systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

24. Juni 2009
von Tom Levold
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systeme 1/09

Etwas verspätet wird an dieser Stelle die neue Ausgabe der„systeme“ vorgestellt, sie ist immerhin schon einige Wochen auf dem Markt. Aus dem Editorial:„Gleich zu Beginn finden Sie die im letzten Heft versprochene Fortsetzung zum Thema Burnout; in Teil 2 führen Stefan Geyerhofer und Carmen Unterholzer in kurzweiliger und anregender Weise durch hilfreiche Strategien und Interventionen im Umgang mit dem Burnout-Syndrom. Danach lädt Dominik Rosenauer, ausgehend von der österreichischen Gesetzeslage, in seinem Artikel über Online Beratung engagiert wie provokant dazu ein, sich mit den Rahmenbedingungen und Besonderheiten eines möglichen Arbeitsfeldes für PsychotherapeutInnen auseinanderzusetzen. In unserem dritten Beitrag zeigt Dietmar Rüther anschaulich, wie aus Physiotherapie im Sinn einer funktionalen Körpertherapie ganzheitlich körperorientierte Beziehungsarbeit mit systemischer Ausrichtung werden kann“. Darüber hinaus wird auf Günter Schiepeks neues Institut für Synergetik und Psychotherapieforschung in Salzburg eingegangen, ein Rezensionsessay von Wolfgang Loth zur Bedeutung der Philosophie Karl Jaspers für eine Sinn-orientierte Beratung sowie zwei Nachrufe auf Georgina Steininger und Rolf Thissen beschließen das Heft.
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23. Juni 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Michael Schetsche

„Es spricht (…) auf Seiten der Opposition alles dafür, jede von sozialen Akteuren aufgegriffene Problemlage zum Gegenstand ihrer Politik zu machen – und von der Regierung deren Bekämpfung zu verlangen. Problempolitik stellt eine zentrale Strategie oppositionellen Handelns dar. Weil die Chance der Übernahme ihres Problemmusters dort größer ist, werden Akteure also zunächst versuchen, eine Problemwahrnehmung über eine der im Parlament vertretenen Oppositionsparteien in der politischen Arena thematisieren zu lassen. Diese Strategie dient jedoch stets nur dazu, den politischen Druck auf die Regierung zu erhöhen, die allein dafür sorgen kann, daß staatliche Ressourcen zur Problembekämpfung eingesetzt werden. Trotzdem kann man nicht von einer Funktionalisierung der Opposition sprechen, weil diese selbst ein Interesse daran hat, die Regierung in Zugzwang zu bringen und sie ggf. der Ignoranz oder des Versagens bei der Problemlösung zu bezichtigen. Aufgrund ihrer wechselseitigen Interessen sind Problemakteure und Oppositionsparteien stets ’natürliche‘ Verbündete“ (In: Die Karriere sozialer Probleme. Soziologische Einführung. Oldenbourg, München 1996, S. 135)

22. Juni 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Luise Reddemann

„Evidenzbasierte Medizin erkennt das Recht auf Individualität und Verschiedenheit nicht ausreichend an. Sie erweckt den Anschein, als bedeute eine Diagnose bereits ein Wissen um den einzig richtigen Umgang mit dem, was da diagnostiziert wurde. Damit wird dem Einzelnen seine Würde als einmaliges Wesen genommen. In Anlehnung an eine buddhistische Erkenntnis, wonach Konzepte Finger sind, die auf den Mond weisen, aber eben nicht der Mond selbst, scheinen mir Diagnosen ebenfalls Finger, die auf etwas hinweisen, aber sicher nicht auf den ganzen Menschen als unverwechselbares Individuum. Wie ist es möglich, dass wir Menschen behandeln sollen, als wären sie alle gleich? Warum lässt es unser Respekt vor der Würde des Einzelnen kaum mehr zu, dass wir Therapieempfehlungen als Hilfswerkzeuge bezeichnen, die eine Richtung vorgeben können, aber nicht den Weg. Moderne Navigationsgeräte passen sich an, wenn man einen anderen Weg nehmen will. Moderne Therapieempfehlungen lassen das kaum mehr zu“ (In: Würde – Annäherung an einen vergessenen Wert in der Psychotherapie. Klett-Cotta, Stuttgart 2008, S.113f.)

22. Juni 2009
von Tom Levold
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Wie evident ist die Evidenzbasierung?

Zu dieser Frage hielt Jürgen Kriz am 13.2.07 bei der Westfälischen Akademie für Suchtfragen einen Vortrag, der auch im Netz zu finden ist (Danke an Iris Fischer für den Tipp). Zur Nützlichkeit von Forschungswissen für die therapeutische Praxis bemerkt Kriz:„Dazu zählt insbesondere die Frage, wie weit das Spektrum realer Behandlungen tatsächlich und hinreichend biasfrei im Spektrum dieser Forschung widergespiegelt wird. Und hier gibt es aufgrund von Interessenkonflikten erhebliche Zweifel. Denn Forschung richtet sich nicht nur wertfrei an inhaltlich relevanten Fragen der Kliniker bzw. an zu klärenden Fragen für die Patienten aus, sondern (…) Für Forschung von Psycho- und Sozialtherapie, Reha-Maßnahmen etc., die primär über universitäre/ öffentliche Mittel (incl. DFG, Stiftungen etc.) finanziert werden, gilt: • Es werden bevorzugt Fragestellungen erforscht, die im Rahmen von Diplom-, Doktor- und Habilitationsarbeiten angegangen werden und vergleichsweise schnell und einfach publiziert werden können, d.h. die in die universitären Karrierestrukturen passen. • Beispielsweise lässt sich eine spezielle Vorgehensweise (die dann dem Spektrum „VT“ zugerechnet werden kann) an einer speziellen Patientengruppe sehr gut im Rahmen einer Dissertation experimentell untersuchen. Die Wirkung einer langfristigen, kaum manualisierbaren Vorgehensweise – wie etwa der Langzeit-Psychoanalyse – lässt sich in diesem Rahmen praktisch so nicht untersuchen“ Wer zu diesen und anderen Fragen Genaueres lesen möchte, kommt hier
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21. Juni 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Ludger Heidbrink

„Das Bewusstsein der Verantwortung für die zunehmend komplexeren Prozessabläufe der modernen Welt gehorcht (…) vielfach einer besonderen Form der Verpflichtung. Es handelt sich um eine Verpflichtung zum Eingreifen, Gegensteuern und zur Schadensbegrenzung, die in einer weiten und unbestimmten Verbindlichkeit gründet. Was wir im Einzelnen zu tun haben, um soziale Notlagen zu mindern, ist nicht genau vorgeschrieben; wie wir organisatorische Prozesse verbessern können, damit klarere Zuschreibungen von Fehlern möglich werden, lässt sich nicht exakt regeln; mit welchen Mitteln und auf welcher Grundlage an Informationen und Kenntnissen sich Maßnahmen ergreifen lassen, um nachteiligen Klimaveränderungen vorzubeugen, können wir nicht präzise feststellen. Es gibt so gesehen reale Handlungsnöte, aber keine direkt korrespondierenden Handlungsgebote; es gibt einen dringlichen Bedarf an vorbeugenden Regulierungen, aber keine eindeutigen Erfüllungsregeln; es gibt empirisch beobachtbare Schadensverläufe, aber keine ursächlich Schuldigen. Die Übernahme von Verantwortlichkeiten für Vorsorge- und Folgeprobleme, die im Kontext moderner Gesellschaften entstehen, trägt somit nicht den Charakter unbedingter Pflichten, sondern bedingter Verpflichtungen. Bedingt sind diese Verantwortungspflichten, weil sie in einen epistemologisch und normativ offenen Raum eingelassen sind. Ihre weite Verbindlichkeit resultiert daraus, dass verschiedene Wege zur Verfügung stehen, um bestehenden Forderungen nachzukommen, aber keine eindeutigen Vorschriften existieren, wie dies geschehen soll. In komplexen Handlungssituationen, aber auch in Fällen unverschuldeter Notlagen wie Krankheit, Unglück und Unfällen, die uns gewissermaßen von außen zustoßen, sind die zu erfüllenden Verpflichtungen nicht aus einem vorgegebenen Regelwerk ableitbar, das in einer objektiven Ordnung der Dinge verankert ist. Wir müssen vielmehr von Fall zu Fall feststellen, welche Regeln gelten, wie die situativen Umstände beschaffen sind, in welchen sozialen und kulturellen Kontext die Handlungen eingebettet sind. wie weit die jeweiligen Verbindlichkeiten reichen und von welcher obligatorischen Art sie sind. Das bedeutet: Verantwortungspflichten grenzen einen Spielraum der Obligationen ein, der selbst unbegrenzt ist“ In: Handeln in der Ungewissheit. Paradoxien der Verantwortung. Berlin, Kadmos 2007, S. 181f.)

21. Juni 2009
von Tom Levold
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Familienforschung und Latino-Kultur

Der Anteil der„Latinos“ an der US-amerikanischen Bevölkerung nimmt immer mehr zu, die Bedeutung dieser Gruppe für die amerikanische Politik und Kultur ebenfalls.„Family Process“ hat diesem Prozess schon längst Rechnung getragen, u.a. damit, dass alle abstracts der Zeitschrift auch ins Spanische übersetzt werden. Das aktuelle Heft ist ganz dem Thema der Erforschung der familiendynamischen und familientherapeutischen Besonderheiten in der Latino-Kultur gewidmet und wird durch einen ausführlichen Kommentar der auch hierzulande bekannten Celia Falicov eingerahmt.
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18. Juni 2009
von Tom Levold
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Jürgen Habermas wird 80!

Heute feiert der Sozialphilosoph und Gesellschaftstheoretiker Jürgen Habermas (Foto: Wikipedia) seinen 80. Geburtstag. Mit der Systemtheorie„verbunden“ ist er seit der berühmten„Habermas-Luhmann-Debatte“, die in den 70er Jahren eine beträchtliche Öffentlichkeit gefunden hat. Zum Geburtstag hier ein Hinweis auf einen Aufsatz von Manfred Füllsack, der bereits 1998 in„Soziale Systeme“ erschien und auch im Internet zu finden ist, in dem Füllsack zu zeigen versucht, dass die Differenzen in der Theorie des Sozialen bei beiden Autoren„zwar grundsätzlich, nicht aber unüberwindbar sind“:„Nach dreißigjähriger Laufzeit hat die Kontroverse zwischen Niklas Luhmann und Jürgen Habermas um einen zeitgemäßen Zugang zum Sozialen offensichtlich nichts an Aktualität eingebüßt. Auch in seinem jüngsten opus magnum, der „Gesellschaft der Gesellschaft“, bezieht Luhmann in zahlreichen Anmerkungen und Verweisen gegen die subjektzentrierte Vernunftkonzeption von Habermas Stellung, die für ihn, indem sie in illegitimer Weise die Verwirklichbarkeit von Utopien suggeriert, statt zeitgemäße Soziologie zu betreiben, nur auf Vernunft zu „warten“ scheint. (1997: 1148) Obwohl sich Habermas zwar in seinem Spätwerk tatsächlich von der Soziologie eher ab und einer mehr philosophisch-normativen Erörterung der für moderne Gesellschaften noch gangbaren Integrationsmöglichkeiten zugewandt zu haben scheint, hält auch er es im Gegenzug nach wie vor für nötig, sich von der „systemtheoretischen Unterscheidungspoiesis“ Luhmanns zu distanzieren. (zuletzt etwa: 1996: 393ff). Obwohl die Heftigkeit der Kontroverse nicht zuletzt auch in der Wahl der sprachlichen Mittel zwar nun eine gewisse Konsolidierung gegenüber ihrem Beginn in den siebziger Jahren zu erfahren scheint, dürften die beiden Konzepte in der sozialwissenschaftlichen Theoriediskussion nach wie vor als weitgehend inkompatibel gelten. Gerade „Die Gesellschaft der Gesellschaft“ gibt aber, indem sie gewisse, freilich bereits auch im früheren Werk angelegte Züge der systemtheoretischen Konzeption mit neuer Deutlichkeit herausstellt, Anlaß, einen zweiten Blick auf Parallelen und Analogien von Diskurs- und Systemtheorie zu werfen. Dabei zeigt sich überraschender Weise, daß die Fronten so starr gar nicht sein müßten, daß sie vielmehr an sehr grundsätzlichen Stellen Möglichkeiten bieten, um die eine Konzeption in die andere überzuführen oder mit den Konsequenzen der einen an Prämissen der anderen gewissermaßen „interkonzeptuell“ anzuschließen“
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17. Juni 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Bernhard Waldenfels

„Zwar kann es sein, daß ein Verhalten unverständlich bleibt. Das ist oft der Fall, wenn wir in fremde Kulturen oder fremde Milieus geraten und nicht recht verstehen, was da vor sich geht. Aber dies heißt nicht, daß wir bloße Körpermechanismen vor uns haben, hinter denen wir alles mögliche vermuten müßten, sondern es ist wie beim Hören einer fremden Sprache. Eine fremde Sprache nicht verstehen heißt ja nicht, daß ich bloß physische Laute höre. Wäre die Sprache auf physische Laute reduziert, so würde ich sie nicht einmal als Fremdsprache wahrnehmen. Eine Fremdsprache hören heißt, etwas nicht zu verstehen, was durchaus einen bestimmten Sinn hat und etwas ausdrückt. Das Rätsel beginnt schon damit: Wie kann ich wissen, daß das, was ich höre, eine sprachliche Äußerung ist? Wie kann ich eine Fremdsprache als Fremdsprache erfassen? Daß mir dies möglich ist, bedeutet, daß auch die fremdeste Sprache mir nicht ganz und gar fremd ist, als handle es sich um physische Laute, die niemand verstehen kann“ (In: Das leibliche Selbst. Vorlesungen zur Phänomenologie des Leibes“. Frankfurt a.M. 2000, Suhrkamp, S. 219). 

17. Juni 2009
von Tom Levold
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System- und Subjektperspektive in der Organisationsberatung

„In einem interessanten Beitrag von Hans J. Pongratz (Foto: rosner-consult.de), der sich aus einem Vortrag für die ad-hoc-Gruppe “Soziologische Beratung” des Berufsverbands deutscher Soziologen e.V. am 16. September 1998 auf dem Soziologiekongress “Grenzenlose Gesellschaft?” in Freiburg im Breisgau entwickelt hat, plädiert dieser für eine beratungspraxeologische Integration von systemischen und herrschaftskritischen bzw. subjektbezogenen Theoriekonzepten in der Organisationsberatung:„Während die soziologische Diskussion von Organisationsberatung bisher vor allem auf systemtheoretische Ansätze Bezug nimmt, wird hier versucht, eine ergänzende subjektorientierte Perspektive unter Berücksichtigung herrschaftskritischer Positionen zu entwickeln. Denn typischerweise überlagern sich betriebliche Hierarchie und Beratungsauftrag in der Form, daß die Auftraggeber zugleich Vorgesetzte der zu beratenden (oder von Beratung betroffenen) Mitarbeiter sind. Um die Kooperation dieser Mitarbeiter im Beratungsprozeß zu erreichen, werden in den vorherrschenden Beratungsansätzen verschiedene Strategien vorgeschlagen: Autorität, Motivation, Partizipation, Neutralität. Angesichts der unvermeidbaren Verstrickung der Berater in Machtdynamiken wird hier hingegen für eine Verhandlungsstrategie plädiert, mit welcher – zusätzlich zum ‚Rahmenauftrag‘ der Auftraggeber – mit den betroffenen Mitarbeitern konkretisierende ‚Kernaufträge‘ ausgehandelt werden“
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16. Juni 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Stefan Kühl

„Konflikte können in Organisationen auf zweifache Weise zugerechnet werden: als Konflikt zwischen Rollen oder als Konflikt zwischen Personen. Konflikte zwischen Rollen werden dabei organisationsintern als legitime Auseinandersetzungen gehandhabt. Hinter dem Konflikt zwischen Rollenträgern wird ein Organisationskonflikt gesehen. Es wird deswegen organisationsintern in der Regel akzeptiert, dass sich in der Universität die Fachgruppensprecherin Politologie mit dem Fachgruppensprecher Betriebswirtschaftslehre über die Einbeziehung von wissenschaftlichen Mitarbeitern in die Lehre streitet. Konflikte zwischen Personen haben in Organisationen nicht die gleiche Form von Legitimität. Finden diese statt, werden sie als „Hahnenkämpfe“ zwischen Verwaltungsgockeln, als „Zickenkrieg“ zwischen mehreren Unteroffizierinnen oder als Problem in der „Chemie“ zwischen zwei Abteilungsleitern markiert und tendenziell delegitimiert. Ob eine Auseinandersetzung jetzt als Konflikt zwischen Rollen oder Konflikt zwischen Personen gehandhabt wird ist nicht durch die Organisation selbst objektiv bestimmbar, sondern wird sozial ausgehandelt. Es ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen, dass in einer Interaktion eine Aushandlung darüber gesucht wird, ob ein Konflikt als „Chemie-Problem“ bestimmt wird, das durch ein Konflikt-Coaching oder die Auswechslung eines der Beteiligten zu lösen wäre, oder ob es sich um einen Rollenkonflikt handelt, der auch bei der Auswechslung der Person bestehen bleiben würde“ (In: Psychiatrisierung, Personifizierung und Personalisierung. Zur personenzentrierten Beratung in Organisationen. Organisationsberatung – Supervision – Coaching, Heft 4/2006, S. 391-405)

15. Juni 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Oliver König

„Notwendiger Bestandteil eines Professionalisierungsprozesses ist die Gründung von Berufsverbänden. (…) Das oberste Ziel eines solchen Professionalisierungsprozesses ist ein hoher Grad an Autonomie in der Bestimmung der eigenen fachlichen und ethischen Standards. Ist dieses Ziel erreicht, kann die Grenze zwischen beruflichem Ethos und Berufsideologie ohne große Mühe überschritten werden, denn es nimmt die Möglichkeit zu, dem Eigeninteresse gegenüber der Dienstgesinnung größeres Gewicht zu verleihen bzw. die Rede vom„Wohl des Klienten“ für die Verfolgung von Eigeninteressen einzuspannen. Vielfältige Beispiele für eine solche Vorgehensweise lieferten diversen Fach- und Berufsverbände bei den Auseinandersetzungen um das Psychotherapeutengesetz. In der Regel wird in solchen Auseinandersetzungen die Problematik psychotherapeutischer Versorgung auf die Frage der ‚richtigen‘ Kompetenz reduziert, während der Kampf um berufliche Felder, das sozialpolitische Problem der Organisation psychotherapeutischer Versorgung und die gesellschaftliche Funktion von Psychotherapie kaum thematisiert werden. Zentrales rhetorisches Kampfmittel in dieser standespolitischen Auseinandersetzung ist die Rede vom„Wohl der Klienten und Patienten“. Dieses ans Vorbild der Mediziner angelehnte Denken durchzieht einen großen Teil der Selbstrepräsentation der Beziehungsprofessionen, sobald sie ein gewisses Maß an Legitimität erreicht haben. Die Kritiker kommen in der Regel aus den noch nicht so arrivierten Sparten, ihre Kritik ist Teil ihrer Legitimitätssuche. Alle Beteiligten folgen in diesem Spiel der klassischen bürgerlichen Kampfstrategie: ‚Die Tore nach unten sollen verschlossen bleiben, die Tore nach oben sollen sich öffnen‘ (N. Elias)“. (In: Gruppendynamik und die Professionalisierung psychosozialer Berufe. Heidelberg, Carl-Auer-Verlag 2007, S. 36f.)

14. Juni 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Thomas Fuchs

„Die Wahrnehmung räumlicher Tiefe entsteht nur in Verbindung mit dem Vermögen, sie auch zu durchmessen und die Gegenstände abhängig von unserer Eigenbewegung unter verschiedenen Aspekten zu erfassen. Wahrnehmend sind wir in der gleichen Welt situiert wie die wahrgenommenen Dinge, d.h. wir können auch handelnd mit ihnen umgehen, interagieren. Die idealistische Konzeption der Wahrnehmung vergisst, dass wir leibliche Wesen, verkörperte Subjekte, und nicht in unserem Bewusstsein eingeschlossen sind. Die Verkörperung kommt nicht zur Wahrnehmung noch äußerlich hinzu, sondern sie wohnt ihr inne: Wir müssen schon leiblich in der Welt sein, mit ihr in Beziehung stehen, uns bewegen und agieren können, damit wir überhaupt etwas von ihr wahrnehmen. Es ist nur die Dominanz der ‚optischen‘, auf dem Sehsinn basierenden Erkenntnistheorie und ihrer Metaphorik (Bild, Perspektive, Repräsentation etc.), die uns die Verkörperung vergessen lässt. Tatsächlich gibt es keine ‚Außenwelt‘ zu einem körperlosen Subjekt“ (In: Das Gehirn – ein Beziehungsorgan. Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 31). 

14. Juni 2009
von Tom Levold
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Mit Stundenbögen über Qualität nachdenken

Unter diesem Titel beschrieb Arndt Linsenhoff im Jahre 2000 in„System Familie“ einen Prozess der Qualitätsentwicklung,„den die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einer „Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle mit Anerkennung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz“ genommen haben. Am Ausschnitt der psychologischen und der Schwangerschaftskonfliktberatung wird illustriert, welche Überlegungen zu Qualitätskriterien angestellt und wie Stundenbögen als angemessene Methodik entwickelt wurden, um von den Klienten und Klientinnen Rückmeldungen zur Beratungsqualität zu bekommen. Die Herausforderungen eines solchen Prozesses, förderliche Bedingungen und die Früchte eines solchen Vorgehens werden dargelegt“ In der Systemischen Bibliothek ist der Aufsatz nachzulesen,
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