Heute vor 10 Jahren ist Ingeborg Rücker-Embden-Jonasch gestorben, eine Pionierin der Familientherapie und systemischen Therapie in Deutschland. Ihre Ausbildung machte sie in den USA und in Kanada in den frühen 70er Jahren und gehörte dann, nach einer kurzen Phase der Zusammenarbeit mit Horst Eberhard Richter in Gießen, zu den Gründungsmitgliedern der Heidelberger Gruppe um Helm Stierlin. Viel geschrieben hat sie nie. Ihre bescheidene, liebevolle und wertschätzende Art hat aber viele Weiterbildungsteilnehmer sowie Kolleginnen und Kollegen aus der systemischen Szene sehr nachhaltig beeindruckt. In einem Aufsatz über Paartherapie schrieb sie 1998 etwas, dass auch für ihre Art sehr charakteristisch war:„Dass dem Kunstbegriff ein hohes Maß an Können, an spezifischen Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten innewohnt, ist für alle Bereiche der darstellenden und bildenden Kunst unbestritten. Dies gilt auch für die Paartherapie. Hier sind in den je unterschiedlichen Konzeptionen (psychoanalytischen, verhaltenstherapeutischen, systemischen) in den letzten Jahren sehr spezifische Verhaltenskataloge entwickelt worden, so dass diese Verfahren lern- und lehrbar sind. Bestimmte Frage-, Aufgaben- und Interventionsformen, aber auch Hilfstechniken wie etwa Fragebögen, Rollenspiele, Skulpturarbeit, Familienbrett, Trauminterpretationen, Genogrammarbeit oder Familienaufstellungen sind bereits hinlänglich entwickelt und beschrieben worden ( ). Aber gutes Können macht noch nicht Kunst aus. Es muss eingebettet und geprägt sein von einer wohlwollend-zugeneigten therapeutischen Haltung. Begriffe wie Allparteilichkeit ( ), Neutralität ( ), Neugier ( ), Respekt ( ) und interessiertes, selbstreferentielles Beobachten ( ) sind zwar notwendige Zutaten, fassen aber meines Erachtens immer noch zu kurz. Dazu kommt eine persönliche Ausstrahlung, geprägt von eigener Lebenserfahrung und Reife, die ein intuitives Maß an Mitschwingen und„affektiver Bezogenheit“ ) ermöglichen. Dieses Schwingen wird gerne mit der Musik vergleichen, etwa mit„dem blinden Tanz zur lautlosen Musik“ (Guntern),„als gemeinsames Improvisieren von Solisten, die durch immer neue Variationen und Modulationen (schließlich) gemeinsam zu einer verbindlichen Melodie (finden)“ (Ludewig). Das intuitive, aber auch reflektierte Zusammenwirken der Geschichten des Paares mit der therapeutischen Wahrnehmung dieses„Paartanzes“ und der Verknüpfung mit dem eigenen Standpunkt kann dann zu einem ebenso wirkungsvollen wie kunst- und ästhetisch genussvollen Ganzen führen, so dass die Worte des alten Römers Falvius auch für die Paartherapie gelten mögen:„Die gemeinsamen Schritte durchs Leben sind nicht leicht, jeder hört die Musik anders. Aber der gemeinsame Tanz ist wunderbar“ (In: Am Anfang war das Paar und dann? Zum Stand der Kunst in der Paartherapie. In: Kontext 29 (2): S. 129-136)
Zitat des Tages: Ingeborg Rücker-Embden-Jonasch
19. November 2010 | Keine Kommentare