2011 haben Hans Schindler, Wolfgang Loth und Janina von Schlippe bei Vandenhoeck & Ruprecht eine Festschrift für Arist von Schlippe herausgegeben, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag gefeiert hatte. In diesem Band „Systemische Horizonte“ findet sich auch ein Beitrag von Wolfgang Loth, „Was bewegt systemische Therapie? Versuch über Motivation in der systemischen Therapie“, der auch online zu finden ist. Darin heißt es: „Systemische Konzepte und Modelle des Helfens sind nicht so eindeutig, wie es der vereinheitlichende Markenname annehmen lässt (…). Ontologistisch-systemische Herangehensweisen unterscheiden sich sowohl in den Prämissen als auch in wesentlichen Handlungsideen von konstruktivistisch-systemischen. Wenn ich im Folgenden von systemischer Therapie spreche, setze ich eine eher konstruktivistische, existenziell gestimmte Variante voraus. Auch dies ist wieder ein weites Feld, doch dürfte ein gemeinsamer Nenner sein, dass Hilfe als gemeinsame und gleichberechtigte Teilhabe am Erkunden dessen verstanden wird, was sich für diese Person(en) als hilfreich bewährt. Unter anderem erschließt sich dadurch ein freierer Zugang zu Sinnmotiven, die sowohl Erleben als auch Handeln bewegen. Der Vorteil einer solchen Perspektive besteht darin, die Adressaten von Hilfeangeboten nicht notwendigerweise in Kategorien der Hilfebedürftigkeit einzuordnen und sie zu begutachten. Es wird möglich, Probleme und beschriebene Leidenszustände als valide Ausgangspunkte für spezielle Anliegen anzuerkennen, ohne durch Rückgriff auf kategorisierende Zuordnungen Fremdbestimmungen einzuführen – und sei es auch nur, um auf dieser Basis ebenfalls kategorisierte Hilfsmaßnamen einzuleiten.
Ein solcher Zugang zu »bewegenden« Themen und Fragen verzichtet auf einfache Mittel zur Komplexitätsreduktion, wie sie etwa über Zuordnungen geschehen kann. Dieser Verzicht ist nicht gleichbedeutend mit dem Freisein von der Notwendigkeit, mit Komplexität handhabbar umzugehen. Zwar hätten systemische Therapeutinnen (und andere systemische Helfer) Luhmann zur Seite, der ihnen ins Stammbuch schreibt, nur Komplexität könne Komplexität reduzieren (…). Als Bonmot klingt das prickelnd, bedarf jedoch nachvollziehbarer Übersetzung für die Alltagspraxis. Einen Zugang bietet die Idee der Selbstorganisation und der Rückgriff auf ihre mittlerweile reichhaltige konzeptuelle Substanz (…)“.