und Führung auf Distanz beleuchtet. „Digitalisierung in der Beratung“ lautete der Titel des OSC-Hefts 1/2023. Das aktuelle Themenheft „Digitale Transformation in Organisationen“ nimmt eine breitere organisationale Perspektive ein: Wie transformiert Digitalisierung Organisationen? Wie gestalten Organisationen die damit verbundenen Change-Prozesse? Welche neuen Formen der Kooperation bilden sich dadurch heraus? Wie kann digitale Arbeit gut gestaltet werden? Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, das alle Funktionsbereiche und Prozesse in Organisationen grundsätzlich transformiert – von der Produktion bis zum Controlling, von den Kern- bis zu den Unterstützungsprozessen. Auch das neuerdings People- statt HR- genannte Management und die Beratung sind davon nicht ausgenommen (Strohmeier 2022): Von der Personalauswahl über die Arbeitsgestaltung, die Zusammenarbeit in Organisationen, Führung, Personalentwicklung und -beurteilung bis hin zur Organisationsentwicklung – alle Bereiche sind von der Digitalisierung betroffen. Organisationen müssen sich mit den technologischen Entwicklungen auseinandersetzen und sich positionieren. Sie sehen sich derzeit vielen Ideen und Initiativen gegenüber, von denen nicht immer absehbar ist, ob sie sich als nützlich herausstellen und einen Mehrwert generieren können. Neuen Möglichkeiten stehen auch Skepsis und Vorbehalte gegenüber. Nicht alles, was (technisch) machbar erscheint, ist auf den zweiten Blick betrachtet sinnvoll – und findet auch nicht immer Akzeptanz. Nicht zuletzt stehen Fragen des Datenschutzes und der Ethik auf der Agenda, die nicht immer angemessen beantwortet werden.
Ulrich Lenz (2024): Generative Künstliche Intelligenz: Chancen und Stolpersteine für die Entwicklung von Organisationen. In: Organisationsberatung Supervision Coaching 31(3), S. 323-336
abstract: Im Beitrag wird zunächst herausgearbeitet, inwiefern generative Künstliche Intelligenz (KI) die Formen der Interaktion in sozialen Systemen verändert. Dazu wird auf die Spezifika des DeepLearning als einer Form des maschinellen Lernens eingegangen. Organisationsberatung muss sich weitgehend neu aufstellen, um KI-Einführung wirkungsvoll begleiten zu können. Auf der theoretischen Grundlage der Managementkybernetik wird ein Handlungskonzept für die Organisationsberatung entwickelt. Es wird erläutert, dass Organisationsberatung bereits bei der Entwicklung einer Digitalstrategie einsetzt und insbesondere auch die organisationsübergreifende Vernetzung ermöglichen sollte.
Daniel Thiemann (2024): Die Maschine als sozialer Akteur im organisationalen System: KI-Akzeptanz und Technostress-Kurzfragebogen zum Selbstcheck. In: Organisationsberatung Supervision Coaching 31(3), S. 337-350
abstract: Obwohl die Digitalisierung im „New Normal“ vieler Organisationen gerade erst anzukommen scheint, steht bereits jetzt die nächste technologische Herausforderung in den Startlöchern: Die erfolgreiche Implementierung künstlicher Intelligenz in die organisationale Wertschöpfung. Doch welche psychosozialen Faktoren sind bei der Einführung neuer Technologien relevant? Wie kann Technologieakzeptanz in Change-Prozessen erhöht und Technostress vermieden werden? Und was verändert sich, wenn Technologien durch KI das Potenzial haben, zum sozialen Akteur im organisationalen System zu werden? Der vorliegende Beitrag diskutiert aktuelle Entwicklungen sowie Perspektiven, bietet einen Technostress-Kurzfragebogen zum Selbstcheck und postuliert einen Paradigmenwechsel durch KI.
Thomas Bachmann & Jochen Berz (2024): Die Persönlichkeit von Coaches: Eine quantitative Untersuchung der Big Five Persönlichkeitsdimensionen von Coaches. In: Organisationsberatung Supervision Coaching 31(3), S. 351-369
abstract: In dieser empirischen Studie wird untersucht, ob Coaches eine andere Persönlichkeitsausprägung aufweisen als die Allgemeinbevölkerung. Hierzu wurden Daten von 559 deutschsprachigen Coaches mit Hilfe eines Persönlichkeitsfragebogen im Rahmen der Coachingumfrage Deutschland 2022 erhoben und mit vorhandenen Referenzdaten aus der Allgemeinbevölkerung verglichen. Die Datenerhebung zur Persönlichkeit erfolgte mit der deutschen Version des Big Five Inventory 2 (BFI-2). Die Ergebnisse zeigen, dass die untersuchten Coaches signifikant extravertierter, verträglicher, gewissenhafter, offener und weniger emotional labil (neurotizistisch) als die Allgemeinbevölkerung sind.
Louis van Kessel & Sonja Vlaar (2024): Supervision für Coaches – eine weltweite Entwicklung. In: Organisationsberatung Supervision Coaching 31(3), S. 371-388
abstract: Die Zahl der Coaches wächst weltweit rasant. Englischsprachige Forschungspublikationen legen nahe, dass von professionellen Coaches erwartet wird, dass sie Supervision in Anspruch nehmen. Aus einer internationalen Perspektive bietet dieser Artikel einen Überblick über die Ansichten zur Supervision für Coaches, basierend auf forschungsbasierten Erfahrungen. Er unterstreicht die Bedeutung von Coach- und Supervisorenverbänden bei der Förderung der Praxis der Coachsupervision, einschließlich der Entwicklung von Kompetenzen und Ausbildung in der Coachsupervision und der Organisation von Coachsupervisoren selbst. Dies ist eine weitere Herausforderung für professionelle Supervisoren.
Lenka Ďuranová, Frank Schrödel & Marlene Rösner (2024): Spaziergang in die Zukunft der Altenpflege: Wie Robis die Lebensqualität von Oldies verbessern könnten. In: Organisationsberatung Supervision Coaching 31(3), S. 389-401
abstract: In der Altenpflege herrscht Fachkräftemangel. Dieser beeinträchtigt Organisationen, Personal, Pflegebedürftige sowie Angehörige und erfordert innovative Lösungen. In der Berufspraxis entstand eine konkrete Forderung: Roboter, die mit den Älteren spazieren gehen. Dieser gehen wir nach. In diesem Beitrag skizzieren wir die Notwendigkeit einer Technologieinnovation in der Altenpflege aus wirtschaftspsychologischer Sicht, danach potenzielle Vorteile des begleitenden Roboters, seine Anwendungsszenarien, Hindernisse bei der Einführung und die notwendigen Entwicklungsschritte. Schließlich appellieren wir an die Praxis, die Technologieentwicklung zu unterstützen.
Thomas Lauer (2024): Führungskräfte-Coaching im Rahmen digitaler Transformationsprozesse. In: Organisationsberatung Supervision Coaching 31(3), S. 403-416
abstract: Digitalisierung ist ein Megatrend, dessen Geschwindigkeit – auch von Unternehmen – oft unterschätzt wird. In vielen Fällen kommen Unternehmen aber nicht um die Adoption digitaler Technologien herum, wollen sie am Markt erfolgreich bestehen. Die Einführung von digitalen Technologien stößt dabei intern aber nicht selten auf Widerstände seitens der Mitarbeitenden, bisweilen auch des mittleren Managements. Der Artikel arbeitet heraus, worin diese Widerstände begründet sind und wie personenzentriertes Coaching Führungskräfte dabei unterstützen kann, sich besser auf Digitalisierung einzustellen und die Widerstände bei der eigenen Belegschaft konstruktiv zu überwinden.
Stefanie Nüßlein (2024): (Selbst‑)Coachingprogramm für Long Covid-Betroffene. In: Organisationsberatung Supervision Coaching 31(3), S. 417-432
abstract: Das von der Autorin entwickelte (Selbst‑)Coachingprogramm richtet sich speziell an Personen, die unter den anhaltenden Symptomen von Long Covid leiden. Basierend auf aktuellen Leitlinienempfehlungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Krankheitsbewältigung, begleitet das 8‑Schritte-Programm Betroffene durch verschiedene Phasen ihrer Erkrankung. Das übergeordnete Ziel ist die Förderung des Selbstmanagements im Umgang mit der Erkrankung sowie die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Angesichts der Herausforderungen in der Versorgung von Long Covid-Patient:innen stellt das Programm sowohl für Betroffene als auch für professionelle Coaches im Rahmen von Gesundheitscoachings einen niederschwelligen Zugang zu evidenzbasierten Interventionen dar. Positive Erfahrungsberichte unterstreichen den Nutzen des vorliegenden (Selbst-)Coachingprogramms.
Klaus P. Stulle (2024): Digitalisierung von HR – Utopie oder Dystopie? In: Organisationsberatung Supervision Coaching 31(3), S. 433-444
abstract: Die Digitalisierung schreitet insbesondere auch im Bereich der HR Software unaufhaltsam voran, verbunden mit einer signifikanten Konsolidierung der Anbieterlandschaft samt ihren „Cloud“-Lösungen. Damit einher geht eine Reihe von Errungenschaften wie die zunehmende Transparenz des Arbeitsmarktes mit mehr Chancengleichheit sowie Gehaltsfairness („Equal Pay“) bis hin zu wünschenswerten Kostenersparnissen. Gleichzeitig sollen aber auch die Risiken nicht übersehen werden, die zum einen als „Gläserner Mitarbeiter“ zusammengefasst werden können. Zum anderen droht an verschiedenen Stellen eine gewisse Ernüchterung, dass sich die vorgesehenen Errungenschaften auf absehbare Zeit doch nicht in gewünschtem Ausmaß realisieren lassen. Das Gesamtbild der Zukunft dürfte dann von einer bunten Mischung von Utopie und Dystopie(-n) geprägt sein.
Beate West-Leuer (2024): Leader-in-Extremis: Neil Armstrong in der Filmbiographie „Aufbruch zum Mond“ – ein Fallbeispiel für Führung bei Gefahr für „Leib und Leben“. In: Organisationsberatung Supervision Coaching 31(3), S. 445-460
abstract: Leadership-in-Extremis bedeutet Führung bei Gefahr für „Leib und Leben“. Dies gilt auch für die bemannte Raumfahrt, was in Chazelles Filmbiographie „Aufbruch zum Mond“ (2018) anschaulich dokumentiert wird. Die Wiederaufnahme des Mondlandungsprogramms durch die NASA ist für die Autorin Anlass, die Merkmale von Führung in Extremsituationen zu untersuchen und zu Neil Armstrongs Führungsstil im Apolloprojekt in Beziehung zu setzen. Abschließende Reflexionen gelten der Notwendigkeit interventionstechnischer Anpassungen im Coaching von Führungskräften in Extremsituationen. Aufgrund nationaler und internationaler Eskalationen von gewaltsamen und kriegerischen Konflikten können primär- bis tertiärpräventive Coachingangebote sinnvoll sein.