systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

4. August 2008
von Tom Levold
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Ana Ex

So heißt eine Kunstfigur, die externalisierte Magersucht, die Hauptakteurin eines 30-minütigen Films ist, der vom Institut für Systemische Therapie in Wien produziert wurde und beim Carl-Auer-Verlag erschienen ist.„Ana Ex ist die personifizierte Anorexie, verkörpert von einer Puppe. Im Gespräch mit einer Therapeutin plaudert sie aus der Schule und beantwortet bereitwillig Fragen“, heißt es im Verlagsprogramm. Ich habe mir den Film (mit der Altersangabe„ab 12 Jahren“) mit meinen beiden jüngsten Kindern angesehen. Meine Tochter (fast 11) war der Meinung, den Film könne man ohne weiteres empfehlen, äußerte aber Zweifel, ob man ihn noch jenseits der Klasse 6 ansehen könne. Mein jüngster Sohn, fast 9 Jahre alt, war vom Film und vor allem von der Idee schwer beeindruckt, dass man mit einer Krankheit sprechen könne, und stellte mir noch den ganzen Tag bis zum Einschlafen Fragen nach „Ana Ex“. Die Altersangabe scheint mir daher ein wenig zu hoch angesetzt zu sein. Inwiefern auch ältere Jugendliche, die an einer Magersucht leiden, durch die Art der Präsentation angesprochen werden, muss sich erweisen.
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3. August 2008
von Tom Levold
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Social Sculpturing



Eine neue Social-Art-Bewegung betreibt eine spannende Art der Öffentlichkeits-Irritation durch„Freezing“: Zahlreiche Menschen erstarren auf ein verabredetes Zeichen plötzlich für mehrere Minuten in der gerade ausgeführten Bewegung, auf ein neues Zeichen hin wird die Bewegung wieder fortgeführt, als sei sie nicht unterbrochen worden. Dieses Happening hat erhebliche Wirkungen auf die nicht-eingeweihten Passanten, wie dieser Film von der Grand Central Station in New York zeigt, wo gleich 207 Personen„eingefroren“ sind (Dank an FQS.de für den Hinweis). Ein Klick auf das Foto führt zum Film.

2. August 2008
von Tom Levold
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Anwendungsfelder systemischer Praxis

Bereits 2005 ist diese Sammlung von Beiträgen aus dem systemischen Feld u ganz unterschiedlichen Anwendungsfeldern beim verlag modernes lernen in Dortmund erschienen. Die Herausgeber Hans Schindler und Arist von Schlippe haben für ihr „Handbuch“ prominente AutorInnen mit systemischer Perspektive gewonnen, die über Auftragsklärung, Arbeit mit süchtig trinkenden Menschen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Paartherapie, Gruppenarbeit und -therapie, Supervision, Organisationsberatung u.a. geschrieben haben. Rezensent Thomas Lindner:„Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen – nach diesem Motto birgt das auch handwerklich gut gestaltete Handbuch (mit Lesebändchen!) eine Fülle gut durchgearbeiteter Kostbarkeiten. Dank an die Herausgeber und Empfehlung an systemisch geneigte Leser(innen)!“
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1. August 2008
von Tom Levold
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Von der Behandlung zum Dialog

2005 veröffentlichten Kenneth J. Gergen, einer der wichtigsten Vertreter des Sozialen Konstruktionismus, und Eugene K. Epstein (Foto), Systemischer Psychotherapeut in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Oldenburg und ehemaliger Lehrtherapeut am Galveston Family Institute, einen Aufsatz in der„Familiendynamik“, in dem sie die Grundsätze einer„Reflexiven Kooperation in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie“ niederlegten, der nun in der Systemischen Bibliothek gelesen werden kann. Im abstract heißt es:„Die Theorie des Sozialen Konstruktionismus diente den vielfältigen narrativen Ansätzen in der Psychotherapie als theoretische Leitfigur. Fragen zu (Definitions-)Macht, zu multiplen und widersprüchlichen Wirklichkeiten sowie zu Erweiterungen von Kooperationsmöglichkeiten sind dadurch in den Mittelpunkt therapeutischen Arbeitens gerückt. Mit dem Konzept der reflexiven Kooperation, vorgestellt als ethische wie auch als berufspraktische Haltung, wollen wir diese Überlegungen fortführen. An zwei klinischen Fallbeispielen zeigen wir das therapeutische Potenzial dieses Konzeptes und entwickeln einen ersten Entwurf für ein diskusives Vokabular der reflexiven Kooperation“
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31. Juli 2008
von Tom Levold
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Mythos ADHS

Claudia Roggensack, Förderschullehrerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Pädagogik der Mainzer Universität setzt sich in ihrer interessanten Untersuchung mit der„Konstruktion einer Krankheit durch die monodisziplinäre Gesundheitsforschung“ auseinander, die in erster Linie zum Ergebnis hat, die medikamentöse Behandlung einer großen Zahl von Kindern und Jugendlichen zu legitimieren. Rezensentin Ursel Winkler:„Der (…) unternommene Versuch, auffälliges Verhalten auf systemtheoretisch-konstruktivistischer Basis neu zu betrachten, beschränkt sich leider weitgehend auf eine Kritik der bisherigen Theorien und Therapieansätze – eine Kritik, die jedoch ausgesprochen gelungen ist und die Entlarvung von ADHS als Mythos noch einmal wie folgt auf den Punkt bringt: ,Ist aber einmal abweichendes Verhalten generell zur Krankheit stilisiert worden, so wird man unschwer aller Orten auf diese Krankheit stoßen. Daher erklärt sich auch die epidemieartige Verbreitung von AD(H)S, wobei hier offensichtlich nicht ein Bakterium oder ein Virus der Überträger der Krankheit ist, sondern die medial konstruierte Wirklichkeit für eine rasante Verbreitung sorgt. Mithin handelt es sich insofern um einen modernen ‚Mythos’’“.
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30. Juli 2008
von Tom Levold
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WinGeno


Ingo H. de Boer hat ein Genogramm-Programm für Windows geschrieben, das kostenlos auf seiner website heruntergeladen werden kann. WinGeno ist der Selbstdarstellung zufolge ein Computerprogramm zur grafischen Darstellung familiärer Konstellationen in Form eines Genogrammes. Die Darstellung einzelner Familienmitgliedern richtet sich nach den gängigen Symbolen. Die Benutzeroberfläche ist nach Bedarf Deutsch oder Englisch. Die Genogramme können in verschiedene Bildformate exportiert oder auch direkt in Office-Anwendungen kopiert werden. Als Mac-User kann ich die Qualität des Programmes selbst nicht beurteilen – wer es testen möchte, kann auf
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29. Juli 2008
von Tom Levold
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Journal of Family Therapy

Mit dem neuen Heft des„Journal of Family Therapy“, das übrigens nicht mehr bei Blackwell erscheint, sondern bei Wiley (das Blackwell„geschluckt“ hat), verabschiedet sich Ivan Eisler als Herausgeber von den Lesern und zieht in seinem Editorial Bilanz. Mark Rivett wird seine Nachfolge antreten. Die aktuelle Ausgabe ist nicht thematisch festgelegt, sondern enthält ganz verschiedene Beiträge. Liz Burns und Rudi Dallos berichten von einem sehr interessanten Forschungsprojekt, das sich mit der Bedeutung von („schöner“) Literatur für die persönliche und professionelle Entwicklung von Familientherapeuten beschäftigt. Raymonde H. Dumont schildert ihre Arbeit mit gezeichneten„family maps“, mit denen auch kleine Kinder aktiv in familientherapeutische Sitzungen einbezogen werden können. Lock et al. präsentieren eine Outcome-Studie zu familientherapeutischen Behandlungserfolgen bei Bulimie, und Michelle O’Reilly hat eine spannende Inhaltsanalyse über die Diskurse von Eltern verfasst, mit denen diese die körperliche Bestrafung ihrer Kinder rechtfertigen. Abgerundet wird das aktuelle Heft mit einer familientherapeutischen Zeitschriftenschau 2007 von Alan Carr.
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27. Juli 2008
von Tom Levold
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Schande und Schuld, vergeben und verzeihen

Im November 2007 hat Karl Tomm in Wien ein Seminar zum Thema„Deconstructing Shame and Guilt, and Opening Space for Reconciliation through Apology and Forgiveness“ gehalten. In der Zeitschrift der Wiener Lehranstalt für systemische Therapie, die auch online zu lesen ist, ist ein ausführlicher Seminarbericht von Iris Seidler erschienen, der sowohl das Verständnis von Scham, Schuld und Schande bei Karl Tomm wiedergibt als auch seine Vorgehensweise bei der Dekonstruktion von Scham und Schuld. Ein spannendes Thema!
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26. Juli 2008
von Tom Levold
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Wie manipuliere ich meinen Partner – aber richtig


Manipulation hat einen schlechten Ruf. In der Pionierphase der Familientherapie gab es hierzulande vor fast dreißig Jahren eine heftige Debatte darüber, ob die verschiedenen familientherapeutischen Interventionen nicht bloße Manipulation, also Werkzeuge des Teufels seien. Vor allem Thea Bauriedl ritt diverse Attacken gegen solche Manipulationsversuche im Sinne der Veränderung und stellte dem in ihrer„Beziehungsanalyse“ die reine Einsicht ins Unbewusste gegenüber. Das Gegenargument war natürlich, dass man ebenso wenig, wie man nicht kommunizieren kann, nicht nicht manipulieren kann. Der ideologische Wind aus solchen Debatten ist raus,„Manipulation“ hat aber immer noch das Zeug zum moralischen Vorwurf. Nun hat Rainer Sachse, Psychotherapie-Professor in Bochum, eine Art Handbuch zur richten Manipulation des Partners verfasst, das Rezensent Wolfgang Traumüller mit einem schönen Rezensionsessay bedacht hat:„Manipulieren will nicht nur gelernt, sondern vor allem getan werden, und es drängt jederzeit ans Licht. Das ist für alle spannend oder gar aufregend und gelegentlich nicht unvergnüglich, wie dieses gelungene Büchlein. Darum wohl das schmale Brusttaschenformat, durch das man es nicht nur vor neugierigen Blicken in Bus oder Bahn schnell verschwinden lassen, sondern es stets auch am Herzen tragen kann -dessen Sinnen und Trachten nach den Lehren der biblischen Weisheitsbücher ja böse ist von Jugend an- und darum wohl auch die erkennbar schamrote Hülle, wenn man es aus der Tasche zieht. Aber ganz drinnen, dort, wo die Dinge sind, wie sie wirklich sind, strahlt es trostvoll in reinstem Gelb, so lauter wie Gold und so leuchtend wie die Sonne – wenn man einmal absieht von den unter massiven Druck gesetzten, vielen Seiten geschwärzten Papiers, denen -gleich einem Edelstein und dem Leben selbst- eine schöne Fassung unbedingt gut tun. Ach, welch verführerischer Schliff – und was für sündhaft schöne Lehren! Zum taumeln gut nach soviel Abreibung… und zum Weiterschenken!“
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25. Juli 2008
von Tom Levold
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Tools für Projektmanagement, Workshops und Consulting

Toolsammlungen sind immer eine zweischneidige Angelegenheit, versprechen sie doch einerseits Erfolg, wenn man den Anleitungen nur genau genug folgt, sind aber auch enttäuschungsanfällig, wenn sich herausstellt, dass die erfolgreiche Beratung doch immer noch mehr von der situativen Bewältigung als von der eins-zu-eins-Anwendung vorstrukturierter Handlungspläne abhängt. Dennoch ist ein solides Repertoire an Vorgehensweisen zumindest allen zu empfehlen, die in Organisationen als Trainer oder Organisationsberater ihr Geld verdienen. Tool-Bücher sind mittlerweile viele auf dem Markt, so gründlich wie das Vorliegende sind aber nur wenige. Nicolai Andler, Unternehmensberater, Coach und Trainer, hat sich vorgenommen, ein Kompendium von Tools und Techniken zusammenzustellen, die in „Beratungs-, Projekt-, Arbeits- und Workshopsituationen“ angewandt werden können. Es ist als reiner Werkzeugkasten konzipiert, theoretische oder konzeptuelle Überlegungen findet man hier nicht. Dafür ist aber der Aufbau und die inhaltliche Durchführung seines Anliegens erstklassig gelungen. Die saubere Durchführung des Konzeptes sowie die solide handwerkliche Arbeit im festen Einband macht dieses Buch selbst zu einem Tool, das Berater immer wieder zur Hand nehmen können.
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24. Juli 2008
von Tom Levold
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Systemische Kinder- und Jugendhilfe

Das aktuelle Heft der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung ist von Gastherausgeberin Michaela Herchenhahn gestaltet worden und ist den Praxisfeldern systemischer Kinder- und Jugendhilfe gewidemt. Klaus- Peter Langner und Rüdiger Beinroth bieten Informationen über die Entstehung des KJHGs im historischen und politischen Kontext. Gerlinde Fischer und Gisal Wnuk-Gette stellen die Systemischen Familienschulen vor – eine seit einigen Jahren erfolgreich praktizierte niederschwellige Hilfe zur Erziehung, die vor allem Prekariats – und Migrantenfamilien eine entwicklungsorientierte und selbstbewusste Mitarbeit innerhalb der Jugendhilfe ermöglicht. Matthias Ochs beschäftigt sich in einem Artikel zur Kooperation und Partizipation in der Jugendhilfe mit Wirksamkeitsforschung, die er in Verbindung zur systemischen Haltung und Arbeitspraxis setzt. Birgit Averbeck und Björn Enno Hermans aus Dortmund berichten von der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie, einem Praxisfeld, das sich zu einem spannenden systemischen Innovationsraum entwickeln könnte. Ein weiterer Aufsatz von Bernd Drägestein gilt der Genderarbeit mit Jungs. Das Heft wird abgeschlossen mit„Reflexionen über Familientherapie am Küchentisch“ im Kontext ambulanter aufsuchender Hilfen.
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23. Juli 2008
von Tom Levold
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Der neoliberale Angriff auf die Universitäten

Auf den„Nachdenkseiten“ ist ein interessanter Vortrag zu lesen, den Mitherausgeber Wolfgang Lieb (Foto: Nachdenkseiten), von 1996 bis 2000 als Staatssekretär im Wissenschaftsministerium Nordrheinwestfalens tätig, an der Universität Bonn gehalten hat. Hier geht es um die vermeintliche Befreiung der Hochschulen aus der Aufsicht des Staates, die im wesentlichen auf eine Übernahme der Kontrolle an den Universitäten durch hochschulexterne Kräfte, vor allem der Wirtschaft, hinausläuft. Ausgedacht hat sich das alles u.a. das CHE (Centrum für Hochschulentwicklung), eine Organisation des Bertelsmann-Konzerns, die auch schon mal beim Gesetzeschreiben (und -Umsetzen) mithilft:„Im Mittelalter beherrschten die Kirche und die Monarchen die Wissenschaft und die Universitäten, im 21. Jahrhundert soll es wohl Bertelsmann sein. Eine neue Epoche der Aufklärung und eine politische Freiheitsbewegung für die Unabhängigkeit und Freiheit er Wissenschaft sind leider nicht in Sicht und Humboldt ist tot. Es gibt zwar vereinzelten Widerstand, vor allem in der Protestbewegung der Studierenden gegen die Studiengebühren, es gibt die sog. Beilsteiner Erklärung von Hochschullehrerinnen und -lehrer aus Heilbronn, Mannheim, Wuppertal, Dortmund, aus der Schweiz, Ungarn und den USA, die sich gegen eine „kulturelle Verarmung“ und für eine freie Forschung und Lehre ‚zum Wohle der Allgemeinheit‘ aussprechen. Doch eine öffentliche Diskussion gibt es nur am Rande, wenig wahrgenommen von Menschen außerhalb der Unis und FHs. Das CHE ist quasi in das Kompetenzvakuum eines fehlenden Bundeshochschulministeriums gestoßen und füllt die in unserer Verfassung nicht vorgesehene Rolle eines Bundeshochschulministeriums aus – ein informelles Ministerium, das allerdings nicht dem Parlament sondern nur der Bertelsmann Stiftung rechenschaftspflichtig ist. Der Autor des Buches ‚Hinter der Fassade des Medienimperiums‘ Frank Böckelmann, nennt das ‚eine Privatisierung der Politik‘.
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