systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

9. März 2009
von Tom Levold
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Yvonne Dolan im Interview

Ein – reales oder digitales – Treffen mit Wolfgang Loth ist immer wunderbar, weil man mit einer Vielzahl neuer Ideen, Hinweisen und Fragestellungen versorgt und beglückt wird – aber natürlich auch reich an Herausforderungen, weil man zu einer Vielzahl von Ideen, Hinweisen und Fragestellungen Stellung nehmen muss. Also ist Anregung garantiert. So auch gestern und heute, als wir beide nach Stuttgart zum Treffen des Editorial Boards der Familiendynamik reisten. Im Gespräch über dies und jenes und alles und nichts und Gott und die Welt wies mich Wolfgang Loth auch auf ein Gespräch hin, dass Tapio Malinen aus Finnland sowie Scot Cooper und Ian Bennet mit Yvonne Dolan (Foto: brieftherapynetwork.com) 2002 führten und das im Internet zu lesen ist. Yvonne Dolan, die hierzulande zuletzt als Co-Autorin des letzten, posthum erschienenen Buches von Steve de Shazer„Mehr als ein Wunder“ in Erscheinung getreten ist, äußert sich in diesem interessanten Gespräch auf eine sehr persönliche Art und Weise, die ihre Kunst, das lösungsorientierte Vorgehen nicht zur Abarbeitung eines Fragekatalogs reduzieren zu lassen, sondern sorgfältig auf die affektive Situation der Klienten und das Timing der therapeutischen Konstellation zu achten, deutlich werden lässt.
„Yvonne Dolan: It is the stance that gets in the way; at least it has for me at times. In this field I think traditionally we are trained to place more importance on the bad things that happen to people than the good things. So we have in the field of abuse people still defined as victims and survivors.
Scot Cooper: Defined by the event?
YD: Yes, as opposed to becoming people to whom a variety of things have happened and one of them is abuse. Another one might be falling in love, another one might be planting a garden, another might be becoming a mother or a father, wanting to do pole vaulting or who know what. I think that one of the things that interferes is training to place more emphasis on the negative than the positive one.
SC: How strange that sounds when we talk about it.
YD: We actually imprison the person in the problem in a sense. Even calling someone a survivor implies that for the rest of their lives they will live in reaction to that event.
IB: They will never get over it?
TM: You also show the third possibility that you called the Authentic Self.
YD: I think that people in our field have been alluding to that for a while. It is not a unique idea to me. I do think that I am perhaps more attached to the importance of the third stage because I see the legacy of defining clients as living in reaction to their problems as opposed to living in reaction to their hopes. I always want to ask&ldots; even if someone is giving me a history of awful things that have happened, I always want to ask„what else matters to you“?
IB: And if they can’t think of anything?
YD: I have never had that happen. You would think it would but I never have. I used to work in rural mental health and you would see people in one way in your office and then go somewhere else and see them entirely differently. There was this family that from the first day I was warned about. I was working in this really small town and I was told that this is a family with a lot of abuse, the parents are shiftless, they don’t work, the family has been on welfare for several generations, there is a lot of drug abuse, alcohol abuse, physical abuse, very negligent. They said just be really careful with this family because you really have to pay a lot of attention so they don’t do anything else to their children. The implication was that their children had been badly neglected. Right about at that time I was really getting used to living in a small town and I had only met one person that I was getting to know outside the professional field. He was an artist and he had these wonderful paintings he had done. He had a little art gallery and some of the more remarkable paintings were the ones he had done. He did portraits of a family. One of a woman carrying a loaf of bread and this family sitting around on a big old front porch and I remarked on them and he said„you need to meet these people, they are some of the most wonderful families I have ever met“. He talked about how there was a musical festival that weekend and if I attended it I would for sure see them there because they always went to it and they all played differed musical instruments. Well of course I did go and it was the family I had been warned against. All these people there were saying„oh yea this family would give you the shirt off their backs“,„their door is always open to anyone who is hungry or needs anything“. It was a completely different picture and I realized that I had only got part of the picture from my colleagues. It didn’t mean that my colleagues picture was wrong. What they were saying was probably absolutely true but this other past was true too. That’s a long time ago and I am still trying to remember to make space for both those pieces when I meet people. The piece that brings them to therapy and the piece that is their life outside of therapy“
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8. März 2009
von Tom Levold
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„Gute“ organisatorische Gründe für „schlechte“ Krankenakten

Harold Garfinkel (Foto phenomenologyonline.com), mittlerweile 91 Jahre alt, ist der Begründer der Ethnomethodologie, einer in den 70er-Jahren populären sozialwissenschaftlichen Schule (die zu Unrecht in den vergangenen Jahren in den Hintergrund gerückt ist), die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie sich Menschen in den sozialen Strukturen der alltäglichen Lebenswelt wechselseitig orientieren und nach dem ihnen selbstverständlich scheinenden Alltagswissen handeln. Im Unterschied zu gleichgesinnten Theoretikern hat Garfinkel die Frage der Konstruktion der sozialen Wirklichkeit immer auch als empirische Fragestellung verstanden. In seinem 1967 erschienenen Buch„Studies in Ethnomethodology“ wurde der Beitrag„„Good“ organizational reasons for „bad“ clinic records“ erstmals veröffentlicht. Im Jahre 2000 erschien eine von Astrid Hildebrand besorgte Übersetzung in„System Familie“ und kann in der Systemischen Bibliothek des systemagazin nachgelesen werden. In diesem schönen Text geht es um die Frage, welchen Sinn die in Bezug auf die Erzählung einer Krankenbehandlung oftmals dürftigen psychiatrischen Krankengeschichten dennoch in Hinblick auf die verborgenen„kontraktuellen“ Aspekte des Behandlungsprozesses im Kontext psychiatrischer Organisationen haben. Es handelt sich also um einen spannenden Beitrag zum Diskurs, wie über die Konstruktion der Krankengeschichte eines konkreten Patienten als eines optimal unbestimmten Falles den Notwendigkeiten einer klinischen Organisation (und Dokumentation) Rechnung getragen werden kann:„Das für Krankengeschichten gültige Interpretationsschema kann grundsätzlich von überall her bezogen werden. Es kann sich mit dem Lesen jedes einzelnen Items verändern; es kann sich mit den Zielsetzungen des Forschers verändern, wenn er aus den Dokumenten, auf die er stößt, einen Fall machen möchte; es kann sich „im Lichte der Verhältnisse“ verändern und sich mit den notwendigen Anforderungen verändern. Herauszufinden, zu entscheiden oder darüber zu streiten, in welcher Beziehung der Sinn eines Dokuments zum „Ordnungsschema“ steht, bleibt voll und ganz dem Urteil des Lesers überlassen, wie er dies in einem spezifischen Fall, gemäß dem Fall, im Licht seiner Zielsetzungen, im Licht seiner sich verändernden Absichten, im Lichte dessen, was er allmählich herausfindet, usw. für geeignet hält. Die Bedeutungen der Dokumente verändern sich als Funktion des Versuchs, diese zu einer Aufzeichnung eines Falles zusammenzufassen. Anstatt im Vorhinein darzulegen, worüber es in einem Dokument überhaupt gehen könnte, wartet man ab, bis man erkennt, worauf man in den Krankengeschichten stößt, und daraus „fertigt“ man, findet man buchstäblich das, worum es in dem Dokument überhaupt ging. Dann kann der Leser erkennen, ob Kontinuität, Konsistenz und Kohärenz zwischen dem Sinn des einen Dokuments und dem eines anderen Dokuments bestehen – oder nicht. In keinem Fall werden dem Leser Einschränkungen auferlegt, um im Vorhinein zu rechtfertigen oder kundzutun, was in der Krankengeschichte wofür Bedeutung hat oder welchen Dingen er in Bezug auf was Bedeutung beimessen wird oder nicht“
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7. März 2009
von Tom Levold
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systemisch…

Wahrscheinlich wird jeder von uns schon mal die Erfahrung gemacht haben, in der Adresse eines Briefes, in einem Faltblatt einer Veranstaltung oder sonstigen Druckerzeugnissen als VertreterIn der „systematischen“ Therapie oder Beratung angesprochen worden zu sein. Dies zeugt von der weit verbreiteten Unkenntnis schon des Begriffs „systemisch“, von den Inhalten, für die er steht, ganz zu schweigen.
Durch diese gesellschaftliche Ignoranz häufig narzisstisch gekränkt, horchte ich erfreut auf, als ich jüngst in politischen Kommentaren zur Finanzkrise immer häufiger das Wort „systemisch“ vernahm. So war von der Hypo Real Estate als einer „systemischen Bank“ und von Opel als „systemischem Unternehmen“ die Rede. Schnell verflog meine anfängliche Freude, als mir klar wurde, dass es hier um marode Organisationen ging, die durch Spekulantentum oder Unbeweglichkeit der Manager an den Rand des Ruins getrieben worden sind. Für die Öffentlichkeit erschiene dann „systemisch“ als gleichbedeutend mit unfähig, geldgierig, unsozial und an kurzfristigem Eigennutz orientiert. Könnten diese Konnotationen nicht unsere gerade erst kürzlich errungene wissenschaftliche Anerkennung durch den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie wieder gefährden?
Als sich schon düstere Zukunftsvisionen meiner zu bemächtigen drohten, brachte ein Perspektivenwechsel einen plötzlichen Stimmungsumschwung: Wenn „systemische“ Manager zunächst mit Bonus-Zahlungen reichlich belohnt und dann ihr Scheitern durch die Öffentlichkeit ausgebadet wird, dann können doch systemische TherapeutInnen einer sorglosen Zukunft entgegen sehen! Welch wunderbare Lösung des Therapeutendilemmas (im Sinne von Kurt Ludewig): „Handle effektiv, ohne jemals genau zu wissen, was Dein Handeln bewirken wird.“ Macht nix, der Staat wird´s schon für uns richten und die Gesellschaft in jedem Fall ihre schützende Hand über uns halten, da sie uns für unverzichtbar hält. Schluss mit dem internen Streit um störungsspezifisches Wissen, ICD-Diagnosen, Preis und Kosten der sozialrechtlichen Anerkennung: „Ich will so bleiben, wie ich bin.“ ruft flehend die Systemische Therapie – „Du darfst!“ antwortet beruhigend der Staat und breitet sein Schutzschild aus.
In diesem Augenblick fiel ich in einen tiefen, wohligen Schlaf.

Stephan Baerwolff, Jork

6. März 2009
von Tom Levold
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Vorabdruck: Einführung in die interkulturelle Beratung und Therapie

Dieser Tage kommt auch ein weiteres Buch in der Reihe compact des Carl-Auer-Verlages (die sich allmählich den Dimensionen eines kleinen Gesamtkunstwerkes annähert) zur Welt, nämlich eine Einführung in die interkulturelle Beratung und Therapie, die von Thomas Hegemann und Cornelia Oestereich verfasst worden ist. Beide haben sich schon seit langen Jahren theoretische und praktisch intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt, das leider immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit und Ressourcen bekommt. Es wäre zu wünschen, dass diese Einführung einen Anstoß zur Veränderung gibt. In systemagazin erscheint als„Vorabdruck“ ein Abschnitt aus dem ersten Kapitel, der sich mit der Frage auseinandersetzt, was (fremde) Kultur eigentlich heißt.
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4. März 2009
von Tom Levold
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Was wissen wir über das Wissen

In einem Vortrag auf dem Symposium „Szenarien der Wissensgesellschaft“ in München im Oktober 2000 machte sich der Soziologe und Systemtheoretiker Armin Nassehi Gedanken über unser Verhältnis zum Wissen und Nicht-Wissen. Dabei kam es ihm darauf an„zu zeigen, dass die Frage »Was wissen wir über das Wissen?« heute alles andere als eine akademische Frage ist, sondern in weiten gesellschaftlichen Feldern bestimmend geworden ist. Die Rede von der Wissensgesellschaft jedenfalls – sie ist eine Selbstbeschreibung der modernen Gesellschaft, die darauf hinweist, dass uns das Wissen zum Problem geworden ist und dass nicht das Wissen ein knappes Gut ist, sondern jene Sicherheit, die wir dem Wissen einst entnommen haben. Vielleicht wäre es nicht das schlechteste Szenario der »Wissensgesellschaft«, Unsicherheit und Nicht-Wissen stärker ins Kalkül zu ziehen“ Der Vortrag ist auch im Internet zu lesen.
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3. März 2009
von Tom Levold
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Vorabdruck: Praxis der Multifamilientherapie


In den vergangenen Jahren ist auch hierzulande das Konzept der Multifamilientherapie von Eisa Asen und seinem Team im Londoner Marlborough Family Service zunehmend bekannt geworden, nicht zuletzt auch dadurch, dass er mit Michael Scholz in Dresden einen Kooperationspartner gefunden hat, der die Realisierung dieses bahnbrechenden Modells auch im deutschsprachigen Raum vorangetrieben hat. Nun haben die beiden im Carl-Auer-Verlag ein Buch über die„Praxis der Multifamilientherapie“ vorgelegt, dass im Detail die Konzeption und Arbeitsweise erläutert. systemagazin bringt als Vorabdruck aus dem Band, der in der kommenden Woche erscheint, das fünfte Kapitel, das sich mit den Untersuchungen zu Wirksamkeit des MFT-Ansatzes beschäftigt und Aufschluss über Personalbedarf, räumliche Anforderungen, fnanzielle Grundlagen, Fragen des Umgangs mit Vertraulichkeit, Schweigepflicht und Dokumentation, Kontraindikationen usw. befasst.
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2. März 2009
von Tom Levold
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Survival-Tipps für Adoptiveltern II

Manchmal gehen Dinge einfach schief. So zum Beispiel mit der Buchvorstellung von heute früh. Da liegt bereits seit Wochen eine Rezension von Rudolf Klein zum vorliegenden Buch in meiner digitalen Schublade und wird bei der Präsentation einfach vergessen. Asche auf mein Haupt und herzlichen Dank nach Merzig an Rudi Klein für die Erinnerung. Auch er ist von dem Buch sehr begeistert, vor allem berührt von der„Einladung, besser: (der) Empfehlung, noch besser: (der) Aufforderung an die Eltern, ihre Kinder aufrichtig zu unterstützen, sich ihnen gegenüber loyal zu verhalten – selbst um den Preis, von der Verwandtschaft, den Freunden, Nachbarn, Kollegen und nicht zuletzt den Lehrern als nicht-verstehbar oder gar merkwürdig zu gelten. Also der Liebe zu ihren Kindern den höchsten Wert im Umgang mit ihnen zuzuordnen und vieles andere – vordergründig so Wichtiges im Leben – als nachrangig zu werten“
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2. März 2009
von Tom Levold
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Survival-Tipps für Adoptiveltern

Wenn Bruno Hildenbrand, bekennender Nicht-Verfasser von Ratgeber-Literatur (da ihm die Untiefen für Fachleute, die ein Buch für Alltagsmenschen schreiben, vertraut sind), sich mit einem„Ratgeber“ als Rezensent beschäftigt, darf man gespannt sein, denn Gefälligkeitsbesprechungen sind von ihm nicht zu erwarten. Nun haben Christel Rech-Simon und Fritz B. Simon ein Buch für Adoptiveltern geschrieben, in das nicht nur ihre fachliche Expertise als Therapeuten, sondern auch ihre eigenen Erfahrungen als Adoptiveltern eingeflossen sind. Damit haben die beiden, so Bruno Hildenbrand,„ein Buch vorgelegt, das ein neues Licht auf die Ratgeberliteratur als Gattung wirft und – das lässt sich ohne Übertreibung so sagen – Maßstäbe in diesem Genre setzt. Sie haben ein fachlich fundiertes Buch geschrieben, das in praktisch handhabbare „Survival-Tipps“ mündet, und so den Nachweis der Quadratur des Kreises geschafft“ Mit dieser Meinung steht er nicht alleine. Auch für Karin Wisch ist es„ein großartiges Buch, das ich allen Adoptiv- und Pflegeeltern an die Hand wünsche, aber auch den Lehrern, Psychologen, Therapeuten und Sozialarbeitern, die mit diesen Familien arbeiten“
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28. Februar 2009
von Hargens
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Gleiches Recht für alle. Leitungs- und Führungskräfte sind aber nicht gleich

Nachdem eine Mitarbeiterin von Kaisers, die dreißig Jahre – offenbar unbeanstandet und zuverlässig – an der Kasse gearbeitet hat, eine Verdachtskündigung wegen der Unterschlagung von € 1,37 Pfandgeld erhalten hat und diese Verdachtskündigung vom Arbeitsgericht bestätigt wurde, weil das Vertrauensverhältnis des Arbeitgebers nicht mehr gegeben war, sehen sich Politiker plötzlich einer ganz neuen Variante des Volkszorns gegenüber.
Es wird berichtet, dass sich Bürger an Regierungsvertreter verschiedener Bundesländer gewandt hätten, um die Politiker, die Mitglied in Vorständen und Aufsichtsräten von Banken sind, aufzufordern, entsprechend mit Bankmanagern zu verfahren, die Millionen an der Börse „verzockt“ haben – sie werden aufgefordert, diese Manager aufgrund des fehlenden Vertrauens fristlos zu kündigen.
Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet, halten Politiker das Vertrauensverhältnis zu den Managern allerdings für nicht gestört, denn diese hätten sich „um die Steigerung der globalen Wirtschaft“ verdient gemacht und das dabei vernichtete Kapital zähle eben nun einmal zu den „Kollateralschäden der globalen Wirtschaft.“ Und im Übrigen, so ein hochrangiger Beamter aus dem Wirtschaftsministerium, könne man doch einen Betrag von 1,37 EURO keinesfalls mit den verbrannten Millionenbeträgen vergleichen. „Das kann man nicht über einen Kamm scheren“, was ohne Zweifel zutrifft, wie Otto Normalverbraucher gelernt hat: um einen Kleinkredit aufzunehmen, muss er große Sicherheiten bieten und sich genauestens überprüfen lassen. Größere Millionenbeträge werden demgegenüber leicht und mühelos verschoben. Und im Übrigen, so ein ergänzender Hinweis aus den Chefetagen der Bank, seien Bankmanager keine Arbeiter, sondern leitende und führende Angestellte, für die ganz andere rechtliche Vorschriften gelten.
Da scheint der althochdeutsche Volksmund offensichtlich immer noch Recht zu besitzen, der sehr drastisch feststellt: der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.

28. Februar 2009
von Tom Levold
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Gesundheitsverhalten

“ „… und das höchste Gut ist doch die Gesundheit!” – kaum eine Geburtstagsansprache kommt ohne diesen Satz aus, und doch ist er blanker Unsinn. Niemals in der gesamten philosophischen Tradition des Ostens und des Westens ist etwas so Zerbrechliches wie die Gesundheit der Güter höchstes gewesen. Noch bei Kant war das höchste Gut die Einheit von Heiligkeit und Glückseligkeit oder Gott. Doch heute ist alles anders. Wir leben im Zeitalter der real existierenden Gesundheitsreligion. Alle Üblichkeiten der Altreligionen sind inzwischen im Gesundheitswesen angekommen“. So eröffnet Manfred Lütz, Leitender Arzt einer Kölner psychiatrischen Klinik mit philosophischem und theologischem Background seinen Artikel über den neuen Fetisch Gesundheit. Ansonsten ist das aktuelle Heft der Psychotherapie im Dialog allerdings eher der Frage gewidmet, welche Rolle jetzt und in Zukunft auf die Psychotherapie bei der Förderung von Gesundheitsverhalten zukommt. Die Gast-Herausgeber Stephan Herpertz und Volker Köllner sehen hier eine Chance:„Obwohl Gesundheit als„höchstes Gut“ gepriesen wird und die Gesundheitswirtschaft boomt, setzen sich in unserer Gesellschaft offensichtlich Verhaltensmuster durch, welche die Gesundheit schädigen. Als eine Reaktion auf diese alarmierende Entwicklung plant die Bundesregierung, in einem Präventionsgesetz die Prävention neben Akutbehandlung, Rehabilitation und Pflege als vierte Säule im Gesundheitswesen zu etablieren. Maßnahmen und Ziele sollen in einem nationalen Rehabilitationsrat erarbeitet werden, dem auch VertreterInnen der Bundesärztekammer und der Kammer der psychologischen Psychotherapeuten angehören sollen. Insgesamt sollen Mittel in der Größenordnung von 300 Mio./Jahr bereitgestellt werden“ Es geht also nicht nur um ein spannendes Thema, sondern auch um einen Markt.
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27. Februar 2009
von Tom Levold
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Warum Politik dilettantisch und oberflächlich sein muss

Im neuen Merkur-Heft ist eine systemtheoretische Beschreibung der gegenwärtigen Situation von Politik und Politikern zu finden, die der Soziologe Helmut Fangmann (Foto: Fuel-FU-Berlin) verfasst hat und die auch online auf der website des Merkur zu finden ist. Fangmann verfolgt dabei die„Hypothese, dass Politik nicht problemorientiert handeln, sondern nur erfolgsorientiert kommunizieren kann. Es geht nicht um Fremdreferenz wie etwa die Lösung sozialer Probleme, sondern um Selbstreferenz, nämlich den politischen Erfolg. Der ist in der Regel aber nur zu haben, wenn ein Bezug zu vermeintlichen gesellschaftlichen Problemlagen hergestellt wird. Die wiederum werden oft erst durch entsprechende Artikulationen im politischen System kreiert und durch die Medien verbreitet. Politik und Medien übernehmen damit zugleich eine Filterfunktion oder, wenn man so will, eine Priorisierung der Problemwahrnehmung. Denn soviel ist klar: Zu viele Probleme zur gleichen Zeit hält keine Gesellschaft aus. Und da Probleme soziale Konstrukte sind und keine Wetterereignisse, lässt sich die Zahl der in der öffentlichen Kommunikation zugelassenen Probleme gut kontrollieren“ Der Autor war früher u.a. Mitarbeiter des Niedersächsischen Wissenschaftsministeriums und Kanzler der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg und arbeitet jetzt als Leitender Ministerialrat in der Abteilung Hochschulmanagement des Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen. In seinem Beitrag geht es auch um politische Leerformeln oder (nach Luhmann) Kontingenzformeln, mit denen alles oder nichts begründet werden kann:„Vielleicht hat der Begriff »Innovation« ja bereits die Qualität einer solchen Kontingenzformel erreicht. Immerhin wurde in Nordrhein-Westfalen unlängst ein Innovationsministerium eingerichtet und die kaum operationalisierbare Zielmarke »Innovationsland Nr. 1« ausgegeben“. Dass Fangmann selbst in diesem Kontext arbeitet, ist allerdings unter online-merkur nicht zu erkennen. Vielleicht ist ja ein Bericht aus der Höhle des Löwen in Vorbereitung 🙂
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