systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

7. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 07. Tanja Kuhnert

Generationengrenzen

Insbesondere die Ansätze der strukturellen Familientherapie haben die Bedeutung der Generationengrenzen hervorgehoben. Die Systemtheorie beschreibt die Grenze zwischen System und Umwelt als bedeutsam. Auch Generationen sind sich gegenseitig Umwelten. Für das Weiterbestehen von Systemen ist die Reflexion des Vorherigen „Was war zuerst da und was können wir für die Zukunft daraus lernen?“ überlebenswichtig. Dabei ist es wichtig, die Bedürfnisse der verschiedenen Subsysteme und deren spezifischen Bedürfnisse und Lernbedarfe zu berücksichtigen.
„Ab hier bitte nur noch Kinder“ – meint damit: Lasst die Kinder in ihrem eigenen Tempo und auf ihre eigene Weise lernen, gebt Ihnen Raum zu experimentieren und Fehler zu machen. Aber haltet den sicheren Rahmen, den dies braucht und der von eurer Lebenserfahrung angereichert ist. Und: Der Raum der Erwachsenen ist der Raum der Erwachsenen, mit eigenen Bedürfnissen und Themen. Achtet die Unterschiede und pflegt die Gemeinsamkeiten.

6. Dezember 2021
von Tom Levold
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Klaus G. Deissler wird 70!

Klaus Deissler (Foto: Tom Levold 2010)

Schon vor fünf Jahren ist hier einiges zu Klaus Deissler und seinen Beiträgen zur Entwicklung des systemischen Ansatzes vor allem in seiner sozialkonstruktionistischen Variante anlässlich seines 65. Geburtstages gesagt worden. Heute wird er 70 und systemagazin gratuliert ganz herzlich.

Ein wichtiger Aspekt seiner Arbeit galt immer auch der Verständigung mit und Förderung von Kolleginnen und Kollegen in den damals sozialistischen Ländern Osteuropas und in Kuba.

Auf der Website des Taos-Institutes ist ein schöner Dialog der kubanischen KollegInnen Rosario María Fraga Gómez und Elsa Loipa Araujo Pradere mit Klaus Deissler zu lesen, in dem dieser seine Verbindung und seine Erfahrungen mit dieser Arbeit reflektiert und der offenbar aus dem Jahr 2020 stammt. In der Einleitung heißt es:

„For twelve years now a group of therapists from the Psychiatric Service of the Joaquín Albarrán Hospital in Havana have been working in collaboration with the Family Therapy Institute in Marburg, particularly with you. During this period, we have sustained encounters and dis- encounters, yet we have prevailed despite all the red tape, language barriers and also, perhaps, cultural barriers.
We don’t know if you are aware of what you represent for our Psychiatric Service. We could even say that today there is a time B.K and another A.K, with regards to our postulates as therapists before and after having attended your seminars. We are deeply grateful to you and although we are not religious, we consider your visits a blessing from God, a miracle which has made our dream come true, that of becoming family therapists with practical dialogue training, based on the theory of a The certain thing is that we don’t know specific school. We believe your perseverance, honesty and personal devotion, while working with our team, your style of implied relation, imbued in a sense of passion for your work, made possible for a large group of our physiatrists to embrace this method and will continue to honor your invitation to continue a horizontal dialogue during psychotherapies.
Perhaps we should explain what the acronyms mean:
B.K (before Klaus): we therapists were like the fortune-tellers of the oracles, both aware and proud of our power (knowledge), expected to reveal the ̈truth’’ or current and future problems, based on signs, symptoms, symbols, signals, formulations, language, conduct, emotions, relations, relations, etc., telling people what should be done and how. In our case, the oracle was the family and its narrations.
A.K (after Klaus): the starting point of therapists was one of not knowing. We do not have to boast about our technical knowledge, or reveal hidden secrets, nor do we search for an absolute truth, but rather multiple descriptions. We base ourselves on the family system to find new possible solutions; we do not make critical judgments, inquiring with a positive attitude. We also display our emotions as an element of implied relation, attempting to maintain a symmetric relation and to promote a respect of differences, based on diversity, paralogía, polyphony and multi-vocality.
Due to the fact that at this very moment you are several hundreds of kilometers away, we have not other choice than to attempt a dialogue, as we have done before, through emails. For this purpose we have prepared a series of questions, which we can modify if you do not feel comfortable with them. We would like to know a bit more about you and also to be able to learn, as the conversation unfolds.“

Der vollständige Text kann hier nachgelesen werden…

Lieber Klaus, zum 70. Geburtstag und die Zeit danach alles erdenklich Gute!

Herzliche Grüße, Tom

6. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 06. Barbara Schmidt-Keller

Auftauchen (Mehrfachbelichtung)

Mehrere Perspektiven in Bezug auf ein präsentiertes Problem oder eine Konstellation einnehmen zu können, gilt als eine systemische Kernkompetenz.
Die Neugier bezüglich unterschiedlicher Sichtweisen, das Einnehmen verschiedener Standpunkte sowie das gleichberechtigte Nebeneinander von unterschiedlichen Beobachtungen sind mit den Themen von Neutralität, Konstruktivismus und Kybernetik 2. Ordnung eng verknüpft.
Das Foto ist im Juni 21 entstanden, im ersten Urlaub seit Beginn der Pandemie, den ich wie ein Aufatmen erlebt habe. Es trägt den Titel „Auftauchen.“ Von heute aus gesehen verweist es mich auf eine gewisse Ambiguität und Verunsicherung bezüglich der Frage, ob wir eigentlich tatsächlich jemals über der Wasserlinie waren, im Bereich der ausreichenden Sauerstoffsättigung, oder doch eher im Phänomenbereich des „Land unter“. Also greife ich im Moment auf die Interpunktion zurück: „Auftauchen???“ und vertraue auf ein zukünftiges Ausrufezeichen, im Sinne von: „Hoffnung eliminiert Kontingenz, Vertrauen reflektiert Kontingenz“ (Luhmann).

4. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 04. Christian Michelsen

Uferschwalben

Klöppelei

zu meinen beiden Fotos habe ich folgende Assoziationen:

Diese Uferschwalben leben in Kolonien; hier auf Bornholm. Noch! Als – seit 66 Jahren – Hobby-Ornithologe rätsele ich, aber intensiv erst mit der Ausbildung zum systemischen Familientherapeuten an Antworten zu einer Beschreibung und Erklärung des Verhaltens dieser sozialen Wesen. Wie könnten ihre sie verbindenden Muster der Kommunikation in unsere Sprache gefasst werden? Mit „Instinkt“? „Papi, Was ist ein Instinkt?“ Bateson: „Ein Instinkt, meine Liebe, ist ein Erklärungsprinzip.“ Tochter: „Aber was erklärt es?“ Vater Gregory: „Alles – fast alles überhaupt. Alles, was man damit erklären will.“ Seine Metaloge lese ich wieder und wieder.

Einer meiner Lehrer, Steve de Shazer benutzte gerne die amerikanische Metapher vom Tit-for-tat. Die Geräusche beim Klöppeln von Spitzenmustern imitierend. Im Sinne von Freundlichkeit erzeugt Freundlichkeit. Das Gegenteil auch. Clint Eastwood zum bedrohlichen Colt-Träger an der Bar des Saloons: „Du kannst mir alles sagen, Kamerad, aber lächle dabei.“ Ein Muster, das verbindet. Falls der andere dann auch eine freundliche Miene zieht, nicht den Colt. (Nein! Doch nicht! Falls der den Colt zieht, gibt es ja ein neues Muster, das verbindet.)

3. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 03. Dennis Gildehaus

Schnittstellen

Mein Foto habe ich „Schnittstellen“ genannt, weil es mein systemisches Verständnis und meinen systemischen Umgang in der stationären Jugendhilfe, Jugendpsychiatrie und vor allem in der systemischen Paar- und Familientherapie auf den Punkt bringt. Auf beiden Seiten (Klienten und Therapeuten, Kinder und Eltern etc.) gibt es unglaublich viele Ressourcen und Lösungen, die es erklärbar, vernetzbar und nutzbar zu machen gilt. Nach und nach entsteht an der Schnittstelle etwas Fragiles, was sich dann sanft verbindet und anschließend Festigkeit erreicht, vielleicht sogar Heilung.

2. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 02. Bettina Siebert-Blaesing

Ein Foto, das ich morgens früh beim Gassigehen mit unserem Hund Cookie von unserem Haus gemacht haben. Wir wohnen in einer Hausgemeinschaft mit anderen Generationen und haben hier eine Gartenwohnung. Die Anlage liegt direkt an einem Park. Mich fasziniert das Bild, weil einerseits die Grenzen zum Himmel ganz klar sind, aber die Grenzen der ganzen Bewohner*innen und Familien sowie zur Natur erst im Laufe des neuen Tages von außen sichtbar werden und in sich ja nur, wenn man wirklich in Kontakt treten würde. Ich habe dazu einen Impuls geschrieben:

Der neue Tag
Alles ist klar. Getrennt und dennoch verbunden.
Grenzen sind greifbar. Nur für den Moment.
Himmel und Erde berühren sich. Die Natur, das Leben erwacht.
Doch was wartet in uns, verändert sich? Menschen, Familien, Vertrautes.
Nur ein kleiner Tag, der den Impuls für den nächsten hat.

1. Dezember 2021
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2021 – 01. Alexander Korritko

Liebe Leserinnen und Leser des systemagazin,

wie immer – und wie schon Anfang November hier angekündigt – gibt es auch in diesem Dezember einen Adventskalender, diesmal ebenso wie im vergangenen Jahr mit unterschiedlichen Bildern, die Ihre Assoziationen und visuellen Kommentare zur Frage darstellen, was Sie mit dem Begriff „systemisch“ verbinden. Über die bereits eingegangenen Beiträge habe ich mich gefreut, der Kalender ist aber noch nicht voll und vielleicht haben Sie ja auch noch Lust, selber ein Bild beizusteuern. Der Auswahl der Motive sind dabei keine Grenzen gesetzt: Menschen oder andere Lebewesen, Dinge oder abstrakte Darstellungen – entscheidend ist nur, dass Ihr Bild etwas über eine Situation, eine Empfindung, eine Beobachtung mitteilt, die mit Ihrem Verständnis von systemischen Zusammengängen in Verbindung steht. Ästhetisch-künstlerische Kriterien spielen dabei keine Rolle, es gibt auch keine technischen Anforderungen zu bewältigen – ein Handyfoto ist schon völlig ausreichend. Einzige Voraussetzung: Das Bild/Foto sollte von Ihnen sein. Und die Längskante des eingereichten Bildes sollte mindestens 800 px und maximal 2000 px betragen.

Den Anfang macht Alexander Korittko mit einer Aufnahme, die er in China gemacht hat. Viel Spaß Ihnen allen mit dem diesjährigen Adventskalender und

Herzliche Grüße

Tom Levold
Herausgeber systemagazin

Tanzendes Paar in Guilin

Jeden Morgen zwischen 7 und 9 Uhr tanzen die Menschen in vielen chinesischen Städten. Dieses  Paar befindet sich einerseits in Verbindung durch die gemeinsamen Bewegungen, in diesem Moment in unterschiedliche Richtungen orientiert. Zugleich zeigt die Frau ein Gefühl von Freude und Liebe. Das ist für mich systemisch: zwei Menschen in einem  Muster, das verbindet.

28. November 2021
von Tom Levold
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Norbert Wiener, die Kybernetik und die Zirkularität

Beim Stöbern bin ich auf einen Blog mit dem Titel „wildes weben“ gestoßen, den Astrid Habiba Kreszmeier „als Aktivistin für Sympoietisches“ seit einiger Zeit auf der Website des Carl-Auer-Verlags gestaltet. Dort kreisen ihre Beiträge auf poetische und assoziative Weise mit den Zusammenhängen von Natur, Therapie, Tiefenmythologie und der Schönheit des Lebendigen. Die Thematik der Zirkularität und Rückbezüglichkeit „als lebensbildende Grundlage“ durchzieht dabei alle Beiträge dieses Blogs auf die eine oder andere Weise, so auch der aktuelle Post mit dem Titel „Immer wieder Rückbezüge“ vom 26.11.2021, dessen Zwischenüberschrift „Unheimliche cybernetics“ meine Aufmerksamkeit erregte und mich zu einer kritischen Stellungnahme an dieser Stelle bringt, da die Kommentarfunktion der Carl-Auer-Blogs seit einiger Zeit abgeschaltet ist.

Dem assoziativen Selbstverständnis folgend, mäandriert der Text vom Herbst im Appenzellerland über SVP-Kampagnen gegen die Corona-Politik, die Kybernetik Norbert Wieners, Helm Stierlins Boygroup, männlich perspektivische Geschichtsnarration und die Ethik Heinz von Foersters zurück zur Corona-Politik der Schweiz, ohne dass die Verkettung dieser Assoziationen tatsächlich nachvollziehbar würde. Soweit, so gut – und für einen poetischen Text natürlich völlig angemessen.

Die Bemerkungen zur Kybernetik und zu Norbert Wiener haben mich aber stutzen lassen. Schon in einem früheren Blogbeitrag von April 2021 ist bei ihr zu lesen: „Kybernetik ist und bleibt ein missverständlicher Name, wenn es ums Lebendige geht“, wenngleich dort auch betont wird, dass „zirkuläres Denken schlicht und ergreifend systemisches Denken“ sei.

Ihre Kritik an der Kybernetik leitet sie mit einem Hinweis darauf ein, „dass auch andere, aktuelle Publikationen von Carl-Auer die Rückbezüglichkeit als lebensbildende Grundlage neu thematisieren; dass sie Ethik und Verantwortung gegenüber der Welt vermehrt ansprechen“ und zur „Erinnerung nahezu vergessener Kontexte“ einladen. Dies ist aber kein generelles Plädoyer für die Einbeziehung von Kontexten, vielmehr „gibt es ja auch für mich einige Kontexte, die ich lieber vergessen möchte, weil sie mir unheimlich sind. Zum Beispiel das Wort Kybernetik, übertragen aus dem Englischen: Cybernetics“, und zwar „als interessierte Kollegin, die um Zirkuläres bemüht ist“. 

Nun empfinde ich mich auch als interessierten Kollegen, der um Zirkuläres bemüht ist, und stimme zu, dass zirkuläres Denken ein zentrales Element systemischen Denkens ist. Inwiefern aber die Kybernetik gerade in diesem Punkt unsystemisch sein sollte, hat sich mir aus ihrem Beitrag nicht erschließen können. Womöglich ist ihre Argumentation aber auch darauf zurückzuführen, dass sie sich gar nicht ausreichend mit diesem Kontext befasst hat, den sie ja lieber „vergessen“ möchte. Immerhin nennt sie ja sein 1948 erschienenes Buch „Cybernetics or control and communication in the animal and the machine“, dessen empfehlenswerte Lektüre doch den Vorwurf des „Unsystemischen“ entkräften könnte. Ob sie es wirklich gelesen hat, sei einmal dahingestellt.

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26. November 2021
von Tom Levold
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systeme 2/2021

Ein ziemlich gemischtes Potpourri ist in der aktuellen Ausgabe der systeme zu finden. Ein epistemologischer Text des Altmeisters Karl Tomm sowie Reflexionen zu spielerischen Begegnungen zwischen Therapeuten und Kindern sowie zum Einsatz musikgestützter Methoden in der Systemischen Therapie, Aufsätze zur Bedeutung von affektiver Regulation in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie Klassismus in Beratungskontexten, das alles eingerahmt von ausführlichen Rezensionen. Alle bibliografischen Angaben und abstracts sind hier zu lesen…

23. November 2021
von Tom Levold
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Bindung in Systemischer Therapie und Beratung

Heft 3/2021 des Kontext ist der Frage nach der Bedeutung der Bindungstheorie und den Ergebnissen der Bindungsforschung für die systemische Therapie und Beratung gewidmet. Mathias Berg, Forschungspreisträger der Systemischen Gesellschaft mit einer Arbeit zu den „Auswirkungen systemischer Beratung und Therapie in einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle auf die Bindungssicherheit verhaltensauffälliger Kinder im Grundschulalter“, ist Gastherausgeber des Heftes. Im Editorial schreibt er: „in den vergangenen beiden Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum eine stetige Annäherung. Ganz im Sinne ihres Begründers, ist die Bindungstheorie für Beraterinnen und Therapeuten nicht ausschließlich als entwicklungspsychologische Theorie zu verstehen, sondern als ein dynamisches Konzept, welches über die Forschung hinaus auch und insbesondere die klinische Praxis beeinflusst und gestaltet. Dass Bindungstheorie und systemische Praxis dabei hierzulande erst relativ spät zueinander gefunden haben, lässt sich unter anderem an zahlreichen englischsprachigen Publikationen ablesen (…), die davon zeugen, dass andernorts das Potenzial des Bindungskonzepts in der systemischen und familientherapeutischen Arbeit bereits deutlich mehr Beachtung fand und findet. In einer Untersuchung im angloamerikanischen Sprachraum, die 275 empirische familientherapeutische Studien hinsichtlich ihrer Referenztheorie auswertete, kam die Bindungstheorie auf Platz zwei hinter den Systemtheorien (…). Diese und ähnliche Entwicklungen könnten auch die deutschsprachigen Aus- und Weiterbildungen von systemischen (Psycho-)Therapeuten und Beraterinnen sowie die systemisch orientierte Forschung beflügeln. Denn in vielen Bereichen der therapeutischen Praxis scheint die Resonanz bezüglich eines elaborierten Konzepts von Bindung groß. Doch was macht die Bindungstheorie so reizvoll für die Systemische Therapie/Beratung? Füllt Sie eine Leerstelle innerhalb der systemischen Behandlungskonzepte (…), indem sie die traditionell interpersonell-familiendynamische Sichtweise durch anschlussfähige intrapsychische Variablen ergänzt (…)? Oder spezifiziert sie gar systemisches Beziehungswissen, indem sie Erkenntnisse und Forschungsbefunde vorlegt, die insbesondere Therapeuten, die mit Familien, Kindern, Jugendlichen oder Paaren arbeiten, anregen – und darüber hinaus dort bedeutsam sind, wo (Bindungs-)Beziehungen massiv gestört wurden, wie z. B. in der Arbeit mit traumatisierten Menschen? Wie Helm Stierlin bereits 1995 (…) formulierte, »…fordert die Bindungsforschung zu einem […] Umdenken heraus. Aber weiter: Diese Forschung wirft Fragen auf, die nicht zuletzt auch und gerade systemische Theoretiker und Therapeuten angehen.«“

Texte von Alexander Trost, Kirsten von Sydow, Albert Lenz & Thomas Köhler-Saretzki sowie Mathias Berg (mit einer Zusammenfassung der o.g. Studie) vertiefen diese Frage. Darüber hinaus enthält das Heft wieder viele Rezensionen. Alle bibliografischen Angaben mit abstracts gibt es wie immer hier zu lesen…

13. November 2021
von Tom Levold
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Heinz von Foerster und die Kybernetik 2. Ordnung

Heute vor 110 Jahren wurde Heinz von Foerster, der Namensgeber der Kybernetik 2. Ordnung, in Wien geboren. Auf einer Tagung zum Thema „Communication and Control in Society“ hielt er eine kurze Rede, die im von Klaus Krippendorf 1979 zum gleichen Thema herausgegebenen Band, der bei Gordon & Breach in New erschien, abgedruckt wurde (S. 5–8).

Der englische Text endet mit einer Passage, die ich ins Deutsche übersetzt habe, und die die ethische Implikation der Kybernetik 2. Ordnung gut zum Ausdruck bringt: „Ich habe bereits vorgeschlagen, dass eine Therapie zweiter Ordnung erfunden werden muss, um mit den Störungen zweiter Ordnung umzugehen. Ich behaupte, dass wir die Kybernetik der beobachteten Systeme als Kybernetik erster Ordnung betrachten können, während die Kybernetik zweiter Ordnung die Kybernetik der beobachtenden Systeme ist. Dies steht im Einklang mit einer anderen Formulierung von Gordon Pask. Auch er unterscheidet zwei Ordnungen der Analyse. Diejenige, bei der der Beobachter in das System eintritt, indem er den Zweck des Systems festlegt. Wir können dies eine „Vorgabe erster Ordnung“ nennen. Bei einer „Vorgabe zweiter Ordnung“ tritt der Beobachter in das System ein, indem er seinen eigenen Zweck festlegt.
Damit scheint klar zu sein, dass die Sozialkybernetik eine Kybernetik zweiter Ordnung sein muss – eine Kybernetik der Kybernetik -, damit der Beobachter, der in das System eintritt, seinen eigenen Zweck festlegen kann: Er ist autonom. Wenn wir das nicht tun, wird jemand anderes einen Zweck für uns bestimmen. Und wenn wir das nicht tun, liefern wir denen, die die Verantwortung für ihr eigenes Handeln auf andere abwälzen wollen, die Ausrede: „Ich bin nicht verantwortlich für mein Handeln, ich befolge nur Befehle. Wenn wir schließlich scheitern, die Autonomie jedes Einzelnen anzuerkennen, könnten wir uns in eine Gesellschaft verwandeln, die zwar Verpflichtungen hochhält, aber dabei ihre Verantwortlichkeiten vergisst.“

Der vollständige Text ist unter dieser Adresse im Internet zu lesen…