systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

systeme 2021

Heft 1

de Jongh, Bertine (2021): Zwischen Freiheit und Zugehörigkeit – Wo bin ich? In: systeme, 35 ( 1), S. 5-17. 

Abstract: Die Suche nach Identität und Zugehörigkeit ist universell und Teil der menschlichen Existenz. Eine Migrationserfahrung kann dazu führen, dass sich diese Suche sehr dringend und komplex anfühlt. Ausgehend von verschiedenen theoretischen Ansätzen des systemischen Denkens, wie denen Virginia Satirs, narrativen und dialogischen Ansätzen, wird aufgezeigt, dass eine systemische Herangehensweise besonders gut geeignet sein kann, Klient*innen dabei zu unterstützen, mehr Zugehörigkeitsgefühl zu empfinden und einen Weg zu finden, die verschiedenen Teile in sich selbst zu integrieren und/oder zusammenzuhalten. Mögliche Herausforderungen, auch in der therapeutischen Beziehung, werden besprochen.

Reger, Karl-Heinz (2021): Die Erfindung der „Person“ – Warum wir kommunizieren können. In: systeme, 35 ( 1), S. 18-27. 

Abstract: Niklas Luhmanns Theoriegebäude sozialer Systeme erklärt die moderne Gesellschaft in ihrer funktionalen Differenzierung. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Fähigkeit jeder Gesellschaft, zu kommunizieren und die Kommunikation immer weiter aufrechtzuerhalten. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Schlüsselfunktion der „Person“, deren Zwillingsnatur zu verdanken ist, dass überhaupt Verständigung möglich ist. Die Person kann als psychisches System wahrnehmen und damit Bewusstsein erzeugen und als soziales System Bewusstsein weitergeben, also kommunizieren. Die Herausbildung einer Person im Rahmen der Sozialisation (und nicht schon durch die bloße Geburt) schafft Erwartbarkeit anstelle von Kontingenz und Chaos. Möglich wird dies durch den mehrfachen Unterschei­ dungsvorgang von der Wahrnehmung über die Mitteilung zum Verstehen. Die „Person“ wird in diesem Aufsatz in ihrer Begriffsgeschichte und ihrer inneren Logik analysiert. So soll ein weiterer Zugang zum Wunder der Kommunikation geschaffen werden, dem Wunder, dass es uns gelingt, einander zu verstehen.

Dillo, Wolfgang (2021): Die Neurobiologie des Konstruktivismus – Wie in unserem Gehirn Wirklichkeit entsteht. In: systeme, 35 ( 1), S. 28-42. 

Abstract: Wenn ich den folgenden Text schreibe, lebe ich in der Annahme, dass Sie, liebe Leser*innen, diese Zeilen genauso verstehen werden, wie ich sie gedacht habe. Aber natürlich weiß ich, dass Sie vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Ideen und Konzepte möglicherweise zu ganz anderen Schlussfolgerungen kommen als ich. Wenn das so ist, lohnt es sich darüber nachzu­ denken, wie unserem Gehirn diese Unterschiedlichkeit gelingt. In der Hoffnung, dass es trotz allem auch Gemeinsamkeiten gibt, lade ich Sie mit dem folgenden Artikel ein, meine Gedanken darüber zu teilen, wie Nervenzellen, über deren Funktion man sehr viel weiß, Konstruktivismus erzeugen.

Pfeifer, Eric (2021): Niemand ist alleine gesund – oder: Wie sagt man seelische Gesundheit auf Systemisch? In: systeme, 35 ( 1), S. 43-56. 

Abstract: Der folgende Beitrag nähert sich dem Konstrukt psychische/seelische Gesundheit an. Einerseits werden im Rahmen einer intertherapeutischen Perspektive exemplarisch vier Modelle seelischer Gesundheit erläutert (Regulationskompetenzmodell I und II, Selbstaktualisierungs­modell, Sinnverwirklichungsmodell). Diese basieren auf grundlegenden Theorien bekannter Psychotherapieverfahren (Psychoanalyse/Tiefenpsychologie, Existenzanalyse, Humanistische Psychologie). Anschließend werden relevante Aussagen aus der systemisch­therapeutischen Fachliteratur herangezogen. Über eine meta­systemische Zusammenführung dieser Bausteine erfolgt die Herleitung eines möglichen systemischen Modells seelischer Gesundheit. Die abschließende Diskussion erkennt in psychischer Gesundheit ein salutogenes Narrativ. Wird dieses im Kontext Systemischer Therapie zunehmend gepflegt und aufgegriffen, so leisten Systemische Therapeut*innen damit einen wesentlichen Beitrag in der Wandlung vom (bzw. von) Krankheits­- zum (bzw. zu) Gesundheitssystem(en).

Osemann, Birgit (2021): Rezension – Maria Borcsa (2019): Globalisierte Familien. Mobilität und Mediatisierung im 21. Jahrhundert. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: systeme, 35 ( 1), S. 57-58. 

Loth, Wolfgang (2021): Rezension – Matthias Bormuth (Hrsg.) (2019): Karl Jaspers. Leben als Grenzsituation. Eine Biographie in Briefen. Göttingen (Wallstein Verlag). In: systeme, 35 ( 1), S. 58-62. 

Surhove, Heidi (2021): Rezension – Jürgen Hargens (2021): MÖGLICHKEITEN … und mehr. Ein Blick hinter die psychotherapeutischen Kulissen. Berlin (trafo). In: systeme, 35 ( 1), S. 64-65. 

Lindner, Thomas (2021): Rezension – Tanja Kuhnert & Mathias Berg (Hrsg.) (2020): Systemische Therapie jenseits des Heilauftrags. Systemtherapeutische Perspektiven in der Sozialen Arbeit und verwandten Kontexten. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: systeme, 35 ( 1), S. 66-69. 

Kuhnert, Tanja (2021): Rezension – Ungewöhnliche Zeiten bringen Neues hervor: Eine Doppel-Rezension zu zwei Kartensets für die beraterische Arbeit mit Menschen in Krisen. In: systeme, 35 ( 1), S. 70-75. 

Wedekind, Erhard (2021): Nachruf Peter Fürstenau. In: systeme, 35 ( 1), S. 76-77. 

Otto, Wiebke (2021): Arist von Schlippe zum 70. In: systeme, 35 ( 1), S. 78-79. 

Borst, Ulrike, Regina Kipp, Hans Ritter & Hans Georgi (2021): Zum 70. Geburtstag von Erhard Wedekind. In: systeme, 35 ( 1), S. 80-82. 

Rufer, Martin, Kurt Ludewig, Renate Jegodtka, Jürgen Kriz, Luise Reddemann, Tom Levoldet al. (2021): Wolfgang Loth wird 70. In: systeme, 35 ( 1), S. 83-89. 


Heft 2

Pfeiffer, Eric (2021): Das Team in Tönen – die Familie als Klaviatur. Eine musikgestützte Methode Systemischer Therapie. In: systeme, 35 (2), S. 101-116. 

Abstract: Die Beziehung zwischen Systemischer Therapie und Musik(-therapie) kann als synergetisch und sich wechselseitig bedingend beschrieben werden. Dieser Beitrag bietet einen komprimierten Überblick bezüglich relevanter Veröffentlichungen und Theorien in diesem Schnittfeld. Die anschließende Kasuistik schildert einen Fall aus der psychotherapeutischen Praxis mit einer primär an psychosomatischen Beschwerden leidenden Klientin. Dieser fällt es schwer, ihr inneres Erleben, das als problemhaft Erlebte in Worte zu fassen. Unter Einbindung von Musik entsteht im gemeinsamen therapeutischen Prozess das Team in Tönen – eine für die Klientin hilfreiche musikgestützte Methode Systemischer Therapie. Wahrnehmungen, Wirklichkeitskonstruktionen, Beziehungen und Beziehungskonstellationen innerhalb von Systemen lassen sich darüber sicht- und hörbar machen. Auf der Tastatur des Klaviers entsteht ein klingendes System, ein tönendes Narrativ, auf dessen Grundlage Probleme erkannt, Ressourcen und Lösungen erhellt sowie ein Probehandeln ermöglicht werden kann. Dieser Beitrag enthält eine detaillierte Beschreibung des methodischen Vorgehens, musiktheoretische und systemische Grundlagen der Methode und mögliche Variationen (z. B. die Familie als Klaviatur).

Tomm, Karl (2021): „Alternative Wahrheiten“ in einer klinischen Situation. In: systeme, 35 (2), S. 117-126. 

Abstract: Ein wesentlicher Aspekt psychosozialer Probleme und des Leidens daran resultiert aus dem Festhalten an unverrückbar erscheinenden „Wahrheiten“. Das Fördern alternativer, heilsamer „Wahrheiten“ ist jedoch zunehmend mit den Prämissen und Konsequenzen postfaktischer Haltungen konfrontiert, die das notwendige Erweitern des Wahrheitsspektrums korrum- pieren könnten. Eine Aufgabe seriöser therapeutischer Arbeit besteht daher darin, das Ausgehen von der Subjektabhängigkeit persönlicher Realitätskonstruktionen in Einladungen zum Ko-Konstruieren förderlicher Bedingungen für ein wohlwollendes Miteinander zu übertragen. Das beinhaltet sowohl auf das Aufzwingen „besserer Wahrheiten“ zu verzichten als auch respektvoll und proaktiv ein „Vielleicht-Wissen“ anzubieten, auf dessen Basis sich „alternative Wahrheiten“ als veränderte interpersonelle Muster erweisen können, die von den Beteiligten mit größerem Wohlbefinden geteilt werden. Die Paradigmen des Sozialen Konstruktionismus und des Hervorbringens von Wirklichkeiten (bringforthism) bieten dazu eine ausreichende Wissensbasis für Therapeut*innen. Im vorliegenden Beitrag wird anhand eines familientherapeutischen Beispiels illustriert, wie diese Überlegungen sich praktisch umsetzen lassen.

Mantsch, Stephan (2021): Spielerische Begegnungen. Das Spiel zwischen Therapeut*in und Kind in der Systemischen Therapie. In: systeme, 35 (2), S. 128-145. 

Abstract: Das Spiel zwischen Therapeut*in und Kind stellt in der Psychotherapie mit Kindern eine natürliche Form der Begegnung, einen idealen Kontext für psychotherapeutisches Handeln und damit wichtigen Baustein im therapeutischen Prozess dar. Dies gilt besonders dann, wenn mit Kindern (auch) im Einzelsetting gearbeitet wird und kognitiv-verbale Interventionen wenig anschlussfähig scheinen. Meine täglichen „Spielerfahrungen“ in der Therapie mit Kindern in institutioneller Fremdunterbringung mit frühen komplexen traumatischen Erfahrungen haben mich veranlasst, den Aspekt des Spiels in der Therapie näher zu untersuchen und in Beziehung zu setzen mit Konzepten und theoretischen Überlegungen der Systemischen Psychotherapie. Zunächst werden Merkmale und entwicklungspsychologische Aspekte des Spiels, das Spiel in der Systemischen Familientherapie und die Rolle des*der Therapeut*in beleuchtet, bevor die „spielerische“ Arbeit mit Kindern mit früher komplexer Traumatisierung fokussiert wird.

Kantor, Judith (2021): Beziehungsdynamiken. Über die Wechselwirkungen von Scham, Macht, Empathie und Selbstwert als Regulativ in zwischenmenschlichen Beziehungen. In: systeme, 35 (2), S. 147-161. 

Abstract: Ausgangspunkt ist die These, dass Scham, Macht, Empathie und Selbstwert in einer dynamischen und vielschichtigen Beziehung zueinander stehen und dass die Wechselwirkungen zwischen diesen vier Elementen eine Funktion als Regulativ in zwischenmenschlichen Beziehungen erfüllen. Die einzelnen Elemente werden zunächst skizziert und dann jeweils in Relation zueinander gestellt. Der Text zeigt auf, dass es für die psychotherapeutische Tätigkeit entscheidend ist, diesen Wechselwirkungen Beachtung zu schenken und vor allem deren Auswirkung als Regulativ innerhalb der therapeutischen Beziehung zu bedenken.

Gemeinhardt, Anne & Marlen Gnerlich (2021): Soziale Unterschiede, die einen Unterschied machen. Zur Bedeutung von Klassismus in systemischen Beratungskontexten. In: systeme, 35 (2), S. 163-176. 

Abstract: Im Beitrag soll die Bedeutung von Klassismus als Diskriminierungsform auf Grundlage des sozialen Status und der sozialen Herkunft für die Systemische Beratung dargelegt und Schlussfolgerungen für die beraterische Praxis gezogen werden. Dabei wird der Begriff definiert und die Entstehung in einen intersektionalen Kontext gesetzt. Erweitert wird dies mit Ausführungen zu Pierre Bourdieus Konzept des sozialen Raums, dessen klassenspezifischer Strukturierung, des Habitus und der Kapitalsorten. Diese theoretische Basis wird dann auf die systemische Beratungspraxis angewandt, mögliche klassistische Wirkmechanismen benannt und der gesamtgesellschaftliche Auftrag von Beratungsprofessionellen diskutiert.

Hoffmann-Bisinger, Ilka R. (2021): Persönliche Würdigung zum 100. Geburtstag von Paul Watzlawick. In: systeme, 35 (2), S. 177-179. 

Kreis, Ulrike (2021): Rezension – Alan Cooklin & Gill Gorell Barnes (Hrsg) (2020): Building Children’s Resilience In The Face Of Parental Mental Illness – Conversations with Children, Parents and Professionals. London/New York (Routledge)

Loth, Wolfgang (2021): Rezension – Ingeborg Gleichauf (2021): Hannah Arendt und Karl Jaspers. Geschichte einer einzigartigen Freundschaft. Wien (Böhlau). In: systeme, 35 (2), S. 183-187. 

Lüschen-Heimer, Christiane (2021): Rezension – Astrid Hochbahn (2021): Selbstständig als Systemiker*in. Anleitung zur Gestaltung der eigenen Wirklichkeit. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: systeme, 35 (2), S. 187-189. 

Kuhnert, Tanja (2021): Rezension – Roland Kachler (2020): Die Therapie des Inneren Kindes. Konzepte und Methoden für Beratung und Psychotherapie. Stuttgart (Klett-Cotta). In: systeme, 35 (2), S. 190-192. 

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