Haja Molter stellt für das Interview-Archiv des systemagazin zwei Parallel-Interviews zur Verfügung, die er 1990 mit Gianfranco Cecchin und Luigi Boscolo geführt hat, in denen es u.a. um ihren Entwicklungsprozess von einer Kybernetik der 1. Ordnung zur Kybernetik 2. Ordnung, ihre wechselseitige Beobachtung und ihre (europäische) Abgrenzung zum (US-amerikanischen) lösungsorientierten Ansatz Steve de Shazers geht. Gianfranco Cecchin, der 2004 in einem Autounfall ums Leben kam, macht den Unterschied zwischen ihm und Lugi Boscolo einerseits und Mara Selvini Palazzoli andererseits an der verschiedenen Haltung zum Expertentum fest:„Unser Denken hängt von dem Kontext ab, wo wir arbeiten. Luigi und ich, wir arbeiten mit Studenten, das gab uns die Gelegenheit, dass sie uns kritisierten. Das gab uns die Gelegenheit, unterschiedliche Gruppen zu haben, unterschiedliche Ebenen der Beobachtung. Selvini hat nie mit Studenten gearbeitet, das mochte sie nicht. Sie bleibt immer in der Position der Autorität, sie ist die Expertin und die Studenten sind es nicht. Also ich denke, Studenten zu haben, die mit Familien arbeiten, das schafft einen enormen Lernkontext, um aus der Position des Experten herauszukommen. Ich denke, die Position von Selvini ist immer noch die Position des Experten. Sie liebt diese Position und die kann ja auch sehr nützlich sein, es ist ja auch die Position von Jay Haley, Minuchin, strategischer Therapie“
Luigi Boscolo nimmt eine gewisse Zwischenposition ein:„ich denke, Gianfranco legt den Akzent mehr auf den Beobachter, er vernachlässigt zu sehr das beobachtete System. Es stimmt schon für mich, dass ich mich von einem Denken der Kybernetik erster Ordnung zu einem zweiter Ordnung bewegte, aber für mich liegt doch eine bestimmte Bedeutung in den Typologien des beobachteten Systems, ich denke immer noch, es gibt irgend ein Muster, das der Beobachter sieht, natürlich färbt er es mit seinen eigenen Ideen, Vorurteilen, Theorien, aber es muss irgend ein Muster geben, es gibt eine Wirklichkeit außerhalb“
Zu den vollständigen Interviews
„Selvini hat nie mit Studenten gearbeitet, das mochte sie nicht“
25. August 2006 | Keine Kommentare