systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

3. Mai 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Lieber Nicolas Sarkozy

im gestrigen TV-Duell hat Ihre Konkurrentin um das französische Präsidentenamt Sie, den Kampfstern Galactica der französischen Nation (nachdem Sie dafür plädiert haben, jedem behinderten Kind einen Platz in einer öffentlichen Schule anzubieten) offen angegriffen, nur weil Ihre Regierung in den vergangenen Jahren die Mittel für die pädagogischen und therapeutischen Fachkräfte für die Integration behinderter Kinder gestrichen hat. Das nannte sie den„Gipfel der politischen Immoralität“. Diese Entgleisung hat uns sehr sehr erschüttert. Erleichtert waren wir, als Sie daraufhin die nachdenkenswerte Frage gestellt haben:„Darf ein Präsident aggressiv sein?“. Die Antwort versteht sich wohl von selbst. Dennoch lässt uns diese Frage seitdem nicht mehr los. Nach einer durchgrübelten Nacht möchten wir noch etwas präziser nachfragen. Meinten Sie vielleicht: darf eine Frau, die Präsident werden möchte, aggressiv sein? Oder vielleicht noch präziser: sollte überhaupt eine Frau Präsident werden dürfen? Wir hoffen, dass alle Franzosen und Französinnen über diese Fragen intensiv nachdenken werden. Sie haben dafür ja noch ein paar Tage Zeit. Zumal eine Frage – mit Verlaub – schon längst keiner Antwort mehr bedarf: immerhin dürfen Arschlöcher Präsident werden – wenn sie denn gewählt werden.
Noch viel Spaß beim Wahlkampf wünscht

Ihr systemagazin

3. Mai 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Journal of Family Therapy 2/2007

Das aktuelle Heft des Journal of Family Therapy beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Rolle der Psychotherapeuten in der Therapie. Nach einem Nachruf von Carlos Sluzki auf den im Februar verstorbenen Jay Haley eröffnet der Band mit einer Diskussion eines Aufsatzes von George M. Simon über die Rolle des Therapeuten als Brücke zwischen allgemeinen und schulenspezifischen Wirkfaktoren, an der sich Thomas L. Sexton, Douglas Sprenkle und Adrian Blow beteiligen. Astri Johnsen plädiert dafür, sich bei die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht auf das systemische Handwerkszeug alleine zu verlassen, sondern andere Wissensperspektiven wie Entwicklungspsychologie, Affekttheorie, Verhaltensgenetik, Hirnforschung u.a. stärker in die eigene Modellbildung einzubeziehen. Matthew Klaushofer untersucht verschiedene rhetorische Stile von systemischen TherapeutInnen (z.B. Anderson, Minuchin und Boscolo) und lädt dazu ein, die rhetorische Macht therapeutischer Praxis auch dann zu reflektieren, wenn sie scheinbar„machtlos“ daher kommt. Stacey L. Sinclair knüpft an diskurstheoretische und genderbezogene Überlegungen von Hare-Mustin aus den 90er Jahren an und betont, dass auch heute ohne eine diskursanalytische Reflexion die Einbettung therapeutischer Vorgehensweisen in kulturelle Praktiken zu wenig berücksichtigt wird. Das Heft wird durch einen Forschungsartikel über den Zusammenhang der subjektiven Wahrnehmung gegenwärtigen Familienlebens von 50jährigen und deren Erinnerungen an den elterlichen Stil in den eigenen Ursprungsfamilien.
Zu den vollständigen abstracts…

2. Mai 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Wunderfrage und „Wunderantworten“

Für Freunde des lösungsorientierten Ansatzes gibt es in der Schweiz seit einiger Zeit ein kleines Magazin mit Namen„Wunderantwort“, das viermal jährlich in einer Auflage von 4000 Exemplaren erscheint, aber auch online unter www.wunderantwort.ch zu lesen ist. In der aktuellen Ausgabe sind Auszüge aus einem Gespräch mit der verstorbenen Insoo Kim Berg zu finden sowie ein Text von Gunther Schmidt. Viel Spaß beim Lesen!

2. Mai 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Geschlecht als Konstruktion

Sybille Moser, in Tirol lebende Kunsthistorikerin, Philosophin und Malerin nähert sich in einem ausführlichen Text der Genderfrage aus der Sicht des Radikalen Konstruktivismus und der Soziologischen Systemtheorie. In ihrem abstract schreibt sie:„Der Text stellt Judith Butlers Dekonstruktivismus den Konstruktionsbegriff des Radikalen Konstruktivismus und der soziologischen Systemtheorie gegenüber und markiert in beiden Diskursen erste Anschlussstellen für die Genderforschung. Die kognitiven Dimensionen des Konstruktionsbegriffs werden anhand zentraler Argumente des Radikalen Konstruktivismus eingeführt und mit Schlüsselkonzepten wie Autopoiesis, Selbstreferenz, Selbstorganisation und Schema erläutert. Die Konstruktion von Geschlecht erscheint als spezifische Wissensorganisation auf leiblicher, psychischer und sozialer Ebene. Zwei kontroverse Positionen der soziologischen Systemtheorie illustrieren die Fortführung der kognitionstheoretischen Argumentation auf soziokultureller Ebene und schließen die Mikro-Makro-Problematik des Konstruktionsbegriffs mit dem Emergenzbegriff kurz. Am Beispiel der konstruktivistischen Medienkulturtheorie wird skizziert, wie die internen Differenzen zwischen Radikalem Konstruktivismus und Luhmanns Systemtheorie konstruktiv vermittelt werden könnten. Die Geschlechterdifferenz erscheint als soziales Wissen über kulturelle Ausdrucksformen, das je nach Beobachtungsebene als Mechanismus gesellschaftlicher Differenzierung bzw. Entdifferenzierung realisiert wird“
Zum vollständigen Text…

1. Mai 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Einführung in die Praxis der systemischen Therapie und Beratung

Rudolf Klein und Andreas Kannicht, beide erfahrene Lehrtherapeuten und Mitbegründer der Saarländischen Gesellschaft für Systemische Therapie, seit kurzem auch Teilhaber des Wieslocher Instituts für systemische Lösungen, haben für den Carl-Auer-Verlag eine Einführung in die Praxis systemischer Therapie und Beratung geschrieben. Tom Levold:„Einführungsbücher machen es oft nicht nur dem Leser ein bisschen leicht, sondern auch sich selbst. Im Unterschied dazu legen Rudolf Klein und Andreas Kannicht einen ebenso theoretisch fundierten wie erfahrungsgesättigten Führer durch die Grundzüge der Praxis systemischer Therapie und Beratung vor, der auf wohltuende Weise auf Komplexität beharrt, ohne sich in Metatheorien zu verzetteln. … Den Autoren ist es angesichts des durch das Konzept der Buchreihe vorgegebenen begrenzten Rahmens gelungen, nicht nur eine informative Einführung in systemische Therapie und Beratung zu schreiben, sondern dabei auch eigene Akzente zu setzen, die zur weiteren Lektüre oder Selbstreflexion anregen – mehr kann man von einer Einführung nicht verlangen“

30. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Liebe Bildzeitung

wir vom systemagazin finden es wirklich total toll, dass Du Dir vorgenommen hast, endlich mit den vielen Geschmacklosigkeiten in unserer modernen Welt aufzuräumen. Z.B. am letzten Samstag mit den widerlichen Geschmacklosigkeiten von Herrn Raab (Foto aus: Bildblog.de). Niemand hat schöner formuliert, was wir unter einer Geschmacklosigkeit verstehen müssen, als das Grimmsche Wörterbuch, nämlich einen Mangel„an gefühl für das schöne und schickliche, an feinsinn und urtheilskraft“. Und wo wäre dieses Gefühl besser aufgehoben als in Deinen Redaktionsstuben? Verbunden mit dem Mut, die Wahrheiten auch auszusprechen? Wer könnte besser die Massen wieder an das Schöne und Schickliche heranführen als Du? Wir haben natürlich Verständnis, dass das nicht von heute auf morgen geht. Immerhin muss man die Massen ja dort abholen, wo sie stehen (wer immer sie dahin gebracht hat). Oder hat es einen anderen Grund, dass das Ausrufungszeichen in der Schlagzeile irgendwie begeistert wirkt? Aber nichts für ungut, wahrscheinlich sind nur wieder feinsinn und urtheilskraft mit uns durchgegangen.
Beste Grüße

Dein systemagazin

30. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Alter als Lösung, nicht als Problem

Irmhild Saake, Akademische Rätin am Münchener Lehrstuhl für Soziologie (Armin Nassehi), hat sich intensiv mit der Konstruktion des Alters befasst. In einem Vortrag, den sie auf der Tagung der Sektion ‚Alter(n) und Gesellschaft‘ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Jahre 2001 gehalten hat, geht es ihr um einen„systemtheoretischen Ausweg aus gerontologischen Denkschleifen“:
„Womit beschäftigen wir uns, wenn wir das Alter erforschen? Mit dem Alter? Mit alten Menschen? Mit alten Körpern? Oder gar nur mit Alternsforschern und ihren Theorien? Seit Hans-Peter Tews’ demographischen Studien sprechen wir statt vom Alter besser von Altersbildern. Und auch Hans Joachim von Kondratowitz weist immer wieder darauf hin, dass wir es mit„kulturellen Repräsentationen“ zu tun haben. Ich möchte im folgenden diesen Hinweisen folgen und diesen Ansatz noch ein wenig radikalisieren. Wenn wir von Altersbildern reden, beobachten wir Semantiken, die eine Inklusion von Personen qua Alter nachzeichnen. Und was wir dann sehen können, sind alte Menschen. Genau das will ja die Gerontologie und man sollte meinen, damit wäre der Rahmen einer entsprechenden Erforschung des Alters abgesteckt. Meine These lautet nun aber: Solange die Alternsforschung sich damit zufrieden gibt, nach Alter zu fragen, verfängt sie sich in gerontologischen Denkschleifen, die immer wieder neue Altersbilder produzieren. Was bleibt, ist dann nur noch der Streit über richtige oder falsche Bilder. Statt dessen möchte ich vorschlagen, den Entstehungsweg dieser Altersbilder zurückzuverfolgen und sie auf ihre Plausibilität hin zu untersuchen. Das Alter erscheint dann nicht als Problem, sondern als Lösung eines Problems. Mit der Verwendung der Kategorie Alter entstehen Strukturen, die uns die Kommunikation erleichtern und – so kann man nun auch sehen – die vielleicht auch anders aussehen könnten. Statt über Alter könnte man auch über anderes reden. Die Kategorie Alter wird so ihrer ontologischen Würde entkleidet und wird nun befragbar im Hinblick auf Konstanzen und Varianzen, die sich mit diesem Thema verbinden lassen. Ich möchte Sie zunächst mit ein paar konstruktivistischen Gedanken für diesen Perspektivenwechsel begeistern (1), werde dann auf systemtheoretischer Basis Inklusionen qua Alter untersuchen (2), um dann die Konsequenzen für die Alternsforschung zu beleuchten (3)“
Zum vollständigen Text…

29. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Die Soziale Arbeit der Sozialen Arbeit? – Ein kurzer Blick auf die (Selbst-)Beobachtung eines Funktionssystems

Thomas Wagner befasst sich mit dem systemtheoretisch formulierten Spannungsfeld zwischen Hilfe und Nichthilfe in der Sozialarbeit und warnt davor Hilfe mit sozialer Inklusion und Nichthilfe mit Exklusion gleichzusetzen:
„Nicht zuletzt deshalb kann die Differenz von Exklusion und Inklusion (…) auch nicht als eine Differenz von Problem und Lösung missverstanden werden. Soziale Arbeit scheint hier auf die vermeintliche Attraktivität des Begriffes der Exklusion zur Beschreibung sozialer Missstände hereinzufallen und demgegenüber in Inklusion die Lösung dieser zu sehen.9 Doch gerade auch die Formen der Inklusion in soziale Systeme sollte genauer beobachtet und auf keinen Fall … mit Gleichheit verwechselt werden. Letztlich sind es die Funktionssysteme die Ungleichheiten und, abweichend zu Nassehis Haltung, auch Exklusionen hervorbringen. Soziale Arbeit wäre an dieser Stelle gut darum beraten das vermeintliche Ziel ihrer Tätigkeit daraufhin zu beobachten, ob es selbst nicht Teil des eigentlichen Problems ist, gegenüber dem in manchen Fällen sogar vielmehr Exklusion als Lösung erscheint (…). Bei der Beobachtung Sozialer Arbeit muss somit auch immer ihre gesellschaftliche Umwelt mit in den Blick genommen werden. Wenn Soziale Arbeit als eine auf Inklusionsprobleme bezogene Form sozialer Hilfe angesehen werden soll, dann sollte dies auch eine Reflexion der Art und Weise nach sich ziehen in der Individuen durch Gesellschaft Berücksichtigung finden, was letztlich auch einen kritischen Blick auf gesellschaftliche Strukturen impliziert. Die Beobachtung und Thematisierung kommunikativer Strukturen sollte sich demnach nicht nur auf Personen erstrecken sondern auch auf die dahinter stehenden sozialen Systeme, die diese gemäß ihrer eigenen Systemrationalität konstituieren, gebrauchen und missbrauchen – oder eben auch vergessen“
Zum vollständigen Text…

27. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Katathym Imaginative Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen

Das Katathyme Bilderleben wurde in den 50er Jahren von Hans Carl Leuner als Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe Imaginationen und Tagträume psychotherapeutisch bearbeitet werden können. Aufgrund der eher tiefenpsychologischen Ausrichtung Leuners ist der Gewinn dieser Vorgehensweise auch für systemisch orientierte Therapeutinnen und Therapeuten nicht ohne weiteres ersichtlich. Das vorliegende Buch über Katathym Imaginative Psychotherapie (wie das Verfahren heute heißt) mit Kindern und Jugendlichen bietet eine aktuelle Einführung in den Ansatz mithilfe zahlreicher Fallbeispiele. Alexander Trost schreibt in seiner ausführlichen Rezension:„Dies ist ein einzigartiges Werk, das trotz seines für Systemiker etwas sperrigen Titels gerade in deren Kreisen Beachtung verdient. … Mir erscheint besonders bedeutsam, dass in der KIP ein ausgesprochen enger und ressourcenbetonter Feedbackprozess analog dem Pacing und Leading der Hypnotherapie M.H. Ericksons gegeben ist. … Besonders illustrativ für den Leser sind die lebendigen, und die eigene Imagination anregend geschriebenen Kasuistiken, angereichert mit einer Fülle von Zeichnung der Kinder und Jugendlichen. Hier wird die Methode auch zwischen den Buchdeckeln zum Leben erweckt und es wird deutlich, wie sinnvoll und synergetisch die katathymen Imaginationen mit bindungstheoretisch fundierten, strukturgebenden, und systemisch-familientherapeutischen Ansätzen zu verbinden sind“
Zur vollständigen Rezension…

26. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Inklusion und Exklusion

Rudolf Stichweh macht sich in einem Aufsatz mit dem Titel„Inklusion und Exklusion in der Weltgesellschaft – Am Beispiel der Schule und des Erziehungssystems“ Gedanken über das Verhältnis von Ein- und Auschließung aus sozialen Interaktionssystemen. Er beginnt dabei mit der ereignishaften Inklusion bzw. Exklusion von Schülern im Unterricht und landet schließlich doch bei der globalisierten Weltgesellschaft. Sein abschließendes Resümee dabei:„Es handelt sich bei Inklusion und Exklusion um eine Gegenbegrifflichkeit, in der einer der beiden Begriffe der Unterscheidung die Unterscheidung dominiert und den ihm gegenüberstehenden Begriff einschließt. In diesem Fall ist dies der Begriff der Inklusion, weil auch die noch so zugespitzten Exklusionen zugleich in die Form einer Inklusion gebracht werden müssen. Das ist nicht unbedingt eine optimistische Folgerung, weil, wie sich am Fall des Gefängnisses leicht zeigen lässt, die in die Exklusion eingebauten Institutionen der resozialisierenden Inklusion sich vielfach als problemverschärfend erweisen. Aber es ist eine Folgerung, die in zwei Hinsichten Spezifika der Weltgesellschaft sichtbar macht: Erstens führt sie uns einmal mehr vor Augen, wie sehr die Weltgesellschaft ein System ist, das ohne ein soziales Außen operiert, weil es auch die in ihm vollzogenen Ausschlüsse in neuen Formen wieder in sich inkorporiert. Zweitens weist diese Folgerung auf die Dynamik der Weltgesellschaft der Moderne hin. Die brasilianische Favela, die Luhmanns Überlegungen zu Inklusion und Exklusion inspiriert hatte, ist vermutlich nicht, wie Luhmann dies noch gedacht hatte, ein stabil abgesonderter Exklusionsbereich; sie ist vielmehr mitten in der Gesellschaft und mitten in den Städten (in Rio de Janeiro auf den Hügeln innerhalb der Stadt) ein Zentrum des Hervorbringens immer neuer und vielfach devianter Inklusionen und Vernetzungen. Sie unterläuft die funktionale Differenzierung und setzt sie lokal außer Kraft (wie dies die Kurzschlüsse kriminellen Handelns auch anderswo vielfach tun). Aber sie speist das, was sie erfindet, wieder in die Gesellschaft und in deren globale Funktionssysteme ein“
Zum vollständigen Aufsatz…

25. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Lieber Wolfgang Schäuble,

zugegeben – Ihr Plan, die Fingerabdrücke aller Deutschen in einer Datei zu sammeln, war gar nicht so schlecht, auch wenn das nun schon wieder vom Tisch ist. Aber Kopf hoch. Was sind schon Fingerabdrücke? Das ist doch, mit Verlaub, Technik von gestern. Fingerabdrücke sammelt man doch schon seit fast hundert Jahren. Das ist doch nichts, mit dem sich ein deutscher Innenminister in das Buch der Geschichte einschreibt. Mitten im Leben.
Versuchen Sie es doch mal mit etwas Modernerem. Der Fingerabdruck hilft Ihnen doch nur, Täter zu fangen, wenn sie ihre Tat schon begangen haben, richtig? Und Ihr Wunsch ist doch, die Täter schon zu erwischen, wenn sie noch gar nicht mit der Tat begonnen haben, oder? So verstehen wir jedenfalls Ihr Konzept von präventiver Schuldvermutung. Da hätten wir was für Sie. Die Firma Microsoft hat ja soeben eine neue Version ihres Betriebssystems auf den Markt geworfen, die (mit Hilfe amerikanischer Geheimdienste programmiert!) sicherstellt, dass die Rechner derjenigen Benutzer, die irgendwelche illegalen Programme, Musiktitel etc. auf ihrer Festplatte speichern, mal eben in bestimmten Funktionen vom Hersteller des Betriebssystems stillgelegt werden. Klingelt‘s schon?
Was halten Sie von der Idee, allen Bundesbürgern – am besten gleich nach der Entbindung – einen Chip ins Gehirn einzupflanzen, der es nicht nur erlaubt, alle illegalen Gedanken und Gefühle der Probanden rechtzeitig zu identifizieren, sondern auch noch rechtzeitig (bei entsprechendem Tatvorsatz) die jeweils relevanten motorischen oder geistigen Funktionen per Funksignal einfach stillzulegen? Das würde die Kriminalitätsrate minimieren und die Unschuldsvermutung wieder ein wenig leichter machen. Sprechen Sie doch mal mit den Leuten von Microsoft. Vielleicht können die Ihnen da was basteln.
Und wenn Ihre politischen Partner noch nicht so weit sind: kämpfen Sie wenigstens dafür, jedem Bürger als Tattoo einen Barcode mit seinen persönlichen Daten auf die Stirn brennen zu können. Verbrecher lieben Tattoos, weil das so cool aussieht. Darüber hinaus ist es ein preiswertes Mittel zur Verbrecherjagd. Denn Barcode-Scanner sind nicht nur schon für ein paar Euro zu haben, sondern können auch überall diskret angebracht werden. Ist das nichts?
Eine schöne neue Welt wünscht Ihnen schon jetzt
Ihr systemagazin

24. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Systemtheorie im klinischen Kontext

Felix Tretter ist klinischer Psychologe, Nervenarzt und leitender Arzt der Suchtabteilung im Bezirkskrankenhaus München Haar. Bei Pabst hat er 2005 eine umfangreiche Studie zur„Systemtheorie im klininischen Kontext“ veröffentlicht, die Rezensent Andreas Manteufel eher kritisch beurteilt:„Sehr ausführlich bereitet Tretter die systemwissenschaftliche Zugangsweise in den ersten drei Einführungskapiteln vor, bis hin zur philosophischen Reflexion. Dem Lesevergnügen entgegen wirken dürfte für viele die methodische Einschränkung auf des Autors Lieblingskind, die Computersimulation. Man gewinnt den Eindruck, dass die vielen Beispiele mehr über die Begrenzungen dieser Methode aussagen, als über ihren Erkenntnisgewinn. Unermüdlich ermutigt Tretter seine Leser, sich einer basalen Mathematik furchtlos zu stellen. Dank des Services im Anhang dürfte ihm das gelingen“
Zur vollständigen Rezension…

23. April 2007
von Tom Levold
Keine Kommentare

Lösungsfokussierte Therapie

Im Heft 1 des Psychotherapie Forum erschien 1999 ein Artikel von Peter Kaimer über„Lösungsfokussierte Therapie“, die er von der„Lösungsorientierten Therapie“ unterscheidet. Der Text ist auf seiner Website auch online zu lesen. Zum benannten Unterschied schreibt er:„Der Titel “Lösungsfokussierte Therapie” ist erklärungsbedürftig. Im anglo-amerikanischen Raum wird seit einiger Zeit, zumindest wenn man die Diskussionen im Internet beobachtet, zwischen lösungsorientiert und lösungsfokussiert unterschieden. Diese Unterscheidung schlage ich auch hier vor. Der Unterschied zwischen Lösungsorientierter und Lösungsfokussierter Therapie liegt einerseits in der Radikalität bezüglich der aktiven Thematisierung von präsentierten Problemen durch die Therapeut/inn/en. Während Lösungsorientierte Therapie hier eine eher “weiche” Linie verfolgt und durchaus bereit ist, das Problemverständnis zu vertiefen, verzichtet Lösungsfokussierte Therapie darauf weitgehend (wobei es vielleicht korrekter wäre zu sagen, dass sie der Versuchung widersteht…). Andererseits kommt bei lösungsorientierter Therapie aber auch der durch die Therapeutin initiierte Einsatz von therapeutischen Techniken, wie sie traditionell von verschiedensten Schulen beschrieben wurden, zur Anwendung (überzeugend verkörpert durch die Arbeit von Bill O’Hanlon …). Damit entspricht diese Richtung auch eher dem Bild, das man sich von einem expertenorientierten Therapieangebot macht, wo erprobte Techniken als Mittel zur Veränderung des Problemzustandes angeboten werden. Mit dem Begriff Lösungsfokussiert beziehe ich mich speziell auf die Konzeption des Brief Family Therapy Center (BFTC- in Milwaukee, Wisconsin, USA), welche vor allem durch die Arbeiten und weltweiten Workshops von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg (…) verbreitet wurden und die im folgenden ausführlich dargestellt werden soll“
Zum vollständigen Text