Arist von Schlippe, Osnabrück: Paradoxe Zeiten
Nun ist sie also da, die lang erwartete Anerkennung der systemischen Therapie. Ich erinnere mich gut an die entscheidende Sitzung in Köln am 18.12.2004, auf der eine Gruppe von zwölf Kolleginnen und Kollegen aus Wissenschaft und Praxis, zusammen mit VertreterInnen der SG (ich war damals im Vorstand) und der DGSF nach langer und kontroverser Diskussion entschied, noch einmal in die Auseinandersetzung zu gehen, ein neues Gutachten und einen neuen Antrag auf den Weg zu bringen und dafür zu kämpfen, dass die systemische Therapie als wissenschaftlich anerkanntes Verfahren sich auf Augenhöhe in der Versorgung psychischer Erkrankungen behaupten kann. Und nun ist die Anerkennung da, endlich und nach all der Vorarbeit wohlverdient.
Moment mal, habe ich da gerade, ganz locker und ohne nachzudenken (natürlich nicht…) das Wort „psychische Erkrankungen“ verwendet und auch noch ohne Anführungszeichen? War da nicht was? Genau! Ein Kernthema, ein Essential eines systemischen Blicks auf die Welt ist es doch, immer wieder kritisch zu hinterfragen, inwieweit es nicht ein Kategorienfehler ist, Phänomene mit medizinischen Begriffen zu belegen, die in sich im Bereich menschlicher Sinnerzeugung bewegen. Diese, die Sinndimension, ist bekanntlich psychischen und sozialen Systemen vorbehalten, während „Krankheit“ sich auf der Ebene „Leben“, also biologischer Systemprozesse bewegt. Die Skepsis der systemischen Therapie war schon in den Anfängen und ist bis heute groß, ob eine Nomenklatur, die bestimmte psychische Phänomene als „Krankheit“ bezeichnet, nicht genau an der Erzeugung und „Betonierung“ eben der Phänomene beteiligt ist, die sie nur harmlos zu „beschreiben“ vorgibt. Denn hier haben wir es mit Phänomenen zu tun, die man sich nicht vorstellen kann, ohne die Art und Weise mitzubedenken, wie ein Mensch mit sich selbst und/oder mit anderen spricht. Die Beschreibung greift in das Beschriebene ein, wir wie wissen. Wenn wir die Art, wie Menschen leidvoll Sprache verwenden, als „Krankheit“ bezeichnen, dann erzeugen wir aus Sicht systemischer Erkenntnistheorie eine Paradoxie. Weiterlesen →
Barbara Bräutigam, Stralsund: Kleine Dystopie
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Bruno Hildenbrand, Marburg: Muss überall draufstehen, was drin ist?
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Heute vor 20 Jahren ist Niklas Luhmann (8.12.1927 – 6.11.1998) gestorben. Auch wenn sein primäres Interesse einer Systemtheorie der Gesellschaft galt, ist seine Ausstrahlung und Bedeutung im Feld der systemischen Beratung und Therapie ungebrochen. In der Zeitschrift systhema haben Haja Molter und Karin Nöcker 2012 versucht, Aspekte der Theorie der sozialen Systeme nach Niklas Luhmann, insbesondere seiner Kommunikationstheorie, auf den Nutzen und mögliche Konsequenzen für die systemische Praxis zu befragen.