systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

6. Februar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Nie wieder Vernunft

Dirk Baecker ist ein vielseitiger Mann. Er führt nicht nur als Autor auf virtuose Weise in der Zirkuskuppel – ohne Netz und doppelten Boden – Theorie-Artistik bei der Weiterentwicklung der Systemtheorie vor, sondern sorgt auch als Herausgeber in unterschiedlichen Funktionen dafür, dass die historischen Quellen der Systemtheorie zugänglich bleiben (bzw. wieder werden) und dass aktuelle systemische Debatten nicht in der kanonischen Auslegung Luhmannscher Ideen erstarren. Darüber hinaus hat er aber seit 15 Jahren immer wieder auch mit zahlreichen Beiträgen und Kolumnen für Tageszeitungen und Zeitschriften in aktuelle, tages- und kulturpolitische Diskurse eingegriffen. Die Rubrik„Sozialkunde“, unter der in der TAZ seine Bemerkungen zu den verschiedensten öffentlich verhandelten Themen erschienen, gibt seinem Sammelband„Nie wieder Vernunft“ einen passenden Untertitel. In 123 kurzen Texten erweist sich Baecker als ein Meister auch der kleinen Form, die immer für eine Überraschung oder einen plötzlichen Perspektivenwechsel gut ist. Für Rezensent Wolfgang Loth wird deutlich,„wie lebendig der Umgang mit diesem Nach-Denken sein kann, wie spannend, wie überraschend und auf eine wundersame Art nährend und kräftigend. Die Alternative zu Vernunft ist eben nicht Unvernunft, sondern das Anerkennen des Unvertrauten als Frag-Würdiges“
Zur vollständigen Rezension…

5. Februar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Psychotherapie in Kuba – Eine Bitte um Spenden


Wie bekannt ist, gab es in sozialistischen Ländern die Auffassung, dass dort keine psychischen Probleme auftreten würden, da die sozialistische Grundordnung die Bedingungen für die Entstehung psychischer Probleme beseitigt habe. Diese Auffassung erschwerte es auch in Kuba, dass psychotherapeutische Verfahren Fuß fassen konnten. So gesehen ist bereits die Organisation eines internationalen psychotherapeutischen Kongresses auf Kuba ein Novum. Seit 1999 besteht eine Zusammenarbeit zwischen dem Marburger Institut für systemische Arbeitsformen, viisa, Mitgliedsinstitut der Systemischen Gesellschaft, und der psychiatrischen Abteilung des «Joaquin Albarran»-Universitätskrankenhauses in Havanna. Diese Zusammenarbeit sieht u.a. vor, dass Besuche von LehrtherapeutInnen des Marburger Instituts in Havanna und seitens der MitarbeiterInnen des «Joaquin Albarran»-Universitätskrankenhauses die Teilnahme an Tagungen in Deutschland stattfinden.
Des Weiteren sind alle 2 Jahre in Havanna gemeinsame Foren vorgesehen, die systemische Arbeitsformen zum Inhalt haben. Innerhalb dieser Foren werden auch die wissenschaftlichen Ergebnisse der Untersuchungen bekannt gemacht, die in der psychiatrischen Abteilung in Havanna durchgeführt wurden. Innerhalb der Internationalen Psychotherapietagung in Havanna findet daher auch das II. «Deutsch-Kubanische Forum für systemische Arbeitsformen» statt.
Schließlich ist bekannt, dass Kuba von den ökonomischen Verhältnissen her gesehen als 3. Welt-Land gilt (ein Arbeitnehmer verdient im Schnitt ca. 12 $/Monat, ein Universitätsprofessor ca. 36 $/Monat). Das heißt, dass die kubanischen KollegInnen die Tagung unter schwierigen finanzielle Bedingungen organisieren – so bereitet bereits die Beschaffung von Schreibutensilien große Schwierigkeiten.
systemagazin möchte die kubanischen KollegInnen unterstützen und bittet daher um Spenden auf das Sonderkonto der Familientherapeutischen Arbeitsgemeinschaft Marburg (fam) e.V. (gemeinnützig-wissenschaftlicher Verein) – Volksbank Mittelhessen Kto. BLZ 513 900 00 Kto 47393914 unter dem Stichwort: Tagung Havanna. Die gespendeten Beträge werden den Organisatoren in Havanna zugestellt und durch eine Spendenbescheinigung der (fam) e.V. bescheinigt.

4. Februar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Gefühle – wozu?

Am 19.1. wurde an dieser Stelle ein kurzer Beitrag von Jürgen Hargens zum Thema„wie geht es in lösungsorientierter Beratung/Therapie mit Gefühlen?“ in der Systemischen Bibliothek veröffentlicht, verbunden mit einer Einladung zur Diskussion. Stephan Baerwolff vom Hamburger Institut für Systemische Studien ist dieser Einladung gefolgt und schreibt u.a.:„(ich) finde, dass die systemische „Szene“ nicht allzu schnell in ein (Paul Feyerabend zugeschriebenes, von ihm aber nie so intendiertes) gleichgültiges „anything goes“ verfallen sollte. Ein respektvolles, Unterschiede anerkennendes Ringen und sich aneinander Reiben finde ich sehr anregend und hilft vielleicht, die unterschiedlichen Aspekte deutlich konturierter hervorzuheben! So möchte ich auch mein Eintreten für „etwas mehr Thematisierung von Gefühl“ und die Würdigung der Seite des Problems (gegenüber einer allzu schnellen Lösungs-Suche) verstanden wissen“ Um den Kommentar direkt auf den Ausgangstext beziehen zu können, sind nun beide Texte in einer Datei zusammengefasst.
Zum vollständigen Text…

3. Februar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Dialogischer Wandel im therapeutischen Kontext

Im„Forum Qualitative Sozialforschung“ erschien im vergangenen Jahr ein Beitrag von Klaus G. Deissler über den Stellenwert von Metaphern, Geschichten und Gleichnissen in einem sozialkonstruktionistisch inspirierten Psychotherapie-Ansatz. Im Abstract heißt es:„Der folgende Aufsatz stellt einen Beitrag zur Diskussion der Annahmen und praktischen Konsequenzen des sozialen Konstruktionismus im therapeutischen Kontext dar. Ausgangspunkt ist die Implikation, dass sprachlich formulierte Metaphern im therapeutischen Prozess wichtig für die therapeutische Interaktion sind, und dass sie nicht nur in therapeutischen Dialogen zum Wandel beitragen. Daher werden ein paar kleine Metaphern dargestellt, die soziale Konstruktionsprozesse zum Inhalt haben und diese zum Teil durch Verfremdungen veranschaulichen. Diese Prozesse werden weiter im psychotherapeutischen Kontext verdeutlicht, indem Diagnosen als aktuelle relationale Konstruktionen verstanden werden. Der Aufsatz wird abgeschlossen mit einem therapeutischen Fallbeispiel, das das dargestellte sozialkonstruktionistische Verständnis therapeutischer Dialoge prägnant herausstellt“
Zum vollständigen Text…

1. Februar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Das (negierte) Tetralemma als Methode zur Entfaltung sozialarbeiterischer Ambivalenzen

So lautet der Titel einer„Institutslecture“, die Heiko Kleve am 22.1.2009 an der Fachhochschule St. Pölten gehalten hat. Der Vortrag ist als siebenteilige Audiodatei auf der website der Hochschule dokumentiert. Im abstract heißt es:„Die Soziale Arbeit ist eine Profession, die mit zahlreichen Ambivalenzen konfrontiert ist. Die Pole von Hilfe und Nicht-Hilfe, Hilfe und Kontrolle, individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Anforderungen sind nur drei Beispiele für derartige Doppelorientierungen. Auch in Zeiten, in denen die Praxis damit konfrontiert wird, zahlreiche neue Konzepte einzuführen (etwa Sozialraumorientierung, Case Management oder Verwandtschafsrat), tauchen hinsichtlich der Implementierung Ambivalenzen auf – etwa zwischen denen, die„das Alte“ nicht aufgeben wollen und denen, die für„das Neue“ brennen und es umsetzen wollen. In all diesen Fällen sind Verfahren notwendig, die einen Weg durch die widersprüchlichen Orientierungen erlauben und konstruktive Lösungen jenseits eines„Entweder-Oder“ in den Blick bringen. Genau hier bietet das (negierte) Tetralemma passende Antworten“
Zur Institutslecture…

31. Januar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Recht und Moral: Analogie, Komplementaritäten und Differenzen

Detlef Horster, Professor für Sozialphilosophie in Hannover und Autor einer Einführung in das Werk Niklas Luhmanns, hat sich 1997 in der Zeitschrift für philosophische Forschung mit dem Problem einer postchristlichen Moral auseinandergesetzt:„Daß es Moral geben muß, liegt an der schlichten sozialen Tatsache, daß wir unser Handeln mit anderen koordinieren müssen. Handeln muß so selbstverständlich erfolgen und koordiniert werden können, daß es im Alltag durch wechselseitig verpflichtende Regeln reibungslos geschieht. Das wiederum ist nur möglich, wenn Moral zum Bestandteil des Selbst der einzelnen handelnden Menschen geworden ist. Es verhält sich so, wie Immanuel Kant es für den Kategorischen Imperativ formulierte, er kann nur wirksam sein, wenn er zur zweiten Natur geworden ist. In früheren Gesellschaften war das moralisch richtige Verhalten für alle gleichermaßen unstreitig„durch den Gehorsam gegenüber Gottes heiligen Geboten motiviert, also durch Gottes Liebe oder auch nur durch Furcht vor Gottes Zorn oder Hoffnung auf Belohnung moralisch guten Verhaltens im Jenseits“. (Patzig 1994, 7) Moralisches Handeln hatte einen für alle gleichermaßen verbindlichen und sicheren Bezugspunkt: Gott und die Offenbarung. Das ist heute unwiderruflich anders, spätestens nachdem die christliche Religion ihre gesellschaftsintegrierende Kraft verloren hat. Das Problem besteht darin, daß wir es in der Gegenwartsgesellschaft mit einschneidenden Fragmentierungen zu tun haben, von denen zunächst die Rede sein muß, wenn wir uns dem Problem der Handlungskoordinierung auf der Basis postchristlicher Moral zuwenden wollen. Dabei stellt sich die Frage, ob es trotz der später zu beschreibenden Fragmentierungen für alle moralischen Regeln und Handlungen und darüber hinaus für alle rechtlichen Regeln und Entscheidungen einen gemeinsamen Bezugspunkt gibt, der für die Interaktionen der vergesellschafteten Individuen als Kontextbedingung und Basis gelten kann. Die Antwort auf diese Frage wird zentraler Gegenstand der Abhandlung sein“
Zum vollständigen Text…

30. Januar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Spannungen in Forschungsteams

„Konflikte in Forschungsteams sind unangenehm. Sie bremsen die Arbeit, schaden der Motivation und mindern die Teamleistung. Vor allem, wenn Personen aus verschiedenen Fachrichtungen zusammen arbeiten, treten Spannungen auf“, heißt es in den Verlagsinformationen zu Marie Céline Loibls Studie über„Hintergründe und Methoden zum konstruktiven Abbau von Konflikten in inter- und transdisziplinären Projekten“, die 2005 im Carl-Auer-Verlag erschienen ist. Rezensent Norbert Schlüpen meint:„Wer in Forschungsteams steckt oder sie begleitet oder nur etwas über einen spannenden Teamentwicklungsprozess erfahren und lernen will, wird hier bestens und ausführlich bedient“
Zur vollständigen Rezension…

29. Januar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Creativity and effectiveness in family therapy

mit einem Fokus auf Psychotherapieforschung geht das Journal of Family Therapy in den neuen Jahrgang 2009. Der neue Herausgeber Mark Rivett schreibt in seinem Editorial:„I begin my editorship of the Journal with a collection of articles which will probably summarize the zeitgeist of the field for the next five years or so. This zeitgeist challenges all family therapists to respond to the constraints of evidence-based practice with the creativity and aplomb that has been the enduring feature of our form of psychotherapy“ Hoffen wir, dass dem„zeitgeist“ widerstanden werden kann.
Zu den vollständigen abstracts…

28. Januar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Der Suizid und „die Wende“ in der DDR

Die gravierenden gesellschaftlichen Umwälzungen auf dem Gebiet der DDR seit dem November 1989 schlugen sich nicht in gestiegenen Suizidraten nieder, was Durkheims Konzept des anomischen Selbstmords erwarten lassen würde, so Sybille Straub in einem Aufsatz für die„System Familie“ aus dem Jahre 2000. In Thüringen, einem Land mit klassisch hohen Suizidraten, wurde ein stetiger Rückgang der Suizidziffern seit Ende der 80er Jahre beobachtet. Dieser betrifft im Wesentlichen alle Altersgruppen und beide Geschlechter. Ab 1993 konsolidierte sich die Abnahme auf einem – verglichen mit den vorangegangenen Jahren – niedrigen Niveau. Dieser Rückgang lässt sich unter Rückgriff auf Emile Durkheims Theorie zum Selbstmord mit dem des fatalistischen Selbstmords erklären. Ebenso wird Durkheims Auffassung bestätigt, dass in Zeiten politischer Krisen die Suizidzahlen rückläufig sind, so Straub in ihrer Arbeit, die in der Systemischen Bibliothek nachzulesen ist.
Zum Volltext…

27. Januar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Es ist der Kontext, der sich entwickelt…

Ein schöner Tag, der 11.5.1981. Ein sonnenerfüllter, warmer Maitag in Köln, keine Wolke am Himmel, das erinnere ich gut. Damals genoss ich eine einjährige Auszeit, die ich mit Arbeitslosengeld überbrückte. Meine Tage verbrachte ich mit Familientherapie. Tagsüber las ich über Theorie und Praxis, was mir in die Hände fiel, an den Abenden arbeitete ich mehrmals wöchentlich als Mitglied in verschiedenen Teams mit Familien auf „Mailänder Art“ . An diesem Montag, so habe ich es auf dem Deckblatt notiert, kaufte ich mir nach langem, langem Überlegen Batesons „Ökologie des Geistes“, die gerade in der Übersetzung von Hans-Günter Holl erschienen war. Das lange Überlegen bezog sich auf den nicht unbedingt arbeitslosengeldkompatiblen Preis von 88,- DM. Noch nie zuvor hatte ich mir ein teureres Buch geleistet. Andererseits war mir völlig klar, dass es sich um ein „Muss“ handelt. Auf Bateson, der im Jahr zuvor im Alter von 76 Jahren gestorben war, war ich schon im Soziologiestudium getroffen, sein mit Don Jackson, Jay Haley und John Weakland verfasster Aufsatz „Auf dem Weg zu einer Schizophrenie-Theorie“ war schon 1969 im von Habermas, Henrich & Luhmann bei Suhrkamp herausgegebenen Reader „Schizophrenie und Familie“ erschienen, den wohl viele Studenten meiner Generation durchgeackert haben dürften. Der Stellenwert Batesons ist mir aber erst richtig klar geworden, als ich mit dem Feld der Familientherapie in Berührung kam. Für den„Kontext“ habe ich Gregory Batesons„Ökologie des Geistes“ als„Klassiker wiedergelesen“.
Jetzt auch online hier…

25. Januar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Cool: Guantanamo-Übernahme durch RTL

Nachdem die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo in Kuba durch den neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama bevorsteht, zeichnet sich eine Übernahme des Lagers durch den deutschen Fernsehsender RTL ab.„Guantanamo ist der ideale Standort für die Weiterentwicklung unserer Serienformate ‚Big Brother‘ und ‚Terrorcamp: Ich bin ein ungesetzlicher Kämpfer – hol mich hier raus'“, heißt es in einer Presseerklärung des beliebten Fernsehsenders vom vergangenen Samstag. Die Anlagen müssen natürlich modernisiert und die Überwachungskameras auf das HDTV-Format umgestellt werden, ansonsten steht einer Umwandlung des von Ex-Präsident Bush entwickelten Konzeptes auf die Bedürfnisse eines Massenpublikums bei geringen Investitionen nichts im Wege, betonen die Senderverantwortlichen. Nachdem die Quoten für die Serien in den letzten Monaten gesunken sind, verspricht sich der Sender einen Zuschauerzuwachs durch die Konfrontation der Kandidaten mit speziellen Herausforderungen, die auch harte Befragungsmethoden und Einsatz von Waterboarding beinhalten können. Mit Donald Rumsfeld konnte bereits ein prominenter Berater gefunden werden. Mögliche ethische Bedenken an den geplanten Formaten konnte die Leitung des Senders zerstreuen:„Natürlich wird bei uns alles mit rechten Dingen zugehen. Schließlich waren Fragen der Menschenwürde für uns noch nie ein Thema!“, betonte der Pressesprecher von RTL. Die Einsetzung einer Ethik-Kommission sei bereits fest geplant, zur Mitwirkung bereit erklärt haben sich neben Dieter Bohlen und Thomas Gottschalk auch Roland Koch, Klaus Zumwinkel und Kai Dieckmann. Über die Kaufsumme besteht bislang allerdings noch ebenso Unklarheit wie darüber, ob RTL den USA auch die Gefangenen abkaufen wird.

24. Januar 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Dialogischer Wandel

Mit einem recht schmalen Heft geht die Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung in das neue Jahr. Klaus Deissler stellt„Metaphern, Geschichten und Gleichnisse, Umgangsformen und Sprechweisen“ ins Zentrum seines„Leitartikels“ über den„Dialogischen Wandel im therapeutischen Kontext“, darüber hinaus finden sich Beiträge zur„Ethik des Dialogs“ (Anders Lindseth), zur„Verantwortung von Therapeut und Klient in Beratung und Therapie“ (René Hess) sowie zum Thema„Altersweisheit kontra Jugendwahn“ (Sylvia Roderburg).