systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

8. Oktober 2008
von Tom Levold
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Sagen, Zeigen, Beobachten

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“, so lautet der berühmte letzte Satz des Tractatus logico-philosophicus von Ludwig Wittgenstein. Franz Hogel, Dipl.-Kommunikationsdesigner und Wittgenstein-Kenner aus Nürnberg, versucht in seinem Text, die philosophischen Paradoxien Wittgensteins, die sich aus der Selbstreferentialität seines sprachlichen Philosophierens ergeben, systemtheoretisch zu rekonstruieren und mit einen systemtheoretischen Konzept von Selbstreferentialität in Beziehung zu setzen.„Die Systemtheorie transformiert den wittgensteinschen Grundsatz, dass nicht gesagt werden könne, was sich nur zeigt, dahingehend, dass nicht zugleich gesagt werden kann, was sich zeigt. In einem nächsten Satz kann sehr wohl beschrieben (gesagt) werden, was der vorangegangene gezeigt hat. Die Sage des gegenwärtigen Satzes kann sich im Moment des Sagens wiederum nur zeigen usw. Hier kann man unschwer das Motiv der Beobachtung zweiter Ordnung, die immer auch – für einen Beobachter dieser Beobachtung – als Beobachtung erster Ordnung beschrieben werden kann, wiedererkennen. Oder, angelehnt an Spencer-Brown: Jede Markierung von etwas setzt eine Unterscheidung ein, die nicht zugleich, sondern erst später markiert werden kann. Was sich im Gesagten gezeigt haben mag – der implizite Kontext, die ausgeblendete Unterscheidung, das „unwritten cross“ (Spencer-Brown) –, kann immer nur im Nachtrag gesagt werden. Dann stellt der Beobachter der Form fest, dass er schon immer mit dieser Form beobachtet hat“
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7. Oktober 2008
von Tom Levold
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Schädigt Stress das Gehirn?

Der amerikanische Psychiatrie- und Radiologie-Professor J. Douglas Bremner befasst sich mit den neurobiologischen Veränderungen im Gehirn, die sich als Folge traumatischer Erfahrungen verstehen lassen. Zu diesem Thema hat er 2005 bei W.W. Norton ein umfangreiches Buch vorgelegt, das von Jörg Leonhardt positiv besprochen wird:„Gut an diesem Buch ist (…), dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Biologie und Psychologie herleitet und dass die neurobiologischen Erkenntnisse und die rein biologischen Veränderungen sehr anschaulich und verständlich beschrieben werden und in einem Zusammenhang zur Psychologie gestellt werden. Auch für psychotherapeutische Praktiker ist es ein Gewinn, die biologischen Hintergründe der Auswirkungen traumatischer Erlebnisse zu kennen und zu verstehen, wenn es auch nicht immer leicht ist, dieses Wissen in eigene Weltbilder und Wertvorstellungen von Therapie und Behandlung zu integrieren. Nach meiner Erfahrung in der Betreuung von Menschen nach traumatischen Erlebnissen hilft es den Betroffenen, ihre Reaktionen und Verunsicherungen auf diesem Hintergrund, verstehen, akzeptieren und dadurch integrieren zu können. Trauma-Arbeit wird durch diese Erkenntnisse bereichert und in vielen Ansichten bestätigt. Ein lohnenswertes Buch, mit guten Englischkenntnissen leicht verständlich“
Zur vollständigen Rezension und dem 1. Kapitel als Leseprobe…

6. Oktober 2008
von Tom Levold
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Was ist Information? Ein gesellschaftliches Problem

Lesenswerte Gedanken zum schillernden Begriff der„Information“ hat sich der österreichische Philosoph Herbert Hrachovec gemacht:„Ein Weg dazu ist etwa, sich das Wort ‚Information‘ vorgeben zu lassen, und es aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Es spricht nicht von selbst, auch wenn die Buchstabenfolge in noch so vielen Suchmaschinen registriert ist. Damit es etwas sagt, braucht es Kontext, und wenn es einen Kontext gibt, dann meistens mehrere, die einander in wichtigen Punkten widersprechen. Die Konfrontation der Betrachtungsweisen ist ein gesellschaftliches Problem. Für Arbeit ist gesorgt“ Ein Aspekt ist die Frage nach dem Verhältnis von symbolischem Code und den vermeintlich neutralen technischen Kommunikationsmedien:„Jedes Ordnungssystem schafft Entfaltungsspielräume, Gewinner und Verlierer. Ein offenbares Defizit der gegenwärtigen Informationsgesellschaft besteht darin, daß es erst wenig Mittel gibt, die Rolle der Ingenieurswissenschaft in solchen Abläufen fundiert zu kritisieren. Am Umgang mit dem Wort ‚Information‘ läßt sich die Unbeholfenheit gut zeigen. In der Arbeit mit Computern errechnet sich der Informationsgehalt eines Ausdrucks aus dem System von Differenzen, in dem er einen Platz markiert. Damit können Außenstehende wenig anfangen. Für sie stehen mitgeteilte Inhalte im Vordergrund, nicht die binären Entscheidungssequenzen, welche erlauben, sie digital zu kodieren. Von dieser Seite wird gerne betont, daß die Technik Dienstleistungsaufgaben im Interesse der Menschen zu erfüllen hat. Das wäre praktisch, übersieht jedoch einen entscheidenden Punkt. Die Bereitstellung von Kommunikationsmitteln ist gegenüber den Kommunikationsinhalten nicht neutral. Informatikerinnen geben Sprachen vor, die nicht selten jene Gedanken bestimmen, welche die Sprachen ausdrücken. Die nervöse Insistenz auf dem Primat des Humanen überspielt das Faktum, daß er durch digitale Technologien auf weite Strecken ausgehöhlt ist. Bis vor Kurzem mußte jemand, um ein Plagiat zu verfassen, das Original zumindest lesen. Mit Hilfe von Suchmaschinen sowie ‚cut and paste‘ wird diese Hürde übersprungen. Ein Hauptgrund für die die mühsame Entwicklung fundierter Technologiekritik liegt darin, daß die Ingenieure, ohne es wahrzuhaben, Bedingungen der Kommunikation bestimmen, während den Kommunikationspartnern in der Regel die Mittel fehlen, das Verfahren zu durchschauen, geschweige denn, verändernd einzugreifen. Das kompensieren sie gerne mit ehrgeizigen Sprüchen“
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5. Oktober 2008
von Wolfgang Loth
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Sysiphus zum Glück

In meiner Vorbereitung auf den seinerzeitigen Glücks-Kongress des Weinheimer Instituts für Familientherapie stieß ich durch Zufall auf Stücke aus dem Nachlass eines mir bis dahin unbekannten Autors. Diese Stücke aus dem Nachlass entpuppten sich als Reflexionen und Gedichte zum Glück, passten also haargenau zum Thema des Kongresses, auf den ich mich vorbereitete. Zum Autor selbst konnte ich nur bruchstückhafte Informationen herausfinden. Die Person, über die ich an den Nachlass gekommen war, wusste nichts Näheres, interessierte sich auch nicht sehr dafür, konnte nur sagen, dass der Autor Hieronymus Heveluk heiße, was vermutlich ein Pseudonym sei, und seit einigen Jahren verschollen. Weder zu Herkunft noch weiterer Vita verfüge er über Informationen. Man kann sich vorstellen, dass mich das neugierig machte. Meine weiteren Recherchen blieben bislang jedoch weitgehend ohne Erfolg. Gesichert scheint bislang nur, dass Heveluk offenbar Wert darauf legte, keine Spuren zu hinterlassen. Das Auffinden dieser Stücke aus dem Nachlass muss daher als ein Zufall betrachtet werden. Da sich die Stücke jedoch im weitesten Sinne auch auf unser Metier beziehen lassen und daher den einen oder die andere interessieren könnten, hier ein Beispiel aus dem Nachlass: Sysiphus zum Glück

„Wenn zum Glück der Sysiphus
auf halbem Wege einmal muß,
dann läßt er den Stein
wie er ist, sein,
nützt eh‘ kein Verdruß.
Und während er muß, denkt Sysiphus
an den Mythos, nicht sicher, ob Stuß
oder Weisheit darin verborgen;
wes Geistes Kind, andere Sorgen,
bleibt irgendwie eine Rätselnuß.
Wenn Sysiphus, zum Glück befragt,
zögert, was er dazu sagt;
an Kratylos‘ Finger denkt, wenn’s dem nach ginge,
dem Zeiger des ewigen Schaukelns der Dinge…
naja, zuckt die Schulter: wem’s behagt..“

Wie gesagt, die geistige Heimat von Heveluk ließ sich noch nicht stichhaltig erforschen, vielleicht kann auf diesem Wege ja der eine oder andere Hinweis zustande kommen. Ein, wie mir scheint, recht ökonomisches Stück zum Glück findet sich ebenfalls im Nachlass:

„Glück und sein Enigma
waren schon immer da.
So bleibt zum Glücke
stets eine Lücke“.

5. Oktober 2008
von Tom Levold
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Ausschreibung für den Wissenschaftlichen Förderpreis der Systemischen Gesellschaft

Die Systemische Gesellschaft, Deutscher Verband für Systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung e.V., schreibt im Wechsel mit der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF) den wissenschaftlichen Förderpreis aus. Die Ausschreibung verfolgt das Ziel, die Relevanz systemischen Denkens für die therapeutische und beraterische Praxis zu verdeutlichen und die Forschung in diesem Bereich anzuregen. Mit dem Förderpreis leisten beide Fachgesellschaften einen Beitrag, systemische Therapie, Beratung, Supervision und Coaching interdisziplinär weiter zu entwickeln und dieses Anliegen fachöffentlich und gesellschaftspolitisch zu fördern und fordern. Die SG fördert systemisches Denken in allen Bereichen professioneller Hilfeangebote und Problemlösungen, lehrt systemische Ansätze praktisch anzuwenden und vertritt ihre Wissenschaftlichkeit. Neben Therapie und Beratung konzentriert sie sich auf die Arbeitsfelder Supervision, Coaching, Organisationsberatung, Organisationsentwicklung, Politikberatung, Pädagogik, Seelsorge und Pflege.
Ausgezeichnet wird die beste Arbeit, die empirische Forschungsdesigns entwickelt, eine mit systemischen Modellen kompatible und innovative Methodik aufweist und sich auf praxisrelevante Bereiche aus der Therapie, Gesundheitsversorgung, Supervision, Beratung und auf institutionelle Innovationsprozesse bezieht.
Der wissenschaftliche Förderpreis ist mit 3.000,- Euro dotiert. Die Arbeit sollte noch nicht bzw. nicht vor dem Termin der Preisvergabe im Mai 2009 veröffentlicht sein. Der Preis ist bewusst als Förderpreis konzipiert. Vor allem jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind angesprochen, die sich mit Diplomarbeiten, Dissertationen, Habilitationen oder anderen (auch außeruniversitären) Projekten qualifizieren.
Ein Gutachtergremium entscheidet, wer den Preis erhält. Es besteht aus vier unabhängigen externen Gutachterinnen und Gutachtern sowie zwei Mitgliedern der SG.

Die Arbeiten reichen Sie bitte bis zum 31. Oktober 2008 in dreifacher Ausführung an:

Systemische Gesellschaft e.V.
c/o Frau Dr. Karin Martens-Schmid
Waldenserstraße 2-4, Aufgang D
D-10551 Berlin

4. Oktober 2008
von Tom Levold
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Mad Dog Palin

Ein wunderbarer Artikel des„Rolling Stone“-Kolumnisten Matt Taibbi für alternet.org über die Vizepräsidentschaftskandidatin von John McCain, Sarah Palin (Foto: Wikipedia), der mir aus der Seele spricht.„Das erschreckenste an John McCains running mate liegt nicht darin, wie unqualifiziert sie ist, sondern darin, was ihre Kandidatur über Amerika aussagt“:„Sarah Palin is a symbol of everything that is wrong with the modern United States. As a representative of our political system, she’s a new low in reptilian villainy, the ultimate cynical masterwork of puppeteers like Karl Rove. But more than that, she is a horrifying symbol of how little we ask for in return for the total surrender of our political power. Not only is Sarah Palin a fraud, she’s the tawdriest, most half-assed fraud imaginable, 20 floors below the lowest common denominator, a character too dumb even for daytime TV – and this country is going to eat her up, cheering her every step of the way. All because most Americans no longer have the energy to do anything but lie back and allow ourselves to be jacked off by the calculating thieves who run this grasping consumer paradise we call a nation. (…) The great insight of the Palin VP choice is that huge chunks of American voters no longer even demand that their candidates actually have policy positions; they simply consume them as media entertainment, rooting for or against them according to the reflexive prejudices of their demographic, as they would for reality-show contestants or sitcom characters. Hicks root for hicks, moms for moms, born-agains for born-agains. Sure, there was politics in the Palin speech, but it was all either silly lies or merely incidental fluffery buttressing the theatrical performance“
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3. Oktober 2008
von Tom Levold
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Selbstwirksamkeit der Therapeuten

Ging es gestern an dieser Stelle um ein Buch zur„Selbstwirksamkeit von Klienten“, ist heute die Reflektion der Selbstwirksamkeit des Therapeuten Thema. Helmut de Waal, Wiener Kollege von Konrad Grossmann, hat sich in den„Systemischen Notizen“ 2/06„Gedanken über Mühen und Widersprüche bei der Ausübung des Therapeutenberufes“ gemacht:„Alles was wir sagen und tun, sagen und tun wir nicht nur dem Klienten gegenüber, sondern auch uns selbst. Im Grunde können wir sagen, es ist eine Selbstbegegnung, die vom Klienten immer wieder verstört wird, weil er anders antwortet als wir uns denken. Was wir im Alltag vernachlässigen können (die permanente reflexible Selbstbezüglichkeit), müssen wir als Therapeuten aushalten. Der Therapeut muss bereit sein, sich viel mit sich selbst zu beschäftigen, wenn er dem Klienten gerecht werden will“
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2. Oktober 2008
von Tom Levold
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Selbstwirksamkeit von Klienten

2005 hat Konrad Peter Grossmann im Carl Auer Verlag eine umfangreiche Studie zur Selbstwirksamkeit von Klienten, einem zentralen Topos systemischer Therapie, vorgelegt. Im Klappentext heißt es:„Das Buch wendet sich eingehend der Frage zu, in welcher Weise Therapeuten zur Entfaltung der Selbstwirksamkeit von Klienten beitragen können: Es fokussiert therapeutische Langsamkeit, es betont die Aufmerksamkeit für kleinräumige Problem-Lösungs-Übergänge von Klienten, es hebt Passungsprozesse im Kontext therapeutischer Prozessgestaltung, Intervention und Settingwahl hervor“ Rezensent Wolfgang Loth merkt neben einiger Kritik positiv an:„Zusammengefasst argumentiert Grossmann konsequent aus einer Position des Nicht-Wissens, konsequent auf der Suche nach Möglichkeiten konstruktiven Mitwirkens in hilfreichen narrativen Prozessen. Die dabei unvermeidlichen Gratwanderungen – sowohl im Handeln wie auch in der sprachlichen Darstellung – meistert der Autor mit beeindruckend umfassender Sachkenntnis und einer glaubwürdig respektvollen Haltung. Es dürfte für die künftige Positionierung Systemischer Therapie hilfreich sein, dass die Grundlagen ihres zentralen Konstrukts Selbstwirksamkeit nun in dieser umfassenden Form vorliegen“
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1. Oktober 2008
von Tom Levold
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Systemische Therapie und Supervision in multikulturellen Kontexten

Mohammed El Hachimi und Arist von Schlippe, (u.a.) Lehrtherapeuten des Institutes für Familientherapie Weinheim und selbst ein multikulturelles Autorengespann, haben 2000 in„System Familie“ einen Artikel über„Systemische Therapie und Supervision in multikulturellen Kontexten“ veröffentlicht, der auch in der Systemischen Bibliothek zu finden ist: „Der systemische Ansatz ist für multikulturelle Beratungskontexte besonders nützlich. Es werden verschiedene Vorgehensweisen vorgeschlagen, die Zugang zu den Personen anderer Kulturkreise ermöglichen. Eine besondere „Verfremdung“ ergibt sich aus der Verbindung des Textes mit den Schriften eines arabischen Mystikers: sieben „Tälern der Erkenntnis“ werden sieben Problembereiche systemischen Handeln in multikulturellen Kontexten zugeordnet. Theoretische Aspekte werden diskutiert (spez. das Konzept der Erwartungs-Erwartungen), die Übertragung verschiedener systemischer Methoden (z.B. zirkuläres Fragen, Genogrammarbeit, Joining usw.) auf dieses Feld wird beschrieben
und in zahlreichen Beispielen erläutert“
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28. September 2008
von Tom Levold
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Organizational Capabilities

Ein neues Heft der„revue für postheroisches management“ aus dem Stall des Management-Zentrums Witten ist erschienen. Hinter dem Schlagwort„Organizational Capabilities“ versteckt sich eine Reformulierung der Frage nach den Kompetenzen einer Organisation, die es ihr ermöglichen, komplexe Anforderungen zu bewältigen. Rudi Wimmer schreibt im Editorial: »Organizational Capabilities« bilden einen neuen Attraktor in der organisationstheoretischen Literatur. Dieser Begriff weist alle Merkmale auf, die ihn für eine steile Karriere in den einschlägigen wissenschaftlichen Diskursen wie auch im dazugehörigen professionellen Umfeld (Management und Beratung) prädestinieren. Er suggeriert zum einen neue Beschreibungsmöglichkeiten von Organisationsdimensionen mit einem bislang nicht gesehenen oder unterschätzten Leistungspotenzial. Zum anderen weckt er die Hoffnung auf ganz neue Ansatzpunkte der Organisationsgestaltung, die in den schärfer werdenden Wettbewerbsauseinandersetzungen einen dauerhaften Vorsprung ermöglichen oder diesen nachhaltig absichern. Als Begriff bleibt er in seinem Bedeutungshorizont ausreichend diffus, um als Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Problemlösungserwartungen zu dienen. In diesem Sinne ist er zweifelsohne zu einem »neuen strategischen Ideal« geworden. Was ist damit gemeint? Eine erste Annäherung dazu: Es handelt sich um organisationale Fähigkeiten, die in einem kollektiven, im Sinne von organisierten, Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure und Organisationseinheiten wurzeln. Solche Fähigkeiten entstehen durch ein wiederholtes Praktizieren ganz bestimmter Lösungsstrategien im Umgang mit komplexen Problemstellungen, die wegen ihrer eingebauten Unwägbarkeiten keine einfachen Routinen zulassen. Solche kollektiven Lösungsmuster werden gestärkt und ständig verfeinert durch das rekursive Feedback ihres Erfolgs“
Im aktuellen Heft geht es dabei u.a. um das BMW-Werk in Leipzig, um Schule 2.0, um den Zusammenhang von Evaluation und Lernen, um die Dynamisierung organisationaler Kompetenzen und um Erkenntnisse aus der Organisation von Waldbrandbekämpfung, begleitet durch faszinierende Fotos aus dem BMW-Werk in Leipzig, die nahelegen, dass man heute Autos auch in Großraumbüros zusammenbauen kann.
Einige Beiträge sind auch online zu lesen.
Das Inhaltsverzeichnis finden Sie hier…

27. September 2008
von Borst
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Schlaflos in Manhattan

Neulich hatten wir Besuch aus New York. Die Beiden meinten: „New York ist schön für eine Woche Urlaub, aber um dort zu leben…“
Nun sind wir hier – für eine Woche. Wir haben Bed & Breakfast bei einer 73jährigen, deutlich jünger wirkenden, weil gelifteten Lady. An der Park Avenue. Nachts übertönt die rumpelnde und pfeifende Klimaanlage beinahe den Straßenverkehr. Nur die Sirenen sind lauter. Dürfen eigentlich die Polizisten und Ambulanzfahrer ihre Sirenen selbst programmieren? Kann man Sirenen-Melodien aus dem Internet herunterladen?
Tagsüber hupen die Ambulanz- und Streifenwagenfahrer zusätzlich, weil sie sonst niemand hören würde. New York ist verstopft. Ein belauschtes Gespräch am Handy im M10-Bus durch Manhattan: „Ich bin noch 40 Blocks von Penn-Station weg, keine Ahnung, wann ich da bin.“ Seit 42 Jahren kämpft der heute 93 Jahre alte Anwalt Theodore Kheel für freien öffentlichen Verkehr und eine City-Maut für Privatautos. Er ist inzwischen aus Alters- und Krankheitsgründen auf sein Privatauto samt Chauffeur angewiesen, aber kämpft immer noch.
Zwei Nächte sind durch einen Presslufthammer unten auf der Straße, ab 22 Uhr in Aktion, gestört. Unsere um Hilfe gerufene Gastgeberin zeigt sich schicksalsergeben. Tagsüber sei wohl zu viel Verkehr. Sie gibt uns Ohrstöpsel und zeigt uns ihre Vorräte an Schlafmitteln, auf die wir dankend verzichten.
Am Tag nach Bekanntwerden der Finanz-Krise ist die 5th Avenue, wie immer, voller schöner, hektischer, mit Einkaufstüten beladener, telefonierender Menschen. Die Zeitungen beschäftigt vor allem, wie die Präsidentschaftskandidaten auf die Krise reagieren, und ob die Widersprüche in den Stellungnahmen McCains ihm wohl schaden oder nicht.
In unserem plüschigen Zimmer liegt ein Heft, Weihnachten 2007 erschienen: „Reasons to love New York“. Grund Nummer drei von 50: „Because we proudly harbor illegal immigrants“. Von 2.9 Millionen Einwanderern soll jeder sechste illegal sein. Es ist wohl gerade Politik, es nicht so genau wissen zu wollen. Immerhin sollen die Immigranten heruntergekommene Stadtviertel auf eine Weise wiederbelebt haben, die für sinkende Verbrechensraten verantwortlich gemacht wird.
Ein chinesischer Koch wird in dem Magazin zitiert: „New York ist wie zu Hause. Hier muss man nicht Englisch sprechen. Hier muss man nicht einmal Mandarin oder Kantonesisch sprechen, solange Du den Fujian-Dialekt sprichst. Jeder am East Broadway ist von Fujian.“ Auf der Straße und in der Metro ist viel Spanisch zu hören. Plakate in spanischer Sprache rufen dazu auf, „Beobachtungen“ der Polizei zu melden. Aber welche Beobachtungen denn?
Unsere Gastgeberin ist dagegen noch echte New Yorkerin. Wirklich? Gestern, als wir abends aus dem Restaurant nach Hause kamen, hatte sie Herrenbesuch, nur mit Boxer-Shorts bekleidet. Deutlich jünger. Noch ein Grund für Gedanken in der Nacht. Multi-Kulti und rasender Stillstand in Manhattan.

26. September 2008
von Tom Levold
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Somatoforme Störungen

„Seelisches und körperliches Erleben sind untrennbar verbunden. Gefühle haben eine Körpersprache, die uns hilft, sie zu entschlüsseln. Manchmal spricht allerdings auch nur der Körper; reagiert, untrüglich, unbewusst und will mit seinen Signalen und Botschaften erst verstanden werden. Um diese Verbindungen wissen die meisten Menschen, weshalb viele ihre seelisch-körperlichen Reaktionen interpretieren können und ihnen keinen besonderen Krankheitswert zumessen. Für manche sind allerdings diese Reaktionen mit Angst oder mit Irritation verbunden, sei es, weil sie, aus welchen Gründen auch immer, zu stark werden, zu lange andauern oder im Alltag hinderlich werden. Dann sind wir als Ärzte oder Psychotherapeuten gefragt. Und dann beginnen die Probleme. Die Medizin ist oft hilflos, aber auch Psychotherapeuten stehen den Betreffenden skeptisch gegenüber. Insbesondere wenn die Patienten ein stark somatisches Verständnis ihrer Beschwerden haben, trifft dieses auf ein oft ebenso rigides psychosomatisches Modell der Therapeuten, die die entsprechenden körperlichen Manifestationen z. B. alleine als Folge konflikthafter innerer Regungen verstehen“ So beginnen Henning Schauenburg und Winfried Rief das Editorial der aktuellen Ausgabe von„Psychotherapie im Dialog“ zum Thema somatoformer Störungen:„Psychisch oder somatisch – ein klinisches oder kommunikatives Problem?“. Wie gewohnt, wird das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven der Psychoanalyse, Verhaltenstherapie, Systemischen Therapie und den Humanistischen Therapien beleuchtet, das systemische Feld wird von Winfried Häuser aus Saarbrücken vertreten.
Zu den vollständigen abstracts…

24. September 2008
von Tom Levold
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Ambulante sozialpsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen gefährdet


systemagazin veröffentlicht an dieser Stelle eine Stellungnahme von DGSF und ASK zur Kündigung des Vertrages zur sozialpsychiatrischen Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher (Sozialpsychiatrievereinbarung) durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, Ersatzkassen und viele Primärkassen von September 2008:

„Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie ist mit knapp 3000 Mitgliedern die größte Vereinigung von Familientherapeuten und -beratern in Deutschland. Ihr Arbeitskreis Systemische Kinder- und Jugendpsychiatrie vereint berufsübergreifend Mitarbeiter kinder- und jugendpsychiatrischer Kliniken, Tageskliniken und Praxen. Diese behandeln in ihrem therapeutischen Wirken gemäß ihrem systemischen Grundsatz nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern beziehen deren gesamtes Umfeld in die Therapie mit ein.
Wir sind schockiert durch die Entscheidungen der Ersatzkassen und vieler Primärkassen einerseits und der kassenärztlichen Bundesvereinigung andererseits, den Vertrag zur sozialpsychiatrischen Versorgung (SPV) zum Jahresende 2008 zu kündigen.
Damit ist die Versorgung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen sowie deren Familien gefährdet. Bislang konnten Familien mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen sich mit sehr guten Erfolgsaussichten an die niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater oder an die kinder- und jugendpsychiatrischen Institutsambulanzen wenden. Durch die Streichung der Sozialpsychiatrievereinbarung zum Ende des Jahres wird es den niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiatern nicht mehr möglich sein, eigens dafür eingestellte Mitarbeiter aus dem sozialpädagogischen, psychologischen oder ergotherapeutischen Feld zu finanzieren. Dadurch wird nicht nur die Qualität der Arbeit leiden, sondern es können auch deutlich weniger Kinder und Jugendliche Hilfe erfahren.
Da zeitgleich durch die Kündigung der Vereinbarung über die Psychiatrischen Institutsambulanzen auch eine gleichwertige Alternative zur Diskussion gestellt wird, wird es beim derzeitigen Stand demnächst nicht mehr möglich sein, innerhalb des Kassensystems eine zeitgemäße kinder- und jugendpsychiatrische Therapie und Psychotherapie durchzuführen.
Die Entwicklung der Psychotherapie der letzten 50 Jahre hat gerade in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen zu äußerst wirksamen Therapiesettings geführt in Form von Familientherapie, aufsuchender Kinder- und Jugendpsychiatrie, Mehrgenerationen­therapien, Multifamilientherapien, Systemtherapien, Therapien in Schulen, multimodalen Therapiesettings usw.
Beim derzeitigen Stand der Verhandlungen wäre diese äußerst effiziente, aber auch personalintensive Arbeit nicht mehr möglich. Das würde unweigerlich ein weiterer Schritt in Richtung Zwei-Klassen-Medizin bedeuten. Es würde dazu führen, dass die sozial schwächeren Kinder und Jugendlichen nicht mehr in den Genuss einer Systemischen Therapie/Familientherapie kämen.
Die erfreulichen Bemühungen der Politik, eine bessere gesundheitliche, schul- und familienpädagogische Versorgung unserer Kinder und Jugendlichen zu etablieren, würden damit zu Nichte gemacht. Je nach Quelle erscheinen derzeit bis zu 25 Prozent unserer Kinder und Jugendlichen aus psychiatrischer Sicht als therapiebedürftig. Sie leiden unter Störungsbildern wie Aufmerksamkeitsstörungen, emotionale Störungen, affektive Störungen, psychosomatische Störungen, Tic-Erkrankungen, die häufig auch entstanden sind durch den Versuch, eine Lösung für Konflikte in deren Umfeld zu finden. Da das Krankheitsbild wiederum das Umfeld beeinflusst, führt eine Therapie, die sich nur auf „erkrankte“ Kinder und Jugendliche konzentriert, in den seltensten Fällen zu einer Lösung, welche eine gelungene Reintegration in Familie oder Schule ermöglicht. Damit die erzielten Fortschritte der Einzeltherapie bei Kindern und Jugendlichen Bestand haben, muss zwingend mit dem nächsten bzw. erweiterten Umfeld (System) gearbeitet werden.
Die Sozialpsychiatrieverordnung sowie die Verträge mit den Institutsambulanzen ermöglichten bislang diese Einbeziehung des Umfeldes unserer Patienten. Die Kündigung beider Versorgungsapparate überlässt viele Kinder und Jugendliche ihrem Schicksal, insbesondere die sozial Schwachen, die sich eine andere Betreuung nicht leisten können.
Im Namen der systemisch arbeitenden, im kinder- und jugendpsychiatrischen Feld tätigen Therapeuten und Berater unterschiedlichster Grundberufe, appellieren wir daher aufs Schärfste an die Verhandlungsparteien und an die Politik, für eine rasche Lösung zu sorgen, die auf keinen Fall hinter der bisherigen Versorgung zurückbleiben darf“

Für die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie
Prof. Dr. Jochen Schweitzer

Für den Arbeitskreis systemische Kinder- und Jugendpsychiatrie
Dr. Filip Caby