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Zeitschriftenrückblick: Kontext 2024

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 Trotz der massiven Angriffe, dem die Herausgeber des Kontext im Winter 2023/24 und danach verbandsintern in der DGSF ausgesetzt waren, sind ihnen mit dem Jahrgang 2024 wieder gelungene, vielseitige und inhaltssatte Hefte gelungen. Eröffnet wurde mit Heft 1 eine Diskussion zum Verhältnis von „Systemik“ und Systemtheorie, an der sich nach einem Aufschlag der Herausgeberin Barbara Kuchler unter dem Titel „Engel und Teufel, Heiler und Spalter: Zum Verhältnis von Systemik und Systemtheorie“ systemische Prominenz mit Stellungnahmen beteiligte: Arnold Retzer, Fritz B. Simon, Stefan Beher, Wolfgang Lutterer und Klaus Eidenschink. Interessant für alle, denen die zunehmende inhaltliche Entleerung des Begriffes „systemisch“ Sorgen bereitet. 

In Heft 2/2024 („Im System!“) feiern Sebastian Baumann und Enno Hermans den „langen Weg der Systemischen Therapie durch die Institutionen“, die daran anschließende sozialrechtliche Anerkennung – und natürlich auch ein bisschen sich selbst. Kirsten von Sydow, Rüdiger Retzlaff und Stefan Beher beschreiben die Nutzenbewertung des IQWiG für Systemische Therapie bei Kindern und Jugendlichen. Das Institut hatte auch schon die Nutzenbewertung für die Therapie von Erwachsenen vorgenommen. Retzlaff fasst in einem eigenen Artikel noch einmal seine Publikationen zur Abfassung von Psychotherapieanträgen zusammen und beharrt affirmativ auf den formalen und inhaltlichen Vorgaben der KBV bei der Antragstellung mit einer Liste, was angemessen oder „nicht angemessen“ sei. Die konstruktivistische Idee, dass man aus systemischer Sicht Regeln auch in Frage stellen könnte, hält er für einen „Kategorienfehler“: „Als Teilnehmer an einem Fußballturniers kann man sich nicht erlauben, mitten im Spiel eigene Regeln geltend zu machen und nach gusto auf Handball oder Rugby umschalten, weil es einem gerade passt“. Eine interessante Einengung der Perspektive, wenn man sich mal die Regelentwicklung im Fußball in den vergangenen Jahrzehnten anschaut, die offenbar nicht zu einer völlig anderen Sportart mutiert ist. Außerdem ginge es bei einem kritischen Blick auf die Vorgaben der KBV wohl kaum um die Frage der individuellen Einhaltung, sondern eher um die politische Gestaltung von Richtlinien, zu der aus systemischer Sicht auch das eine oder andere beizutragen wäre. Die Gastherausgeber befragen dann in einem ausführlichen Interview Friderike Degenhardt und Hans Lieb zum Thema Systemische Therapie und Kassenleistung, in dem es sehr viel um die Approbationsausbildung geht und die Schwierigkeiten der damit verbundenen Transformation individualtherapeutischen Denkens in eine systemische Perspektive, was sich auch der Tatsache verdankt, dass es an qualifizierten approbierten systemischen Supervisoren fehlt. Hinzu kommt, dass das Mehrpersonensetting unter den gegebenen Bedingungen keine besonders großen Chancen zu haben scheint, zum festen Bestandteil der Kassenpsychotherapie zu werden. 

Heft 3 versammelt ohne Themenschwerpunkt theoretische und praktische Beiträge und veröffentlicht dann eine Reihe von Antworten auf die Frage der Herausgeber „Was emotionalisiert uns an der Genderdebatte? Wie kommt es, dass Diskussionen zum Geschlechterthema so viel Unmut erzeugen und Menschen so schnell auf die Palme bringen? Wie kommt es, dass, sobald das Thema angesprochen wird, der Blutdruck der Beteiligten und der Emotionsdruck der Kommunikation steigt, Dinge als unverhandelbar gesehen werden und sonst langweilige Gremiensitzungen zu emotional aufgeladenen Debatten mutieren?“ Geantwortet haben Louise Frosio, Marion Siems, Katharina Vollrath, Anja Möschler, Lea Tegenkamp, René Zimmermann sowie in einem gemeinsamen Text Arist von Schlippe und Tom Levold.

Schließlich schließt das Heft 4/2024 an früher erschienene Kasuistikhefte des Kontext an, allerdings geht es dieses Mal nicht um Therapiefälle, sondern um besondere Konstellationen in Supervisionen. Das von Tom Levold und Michael Scherf herausgegebene Heft zeigt die Spannweite von unterschiedlichen Settings (von Kita über Online-Beratung, Musiker-Coaching, Gastronomiebetrieb bis hin zu einem Einsatz bei der Seawatch 3) und Problemlagen, die eben nicht im Sinne eines Supervisionsmanuals gemeistert werden können. Beigetragen haben dazu Sabine Bertram, Ulrike Borst, Gunda Busley, Stefan Busse, Birgit Dissertori und Thomas Hegemann, Peter Ebel, Emily Engelhardt, Hartmut Epple, Michaela Jäger und Uta-Barbara Vogel.

Alle bibliografischen Angaben und abstracts zu den Heften finden Sie hier…

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