Barbara Bräutigam, Stralsund: Kleine Dystopie
Die Deutsche Gesellschaft für systemische Therapie (DGST) hat am 23. 11. 2028 zum zehnjährigen Jubiläum ihrer Anerkennung als nützliches und notwendiges Verfahren eingeladen. Mit von der Partie ist auch die DGSBCP – die Deutsche Gesellschaft für systemische Beratung, Coaching und Prävention. Die Vorsitzenden beider Gesellschaften tauschen wertschätzende Phrasen aus – die beiden können sich nicht ausstehen. In der Festrede des Vorsitzenden der DGST wird insbesondere hervorgehoben, wie hervorragend es gelungen sei, die Patientenversorgung zu verbessern sowie mehrere deutsche Studien zur Wirksamkeitsüberprüfung der systemischen Therapie zu initiieren – die systemische Therapie werde mittlerweile bei Suchterkrankungen und bei Anpassungsstörungen als primäre Methode in den Leitlinien empfohlen und habe in diesen Bereichen das Monopol der Verhaltenstherapie erfolgreich zurückgedrängt. Die Vorsitzende der DGSBCP hebt maliziös hervor, dass man dem Schwesternverband natürlich herzlich zu seinen unbestreitbaren Erfolgen gratuliere aber man doch nicht umhin könne zu bedauern, dass vom systemischen Kerngedanken nicht mehr viel übriggeblieben sei – die systemische Therapie habe sich immer weiter zu einem gesellschaftlich angepassten, diagnosehörigen und manualgläubigen Verfahren entwickelt und dabei alles Bunte und Widerständige an ihren Schwesterverband ausgelagert. Darüber sei man natürlich glücklich, auch wenn es die Organisation des Verbandes nicht unbedingt einfacher mache. In der Zuhörerschaft entsteht ein Gemurmel. Ein junger Mann flüstert seiner deutlich älteren Nachbarin zu, „was meint die denn mit systemischem Kerngedanken?“ „Tja, wahrscheinlich, dass alles irgendwie miteinander zusammenhängt und lineare Erfolgszuschreibungen sich nicht gehören“, antwortet diese vage. „Hm“, meint der junge Mann, „und wieso soll das verloren sein?“ „Kausalfragen führen zu nichts“, erwidert seine Nebenfrau, „es sei denn die Lage ist eindeutig, was sie ja bekanntlich eigentlich nie ist.“
Hans
Bruno Hildenbrand, Marburg: Muss überall draufstehen, was drin ist?
Dennis
Clemens 
Liebe Leserinnen und Leser,
Liebe systemagazin-Leserinnen und -Leser,

Heute vor 20 Jahren ist Niklas Luhmann (8.12.1927 – 6.11.1998) gestorben. Auch wenn sein primäres Interesse einer Systemtheorie der Gesellschaft galt, ist seine Ausstrahlung und Bedeutung im Feld der systemischen Beratung und Therapie ungebrochen. In der Zeitschrift systhema haben Haja Molter und Karin Nöcker 2012 versucht, Aspekte der Theorie der sozialen Systeme nach Niklas Luhmann, insbesondere seiner Kommunikationstheorie, auf den Nutzen und mögliche Konsequenzen für die systemische Praxis zu befragen.
Heute feiert Fritz B. Simon seinen 70. Geburtstag (auch die systemischen Youngster der frühen 80er kommen in die Jahre 🙂 – und systemagazin lässt ihn hochleben. Seine vielfältigen Beiträge zur Entwicklung der systemischen Theorie, Praxis und Weiterbildung in den Feldern der Psychotherapie, Beratung, Supervision, Coaching, Organisationsentwicklung sind gar nicht mehr zu zählen, die Liste seiner Bücher und Aufsätze zu allen möglichen Themen und Fragestellungen könnte schon selbst ein kleines Buch ergeben – mit dem Carl-Auer-Verlag hat er den ersten rein systemisch orientierten Verlag mitbegründet. Seine internationalen Aktivitäten, vor allem die Entwicklung der systemischen Therapie in China und seine Arbeit für die Europäische Familientherapie-Vereinigung EFTa, nicht zu vergessen. All das hier noch einmal aufzuzählen, hieße Eulen nach Athen tragen.