Für ihre sehr beachtliche (und umfangreiche) Promotionsarbeit hat Bernhild Pfautsch (Foto: DGSF) den Systemischen Forschungspreis 2023 erhalten, der gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie und der Systemischen Gesellschaft verliehen wird. In der Begründung heißt es: „Die Studie von Frau Pfautsch befasst sich mit der Entwicklung passgenauer systemischer Familientherapie-Modelle für Kambodscha im Bottom-up-Prinzip. Ihre Forschungsarbeit zeigt einen anspruchsvollen methodischen Ansatz, der auf einer theoriegeleiteten qualitativen Studie basiert. Die Kombination aus 26 Experteninterviews und 2 Gruppendiskussionen mit einer Fokusgruppe ermöglichte eine umfassende Untersuchung relevanter Aspekte. (…) Insgesamt überzeugt die Arbeit von Bernhild Pfautsch durch ihre wissenschaftliche Fundiertheit, die detaillierte Reflexion der Methodik und die profunde Auseinandersetzung mit der kulturellen Kontextualisierung der Familientherapie in Kambodscha. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der systemischen Familientherapie im internationalen Kontext und zeigt auf, wie Therapiemodelle an die kulturellen Gegebenheiten und Bedürfnisse eines Landes angepasst werden können. Aus diesen Gründen wird Frau Bernhild Pfautsch der gemeinsame Forschungspreis der DGSF und der SG verliehen.“
In den Jahren von 2015 bis 2018 arbeitete Bernhild Pfautsch im Rahmen des Programmes des Zivilen
Friedensdienstes (ZFD) der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in
Kambodscha, das sich im Umfeld des Khmer Rouge Tribunals (s.u.) für Versöhnung und Vergangenheitsaufarbeitung engagiert. Ihre Aufgabe bestand dabei in der Beratung für den Masterstudiengang in Clincal Psychology and Counseling am Psychologiedepartment der Royal University of Phnom Penh (RUPP).
Zu ihrem Forschungsanliegen schreibt sie in der Einleitung: „Beeinflusst vom sozialen Konstruktivismus unterstreicht die Familientherapie die Bedeutung von Kontingenz und kulturellen Unterschieden, ohne jedoch die Existenz von universalen Gemeinsamkeiten in Bezug auf Familien weltweit zu leugnen (…). Die vorliegende Dissertationsstudie befasst sich mit dem oben benannten Spannungsfeld: untersucht wird, inwieweit sowohl universelle Aspekte des menschlichen Miteinanders in Familien als auch die vielfältigen kulturellen Ausprägungen und Determinanten von Familienleben in Kambodscha in einer systemischen Familientherapieweiterbildung in diesem Land Beachtung finden müssen. Dieses Forschungsanliegen hat sich aus dem nachfolgend beschriebenen Arbeitskontext der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ergeben.“
Das abstract lautet folgendermaßen: „Familientherapie ist ein relevanter Ansatz psychosozialer Versorgung in Ländern des globalen Südens. Für einen fairen globalen Wissenstransfer im Rahmen der Ausbildung sind implizite Werte westlicher Konzepte transparent zu machen und emergente Irritationen als Hinweise für kulturellen Adaptionsbedarf aufzunehmen. Für systemisch-familientherapeutische Arbeit in Kambodscha wurden Aspekte kultureller und kontextueller Passung erforscht, um damit die lokale Entwicklung einer entsprechenden Weiterbildung in dem südostasiatischen Land zu unterstützen. Dazu wurden Schlüsselkonzepte systemischer Familientherapie mit einem multidimensionalen, ökosystemischen Ansatz kulturvergleichend exploriert. Weiterführend wurden wesentliche Kompetenzen einer kambodschanischen Familientherapie spezifiziert, um Anschlussfähigkeit herzustellen zu den Werten soziozentrischer Familienorganisation sowie kulturell geprägter Vorstellungen von Hilfe, Rat und Heilung. Schließlich werden aus den empirischen Ergebnissen inhaltliche und didaktische Empfehlungen für die systemische Weiterbildung in Kambodscha sowie grundsätzliche Implikationen für eine transkulturelle familientherapeutische Arbeit abgeleitet.“