Etwas spät ist das zweite Heft des 11. Jahrgangs (2005) der Zeitschrift Soziale Systeme erschienen. Es versammelt sehr anregende Aufsätze zu unterschiedlichen systemtheoretischen Fragestellungen. Werner Vogd setzt die Luhmannsche Theorie funktionaler Differenzierung auf die Analyse des Gesundheitssystems an und unterscheidet dabei zwischen Medizin, medizinischer Wissenschaft, medizinischen Organisationen auf der einen und den so genannten Gesundheitswissenschaft und der Gesundheitspolitik auf der anderen Seite. Sein Resümee: Teile des gesundheitswissenschaftlichen Diskurses erscheinen nun als eine an die Politik angekoppelte Einheitssemantik, welche einen Zentralwert proklamiert, der sich jedoch im Sinne der Differenzstruktur der modernen Gesellschaft weder in der Medizin, noch in der Wissenschaft als Funktionsbezug wieder findet. Rolf Nichelmann und Alexander Paquée versuchen eine funktionale Spezifizierung des Ethnizitätsbegriffes vorzunehmen, die auf der Unterscheidung von Risiko/Gefahr fußt und das Relevantwerden ethnischer Semantiken für das politische System als Vertrauenskrise zu beschreiben ermöglichen soll. Camilla Sløks englischsprachiger Beitrag befasst sich mit Niklas Luhmanns zweideutiger Haltung zur Religion, die aus ihrer Sicht mit der Annahme einer internen Differenzierung des Religionssystems aufgelöst werden kann, mit der Religion als Kirche von Religion als Reflexion unterschieden wird.
Ein weiterer englischer Beitrag von Michael Schiltz et al. untersucht die gesellschaftliche Bedeutung der Open Access Bewegung, die so die Autoren, zur Verbreitung nichtlokaler, globaler ‚epistemic communities‘ beigetragen und neue Definitionen von Information und Eigentum geschaffen. Thomas Kron und Lars Winter versuchen in einem interessanten Artikel, die Luhmannsche Systemtheorie auf eine Modellierung mittels Fuzzy-Logik umzustellen und somit die Theorie autopoietischer Sozialsysteme in Richtung einer Theorie der Fuzzy-Systems fortzuentwickeln. Uwe Schimank widmet sich der Frage, inwieweit das Konzept der funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft mit Vorstellungen vereinbar ist, die bestimmten Teilsystemen einen gesellschaftsweiten Primat zusprechen.
Zwei weitere Aufsätze von Tobias Werron und Daniel B. Lee widmen sich der Quantifizierung in der Welt des Sports und dem Verhältnis von Barbershop Quartett-Gesang und Gesellschaft.
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Soziale Systeme 2/05
23. August 2006 | Keine Kommentare