Rudolf Klein gehört nicht nur zu den erfahrensten Suchttherapeuten im deutschsprachigen Raum, er vermag auch wie nur wenige andere theoretische Einsichten und praktische Überlegungen auf eine ebenso inhaltlich schlüssige wie formal elegante Weise dem Fachpublikum zu vermitteln. Hatte er schon 2002 mit „Berauschte Sehnsucht“ systemisch-konstruktivistische Ideen auf den Bereich der Therapie süchtigen Trinkens angewendet und mit vielen Praxisbeispielen und kommentierten Transkripten veranschaulicht, bietet er mit seinem neuesten Buch „Navigationshilfen für die systemische Therapie von Alkoholabhängigkeiten“ an, die allen PraktikerInnen nur ans Herz gelegt werden können. In seiner Einleitung schreibt er: „Die dargestellten Überlegungen und Vorgehensweisen sind in einer langjährigen ambulanten Praxis entstanden. Unter diesen Bedingungen konnten zwei unterschiedliche Perspektiven miteinander verknüpft, reflektiert und weiterentwickelt werden: einerseits konkrete therapeutische Erfahrungen mit abhängig trinkenden Menschen, ihren Schicksalen, Bewältigungsversuchen, Hoffnungen und Enttäuschungen; andererseits theoretische und therapeutische Vorannahmen über das Phänomen der Alkoholabhängigkeit. Durch die Reibung dieser beiden Perspektiven entstand ein Ansatz, der sowohl theoretische als auch praktisch-therapeutische Zugänge bietet.
Im folgenden Text werden die therapeutischen Verläufe von vier erwachsenen Klienten – Frau Müller, Herrn Meier, Herrn Hans und Herrn Hoffmann – dargestellt. Obwohl die vier Klienten auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Lebensverläufe und Lebensbedingungen aufweisen, lassen sich bei genauerem Hinsehen doch erstaunliche Ähnlichkeiten finden, die für die theoretischen Annahmen relevant sind. Trotz, besser: wegen dieser erstaunlichen Ähnlichkeiten erfordert jedoch jeder therapeutische Prozess einen individuell angepassten und zugeschnittenen Weg der Veränderung und Wandlung.
Beides will und soll dieses Buch liefern: Die individuellen Unterschiede werden in einem übergeordneten Konzept integriert, und das übergeordnete Konzept wird im therapeutischen Verlauf individualisiert. Das Buch strebt dreierlei an: zum einen Menschen Anstöße für die Reflexion des eigenen Trinkverhaltens geben und damit einen Beitrag zu ihrer Entscheidung für oder auch gegen eine Veränderung liefern; zum zweiten Menschen ermutigen, den Weg in professionelle Therapien einzuschlagen, auch wenn sie diesen Weg zwischenzeitlich als untauglich bewertet oder ihn aus anderen Gründen bislang vermieden haben; und drittens Kolleginnen und Kollegen neugierig auf die Arbeit mit süchtig Trinkenden machen und dadurch die Angebotspalette für alkoholabhängige Menschen erweitern – über die oft stark eingefahrenen theoretischen Sichtweisen und praktischen Angebote der traditionellen Suchtkrankenhilfe hinaus“. „Wer im Labyrinth der Alkoholtherapien Orientierung sucht, kommt um dieses Buch nicht herum“, schreibt Arnold Retzer im Klappentext des Buches, und da kann man ihm nur zustimmen. Das tut jedenfalls auch Hans Schindler, der das Buch gelesen hat und rezensiert. Weiterlesen →