Corina Ahlers, Wien:
Ich mache mir in letzter Zeit darüber Gedanken, inwiefern eine systemische Einzeltherapie so systemisch sein kann, wie das allgemein behauptet wird. Daran knüpft sich die Erfahrung der letzten Jahre, dass das Mehrpersonensystem in systemischen Kreisen – sowohl in der Ausbildung wie auch in der Praxis – aus dem Zentrum des Interesses rückt. Manche unserer Studentinnen schaffen es, bis zum Ende ihrer Ausbildung keine einzige Familie zu sehen. Manche geben zu, mit Kindern nicht arbeiten zu wollen, das sei langweilig, und man müsse da „Mensch ärger dich nicht“ spielen. Und wie könne man dafür Geld verlangen, und dass sei ja wie Freizeit, usw. Ja und wenn nicht alle kommen, und keine Zeit haben, es sei ja nicht machbar, alle auf einen Termin zu bringen, usw.
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Corina Ahlers
Dann gibt es bei uns die Fans für das Wegstreichen des Wortes „Familie“ aus dem systemischen Ansatz. Ihr merkt es schon: Ich gehöre zum anderen Club. Ich fühle mich bei der Systemischen Familientherapie zu Hause und ich finde, jeder Mensch hat oder hatte eine Familie, welche auch immer! Insofern bin ich dafür, diese irgendwie in die Therapie miteinzubeziehen.
Im Mehrpersonensystem werden Beziehungen zum Therapeuten anders gelebt als in der therapeutischen Dyade. Deshalb kann die therapeutische Beziehung, mittlerweile auch ein Zauberwort der Psychotherapieforschung, in der therapeutischen Arbeit mit Paaren und Familien nicht dasselbe bedeuten. Es bleibt ein blinder Fleck im dominanten Diskurs zur Psychotherapie, indem der Unterschied ignoriert wird. Systemikerinnen tragen nicht dazu bei, das Verhältnis aufzuklären. Eine etwas boshafte, mögliche Erklärung: Viel intimer, gemütlicher, gefahrenloser und angenehmer ist doch die therapeutische Dyade. Weiterlesen →