Annette Ziegler aus Wien hat im Jahre 2004 eine schöne Diplom-Arbeit über„Metaphern im Schizophrenie-Diskurs Betroffener und Angehöriger“ geschrieben, die nun auch online zu lesen ist. Es handelt sich dabei nicht nur um eine kundige Einführung in die Metapherntheorie der kognitiven Linguistik nach Lakoff und Johnson, sondern auch um eine beeindruckende empirische Studie über die Metaphern, mithilfe derer Bilder und Metaphern erschlossen werden, die den„Alltagsdiskurs schizophrenie-erfahrener Menschen implizit anleiten“. Die Arbeit ist umfangreich und ausgesprochen lesenswert:„Als Datenmaterial für die Metaphernanalyse dienten natürliche Daten – in Büchern und Zeitschriften veröffentlichte Erfahrungsberichte von Schizophrenie-Beteiligten; analysiert wurden 37 Textdokumente Betroffener und 25 Erfahrungsberichte von Angehörigen.
Im Ergebnisteil wird zunächst das Metaphernspektrum Betroffener detailliert beschrieben. Es zeigt sich, dass die rekonstruierten Metaphern die zentralen inhaltlichen Dimensionen der Schizophrenie das sind Beschreibungen der Schizophrenie selbst, Charakterisierungen der schizophrenen Person, Vorstellungen über hilfreiche Umgangsweisen, Sinnzuschreibungen und Ursachenvorstellungen jeweils in einem Bild zu verbinden vermögen. Die dargestellten metaphorisch strukturierten Handlungs- und Lösungserwartungen werden insbesondere dann relevant, wenn es um die Implementierung passender Behandlungsangebote geht. Etwa erfordert ein Kriegszustand Kampfgeist, Mitstreiter, Verbündete, Durchhaltewillen wer Schizophrenie als Irrweg bebildert, braucht Anhaltspunkte, Wegweiser, Begleiter etc.
In einem zweiten Analyseschritt wird auf der Grundlage einer Häufigkeitenanalyse der identifizierten Metaphernfelder die Metaphorisierungspraxis Betroffener und Angehöriger verglichen. Zentrale Be-deutung in den Texten beider Subgruppen kommt solchen metaphorischen Konzepten zu, die Betroffene und Angehörige als ausgelieferte Opfer unausweichlicher und beängstigender Vorgänge mit wenig Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten konstituieren.
Die beiden wichtigsten metaphorischen Modelle sind im Betroffenen- wie im Angehörigendiskurs die Weg- und die Behälter-Metapher. Beide lassen Schizophrenie als Zustand der Abweichung von wichtigen gesellschaftlich und kulturell geteilten Werten und Normen erscheinen: Im Lichte der Weg-Metapher sind schizophrene Symptome als Komplementärerscheinungen zum gesellschaftlichen Ideal des immer weiter und immer schneller zu verstehen – die Behälter-Metapher kennzeichnet Schizophrenie als einen Zustand, in dem sich die für unser westliches Subjekt-Verständnis fundamentalste Konstante, die Trennung zwischen Subjekt und Objekt, Innen und Außen, aufzulösen beginnt.
Unterschiede zwischen den Sprechergruppen zeigen sich v.a. in Bezug auf die Verortung der Schizophrenie. Angehörige tendieren dazu, die Schizophrenie in der als Behälter gedachten Person zu platzieren. Bei Betroffenen finden sich demgegenüber zahlreiche Metaphern, die die Schizophrenie externalisieren und sie als von der eigenen Person klar getrennten Gegenstand, als von außen kommende bzw. in Gang gesetzte Dynamik erscheinen lassen“
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Von geheimen Schlachten, galoppierenden Gedanken, inneren Zerreißproben, kostbaren Schätzen und grenzenlosen Weiten
24. März 2008 | Keine Kommentare