Der in der vergangenen Woche vom Co-Piloten der GermanWings-Maschine offenbar absichtlich eingeleitete Flugzeugabsturz mit 150 Toten hat neben einer Welle des Sensationsjournalismus auch eine Diskussion hervorgerufen, wie denn ein solches Unglück zu verhindern sei. Dabei werden bereits – wie leider bei medienwirksamen kriminellen Taten üblich – schon wieder reflexhaft von den relevanten Akteuren und Interessengruppen aus Politik, Medien und Verbänden weitgehende rechtliche Veränderungen gefordert, als ob diese zukünftige ähnliche Ereignisse ausschließen könnten. Da Informationen über eine frühere psychotherapeutische Behandlung aufgrund einer Depressions-Diagnose vorliegen, hört man schon erste Forderungen nach einer Aufweichung der ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Schweigepflicht. Auch von Ärzt_innen und Psychotherapeut_innen zirkulieren nun zunehmend Stellungnahmen, die einerseits Zuständigkeit für die Analyse des Geschehens in Anspruch nehmen (und sich als die kompetentesten Fachkräfte zur Früherkennung einer solchen Gefährdungslage ins Spiel bringen), andererseits von der berechtigten Sorge gekennzeichnet sind, dass nun Menschen mit einer psychischen Problematik unter Generalverdacht geraten und noch mehr als bislang stigmatisiert werden. Ein Problem dieser Debatte ist dabei allerdings, dass die Informationen, auf die hierbei Bezug genommen wird, spärlich sind: über die Verlautbarungen in den Massenmedien hinaus wissen wir nicht viel über den Fall Andreas L. Umso spannender ist die Auseinandersetzung um die „richtige“ Konstruktion der Wirklichkeit zu beobachten, die die Öffentlichkeit beschäftigt. War es „Depression”, eine „psychiatrische Erkrankung”, ein „erweiterter Suizid“, „Amoklauf“, ein „Verbrechen“ oder „Attentat“? Und was sind die Gründe für solche Zuschreibungen? Welche Schlüsse lässt eine solche Handlung (wenn sie bewusst unternommen wurde) auf die Persönlichkeit und die Biografie des Handelnden zu (Siehe hierzu auch Fritz B. Simon in seiner Kehrwoche)? Fragen über Fragen. Martin Rufer aus Bern hat dazu eine klare Position bezogen, die ich hier im systemagazin zur Diskussion stellen möchte. Wie ist Ihre Sicht auf die Dinge? Ich freue mich auf Ihre Diskussionsbeiträge!
Tom Levold