Wir müssen uns unterscheiden, um nicht der Angst zu erliegen
Wie Menschen zum Leben, zur Welt, zu anderen, zu sich selbst stehen, ist geprägt von ihren Erwartungen und Vorstellungen. Die Identifikation mit bestimmten Gedanken und Erzählungen erzeugt einen Verstehens- und Bewertungsrahmen für Urteile und erschafft eine geistige Welt, die etwas schützen und erhalten will. Immer wieder behindern diese Interpretationsweisen die eigene Entwicklung oder das Erreichen selbstgewählter Ziele. Sie sind mit wichtigen Bezugspersonen inkompatibel und bestärken Wahrnehmungen, Gefühle und Beschreibungen, die Probleme schaffen. Dann kann es wichtig sein, sie zu verändern.
Unsere Zeit ist bestimmt von angstmachenden Diskursen – wir erfahren von lokalen und globalen Bedrohungen, hören überall Stimmen, die von dräuenden Gefahren berichten. Die in der Gegenwart empfundene Angst wird damit begründet und ergänzt durch diverse schreckliche Zukunftsperspektiven. Solche Sorgegeschichten werden in bestimmten sozialen Kontexten geteilt – um sich zugehörig und damit sicherer zu fühlen und sich von anderen sozialen Kontexten absetzen zu können. All das dient auch der Vereinnahmung für bestimmte politische Zwecke und dem Machterhalt gesellschaftlicher Gruppierungen und Strukturen, die Interesse an den Angstdynamiken von Menschen haben.
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Klarheit im Denken etwas Wichtiges ist, weil es die Auseinandersetzungen auf das Wesentliche konzentriert, einen Fokus für das Wollen und Handeln schafft und zu einem besseren Selbstverhältnis beiträgt. Gerade in angst-erregenden Lebenslagen scheint vernünftiges Denken und Sprechen hilfreich zu sein. Dann können diffuse Emotionen und Empfindungen mit neuen Bildern und Texten versehen werden – man kann der Angst einen Namen geben, ein Gesicht. Man kann mit ihr in Kontakt treten. Man kann Körperempfindungen und Gefühle von mitredenden Gedanken und den Stimmen der Umgebung unterscheiden. Dadurch werden Emotionen bewusster und distanzierter erlebt. Wenn etwas begriffen wurde, ermöglicht das Orientierung und befreit aus dem Teufelskreis der Gedankenschleifen, Lügengeschichten, falschen Hoffnungen und Manipulationen. Es kann dabei helfen, Erwartungen und Hoffnungen auf Erreichbares zu richten, Berichte über Tatsachen von solchen über Unwahrheiten zu unterscheiden und daraus Selbstpositionierung bzw. Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit zu gewinnen. Dann ist es trotz allem Beängstigenden noch möglich, der Mensch zu sein, der man sein möchte.
Wenn ich mich als menschliches Lebewesen trotz aller sozialen Einbindung und relational entwickelten Identiät eigenständig erleben und positionieren möchte, muss ich mich von dem diversen inneren und äußeren Gerede unterscheiden, von dem ich beeinflusst werde. Ich möchte nicht alles als akzeptables Konstrukt betrachten, über das mir berichtet wird. Ich möchte mich dem, was über mich erzählt wird, auch widersetzen können. Und dazu brauche ich mich selbst als Individuum bzw. als Person – auch wenn diese Idee bloß ein Konstrukt sein sollte.
Dafür einen sehr herzlichen Dank
Schön, wenn man seinem Namen in solcher Weise alle Ehre antun kann..