systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

24. August 2009
von Tom Levold
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Forschungstagung Heidelberg 2010

Die mittlerweile etablierte Tradition der Heidelberger Systemischen Forschungstagungen wird auch im kommenden Jahr fortgesetzt. Systemische Forschung in Therapie, Pädagogik und Organisationsberatung wird von einem hochkarätigen Referentenpool vom 3.-4. März 2010 in Heidelberg beleuchtet. Am 5.3. wird die Tagung mit einem Treffen der„Fachgruppe Hochschulen“ der DGSF abgeschlossen. Es sind u.a. Beiträge von Guy Diamond (über Forschungsstand bei familientherapeutischen Konzepten bei Jugendlichen mit Depressionen und Ängsten), Peter Stratton (europäische Vernetzung systemischer Forschung), Günter Schiepek (Real-Time-Monitoring und Synergetische Prozessforschung) und Günther Ortmann (Management in der Hypermoderne) zu erwarten. Außerdem werden Jürgen Kriz und Dirk Baecker über die Frage streiten, welche Systemtheorie für welche Forschungsfragen genutzt werden kann.
Wer seine eigene Forschung präsentieren möchte, sollte sich mit den Veranstaltern in Verbindung setzen, die Wert darauf legen, dass für die Forschungssymposien nicht nur abgeschlossene, sondern gerade auch laufende und in Planung sich befindende Projekte von Interesse sind.
Das vorläufige Programm kann hier eingesehen werden. Anmeldeformulare gibt es hier…

23. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Hartmut Böhme

«Es gibt historische Gründe für die Erfindung des Seeleninnenraums, der uns zur zweiten Natur geworden zu sein scheint. Diese Gründe hat H. Schmitz (1967, 365-504; 1969, 403-520) durch umfangreiche Analysen der semantischen Felder gefühlsbezogener Ausdrücke erläutert. Er hat deutlich gemacht, daß im Zeitalter der großen Tragiker und ersten Philosophen die griechische Kultur eine entscheidende, historisch weitreichende Umcodierung im Verständnis der Gefühle vorgenommen hat. In der homerischen Zeit und teilweise noch bei den Tragikern herrschte folgende Vorstellung: alle Gefühle waren leiblich; sie wiesen differenzierte räumliche Formen und Richtungen auf (wodurch sie sich unterschieden als Zorn, Mut, Angst, Eros etc.); sie wurden als Mächte verstanden, die den Fühlenden unwiderstehlich ergreifen und durchwirken (weswegen der Fühlende den Gefühlen gegenüber in eine eigentümlich exzentrische und passive Position geriet). Schließlich stellten das Dämonische, Numinose und Theurgische eben diese Gefühlsmächte dar. Es gab keine Interiorisierung von Gefühlen, kein Seelengehäuse mit eigenem autonomen Haushalt. In dieser Auffassung sieht Schmitz eine Erfahrung und ein Verständnis von Gefühlen aufgehoben, wie sie den phänomenologischen Befunden weitgehend entsprächen. Mit der ersten, griechischen Aufklärung ist indessen ein Umschwung zu beobachten: immer mehr kommt es auf die Handhabbarkeit der Gefühle an, darauf, daß man Gefühle zwar hat, aber beherrscht, daß Instanzen im Ich aufgebaut werden, welche Abstände zu den Gefühlsmächten markieren und Zonen der Besonnenheit und Ermächtigung bilden. Abgezielt wurde jetzt darauf, daß jene Preisgabe an Gefühle, die nicht etwa nur die Schwachen, sondern auch die Helden kennzeichnete, gebrochen wird zugunsten eine Art Einhegung und Hortung. Es ging also darum, jene porösen Ich-Strukturen zu schließen und zu befestigen, die den Menschen sonst dem Gewoge der Weltkräfte (wozu die Gefühlsmächte ebenso gehörten wie Kräfte der Natur) auslieferten und zum offenen Schauplatz der Gefühlsereignisse machten. Das war die strategische Funktion zur Erfindung der Seele: sie wurde der absolute (also der aus der Welt herausgenommene) Raum, in welchen die Gefühle implantiert wurden, mittels Verinnerlichung oder Introjektion.» (In:„Gefühle“. In: Wulf, Christoph (Hg.): Vom Menschen. Handbuch der Historischen Anthropologie; München 1996, S. 525–548; Foto: http://www2.culture.hu-berlin.de/hb/)

23. August 2009
von Tom Levold
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Neurobiologie der Psychotherapie. Beziehung und Komplexität

„Ist die Neurobiologie der Psychotherapie eine Mode, die wieder verschwinden wird? Wird es sich Psychotherapie in Zukunft gefallen lassen müssen, ihre Effektivität über den Nachweis einer signifikanten neurobiologischen Veränderung in einem bildgebenden Verfahren zu dokumentieren? (…) Wird die Neurobiologie der Psychotherapie die Abschaffung der Schulenstreits in der Therapielandschaft vorantreiben oder werden nun erst die Grabenkämpfe darüber vom Zaune gebrochen, welche Therapie das Hirn besser verändert als die anderen? Werden wir Psychotherapeuten neuronengläubig und noch mehr als es bereits geschieht die sozial- und geisteswissenschaftliche Dimension vernachlässigen? Oder wird über die systemwissenschaftliche Zugangsweise der noch sehr lebendige simple Reduktionismus in der
Gehirnforschung weiterhin zurückgedrängt werden, Denken in Komplexität und Nichtlinearität aber gefördert werden?“ Diese und andere Fragen waren Gegenstand einer Tagung zum Thema, die vom 5.-7. Juli in Salzburg (unter der Leitung von Günter Schiepek) stattfand. Andreas Manteufel hat sie besucht und einen außerordentlich detaillierten und informativen Tagungsbericht für das systemagazin geschrieben.
Zum Tagungsbericht…

22. August 2009
von Tom Levold
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X-Organisationen: Doktorandenworkshop

Am Vortag (18.11.09) des Kongresses X-Organisationen, der 3. Biennale für Management und Beratung in Berlin, veranstalten die Ausrichter eine Doktorandenwerkstatt. Zum Gedankenaustausch sind Promovierende eingeladen, die sich in ihrer Forschungsarbeit mit systemtheoretischen Konzepten im Bereich von Management, Organisation und Beratung beschäftigen. Ziel ist es, die Vernetzung der wissenschaftlichen Community im deutschsprachigen Raum weiter voranzutreiben und insbesondere jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen intellektuell anspruchsvollen Diskussions- und Reflexionsraum zu bieten. Im Rahmen des Kongresses wird zudem die Möglichkeit zur Präsentation des eigenen Forschungsvorhabens geboten (zum Flyer…)

Bewerbung zur Teilnahme
Zur Bewerbung ist ein Abstract des Dissertationsprojektes (max. 800 Wörter, etwa 2 A4-Seiten als Word-Datei) einzureichen. Neben der Darstellung des Projektes soll explizit die Frage beantwortet werden „Welchen Problemen werde ich Mitte November gegenüber stehen?“. Bewerbungen sind bis zum 15. September 2009 an dokwerkstatt@mz-witten.de zu richten. Die Veranstaltung ist auf 21 Teilnehmende beschränkt.

22. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Bruno Latour

„Wenn etwas unerreichbar ist, so ist es der Traum von der Natur als homogener Einheit, um die verschiedenen Ansichten der Wissenschaften von ihr zu vereinheitlichen. Dazu müßte man zu viel ignorieren, zu viel Geschichte, zu viele Kontroversen, zu viele unerledigte Aufgaben und lose Enden. Reduzierte die Phänomenologie die Wissenschaft auf die menschliche Intention und überließ sie damit ihrem Schicksal, so wäre die umgekehrte Bewegung, die Menschen als »Naturphänomene« zu studieren, noch schlimmer: Wir müßten die reiche und kontroverse menschliche Wissenschaftsgeschichte aufgeben – und wofür? Für die Normalverteilungs-Orthodoxie einiger Neurophilosophen? Für einen blinden darwinistischen Prozeß, der die geistige Aktivität auf einen Kampf ums Überleben beschränkte, auf die »Tüchtigkeit« für eine Realität, deren wahre Natur uns für immer entginge? Nein, nein, wir finden sicher eine bessere Möglichkeit, wir können die Abwärtsbewegung aufhalten, unsere Schritte zurückverfolgen, und damit nicht nur die Geschichte der Verwicklung der Menschen in das Hervorbringen wissenschaftlicher Fakten bewahren, sondern auch die Verwicklung der Wisenschaften in das Hervorbringen der menschlichen Geschichte“ (In:„Die Hoffnung der Pandora“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002, S. 18)

20. August 2009
von Tom Levold
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Dreißigwortegedicht

Siebzehn Worte schreibe ich
auf dies leere Blatt,
acht hab‘ ich bereits vertan,
jetzt schon sechzehn und
es hat alles längst mehr keinen Sinn,
ich schreibe lieber dreißig hin:
Dreißig.

(Aus: Robert Gernhard. Reim und Zeit. Gedichte. Philipp Reclam Verlag Stuttgart)

20. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Rudolf Stichweh

«In der modernen Gesellschaft lockert sich der enge Zusammenhang von Adressenbildung und Personalisierung. Der Grund dafür liegt in der Unterscheidung von persönlichen und unpersönlichen Beziehungen, die in vieler Hinsicht die alte Unterscheidung von Freunden und Feinden ablöst. Freunde waren mit Name und Adresse bekannt und in der Beobachtung personalisiert; Feinde hatten eher eine kollektive Adresse, und für die Erwartungsbildung ihnen gegenüber war Personalisierung entbehrlich. Wie Luhmann heute noch mit Bezug auf Exklusionsbereiche wahrzunehmen glaubt: Man beobachtete sie als Körper und nicht als Person. In dem Maße aber, in dem unpersönliche Beziehungen, z.B. rein geschäftliche – oder auch: rein sexuelle – Beziehungen, selbstverständlicher und risikoärmer werden, löst sich die Adressenordnung von dem Erfordernis höchstpersönlicher Kenntnis. Bekanntschaft wird dann zu einem Schlüsselphänomen der modernen Gesellschaft. Man verfügt über einen komplexen Set von Adressen, ein Netzwerk von Bekannten, und dieses fungiert als die moderne Form von Sozialkapital, aber der Grad der persönlichen Vertrautheit mit diesen Bekannten variiert sehr stark.» (In: Stefan Andriopoulos, Gabriele Schabacher, Eckhard Schumacher (Hrsg.): Die Adresse des Mediums. DuMont Buchverlag, Köln 2001, S. 28).

19. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Arnold Retzer

„Ich halte wenig davon, den anderen so zu modellieren, dass er der Richtige wird. Es gibt zwei verschiedene Arten, ein Kunstwerk zu erzeugen. Bilder entstehen, indem einer leeren Leinwand Farbe hinzugefügt wird. Bei Skulpturen schlägt der Bildhauer überflüssigen Marmor weg. Die Ehe funktioniert nach dem zweiten Prinzip. Die Vernunft liegt im Weglassen problematischer Dinge. Dazu gehören etwa die Idee von der Herstellbarkeit des Glücks, der Anspruch auf Gleichheit und die Vorstellung, Probleme wären lösbar“ (In:„Reine Liebe ist mit dem Leben unvereinbar“ FAZ-Net-Interview am 19.8.)