systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

25. Februar 2009
von Tom Levold
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Jugendgefängnis als Einnahmequelle: für Richter!

Wie Florian Rötzer in einem Artikel für das online-Magazin Telepolis vom 24.2.09 schreibt, haben sich in den USA zwei Richter am vergangenen Donnerstag schuldig bekannt, Hunderte von Kindern in privatwirtschaftlich geführte Gefängnisse geschickt zu haben, weil sie dafür Geld bekommen haben. Der ungeheuerliche Fall des Jugendrichters Mark A. Ciavarella Jr. und des Vorsitzender Richters Michael T. Conahan aus Pennsylvania zeigt anschaulich, wohin manches Outsourcing staatlicher Aufgaben führen kann.
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25. Februar 2009
von Tom Levold
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unbestimmt bestimmt – Soziale Beratung als Praxis des Nichtwissens

Kaum ist der Karneval vorbei, wird es brutal. Und wer weiß das besser als Rezensent Wolfgang Loth aus Bergisch Gladbach, was praktisch direkt an Köln angrenzt. Es geht um ein Theoriestück von Ronny Lindner, ein Autor aus dem überaus kreativen Stall der systemtheoretisch inspirierten Sozialarbeiter und Sozialarbeitswissenschaftler, von deren Disziplin seit geraumer Zeit immer wieder eindrucksvolle Beiträge zum systemischen Diskurs beigesteuert werden:„Auf der Basis der Luhmannschen Systemtheorie und deren Weiterverarbeitungen durch Baecker und Fuchs jagt Lindner die potentiellen LeserInnen dermaßen über den Parcours, dass ich befürchte, die im Luhmannschen Sinne so bedeutsame Anschlussfähigkeit werde arg ramponiert“, sorgt sich Wolfgang Loth angesichts der luftigen Abstraktionslage des Textes, ohne allerdings zu verhehlen, dass sich die Anstrengung für den, der sie auf sich nimmt, auch lohnen kann. Denn Nichtwissen erweist sich hier nicht als ein Freibrief für diejenigen, die kein Wissen erwerben wollen, sondern„hier wird Professionellen eben doch Wissen zugeschrieben, für dessen Nichtwissen sie sich zu verantworten hätten!“
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24. Februar 2009
von Tom Levold
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(Re)-Migration und familiäre Krise

Es lohnt sich immer wieder, sich dem Thema Fremdheit und Überwindung kultureller Grenzen über Falldarstellungen und Fallanalysen zu nähern. Lorenz Lunin hat 2000 als Mitarbeiter des Schulärztlich-Schulpsychologischen Dienstes der Stadt Zürich den Fall einer„Systemischen Beratung in einem fundamentalistischen Kontext“ in„System Familie“ vorgestellt, der jetzt in der Systemischen Bibliothek zu lesen ist. Im Abstracts heißt es:„Im beschriebenen Fall verdichten sich mehrere beraterisch bedeutsame Themenbereiche: die (Re-) Migration einer bikulturellen Familie, religiös motivierte Kindesmisshandlung und Fragen um Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten im Spannungsfeld von kulturell, religiös und weltanschaulich heterogenen und widersprüchlichen Anforderungen. Durch die Migration und durch unterschiedliche Bewältigungsversuche ihrer Eltern entstehen für die älteste Tochter, die beim schulpsychologischen Dienst wegen „Schwermütigkeit“ und Lernschwierigkeiten angemeldet wird, Loyalitätskonflikte innerfamiliärer, kultureller und religiöser Art, die ihre Identitätsentwicklung gefährden. Sie, die vom Vater misshandelt wird, fühlt sich ihm gleichzeitig nahe und sorgt sich wegen seiner zunehmenden Isolation um ihn. Vom Berater wird deshalb die Mitarbeit des vom Umfeld dämonisierten Vaters aktiv angestrebt und gleichzeitig versucht, der Mutter ein Gegenüber zu sein, ohne mit ihr in eine Koalition gegen den Vater einzutreten. Dabei können keine raschen oder spektakulären Lösungen angestrebt werden. Vielmehr werden mit den Familienmitgliedern Handlungsspielräume innerhalb der bestehenden Lebenswelt ausgelotet und es wird – im Spannungsfeld zwischen Freiwilligkeit und Kontrolle – versucht, Veränderungen im Dialog und nicht durch strafrechtliche Maßnahmen zu erzielen.
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23. Februar 2009
von Tom Levold
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Das Kölsche Grundgesetz

Auch wenn es im Rest der Republik noch nicht so richtig klar geworden ist: heute ist Rosenmontag (Abb.: www.koelner-karneval.info), der höchste Kölner Feiertag. Das Kölsche Grundgesetz entstammt zwar weder der Feder von Niklas Luhmann noch der Heinz von Foersters (obwohl der sich eine Weile in Köln aufgehalten und hier auch Karneval gefeiert hat), aber dennoch hilft es dem Kölner (an und für sich) als konstruktivistisches Handgepäck nicht nur im Karneval bei der Bewältigung komplexer Situationen (an und für sich).

Artikel 1
Et es wie et es (Sieh den Tatsachen ins Auge)

Artikel 2
Et kütt wie et kütt (Habe keine Angst vor der Zukunft)

Artikel 3
Et hätt noch immer jot jejange (Lerne aus der Vergangenheit)

Artikel 4
Wat fott es es fott (Jammere den Dingen nicht nach)

Artikel 5
Nix bliev wie et wor (Sei offen für Neuerungen)

Artikel 6
Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet (
Seid kritisch, wenn Neuerungen überhand nehmen)

Artikel 7
Wat wellste maache? (Füge dich in dein Schicksal)

Artikel 8
Mach et jot ävver nit ze off (Achte auf deine Gesundheit)

Artikel 9
Wat soll dä Quatsch? (Stelle immer erst die Universalfrage)

Artikel 10
Drinkste ene met? (Komme dem Gebot der Gastfreundschaft nach)

Artikel 11
Do laachste dech kapott (Bewahre dir eine gesunde Einstellung zum Humor)

20. Februar 2009
von Tom Levold
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RTL, Ehe-TÜV und Badewannen

„So, jetzt ist es so weit. Jetzt schreibe ich das mal auf, was für bemerkenswerte Anrufe ich mitunter entgegennehme – nein, nicht die von der Lottogesellschaft mit garantierter Gewinnchance beim Kauf eines Jahresloses zu 298,- Euro, und auch nicht die mit dem altruistischen Hinweis auf den günstigsten Handytarif („Wie hoch ist denn Ihre monatliche Telefonrechnung?“). Nein, und auch nicht die, die per Computerstimme einen ganz dringenden Rückruf zur Abholung eines Gewinns einfordern.
Ich meine zum Beispiel folgenden von heute Nachmittag: „Guten Tag, ich heiße Erwin Lottemann und arbeite für die Fernsehproduktionsfirma media super. Wir sind auf der Suche nach der Vermittlung eines Paares, das seine sexuellen Probleme gerne mit Hilfe eines Paarberaters klären bzw. bearbeiten möchte. Haben Sie einen Moment Zeit?“
Ich frage: „Für welchen Sender wäre das denn?“ Die Antwort von Herrn Lottemann ist erfrischend direkt, andere drucksen da länger herum. Er sagt: „Für RTL.““
So beginnt die neue Glosse von Hartwig Hansen für das systemagazin, und viele PaartherapeutInnen, die im Internet und im Buchladen zu finden sind, können sich an ähnliche Anfragen erinnern. Mitmachen muss man deshalb noch lange nicht. Und Hartwig Hansen macht Mut, nein zu sagen.
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19. Februar 2009
von Tom Levold
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DB – Neue Spitzelaffäre um Mehdorn

Wie heute aus gut informierten Kreisen zu erfahren war, hat die Deutsche Bahn eine neue Spitzeläffäre. Neben den mittlerweile bekannt gewordenen 17 Späh-Projekten zur angeblichen Korruptionsbekämpfung, die von der Detektei Network im Auftrag der Deutschen Bahn durchgeführt worden sind, ist nun ein weiteres Projekt bekannt geworden, das der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn vor fast drei Jahren selbst in Auftrag gegeben hat. Aus den dem systemagazin vorliegenden Projektunterlagen geht hervor, dass die Detektei bei der Suche nach Elementen, die das Image und den Unternehmenswert der Deutschen Bahn massiv reduziert haben, schon früh auf eine verdächtige Person namens Hartmut Mehdorn gestoßen ist. Auf Verlangen des Vorstandsvorsitzenden wurden damals umgehend massive und vollständige Überwachungsmaßnahmen in Gang gesetzt, die unter dem Projektnamen„Achsen des Bösen“ firmierten. Da der verdächtigte Mehdorn in der Öffentlichkeit einen gewissen Ruf geltend machen und sich auch lange auf politische Verbindungen stützen konnte, soll der Vorstandsvorsitzende lange gezögert haben, Mehdorn zu entlassen, obwohl die Beweislast immer drückender wurde. Zuletzt soll Hartmut Mehdorn sogar den Vorstandsvorsitzenden mit intimen Dokumenten und Fotos erpresst haben, an ihm festzuhalten. Unter dem gegenwärtigen Druck der Öffentlichkeit zeichnet sich aber ab, dass sich der Vorsitzende der Deutschen Bahn in den nächsten Tagen von Hartmut Mehdorn trennen wird. Kritiker warnen aber bereits davor, das Amt des Vorstandsvorsitzenden eines solch bedeutsamen Unternehmens wie der Deutschen Bahn in die Hände einer Teilpersönlichkeit zu legen.

18. Februar 2009
von Tom Levold
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Helm Stierlin im Interview

Für das neue Heft der Familiendynamik hat Hans Rudi Fischer ein Gespräch mit Helm Stierlin geführt, das dankenswerterweise auch online verfügbar ist. Helm Stierlin berichtet hier von den Wurzeln der Familientherapie, die viel damit zu tun haben, dass„freche“ Menschen wie Jay Haley, John Weakland oder Paul Watzlawick relativ unbekümmert die psychoanalytischen Dogmen der Zeit ignoriert haben und damit neue Akzente setzen konnten, warnt aber auch davor, dass der Begriff„systemisch“ heute nicht mehr viel aussagt, da er inflationär eingesetzt werde. Der„Familiendynamik“ (und eigentlich uns allen) schreibt er dementsprechend ins Stammbuch:„Es sollten gerade traditionell schwierige Felder wie Psychosentherapie oder Psychosomatik auch sehr kontrovers diskutiert werden können. Dazu sollte man auch Analytiker zu Worte kommen lassen, auch gerade bei der Frage, wieviele Sitzungen in alternativen Therapieansätzen nötig erscheinen. Ich finde es wichtig, gerade konfliktbesetzte Themen von unterschiedlichen Seiten her zu beleuchten und dadurch Spannung und Kontroverse hineinzubringen. Die ‚Familiendynamik‘ sollte nicht eine Art Lehrbuch werden“.
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16. Februar 2009
von Tom Levold
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Lebendige Freiheit für eine lebendige Schule

„Machen wir uns nichts vor: Das authentische, bis zum Tode sich selbst treu bleibende Subjekt, dem Authentizität aus der heiligen Stille autonomen Entscheidens zuwächst – das gibt es nicht mehr. Die Heterogenität unserer Zeit wäre von ihm nicht mehr ausbalancierbar. Es hat sich aufgeben müssen. Die biologischen Systeme, die Bewusstseinsmaschinen und die Teilnehmer an der endlos scheinenden Kommunikation, aus der Gesellschaft besteht, oder kurz: wir Menschen – werden in Zukunft anders navigieren. Wir werden mit Unterscheidungen arbeiten, mit variablen Beobachterrollen, wir werden darum bemüht sein, Anschlüsse nicht zu verpassen und uns im Schema Variation, Selektion, Reorganisation bewegen. Die Orte, an denen wir dies tun, müssen da mithalten. Denn wer möchte sein Kind schon statt in eine Schule in ein Museum schicken, wo es gelangweilt ihm seltsam und weltfremd erscheinende Bildungsmirakel bestaunen darf, wo es Lehrer/innen aus Fleisch und Blut erlebt, deren Idealismus zwar zu häufig mit Füßen getreten wurde und deshalb längst begonnen hat, sich selbst leid zu tun, die dem Glauben an die prinzipiell mögliche Vernunftautonomie ihrer Schüler/innen jedoch irgendwann einmal Unerschütterlichkeit verordnet und ihn damit ein- für allemal blind gestellt haben – wider jede bessere Praxiserfahrung? Wenn der Schulstress jene Lehrer/innen mal eine Zeit lang in Ruhe lässt, flammt ihre Begeisterung für jenen Menschen, der in der metaphysisch angehauchten Aura erhabener Wesentlichkeit schwebt, immer wieder neu auf und ihre durch Diskrepanz dieser Vorstellung mit der Wirklichkeit nicht ausbleibende Verbitterung kann zwar immer wieder weg geschoben werden, nagt aber trotzdem insgeheim an ihren Kräften, die sie so dringend benötigten für die konstruktive Arbeit an den tatsächlich reichhaltig vorhandenen Problemen ihrer Schüler/innen“ So lautet das Fazit eines lesenwerten – weil gedankenreichen und gut geschriebenen – Artikels in der Systemischen Bibliothek von Stefan Braun, Oberstudienrat an einem Aachener Gymnasium. Er schlägt vor, darüber nachzudenken, wie eine handhabbare Idee von Freiheit unseren Schulen gut tun kann, wie lebendige Freiheit Schulen lebendiger machen kann und nähert sich dieser Aufgabe auf mäandernden Umwegen, die der Vertracktheit des Freiheitsbegriffs Rechnung tragen.
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13. Februar 2009
von Tom Levold
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Eine Psychiatrie-Erfahrene und eine Psychotherapeutin im Gespräch

Im Paranus-Verlag Neumünster erscheint dieser Tage ein Buch mit dem Titel„Wir sind weit miteinander gegangen. Eine Psychiatrie-Erfahrene und eine Psychotherapeutin im Gespräch“, in dem sich, moderiert von Fritz Bremer, Sibylle Prins, eine Psychiatrie-Erfahrene und Renate Schernus, ihre ehemalige Psychotherapeutin, über ihre gemeinsame Arbeit im Kontext der Sozialpsychiatrie unterhalten. Dabei sind aufschlussreiche Dialoge herausgekommen, die ein nachdrückliches Plädoyer für eine dialogische, partizipationsorientierte Haltung in der psychiatrischen Arbeit darstellen. systemagazin veröffentlicht als„Vorabdruck“ das dritte Kapitel, ein„Gespräch, bei dem unter anderem über Gesundheit geredet wird“.
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12. Februar 2009
von Tom Levold
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Familiendynamik 2009

33 Jahre lang hat sich das äußere Erscheinungsbild des Flaggschiffs der familientherapeutischen Zeitschriften, die „Familiendynamik“ aus dem Klett-Cotta-Verlag, nicht sonderlich verändert. Irgendwann kam ein bisschen Farbe ins Spiel, das Druckbild wurde ein wenig aufgelockert, ansonsten blieb das Layout – ähnlich wie das ihrer Schwesterzeitschrift „Psyche“ sehr stabil. Nun wurde ein „Relaunch“ der Zeitschrift schon im Herbst von den Herausgebern Ulrike Borst, Hans Rudi Fischer und Arist von Schlippe angekündigt, seit Mitte Januar ist das Heft auf dem Markt – und es hat sich eine Menge verändert. Der Nachteil zuerst: das Heft lässt sich nicht mehr so schön wie zuvor ins Regal stellen, weil die „Familiendynamik“ wie die „Psychotherapie im Dialog“, „Psychotherapeut“ und „Psychotherapie-Forum“ auf das schlankere Großformat umgestellt wurde. Das ist aber auch schon der einzige Nachteil, der als Preis für die Zunahme an Gestaltungsmöglichkeiten, Spaltensatz und besserer Lesbarkeit zu bezahlen war. Das Heft hat trotz der Formatvergrößerung einen Umfang von 120 Seiten, und wenn das zukünftig so bleibt, ist damit auch eine inhaltliche Erweiterung des Umfanges verbunden, die auch eine Herausforderung für die HerausgeberInnen darstellt.
Das Titelblatt hat erstmals einen Blickfang erhalten – zum vorliegenden Heft über „Erzählen, Erinnern, Vergessen“ ist das ein Gemälde von (na? Jawohl!) Edward Hopper, verbunden wohl mit dem Versprechen, dass die „Familiendynamik“ zukünftig mehr „für‘s Auge“ bieten möchte. Das Layout gefällt, die angestrebte Verbesserung von Übersicht und Orientierung beim Leser erweist sich als erfolgreich. Mit einer neuen Rubrik „Seiten-Blicke“ sollen über den thematischen Fokus hinaus auch Ergebnisse anderer Disziplinen daraufhin überprüft werden, ob sie den therapeutischen Blickwinkel zu erweitern in der Lage sind. In einer neuen Rubrik „Interview“ sollen Persönlichkeiten aus dem systemischen Feld portraitiert werden (das gibt es seit einem Jahr auch schon im „Kontext“), in einer weiteren neuen Rubrik („Zurück-Geschaut“) sollen systemische AutorInnen von Büchern schreiben, deren Lektüre ihre Denkweise auf eine bestimmte Art und Weise verändert hat (auch hier liegen Bezüge auf die Kontext-Rubrik „Klassiker wiedergelesen“ nahe). Weiterhin gibt es Platz für Karikaturen, „vermischte Fundstücke“ und kurze Präsentationen von Filmen, die für Systemiker von Interesse sein können. Zum gelungenen Neu-Start an dieser Stelle einen herzlichen Glückwunsch an Verlag und Herausgeber!
Was findet sich inhaltlich im neuen Heft? Konrad Grossmann, immerhin einer der wichtigsten Vertreter des narrativen Ansatzes, formuliert einen „Abschied von narrativer Therapie“, Lesley Anne Bleakney und Harald Welzer schreiben über den „Strukturwandel des Familiengedächtnisses“ und der Organisationsforscher Yiannis Gabriel nimmt zu „Geschichten und Geschichtenerzählen in Organisationen“ Stellung. „Die Geburt der Psyche in elterlichen Erzählen“ wird von B. Boothe thematisiert. Außerhalb des Themenschwerpunktes wirft Hans Rudi Fischer einen kritischen Blick auf die Hirnforschung, die Entdecker des „Bereitschaftspotentials“ Hans Helmut Kornhuber und Lüder Deecke sprechen sich als Hirnforscher engagiert für die Idee der Willensfreiheit aus, Hans Lieb schlägt vor, auf das Konstrukt der „Persönlichkeitsstörung“ zu verzichten und Alain Schmitt und Martin F. Weckenmann aus Wien präsentieren eine „Über-Sicht“ auf das Setting-Design in der systemischen Therapie mit Kindern. Darüber hinaus viele weitere interessante Kleinigkeiten.
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10. Februar 2009
von Tom Levold
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Papst: Gründung einer „Bad Church“ nicht nötig – wir sind schon eine!

Der Aktienkurs der Katholischen Kirche wird offenbar weiterhin durch Papiere, Positionen und Personen belastet, durch die die letzten Reste ihres symbolischen Kapitals entwertet werden. Um eine Abschreibungswelle zu vermeiden, fordern interne Kreise des Vatikan nun die Gründung eines kirchlichen Institutes, das die Giftanlagen übernehmen soll. Die interne Gruppe warnt vor möglichen Milliarden-Abschreibungen an Gläubigen, die der Weltkirche drohen, heißt es in mehreren Presseberichten. Deswegen wurde der Vorschlag erarbeitet, eine sogenannte Bad Church zu gründen, die der Kirche diejenigen Personen abnehmen soll, deren Aktivitäten ihren Wert in der gegenwärtigen Krise stark gedrückt haben, berichten die„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) und die„Financial Times Deutschland“ („FTD“). Die Arbeitsgruppe im Vatikan wollte sich mit Verweis auf die Vertraulichkeit ihrer Gespräche nicht äußern. Das Prinzip hinter ihrem Vorschlag: Die Kirche gibt ausfallgefährdete Problempositionen und -personen, die schwer auf den Bilanzen lasten und potentielle Gläubige abschrecken, in eine eigene Unterkirche – die„Bad Church“. Dazu könnten z.B. die Leugner des Holocaust, Anti-Semiten, Päderasten und alle diejenigen kirchlichen Würdenträger gehören, die öffentlich gegen Schwule und Lesben hetzen oder die die Abtreibung mit dem Holocaust vergleichen. Eine solche Gründung hat keinen anderen Zweck, als dafür zu sorgen, dass die auch als Gift-Assets bezeichneten Anlagen noch so viel wie möglich am Glaubensmarkt abwerfen, ohne aber die Legitimität der Mutterkirche in Frage zu stellen. Bereits in den vergangenen Wochen hatte es Diskussionen um ein solches Verwertungsinstituts gegeben, angeschoben von den angeschlagenen Landeskirchen. Der Vorschlag einer Bad Church stieß internen Informationen zufolge beim Papst allerdings auf wenig Gegenliebe. Von seinen Beratern sei argumentiert worden, durch die immerhin unfehlbaren päpstlichen Garantien für die zweifelhaften Positionen sei der Glaubenshandel bereits hinreichend abgesichert. Die Ausgliederung entwerteter Positionen und Personen in eine Bad Church sei deshalb unnötig. Auch bestehe eigentlich kein Risiko, weil der Papst mit dem Rettungsschirm bei Ausfällen immer einspringe. Doch das Misstrauen im Kirchenensektor ist geblieben. Es wird befürchtet, dass viele Bistümer noch„Giftpapiere“ in ihren Bilanzen verstecken und längst nicht alle Risiken offengelegt haben.
Mit Spannung blicken Beobachter der katholischen Kirche in diesen Tagen nach Rom. Der Papst wird den „credo“-Leitzins für Glaubenskapital nach Einschätzung von Experten erneut deutlich senken müssen. Lediglich der Umfang des Zinsschritts gilt als unsicher. Als möglich werden Zinssenkungen von 0,5 Punkten bis hin zu einem ganzen Prozentpunkt erachtet. Viele Fachleute sind überzeugt, dass in nächster Zukunft die Kirche nicht mehr in der Lage sein wird, Einnahmen von Gläubigen zu beziehen, sondern für Glaubensbekenntnisse jeder Art Bonus-Auszahlungen ausschütten muss. Auch das wäre zu verkraften, wenn nur nicht zuviele Gläubige gleichzeitig ihre angesparten Glaubenswerte auf einmal bei der Kirche auslösen wollen.