DGSF (23.3.2017): „Am 17. März 2017 hat das Bundesfamilienministerium den Entwurf eines Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes an Fachverbände versandt mit einer Frist für Stellungnahmen von wenigen Tagen. Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) als berufsübergreifender Fachverband mit mehreren tausend in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Mitgliedern hält ein solches Vorgehen für unangemessen und formuliert in „Vorläufigen Anmerkungen“ zum jetzigen Gesetzesentwurf Kritik und Forderungen aus systemischer Sicht.
Im neuen Entwurf, der zum 1. Januar 2018 rechtswirksam werden soll, sind grundlegende Forderungen von Fachverbänden aufgegriffen worden. Gleichwohl erwecke das Vorgehen des Bundesfamilienministeriums den Eindruck, dass diese Gesetzesreform noch zügig zum Ende der Legislaturperiode durchgesetzt werden solle ohne angemessene Beteiligung der Fachöffentlichkeit. Weiterhin seien Änderungen vorgesehen, die die Jugendhilfelandschaft tiefgreifend verändern und deutlich nachteilige Auswirkungen für Kinder, Jugendliche und Eltern hätten. „Das derzeitige Verfahren zielt auf ein Ruhigstellen der Beteiligten, an einem fachlich wirklich besseren Kinder- und Jugendhilferecht scheint kein ausreichendes Interesse mehr zu bestehen“, vermutet DGSF-Vorsitzender Dr. Björn Enno Hermans.
Der Fachverband DGSF fordert den Gesetzgeber auf, Familien auch in schwierigen Lebenslagen die Fähigkeit zu verantwortungsvollem Handeln „wohlwollend zu unterstellen“ und bei der Hilfeplanung immer den Kontext des Familiensystems einzubeziehen. Bei Heim- oder Pflegekinderunterbringung dürfe nicht frühzeitig verbindlich vom Jugendamt eine Bleibeperspektive für Kinder oder Jugendliche festgelegt werden, sondern erst im Hilfeverlauf gemeinsam mit allen Beteiligten. Ansonsten „droht bei entsprechend ungünstigen politischen Bedingungen ein massiver Eingriff staatlicher Macht in familiäre Lebensgefüge“.
Die DGSF warnt davor, die Steuerungsverantwortung des Jugendamtes auf Kosten der Familien umzusetzen. Es gehe darum, ein „dialogisches Verfahren der Hilfeplanung“ zwischen Jugendamt, Familie und Trägern weiterhin gesetzlich festzuschreiben. Ansonsten drohe die Gefahr, dass nicht der Bedarf der einzelnen Kinder und ihrer Familien im Mittelpunkt steht, sondern Hilfen eingesetzt werden, die wenig finanzielle und zeitliche Ressourcen des Jugendamtes benötigen. Auch in Kinderschutzverfahren gehe es aus systemischer Sicht um einen „respektvollen, würdigenden und achtsamen Blick auf die Ressourcen aller Familienmitglieder“, auch und gerade bei Eltern, deren Erziehungs- und Versorgungsverhalten durch den Staat überwacht werden müsse. Dabei werden die im Gesetzentwurf vorgesehenen erweiterten Kooperationsmöglichkeiten zwischen Jugendhilfe und Gesundheitswesen von der DGSF ausdrücklich befürwortet.
Die Stellungnahme der DGSF „SGB VIII-Reform: Vorläufige Anmerkungen und Forderungen aus systemischer Sicht zum Gesetzentwurf ‚Kinder- und Jugendstärkungsgesetz‘ vom 17. März 2017“ ist auf den Internetseiten des Verbandes veröffentlicht.