Vor einigen Jahren ging ich einem Interesse nach und folgte der Spur 1951. Ein anderes Interesse wanderte latent mit und so fiel mir ein Buch von Johannes Cremerius auf mit dem Titel Psychotherapie als Kurzbehandlung“. Meine einstmals einäugige Zustimmung zu Lösungsorientierung in Verbindung mit Kurztherapie als therapeutischem Credo hatte zu dieser Zeit mit einer gewissen Ambivalenz bereits eine binokuläre Verstärkung erhalten. Die Ambivalenz bezog sich nicht auf die Würdigung der Lösungsorientierung an sich, sondern auf einen Trend, der sich parasitär damit zu verknüpfen begonnen hatte. Das lösungsorientierte Herz drohte zu einem instrumentellen Popanz zu werden, zu einem lösungsschnittigen Verkaufsschlagersänger, schien mir. Da kam mir Cremerius gerade recht. Langer Rede kurzer Sinn, als ich das Buch las, seine Entstehungszeit bedachte, das Menschenbild auf mich wirken ließ, ich war hingerissen. Natürlich: diese Sprache, das geht heute nicht mehr, wo kämen wir hin….! Das ist nicht kühl genug, nicht überlegen genug, nicht ironisch genug. Keine Reflexion der funktionalen Ausdifferenzierung. Da könnte man gleich noch bekennen, keine Ahnung von PowerPoint zu haben. Das geht nicht. Und doch, als Geschichte von früher möchte ich ein Zitat daraus vorstellen. Es wird aber vermutlich nur die Illusion befördern, es gebe ein friedliches Zusammenwirken von, sagen wir, beispielsweise der Idee der Freiheit, der Idee der Verantwortung für Intentionen und der Idee eines, sagen wir, Latenzen-scannenden Fuchs-Systems. OK, Leben geht weiter
Das Zitat:
Die hinter diesem Buch stehende philosophische Gesinnung, die an jenen Stellen sichtbar wird, wo die Frage nach dem Ursächlichen ihr Ende findet und der Patient den Boden betritt, der Entscheidung verlangt, verdankt Verfasser den philosophischen Schriften Oswald Weidenbachs. Vor allem verpflichtet fühlt er sich dem letzten Buch des verehrten Lehrers Ethos contra Logos, das den Gedanken der Freiheit konsequent zuende denkt bis zu dem Punkte des Verzichtens auf jede logische Vollendung und Vollendbarkeit der Welt. Ich wüßte keine bessere Form des Dankes, als dieses Buch mit einem Satz Weidenbachs einzuleiten, dessen Wahrheit sich im Verlauf ärztlichen Handelns grundsätzlich bestätigt hat: ‚Der Sinn der Welt liegt darin, daß an jedem ihrer Punkte Tat aus Freiheit möglich ist.’
(Johannes Cremerius (1951) Psychotherapie als Kurzbehandlung in der Sprechstunde. München: J.F. Lehmanns Verlag; Zitat S.17)
Übrigens, diese Kommentierung des eigenen Auswählens von Zitaten habe ich mir eingehandelt, als ich zu Tom Levold sagte, Zitat des Tages, schön und gut, aber wohin führt dieses fragmentarische Goutieren von zugegeben nahrhaften Häppchen? Wie wärs mit einem kleinen Spruch: wozu dieses? Was macht mir dieses Zitat wichtig? Ja gut, sagt Tom, just do it. So nun. Und nu?