
Waldweisheit
Als Tom Levold einlud, Beiträge zum diesjährigen Adventskalender des systemagazins zu schreiben und den thematischen Rahmen „Umgang mit Ambivalenzen, Widersprüchen …“ vorgab, dachte ich spontan an den Wald als Ort, der alle Ambivalenzen und Widersprüche, alles Übermaß von kognitivem und bewertendem Hin und Her schluckt, wenn ich mich dort aufhalte.
Meine frühesten Erinnerungen haben mit der Natur zu tun. Mit Wiesen und blühenden Pflanzen am Wegesrand und den Bergen zum Greifen nahe. Ich war ein kränkliches Kind und so wurde ich wie viele Kinder in den frühen 1960er Jahren als Dreijähriger zur „Kindererholung“ geschickt. Was mich erwartete und wochenlang dauerte war ein Ausgeliefertsein an zum Teil sadistische Betreuerinnen und eine schwarze Pädagogik, die noch aus der nationalsozialistischen Zeit stammte. „Verschickungskinder“ nennt man uns heute, ein weit verbreitetes Schicksal der damaligen Generationen.
Ich erinnere mich an Ausflüge in die Natur, die wir Kurkinder damals gemacht haben. Es war Sommer in Oberbayern, es war warm und grün und es duftete wunderbar. Die Natur, die Pflanzen waren mein Trost. Die Blüten leuchteten mir entgegen und ein anderes Kind zeigte mir, wie man den Nektar aus bestimmten Blüten saugt. Die Natur war einfach da, sie war überbordend lebendig, ich durfte in sie eintauchen und sie behelligte mich nicht. Da war etwas, das größer war als die Betreuerinnen, die einen schikanierten.
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