systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

19. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Menschenleben heißt Sterbenlernen

Hubert Markl, emeritierter Professor für Biologie an der Universität Konstanz und ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Max-Planck-Gesellschaft, hat im neuen Merkur einen bemerkenswerten Aufsatz mit dem Titel„Menschenleben heißt Sterbenlernen“ verfasst, der sich mit der Todesverleugnung in unserer Gesellschaft beschäftigt:„Die derzeitige Debatte über unsere demographische Wirklichkeit dringt unaufhaltsam aus Forschungsinstituten und Hörsälen in die Medien und erobert die Köpfe derer, die doch längst zugleich Verursacher und Opfer dieser Entwicklung sind. Viele meinen, sich nur um Altersversorgung, Rentensicherheit und Pflegenotstand ängstigen zu müssen. Andere flüchten vor der Wirklichkeit in Nachwuchssehnsüchte oder Schönrederei des Alterns. Aber wer die Menschheit auf längere Sicht überleben lassen will, kann nicht deren weiteres unbegrenztes Wachstum erträumen; und er weiß auch, daß der demographische Übergang in den bevorstehenden Generationen eine Sterbewelle an Alten zur Folge haben wird, die der – zumeist infektionskrankheitsbedingten – Sterbewelle der Jüngsten in früheren Jahrhunderten nicht nachsteht und dennoch nur scheinbar gleicht. Denn wo diese grausam, aber schnell für die unvermeidliche Populationsbegrenzung durch den frühen Tod von Kindern sorgte, die kaum ins Bewußtsein einer Gemeinschaft getreten waren, bringt es der medizinische Fortschritt im Verein mit humanitärer Gesinnung mit sich, daß das Sterben der vertrauten und mitten im Leben der Gesellschaft stehenden Alten viel grausamer hinausgezögert und bis zur Unerträglichkeit verlängert wird. Verbunden wird dies mit dem Todesbekämpfungswahn eines gewichtigen ökonomischen, aber karitativ einherkommenden Sektors, der sich auch an notwendiger Pflege, Betreuung und Behandlung geschickt zu bereichern weiß, während er dabei immer nur von Gottesfurcht und Menschenliebe redet und manchmal geradezu von erhabener Moral trieft (aber oft auch tatsächlich von ihr überzeugt ist)“
Der Beitrag mündet in ein nachdrückliches Plädoyer für die unveräußerbare Verfügung des mündigen Bürgers über sein eigenes Leben und seinen eigenen zukünftigen Tod, gerade auch bestimmt für den Zeitpunkt, in dem er diese Verfügung selbst nicht mehr in eigene Hände nehmen kann:„Es grenzt schon ans Groteske, wenn Grundgesetz und Staat den eigenen Willen von Bürgern in Vermächtnissen und Stiftungswillensbekundungen bis weit über den individuellen Tod hinaus schützten, die Eigenverfügung über Leib und Leben des Einzelnen selbst jedoch für minder beachtlich fänden – eine andere Art, Eigentum über Leben zu beanspruchen, selbst wenn der Einzelne dies als lästiges Verhängnis und Übel empfinden sollte. Wer Selbsttötung aus freier Entscheidung wie eine Geisteskrankheit diffamiert, versucht dem Menschen Würde und Freiheit zu rauben, wenn diese sich gerade im Extremfall bewähren müssen“
Zum vollständigen Text…

18. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Kritik der Literatur über die Erblichkeit von Schizophrenie

Der Sammelband über„Schizophrenie und Familie“ aus dem Jahre 1960, der Ende der 60er Jahre von Jürgen Habermas und Niklas Luhmann in der deutschen Übersetzung herausgebracht wurde, ist längst ein Klassiker der Familientherapie-Literatur und gehört zum Kern systemischer Geschichte. Eine Anschaffung empfiehlt sich also für alle, die sich für die Ursprünge der gegenwärtigen Entwicklungen im systemischen Feld interessieren. Der Beitrag von Don D. Jackson, Mitbegründer und Spiritus Rector der Palo Alto Gruppe, zur„Kritik der Literatur über die Erblichkeit von Schizophrenie“ ist auch online zu lesen.
Zum vollständigen Text…

17. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Lieber Herr Oettinger,

wir sind – offen gestanden – ein bisschen enttäuscht von Ihnen. Da haben Sie in der letzten Woche mit einer aufrechten Rede Ihren Parteifreund Hans Filbinger zu Grabe getragen und sich damit endlich einmal in der Bundesrepublik auch bei denen bekannt gemacht, die gar nicht wussten, dass es Sie gibt. Und nun dieser Fallrückzieher. Angst vor dem Feind in den eigenen Reihen. Fahnenflucht! Wissen Sie, was Herr Filbinger noch nach Kriegsende mit einem wie Sie gemacht hätte? Gar nicht auszudenken. Also denken Sie lieber noch mal über Ihre Entschuldigung nach. Denn was letzte Woche noch Recht war, kann schließlich heute nicht Unrecht sein.
Mit besten Grüßen

Ihr systemagazin

17. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

„Survival kit“ für die abenteuerlichen Reisen zwischen Familie und Beruf

Matthias Lauterbach ist in der letzten Zeit durch seine beraterischen und publizistischen Aktivitäten in Sachen Gesundheitscoaching verstärkt in der Öffentlichkeit präsent gewesen. In seinem Aufsatz für die Systemische Bibliothek beschäftigt er sich auf angenehm zu lesende und nachdenklich machende Weise mit der Balance von Arbeit und Leben, neudeutsch auch gerne Work-Life-Balance genannt. Wir sind Lauterbach zufolge ständig auf der Reise zwischen den unterschiedlichen Welten und dabei ist insbesondere die Bewältigung der Übergänge von Interesse. Hierfür„survival kits“ zu entwickeln ist sein Anliegen:„Survival kits nimmt man auf Reisen mit, um für den extremen Notfall gerüstet zu sein (Flugzeugabsturz in der Sahara, Reifenpanne am Nordpol…). Je nach Sicherheit des Reiselandes und der Reiseart und je nach dem Absicherungsbedürfnis des Reisenden kommt das Kit zum Einsatz. Wenn wir die unterschiedlichen Lebenswelten wie Arbeitswelt, Familie, Hobby etc., die von Menschen bevölkert werden, mit geographischen Metaphern beschreiben, bietet sich das Reisen als Metapher für den ständigen Wechsel der Menschen zwischen diesen Welten an. Das ist auch nicht abwegig, da viele Menschen tatsächlich zwischen diesen Welten reisen, seien es Arbeitswege oder die Wege zu einem entfernt stattfindenden Bundesligaspiel. In diesem Bild bleibend stellen sich Fragen nach den notwendigen Vorbereitungen für diese Reisen, nach der Ausstattung, dem Kartenmaterial, den Schutzimpfungen etc. und nicht zuletzt nach der inneren, seelischen Vorbereitung und der Konzentration auf die Reise“
Zur Systemischen Bibliothek…

16. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Hirnforschung und psychische Störungen

Die 200. Rezension, die im systemagazin veröffentlicht wird, stammt von Andreas Manteufel. Er bespricht ein Buch von F. Scott Kraly mit dem Titel„Brain Science and Psychological Disorders: Therapy, Psychotropic Drugs, and the Brain“. Andreas Manteufel ist ein wenig ambivalent:„Um es gleich zu sagen: Das vorliegende Werk glänzt nicht mit neuen Erkenntnissen oder originellen Einsichten, ist aber ein didaktisch und sprachlich gut gestaltetes Buch, das auch Leser mit wenigen Vorkenntnissen in eine schwierige Thematik einführt. Zum Beispiel verbinden kleine Fallvignetten den Text immer wieder mit der klinischen Praxis“ Sein Resümee:„Die Stärke des Buches liegt im Informationsgehalt auf sprachlich einfachem und klarem Niveau. Der Hinweis auf Komplexität und das Nicht-Wissen in der Neurobiologie ist verdienstvoll. Doch die hemdsärmelige Übernahme des pharmakologischen Wirkmodells und der unhinterfragte Pragmatismus (Hauptsache: Gehirnprozesse gezielt verändern) hinterlassen einen unangenehmen Beigeschmack“
Zur vollständigen Rezension…

15. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Im Frühling

Heute kein systemagazin-Eintrag: Zu schön der sommerliche Schluss der Osterferien, als dass man hätte arbeiten können. Aber doch noch ein Frühlingsgedicht:

Hier lieg ich auf dem Frühlingshügel:
Die Wolke wird mein Flügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag mir, all-einzige Liebe,
Wo du bleibst, daß ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.
Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen,
Sehnend,
Sich dehnend
In Lieben und Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wann werd ich gestillt?
Die Wolke seh ich wandeln und den Fluß,
Es dringt der Sonne goldner Kuß
Mir tief ins Geblüt hinein;
Die Augen, wunderbar berauschet,
Tun, als schliefen sie ein,
Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.
Ich denke dies und denke das,
Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was;
Halb ist es Lust, halb ist es Klage;
Mein Herz, o sage,
Was webst du für Erinnerung
In golden grüner Zweige Dämmerung?
– Alte unnennbare Tage!

Eduard Mörike

14. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Die Überschneidungen von Systemtheorie und Grounded Theory

In der qualitativen Sozialforschung hat sich der Ansatz der„Grounded Theory“, der von Anselm Strauss und Barney Glaser repräsentiert wird, weithin Ansehen verschafft. In einer Arbeit für die Open Access-Zeitschrift„Qualitative Sociological Review“ 2005 haben Barry Gibson, Jane Gregory und Peter G. Robinson versucht, die Schnittstellen der Grounded Theory mit der Systemtheorie Niklas Luhmanns herauszuarbeiten. In ihrem abstract heißt es:„The aim of this paper is to outline how a theoretical intersection between systems theory and grounded theory could be articulated. The paper proceeds by marking that the important difference between systems theory and grounded theory is primarily reflected in the distinction between a revision of social theory on the one hand and the generation of theory for the social world on the other. It then explores figures of thought in philosophy that relate closely to aspects of Luhmann’s theory of social systems. An effectual intersection, an operational intersection, an intersection based on the concept of primary redundancy and a global/transcendental intersection between systems theory and grounded theory are proposed. The paper then goes on to briefly outline several methodological consequences of the intersection for a grounded systems methodology. It concludes by discussing the sort of knowledge for the social world that is likely to emerge from this mode of observation“
Zum vollständigen Artikel…

13. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Familienpolitik als hot topic

Familienpolitik ist derzeit in aller Munde. Ein Grund für die Herausgeber der Familiendynamik, sich mit den unterschiedlichen (oder ähnlichen) familienpolitischen Konzepten zu beschäftigen. Das neue Heft versammelt einen Überblick der familienpolitischen Programme aller im Bundestag vertretenen Parteien mit dem Ziel, einen„kritischen, auch kontroversen Dialog zwischen Familienpolitik und Familienexperten anzustoßen“ (104). Das wäre nun für sich genommen keine besonders hinreißende Lektüre, da die Programme genau das liefern, was man von Politikerprogrammen erwarten kann. Interessant ist aber die Rahmung der Texte, die sich die Herausgeber haben einfallen lassen. In einem ersten Beitrag macht der Familiensoziologe Hans Bertram, der Vorsitzende der Sachverständigenkommission zum 7. Familienbericht der Bundesregierung, darauf aufmerksam, dass junge Erwachsene heute im Gegensatz zu ihren Eltern angesichts der gegenwärtigen Anforderungen an Ausbildung, Beruf und Karriere nur halb so viel Zeit für die familiäre Zukunftsgestaltung bis zum 35. Lebensjahr haben, sich sozusagen in einer Rushhour des Lebens befinden. Die Zukunft der Familie hängt Bertram zufolge auch und vor allem von einem gelingendem gesellschaftlichen Umgang mit (Entwicklungs-)Zeit ab. Kurt Ludewig macht in einem engagierten Beitrag deutlich, dass die wirklich Benachteiligten von den gegenwärtigen Initiativen zur Förderung der Familie wahrscheinlich wenig profitieren werden:„Das Kindeswohl als Grundprämisse familienpolitischen Planens und Handelns anzusetzen ist nur dann sinnvoll, wenn dieser abstrakte Wert, der nur im jeweiligen Kontext verbindlichen Normcharakter gewinnen kann, nicht auf das reduziert wird, was die gebildete deutsche Mittelklasse dafür hält“ (122). Als dritter rahmender Beitrag fungiert ein in Anlehnung an einen Begriff von Bateson„Metalog“ genanntes Gespräch zwischen Oliver und Tomke König. Tomke König ist Soziologin und habilitiert derzeit zum Thema häusliche Arbeitsteilung an der Universität Basel, ihr Mann ist ebenfalls Soziologe und arbeitet in freier Praxis als Gruppentherapeut und Supervisor. Beide versuchen in ihrem Gespräch, den Politiker-Texten textimmanent auf den Zahn zu fühlen und zu erschließen, welche impliziten Problemdefinitionen den vorgestellten Lösungsangeboten zugrunde liegen. Darüber hinaus reflektieren sie aber auch ihre persönliche Situation als„junges Paar“ und vergleichsweise„alte Eltern“, die gerade ein anspruchsvolles Zeitmanagement mit einem Neugeborenen zu bewältigen haben. Ein interessantes Heft!
Zu den vollständigen abstracts…

12. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Das Schweigen in Organisationen

Es ist mittlerweile ein Allgemeinplatz geworden, dass die interprofessionelle Zusammenarbeit in Organisationen aller Art von einer offenen und nicht anklagenden Kommunikation über Fehler und Schwierigkeiten bei der Arbeit profitieren kann. Umgekehrt blockiert das Schweigen über Probleme und Fehler (aus welchen Gründen auch immer) nicht nur die Verbesserung der Zusammenarbeit, sondern ist in bestimmten Feldern ausgesprochen gefährlich, etwa in Krankenhäusern. Bekannt ist, dass bei dem weitaus größten Anteil von Todesfällen Patienten nicht an den Krankheiten sterben, wegen derer sie ins Krankenhaus gekommen sind. In der Zeitschrift„Health Services Research“ (8/06) ist ein interessanter Artikel von Kerm Henriksen und Elizabeth Dayton aus Rockville (Maryland) erschienen, der sich mit dem Schweigen in der Organisation und den damit verbundenen Gefährdungen der Patientensicherheit beschäftigt. Blackwell Publishing hat diesen Artikel, der auch über Krankenhaus-Organisationen hinaus von Interesse ist, online freigegeben. In der Zusammenfassung schreiben die Autoren:
„Organizational silence refers to a collective-level phenomenon of saying or doing very little in response to significant problems that face an organization. The paper focuses on some of the less obvious factors contributing to organizational silence that can serve as threats to patient safety. Converging areas of research from the cognitive, social, and organizational sciences and the study of sociotechnical systems help to identify some of the underlying factors that serve to shape and sustain organizational silence. These factors have been organized under three levels of analysis: (1) individual factors, including the availability heuristic, self-serving bias, and the status quo trap; (2) social factors, including conformity, diffusion of responsibility, and microclimates of distrust; and (3) organizational factors, including unchallenged beliefs, the good provider fallacy, and neglect of the interdependencies. Finally, a new role for health care leaders and managers is envisioned. It is one that places high value on understanding system complexity and does not take comfort in organizational silence“
Zum vollständigen Text…

11. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Die Funktionalität der Alkoholabhängigkeit auf dem Hintergrund mehrgenerationaler familiärer Muster

So lautet der Titel der Dissertation von Brigitte Gemeinhardt, systemische Psychotherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg–Eppendorf aus dem Jahre 2005.„Die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit ist die nach der Funktionalität des Symptoms der Alkoholabhängigkeit in der Mehrgenerationenperspektive auf verschiedenen Ebenen des familiären Systems. Die Betrachtung der den familiären Strukturen zugrunde liegenden Muster ist dabei ein wesentlicher Schritt zur Beantwortung dieser Fragestellung. Es wurde erwartet, dass die Ergebnisse zur Formulierung einer Theorie bezüglich der Funktionalitäten der Abhängigkeitserkrankung über die Generationen beitragen können. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden die Muster in den Herkunftsfamilien von sechs Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit betrachtet. Die Betroffenen befanden sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung in der stationären Behandlung zum qualifizierten Alkoholentzug. Das Genogramm, ein in Therapie und Diagnostik etabliertes Instrument zur Strukturierung mehrgenerationaler Daten diente als Erhebungsinstrument. Die Ergebnisse zeigen in allen Biografien eine Funktionalität der Alkoholabhängigkeit auf unterschiedlichen Ebenen auf. Diese sind im Gesamtzusammenhang einzigartig, in vielen Facetten jedoch vergleichbar und stellen sich in einer großen Variationsbreite dar. So stellt die Erkenntnis, dass das Symptom der Suchtmittelabhängigkeit im familiär systemischen Kontext sowohl eine individuelle als auch eine familiäre bzw. beziehungsgestaltende Funktion einnehmen kann, ein wichtiges Ergebnis dar. Ein Symptom kann hier auch – im systemischen Sinne – generell von anderen Familienmitgliedern übernommen, quasi „vererbt“ werden. In einer Gesamtbetrachtung lassen die Ergebnisse verschiedene Schlüsse zu, die auf andere Familien von alkoholkranken Patienten übertragbar scheinen“
Zum vollständigen Text…

10. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Supervision in sich verändernden Organisationen – zwischen Anbieterkompetenz und Nutzererwartung

Am 2. und 3. März 2007 versammelten sich im Berliner Hotel Alexanderplatz, das sich irritierenderweise nicht am Alexanderplatz, sondern allenfalls in seiner „näheren Umgebung“ befindet, ansonsten aber ein für den Zweck dieser Tagung bestens geeignet war, über 200 Supervisorinnen und Supervisoren der unterschiedlichsten Fachverbände zur zweiten Tagung des „Verbändeforum Supervision“. Das Verbändeforum ist ein lockerer Zusammenschluss mehrerer Berufs- und Fachverbände, der zur Förderung des Austausches über Verbandsperspektiven hinweg dienen soll. Die Tagung wurde mit einem Vortrag von Rudi Wimmer (Foto) eröffnet. Für den erkrankten Wolfgang Looss sprang spontan und souverän Heidi Möller (Innsbruck) ein. Die Evaluation der Tagung zeigte, dass Thema, Referenten und das Tagungsambiente gut bei den TeilnehmerInnen angekommen sind. Tom Levold hat einen Tagungsbericht geschrieben.
Zum vollständigen Bericht…

9. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Forcierte Ambivalenzen. Ehescheidung als Herausforderung an die Generationenbeziehungen unter Erwachsenen

Unter diesem Titel haben die Familiensoziologen Kurt Lüscher und Brigitte Pajung-Bilger 1998 eine ausgezeichnete, wenngleich derzeit nur noch antiquarisch erhältliche Untersuchung vorgelegt, in denen in„Interviews mit Geschiedenen und deren Eltern oder Kindern, ein Dreigenerationenmodell also, in dem immer zwei Generationen aus ihren jeweiligen Perspektiven zu den durch die Scheidung ausgelösten Prozessen befragt werden“ Oliver König schreibt 2000 in einer ausführlichen Besprechung:„Therapeuten wird es nicht verwundern, daß hier schon einige Zugangsprobleme auftauchen, signalisiert doch die Bereitschaft, über eine Scheidung mit einem Forscher zu reden, schon eine in Ansätzen reflexionsbereite Haltung und damit einen bestimmten Umgang mit der Scheidung. Für eine qualitative Forschung, die Struktur und Dynamik und nicht Repräsentativität im Auge hat, ist dies aber zweitrangig. Die zum Teil in direkter Gegenüberstellung dokumentierten Interviews und die in ihnen zur Geltung kommenden Deutungsmuster werden als Handlungsmaximen aufgefaßt, die sich aus der Spannung zwischen ,der normativen, institutionellen und der subjektiven, beziehungsgeschichtlichen Dimension sozialer Beziehungen‘ ergeben. Diese Deutungsmuster werden in einem Vierfelderschema über zwei Dimensionen differenziert“ Nach einer genauen Darstellung dieser Deutungsmuster fasst König resümierend zusammen:„Für die (Familien)Therapie bieten die Überlegungen der Autoren vielfältige anschlussfähige Ideen, z.B. für eine sozialwissenschaftlich, d.h. konsequent interpersonell orientierte Diagnostik, und zudem eine empirische Bestätigung für viele Annahmen der mehrgenerationalen Therapie. Besonders lesenswert sind die vielen Falldarstellungen, die im Gegensatz zu den üblicherweise in der psychotherapeutischen Literatur vorliegenden stark theoriegesättigt sind und in denen dennoch die interpretativen Verdichtungen individueller Geschichten beispielhaft nachvollzogen werden können“
Zur vollständigen Besprechung